Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslandsrentner. Beitragszuschuß
Leitsatz (redaktionell)
Das Territorialprinzip steht der Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland nicht entgegen.
Anspruch auf den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4 haben Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten, wenn die Versicherungsprämien für ihre private Krankenversicherung in etwa dem Betrag entsprechen, den privat versicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung entrichten.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 S. 2 Fassung: 1956-06-12, § 1315 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1960-02-25
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1970 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
I
Die Beteiligten streiten über die Pflicht der Beklagten zur Zahlung des Beitragszuschusses (§ 381 Abs. 4 der Reichsversicherungsordnung - RVO -) in die USA.
Der Kläger, der 1939 über England in die USA emigrierte, hier auch heute noch wohnhaft und seit 1949 amerikanischer Staatsangehöriger ist, bezieht seit dem 1. Juli 1965 von dem beklagten Versicherungsträger das Altersruhegeld (Bescheid vom 23. Februar 1968). Seinen am 29. August 1968 und erneut am 22. Januar 1969 gestellten Antrag auf Zubilligung des Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die §§ 1315 ff RVO sähen die Auszahlung des Zuschusses ins Ausland nicht vor. Da ein von diesen Bestimmungen abweichendes Sozialversicherungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den USA nicht bestehe, könne der Kläger die beantragte Leistung nicht verlangen (Bescheid vom 5. März 1969).
Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Es sei zweifelhaft, ob der Kläger überhaupt anspruchsberechtigt im Sinne von § 381 Abs. 4 RVO sei, weil ab 1. Januar 1968 die Rentner auch ohne Erfüllung einer Vorversicherungszeit pflichtversichert seien und weil die Befreiungstatbestände des § 173a RVO nicht vorlägen. Auf alle Fälle könne die Leistung nicht gewährt werden, weil eine Zahlung des Beitragszuschusses an Berechtigte, die im Ausland leben, nicht vorgesehen sei. Ob Leistungen ins Ausland zu erbringen seien, richte sich nach den §§ 1315 ff RVO. Hiernach seien aber nur Renten und Beitragserstattungen ins Ausland vorgesehen, nicht aber der Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO. Eine Auslegung der Ausnahmevorschrift für Renten und Beitragserstattungen auf die Beitragszuschüsse sei nicht vorgesehen. Die Zulässigkeit der Zahlung ergebe sich auch nicht aus internationalen Abkommen, insbesondere nicht aus dem deutsch-amerikanischen Freundschafts-, Handels- und Schiffahrtsvertrag vom 29. Oktober 1954 (BGBl 1956 II 484). Schließlich sei auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung oder gegen das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu verneinen. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Kläger hat gegen das Urteil Revision eingelegt.
Er trägt vor: Die Ansicht des LSG, daß die Beitragszuschüsse nicht ins Ausland gezahlt werden dürften, finde in der RVO keine gesetzliche Grundlage. Vielmehr müßten die Leistungen auch an Berechtigte im Ausland erbracht werden, sofern nicht die Leistung durch ein Gesetz ausdrücklich ausgeschlossen sei. Die §§ 1315 ff RVO enthielten keine abschließende Regelung, in welchen Fällen Regelleistungen an im Ausland lebende Versicherte gewährt werden dürften. Diese Vorschriften befassen sich lediglich mit Rentenleistungen. Die Vorschriften über Leistungen ins Ausland (§§ 1315 ff RVO) wären zu einer Zeit ergangen, als die RVO noch keinen Beitragszuschuß gekannt habe. Art. 3 des Grundgesetzes sei verletzt, weil der Kläger aufgrund seines Auslandsaufenthaltes willkürlich von der Vergünstigung des § 381 Abs. 4 RVO ausgeschlossen worden sei. Der Kläger halte sich auch nicht freiwillig außerhalb Deutschlands auf, sondern habe aus politischen Gründen Deutschland verlassen müssen.
Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 9. Juli 1970 und des SG Düsseldorf vom 12. Dezember 1969 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. März 1969 aufzuheben und die Beklagte zur Zahlung eines Beitragszuschusses nach § 381 Abs. 4 RVO vom 1. Juli 1965 an zu verurteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.
II
Die Revision ist begründet.
Wie der Senat in seinen Urteilen vom 28. August 1970 (BSG 31, 288 = SozR Nr. 24 zu § 381 RVO) und 27. Mai 1971 (3 RK 64/70) entschieden hat, können Rentner, die sich gewöhnlich im Ausland aufhalten und dort privat gegen Krankheit versichert sind, auch dann einen Zuschuß zu ihrem Krankenversicherungsbeitrag erhalten, wenn sich dies nicht aus einer zwischen- oder überstaatlichen Regelung ergibt. Dabei stehen die Vorschriften über die Leistungen der Rentenversicherung bei Auslandsaufenthalt (§§ 1315 ff RVO) diesem Ergebnis nicht entgegen, da weder der Wortlaut noch der Zweck des § 381 Abs. 4 RVO dafür sprechen, die Zahlung von Beitragszuschüssen auf Rentner im Inland zu beschränken. Es wäre mit der Zielsetzung des Gesetzes, allen nicht pflichtversicherten Rentnern aus Gründen der Gleichbehandlung einen ausreichenden Krankenversicherungsschutz zu ermöglichen, nicht vereinbar, wenn der Beitragszuschuß nur den freiwillig versicherten Rentnern im Inland zugute käme, den im Ausland lebenden jedoch trotz Bestehens einer privaten Krankenversicherung versagt bliebe. Der Senat hat auch in dem genannten Urteil weiter ausgeführt, daß das Territorialprinzip die Zahlung von Beitragszuschüssen in das Ausland nicht hindere. Vielmehr kenne die deutsche Sozialversicherung keinen allgemeinen für alle Versicherungszweige gültigen Grundsatz, Leistungen nur an Berechtigte im Inland zu erbringen, während sie bei Auslandsaufenthalt ruhten.
Andererseits dürfen jedoch Rentner im Ausland nicht allein wegen ihres Auslandsaufenthaltes besser gestellt werden als im Inland wohnende Rentner. Bei ihnen wurde der Abschluß einer "Vollversicherung" in der Form gefordert, daß ihnen bei ambulanter und stationärer Behandlung Leistungen zustehen, die in etwa denen der freiwillig Versicherten in der gesetzlichen Krankenversicherung entsprechen (BSG 23, 42 und 27, 129, 131). Wenn eine solche Vollversicherung besteht, kommt es auf die Höhe der gezahlten Versicherungsprämie nicht an. Dies ist insbesondere von Bedeutung für Rentner in den USA, die gegen bestimmte Krankheitsrisiken beitragsfrei versichert sind und schon mit Hilfe verhältnismäßig billiger Zusatzversicherungen vollen Krankenversicherungsschutz erwerben können. Im allgemeinen muß es als ausreichend angesehen werden, daß die Versicherungsprämien der Auslandsrentner in etwa dem Betrag entsprechen, den privat versicherte Inlandsrentner durchschnittlich für ihre Krankenversicherung entrichten.
Unter den Beteiligten ist streitig, ob die Krankenversicherung des Klägers diesen Anforderungen entspricht. Weil das LSG von seinem abweichenden rechtlichen Standpunkt aus keine Feststellungen hierüber getroffen hat, kann der Senat nicht abschließend entscheiden. Das Urteil des LSG muß daher aufgehoben und der Rechtsstreit an das LSG zurückverwiesen werden.
Diesem wird auch die Entscheidung über die Kosten es Revisionsverfahrens überlassen.
Fundstellen