Leitsatz (amtlich)
1. Wird während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt, so gilt in entsprechender Anwendung des SGG § 171 Abs 2 der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim SG angefochten.
2. Wehrdienst in der Zeit vor Inkrafttreten des WehrG vom 1935-05-21 ist auch unter Berücksichtigung des Gesetzes über die Beurlaubung von Angestellten und Arbeitern für Zwecke der Leibeserziehung vom 1935-02-15 und der Verordnung über die Einberufung zu Übungen der Wehrmacht vom 1935-11-25 nicht iS AVG § 28 Abs 1 Nr 1 (= RVO § 1251 Abs 1 Nr 1) aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden.
Normenkette
SGG § 171 Abs 2 Fassung: 1953-09-03; AVG § 28 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1251 Abs 1 Nr 1 Fassung: 1957-02-23; LeibErzBeurlG § 1 Fassung: 1935-12-15; LeibErzBeurlGV § 5 Abs 5; WehrmÜbV § 1 Fassung: 1935-11-25, § 2 Fassung: 1935-11-25, § 5 Fassung: 1935-11-25
Verfahrensgang
LSG Berlin (Entscheidung vom 16.03.1979; Aktenzeichen L 1 An 147/78) |
SG Berlin (Entscheidung vom 25.04.1978; Aktenzeichen S 13 An 381/78) |
Tatbestand
Gegenstand des Rechtsstreits ist ein Anspruch auf höheres Altersruhegeld unter Berücksichtigung einer weiteren Ersatzzeit.
Der am 30. August 1910 geborene Kläger leistete vom 1. April bis 12. Oktober 1935 und sodann wieder während des Krieges Wehrdienst. Mit Bescheid vom 29. Oktober 1973 bewilligte ihm die Beklagte für die Zeit ab 1. Oktober 1973 Altersruhegeld wegen Vollendung des 63. Lebensjahres. Bei der Berechnung der Leistung berücksichtigte sie den Zeitraum vom 1. April bis 12. Oktober 1935 nicht als Versicherungszeit. Im Verlaufe des nachfolgenden Klageverfahrens erkannte sie jedoch die Zeit vom 1. bis 12. Oktober 1935 als Ersatzzeit an.
Die auf die Anerkennung auch der Zeit vom 1. April bis 30. September 1935 gerichtete Klage wies das Sozialgericht (SG) Berlin ab (Urteil vom 24. Oktober 1975). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin wies die Berufung des Klägers mit Urteil vom 24. September 1976 zurück. Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil legte der Kläger Beschwerde beim Bundessozialgericht (BSG) ein. Während des Beschwerdeverfahrens erklärte sich die Beklagte bereit, die Wehrdienstzeit vom 21. Mai bis 30. September 1935 ebenfalls als Ersatzzeit anzuerkennen und das Altersruhegeld des Klägers entsprechend neu zu berechnen. Diese Neuberechnung erfolgte durch Bescheid vom 23. Dezember 1976. Die Beteiligten erklärten daraufhin das Beschwerdeverfahren in der Hauptsache für erledigt.
Mit der Klage wegen des Bescheides vom 23. Dezember 1976 verfolgte der Kläger seinen Anspruch auf Berücksichtigung des Zeitraums vom 1. April bis 20. Mai 1935 als Ersatzzeit weiter. Das SG Berlin hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 25. April 1978). Das LSG Berlin hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 16. März 1979) und zur Begründung ausgeführt:
Der Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 1976 sei in zumindest entsprechender Anwendung des § 171 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als mit der Klage beim SG angefochten anzusehen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf ein höheres Altersruhegeld unter Anrechnung der Wehrdienstzeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 als Ersatzzeit. Zwar sei der Dienst militärischer Dienst gewesen. Er sei jedoch nicht aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden. Die Wehrpflicht aufgrund des Wehrgesetzes vom 21. Mai 1935 (RGBl I S 609) (im folgenden: WehrG) habe erst von diesem Tage an bestanden. Vor diesem Zeitpunkt sei Wehrdienst nicht aufgrund einer gesetzlichen Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden. Auf das Gesetz über die Beurlaubung von Angestellten und Arbeitern für Zwecke der Leibeserziehung vom 15. Februar 1935 (RGBl I S 197) (im folgenden: LEG) und die dazu ergangene Verordnung zum Gesetz über die Beurlaubung von Angestellten und Arbeitern für Zwecke der Leibeserziehung vom 19. März 1935 (RGBl I S 382) (im folgenden LEGVO) sowie auf die Verordnung über die Einberufung zu Übungen der Wehrmacht vom 25. November 1935 (RGBl I S 1358) (im folgenden ÜVO) könne sich der Kläger nicht berufen. Im übrigen habe der Gesetzgeber bei der Schaffung des § 28 Abs 1 Nr 1 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) bewußt davon abgesehen, militärische Dienstleistungen aus der geheimen Aufbauzeit der Wehrmacht in die Ersatzzeitenregelung mit einzubeziehen.
Mit der vom Senat zugelassenen Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 28 AVG. Die Vorschrift stelle nicht auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des WehrG ab. Vielmehr sei jeder militärische oder militärähnliche Dienst als Ersatzzeit zu berücksichtigen, sofern nur die Voraussetzungen der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) erfüllt seien. Das LSG habe § 28 AVG zu eng ausgelegt und dabei die vor Inkrafttreten des WehrG geltenden Gesetze, insbesondere das LEG, unbeachtet gelassen. Die Zeiten des unter der Herrschaft dieser Gesetze geleisteten Wehrdienstes seien Ersatzzeiten im Sinne des § 28 AVG.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Urteile des Landessozialgerichts Berlin vom
16. März 1979 und des Sozialgerichts Berlin vom
25. April 1978 aufzuheben und die Beklagte unter
Abänderung ihres Bescheides vom 23. Dezember 1976
zu verurteilen, ihm unter Berücksichtigung einer weiteren
Ersatzzeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 ein
höheres Altersruhegeld zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt vor, nach allgemeiner Ansicht sei Wehrdienst wegen gesetzlicher Wehrpflicht erst aufgrund des WehrG ab 21. Mai 1935 geleistet worden. Vorherige Wehrdienstleistungen seien freiwillig gewesen und könnten nur unter bestimmten Voraussetzungen als Ersatzzeiten anerkannt werden. Diese Voraussetzungen seien beim Kläger nicht erfüllt. Das LEG und die LEGVO seien eine Art gesetzgeberischer Vorbereitungsmaßnahmen zum WehrG gewesen. Dienstleistungen aus der geheimen Aufbauzeit der Wehrmacht könnten jedoch nicht in die Ersatzzeitenregelung einbezogen werden.
Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs 2 SGG erklärt.
Entscheidungsgründe
Die durch Zulassung statthafte Revision des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.
Das angefochtene Urteil ist nicht zu beanstanden. Das gilt zunächst insoweit, als das LSG in der Sache selbst entschieden hat. Es ist nicht aus verfahrensrechtlichen Gründen an einer Sachentscheidung gehindert gewesen. Bei einer zulässigen Revision ist auch ohne eine entsprechende Rüge eines Beteiligten von Amts wegen zu prüfen, ob Verstöße gegen prozeßrechtliche Grundsätze vorliegen, welche im öffentlichen Interesse zu beachten sind und deren Befolgung dem Belieben der Beteiligten entzogen ist. Dabei ist es unerheblich, ob der Mangel nur das Revisionsverfahren oder schon das Klage- oder Berufungsverfahren betrifft (BSG SozR 1500 § 161 Nr 26 S 53 mwN). Zu den unverzichtbaren Prozeßvoraussetzungen gehört die Zulässigkeit der Klage (BSGE 16, 21, 23; 49, 163, 165 = SozR 1500 § 87 Nr 6 S 6) bzw daß eine Klage überhaupt anhängig geworden ist (BSG SozR 1500 § 85 Nr 9 S 16). Das hat das LSG zu Recht bejaht. Der während des Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde erlassene Bescheid der Beklagten vom 23. Dezember 1976 gilt in entsprechender Anwendung des § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten. Nach dieser Vorschrift gilt, wenn während des Revisionsverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird, der neue Verwaltungsakt als mit der Klage beim SG angefochten, sofern nicht der Kläger durch den neuen Verwaltungsakt klaglos gestellt oder dem Klagebegehren durch die Entscheidung des Revisionsgerichts zum ersten Verwaltungsakt in vollem Umfange genügt wird. Eine unmittelbare Anwendung des § 171 Abs 2 SGG kommt nicht in Betracht. Der Bescheid vom 23. Dezember 1976 ist nicht während eines Revisionsverfahrens ergangen. Vielmehr ist er während eines Verfahrens der Nichtzulassungsbeschwerde erlassen worden. In diesem Falle ist jedoch eine entsprechende Anwendung des § 171 Abs 2 SGG geboten. Das ergibt sich aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Im Laufe des Verfahrens ergangene Verwaltungsakte, sofern sie den angefochtenen abändern oder ersetzen, werden in erster und zweiter Instanz gemäß §§ 96, 153 SGG Gegenstand des Klage- bzw des Berufungsverfahrens und sind dann vom SG bzw vom LSG in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nachzuprüfen. Für das BSG hat demgegenüber eine Sonderregelung getroffen werden müssen. Es könnte nämlich einen neuen Bescheid nur in rechtlicher Hinsicht nachprüfen. Eine Nachprüfung muß aber auch in tatsächlicher Hinsicht möglich sein. Deshalb gilt ein während des Revisionsverfahrens ergangener Verwaltungsakt als mit der Klage beim SG angefochten (vgl BSGE 15, 105, 107 = SozR Nr 3 zu § 171 SGG).
Für einen während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens erlassenen neuen Verwaltungsakt muß dies erst recht gelten. Insofern ist das BSG noch nicht einmal zu einer Überprüfung in rechtlicher Hinsicht befugt. Vielmehr ist im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde allein darüber zu befinden, ob einer der Zulassungsgründe des § 160 Abs 2 SGG wirksam geltend gemacht worden ist (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG) und vorliegt. Damit muß auch und gerade in diesen Fällen der dem § 171 Abs 2 SGG zugrundeliegende Rechtsgedanke durchgreifen, daß im Interesse des Betroffenen durch die Fiktion der Anfechtung mit der Klage beim SG die Möglichkeit einer umfassenden Nachprüfung des neuen Verwaltungsaktes in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht eröffnet wird. Dies rechtfertigt die entsprechende Anwendung des § 171 Abs 2 SGG auf den Fall, daß während des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens der angefochtene Verwaltungsakt durch einen neuen abgeändert oder ersetzt wird. Die hierfür erforderlichen Voraussetzungen sind erfüllt. Durch den Bescheid vom 23. Dezember 1976 ist das Altersruhegeld des Klägers vom Beginn der Bezugszeit (1. Oktober 1973) unter Berücksichtigung des Zeitraums vom 21. Mai bis 30. September 1935 als Ersatzzeit neu festgestellt und damit der ursprünglich angefochtene Verwaltungsakt vom 29. Oktober 1973 ersetzt worden. Hierdurch ist der Kläger aber nicht klaglos gestellt worden. Auch der neue Bescheid vom 23. Dezember 1976 hat seinem Begehren auf Berücksichtigung der Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 als Ersatzzeit nicht entsprochen. Hinsichtlich dieses den Kläger beschwerenden Teils gilt somit der neue Verwaltungsakt entsprechend § 171 Abs 2 SGG als mit der Klage beim SG angefochten.
Dem Urteil des LSG ist auch in sachlicher Hinsicht beizupflichten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anrechnung der Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 als Ersatzzeit bei der Feststellung seines Altersruhegeldes. Rechtsgrundlage dieses Anspruchs ist § 28 Abs 1 Nr 1 AVG in der hier maßgeblichen Fassung des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 (BGBl I S 476). Danach werden für die Erfüllung der Wartezeit - und zugleich bei der Ermittlung der für die Höhe der Rente wesentlichen anrechnungsfähigen Versicherungsjahre (§ 35 Abs 1 AVG) - als Ersatzzeiten angerechnet Zeiten des militärischen und militärähnlichen Dienstes im Sinne der §§ 2 und 3 BVG, der aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet worden ist.
Der Kläger hat vom 1. April bis 20. Mai 1935 militärischen Dienst geleistet. Hierunter fällt jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat (§ 2 Abs 1 Buchst a BVG). Der militärische Dienst ist nicht während eines Krieges geleistet worden. Seine Berücksichtigung als Ersatzzeit gemäß § 28 Abs 1 Nr 1 AVG kann somit nur unter der Voraussetzung erfolgen, daß er aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden ist. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.
Zur Zeit der Dienstleistung des Klägers vor dem 21. Mai 1935 hat eine allgemeine Wehrpflicht noch nicht bestanden. Sie ist entsprechend der programmatischen Ankündigung in § 1 des Gesetzes für den Aufbau der Wehrmacht vom 16. März 1935 (RGBl I S 375) erst durch das WehrG eingeführt worden und hat vom Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes am 21. Mai 1935 an gegolten. Damit kann grundsätzlich nur ein nach dem 20. Mai 1935 ausgeübter militärischer Dienst als aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet angesehen werden. Zwar gilt dies auch dann, wenn sich der Versicherte bereits zu einem früheren als dem für die Erfüllung der aktiven Dienstpflicht vorgeschriebenen Zeitpunkt (in der Regel das Kalenderjahr der Vollendung des 20. Lebensjahres; vgl § 8 Abs 2 WehrG) oder als Angehöriger der Ersatzreserve (§ 10 WehrG) zur Ableistung aktiver Dienstpflicht verpflichtet hat (vgl BSGE 42, 159, 161 = SozR 2200 § 1251 Nr 24 S 65 f; BSG SozR 2200 § 1251 Nr 57 S 146; Nr 68 S 175; Nr 79 S 208). Friedensdienstzeiten eines Berufssoldaten hingegen sind selbst dann nicht aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden, wenn der Berufssoldat ohne die Ausübung seines Berufes während derselben Zeit aufgrund gesetzlicher Wehrpflicht militärischen Dienst hätte leisten müssen. Erst recht muß dies gelten, wenn der Versicherte gar keinen Militärdienst aufgrund gesetzlicher Vorschrift zu leisten gehabt hätte (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 26 S 70; Nr 57 S 146; Nr 76 S 200; jeweils mwN). Das trifft insbesondere für diejenigen Versicherten zu, die vor dem 21. Mai 1935 als Soldaten in die Reichswehr eingetreten sind. Sie haben ihre Dienstleistung nicht im Hinblick auf eine Wehrpflicht, sondern berufsmäßig begonnen. Die spätere Einführung der Wehrpflicht hat der Dienstleistung nicht nachträglich den Charakter der Berufsmäßigkeit nehmen können (BSG SozR 2200 § 1251 Nr 79 S 209).
Der Kläger hat demnach den militärischen Dienst in der Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 nicht aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet. Etwas anderes läßt sich entgegen seiner Ansicht auch nicht aus dem LEG und der hierzu ergangenen LEGVO herleiten. Nach § 1 LEG war jeder im Reichsgebiet beschäftigte deutsche männliche Angestellte oder Arbeiter auf seinen Antrag von seinem Unternehmer (Arbeitgeber) zur Teilnahme an einem anerkannten Lehrgang für Leibeserziehung zu beurlauben. Gemäß § 5 Abs 5 der LEGVO galt die Zeit der Teilnahme an dem Lehrgang in der Invaliden-, der Angestellten- und der knappschaftlichen Pensions-Versicherung für die Erfüllung der Wartezeit und die Erhaltung der Anwartschaft als Ersatzzeit. Auf diese Vorschriften läßt sich der Anspruch des Klägers nicht stützen. Einmal hat er, wie das LSG (vgl S 3, 6 des angefochtenen Urteils) durch die Bezugnahme auf die entsprechenden Ausführungen im Urteil des SG in tatsächlicher Hinsicht und damit für den Senat bindend (§ 163 SGG) festgestellt hat, während des streitigen Zeitraums vom 1. April bis 20. Mai 1935 an einem Lehrgang für Leibeserziehung im Sinne des § 1 LEG gar nicht teilgenommen. Zum anderen war nach dieser Vorschrift der Angestellte oder Arbeiter lediglich auf seinen Antrag zur Teilnahme an einem solchen Lehrgang zu beurlauben. Eine Verpflichtung zur Teilnahme hat somit nicht bestanden. Sie ist vielmehr freiwillig gewesen. Bei dieser Sachlage bedarf es keiner Erörterung, welche rechtlichen Konsequenzen für das heute geltende Ersatzzeitenrecht es hat, daß die Zeit der Teilnahme an einem Lehrgang für Leibeserziehung nach § 5 Abs 5 LEGVO ua in der Angestelltenversicherung als Ersatzzeit im Sinne des damals maßgebenden Rentenrechts gegolten hat.
Schließlich kann sich der Kläger nicht mit Erfolg auf die ÜVO berufen. Sie ist aufgrund des § 37 Abs 2 WehrG und des "Erlasses des Führers und Reichskanzlers über die Übertragung des Verordnungsrechts nach dem Wehrgesetz" vom 22. Mai 1935 (RGBl I S 615) zur Durchführung des § 20 WehrG erlassen worden. Nach § 1 ÜVO sind Angehörige der Reserve, der Ersatzreserve, der Landwehr und in Ostpreußen auch des Landsturms in dem vom Reichskriegsminister jährlich bestimmten Umfang zu Übungen der Wehrmacht einzuberufen gewesen. Für Versicherte, die nach § 1 ÜVO oder aufgrund einer freiwilligen Meldung zur Ableistung einer Übung einberufen worden sind (§ 2 Abs 1 ÜVO), sind ua hinsichtlich der Angestelltenversicherung die Bestimmungen des § 5 LEGVO anwendbar gewesen (§ 5 Abs 1 ÜVO). Die Zeit einer Wehrübung hat demnach gemäß § 5 Abs 5 LEGVO für die Erfüllung der Wartezeit und die Erhaltung der Anwartschaft als Ersatzzeit gegolten. Anders als die Teilnahme an einem Lehrgang für Leibeserziehung nach § 1 LEG ist die Teilnahme an einer Wehrübung grundsätzlich aufgrund eines Einberufungsbefehls erfolgt (§ 1 ÜVO) und somit nicht freiwillig gewesen. Daraus folgt jedoch nicht, daß auch der militärische Dienst des Klägers in der Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 im Sinne des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet worden ist. Zunächst bieten die Feststellungen des LSG keinen Anhaltspunkt dafür und ist vom Kläger selbst nicht behauptet worden, daß er in der hier streitigen Zeit an einer Wehrübung teilgenommen hat. Selbst wenn dies aber der Fall gewesen sein sollte, so wäre eine solche Wehrübung jedenfalls nicht aufgrund eines Einberufungsbefehls geleistet worden. Die ÜVO ist erst am 25. November 1935 erlassen und in dem am 27. November 1935 ausgegebenen Reichsgesetzblatt verkündet worden. Eine besondere Vorschrift über den Zeitpunkt ihres Inkrafttretens enthält sie nicht. Ebenso wenig erstreckt sie ihren zeitlichen Anwendungsbereich auf bereits vor ihrer Verkündung abgeleistete Wehrübungen. Diese können somit nur freiwillig und nicht aufgrund eines Einberufungsbefehls im Sinne des § 1 ÜVO geleistet worden sein. Davon abgesehen ist zweifelhaft, ob einem im Zeitpunkt seiner Ableistung freiwilligen militärischen Dienst rückwirkend der Charakter der Freiwilligkeit genommen und er nunmehr als aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet angesehen werden kann (vgl BSG SozR 2200 § 1251 Nr 78 S 206; Nr 79 S 209). Dies kann indes auf sich beruhen. Denn die ÜVO enthält schon keine Regelung des Inhalts, daß auch die vor ihrer Verkündung oder sogar vor dem Inkrafttreten des WehrG geleisteten Wehrübungen nachträglich als aufgrund eines Einberufungsbefehls durchgeführt zu gelten haben.
Der Kläger hat nach alledem den militärischen Dienst in der Zeit vom 1. April bis 20. Mai 1935 nicht aufgrund gesetzlicher Dienst- oder Wehrpflicht geleistet. Die Voraussetzungen des § 28 Abs 1 Nr 1 AVG für eine Anrechnung dieser Zeit als Ersatzzeit sind nicht erfüllt. Das angefochtene Urteil erweist sich als zutreffend. Dies muß zur Zurückweisung der Revision führen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.
Fundstellen