Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Ersatzanspruches
Leitsatz (redaktionell)
Der Kindergeldkasse ist das infolge späteren Wegfalls des Leistungsgrundes zu Unrecht ausgegebene Kindergeld wieder zu erstatten.
Das zu erstattende Kindergeld und die nachzuzahlenden Kinderzuschüsse waren nicht bei der Berechnung des Ersatzanspruchs Monat für Monat gegenüberzustellen.
Normenkette
BKGG § 23 Abs. 1 S. 2 Fassung: 1969-06-25
Tenor
Das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 2. April 1970 wird aufgehoben. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 9. April 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Beigeladenen die Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der Versicherte - Vater von zwei Kindern - hatte für sein zweites Kind von August bis Dezember 1967 Kindergeld von monatlich 25,- DM bezogen. Auf denselben Zeitabschnitt zurückwirkend bewilligte ihm die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) Rente wegen Erwerbsunfähigkeit. In der Rente waren für jedes der beiden Kinder Zuschüsse von monatlich 70,80 DM enthalten. Die Klägerin (Kindergeldkasse) verlangte von dem Versicherten das für die Zeit der Rentennachzahlung geleistete Kindergeld (5 x 25,- DM = 125,- DM) zurück; den Anspruch auf die Kinderzuschüsse leitete sie durch schriftliche Anzeige auf den Bund über (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Bundeskindergeldgesetzes - BKGG - in der bis zum Inkrafttreten des 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetzes vom 16. Dezember 1970 - BGBl I 1725 - geltenden Fassung).
Die Beklagte überwies an die Kindergeldkasse lediglich den Betrag von 75,- DM. Im übrigen verwendete sie die Rentennachzahlung zur Abgeltung einer Ersatzforderung der Krankenkasse. Diese hatte Krankengeld gewährt und gemäß § 183 Abs. 3 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) die Rentennachzahlung für die Zeit vom 29. September bis 28. November 1967 für sich beansprucht. Mit Rücksicht hierauf hatte die LVA angenommen, der Kindergeldkasse stehe der Kinderzuschuß nur für die Monate August, September und Dezember 1967, und zwar nur für das zweite Kind des Versicherten zum Ausgleich zur Verfügung.
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, die Restforderung der Klägerin von 50,- DM zu begleichen. Das Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Kindergeldkasse stehe wegen des für Oktober und November 1967 gezahlten Kindergeldes eine Rückforderung nicht zu. Vielmehr habe der Versicherte in diesen Monaten zu Recht Kindergeld neben Krankengeld erhalten. An dieser Rechtslage habe sich durch die nachträgliche Rentenbewilligung nichts geändert. Der Anspruch auf die später angefallenen Rentenbeträge sei auf die Krankenkasse übergegangen. Dadurch sei eine Doppelleistung vermieden worden. Tatsächlich und rechtlich sei es bei der Leistung des Krankengeldes geblieben. Dagegen habe der Versicherte in der fraglichen Zeit den Kinderzuschuß aus der Rentenversicherung effektiv nicht erhalten. Mithin sei auch der Tatbestand des § 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG, der die Rückforderung der Klägerin begründen könnte, nicht erfüllt.
Die Klägerin hat Revision eingelegt; sie beantragt das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurückzuweisen. Sie hält die Ansicht, daß der Versicherte im Oktober und November 1967 keine Rente erhalten habe, für unzutreffend. Diese Auffassung ist ihres Erachtens mit § 183 Abs. 3 Satz 1 RVO nicht zu vereinbaren. Danach sei, so meint sie, dem Anspruch auf Krankengeld nachträglich von dem Tage, von dem an die Rente bewilligt worden sei, der Rechtsgrund entzogen worden. Somit habe der Versicherte in den genannten Monaten Rente einschließlich Kinderzuschuß bezogen und deshalb das Kindergeld zurückzuzahlen. - Vorsorglich beantragt die Klägerin für den Fall, daß über das Rangverhältnis zwischen ihrem Ersatzanspruch und dem Forderungsübergang zugunsten der Krankenkasse zu entscheiden sei, den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die Krankenkasse beigeladen werden könne.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Revision der Klägerin ist begründet. Ihre Klagebefugnis ist daraus herzuleiten, daß sie nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG in der bis zum 31. Dezember 1970 geltenden Fassung den Anspruch auf die aus der Rentenversicherung nachzuzahlenden Kinderzuschüsse wirksam an sich gezogen hat. Die Vorschrift des § 8 Abs. 3 BKGG, die mit dem 2. Änderungs- und Ergänzungsgesetz vom 16. Dezember 1970 geschaffen worden und an die Stelle des § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG aF getreten ist, gilt nicht für den hier zu beurteilenden, vor dem 1. Januar 1971 abgeschlossenen Sachverhalt (Art. 5 Abs. 1 des angeführten Gesetzes). Die Klägerin hat in Höhe der geltend gemachten Forderung ein eigenes Recht erworben. Der Versicherte hat Kindergeld erhalten, das ihm - wie sich durch die rückwirkende Bewilligung der Rente aus der Rentenversicherung herausgestellt hat - nicht zustand (§ 8 Abs. 1 Nr. 1 BKGG).
Daran ändert nichts, daß die Rentennachzahlung mit den Kinderzuschüssen nicht dem Versicherten, sondern der Krankenkasse zugeflossen ist. Von dieser Rechtsfolge ist für § 183 Abs. 5 Halbsatz 2 RVO das Bundessozialgericht (BSG) in der in SozR Nr. 3 zu § 8 BKGG veröffentlichten Entscheidung ausgegangen. Das gleiche ist unbedenklich aus denselben Gründen für die hier anzuwendende Vorschrift des § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO zu übernehmen. Sonach ist der Kindergeldkasse das infolge späteren Wegfalls des Leistungsgrundes zu Unrecht ausgegebene Kindergeld wieder zu erstatten.
Für diese Rückforderung haftet der Anspruch auf die Kinderzuschüsse aus der Rentenversicherung nach Maßgabe des § 23 Abs. 1 BKGG aF. Hieraus folgt die Berechtigung der Klageforderung. Dabei ist es im Streitfalle nicht einmal erheblich, in welchem Rangverhältnis die Ersatzforderungen der Krankenkasse und der Kindergeldkasse zueinander stehen (hierzu: BSG 29, 164; SozR Nr. 3 zu § 8 BKGG aF; Urteile vom 25. Mai 1971 - 4 RJ 19 b/71 - und 4 RJ 467/69). Das Ergebnis ist bereits aus der Art und dem Umfang herzuleiten, die der Forderungsüberleitung gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 BKGG aF innewohnen.
Das zu erstattende Kindergeld und die nachzuzahlenden Kinderzuschüsse waren nicht, wie die Beklagte meint, bei der Berechnung des Ersatzanspruchs Monat für Monat gegenüberzustellen. Vielmehr war von der Gesamtzeit der nebeneinander gestellten Leistungen auszugehen, so daß der Gesamtbetrag der Kindergeldleistungen mit dem Endbetrag der angesammelten Kinderzuschüsse aus der Rentenversicherung zu vergleichen war. Diese Rechtsfolge ergibt sich aus dem Wortlaut des § 23 Abs. 1 Satz 2 BKGG aF, vor allem aber aus dem Zweck des Gesetzes, nämlich Doppelleistungen zu vermeiden oder auszugleichen. Wegen weiterer Einzelheiten zur Begründung dieser Gesetzesauslegung wird auf die Entscheidung des Senats vom 25. Mai 1971 - 4 RJ 19 b/71 - hingewiesen.
Von dieser Rechtsauffassung her fiel die Klägerin mit ihrer Ersatzforderung für Oktober und November 1967 nicht aus, obgleich die Rente voll der Krankenkasse überwiesen wurde. Der Zugriff erstreckte sich auch auf die Kinderzuschüsse für August, September und Dezember 1967. Aus den für diese Monate angefallenen Beträgen, nämlich allein für das zweite Kind des Versicherten 3 x 70,80 DM, also 212,40 DM, konnte der gesamte Kindergeldaufwand von 125,- DM ausgeglichen werden. Mithin hat die Klägerin - außer den an sie gezahlten 75,- DM - noch 50,- DM zu erhalten.
Weil es nach dem Ausgeführten auf das Rangverhältnis zwischen der Ersatzforderung nach § 183 Abs. 3 Satz 2 RVO und der nach § 23 Abs. 1 Satz 1 BKGG aF nicht ankommt, sind die Interessen der Krankenkasse nicht berührt. Deshalb stellt sich nicht die Frage ihrer Beiladung.
Auf die Revision der Klägerin hin ist das Berufungsurteil aufzuheben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.
Fundstellen