Entscheidungsstichwort (Thema)
Versorgungsausgleich. Antrag auf ungekürzte Rente. Aussetzung der Kürzung. Härteregelung. Unterhaltsverpflichtung kraft Gesetzes. Unterhaltsverzicht
Leitsatz (amtlich)
Unterhaltspflichtig iS von § 5 VersorgAusglHärteG ist grundsätzlich nur der kraft Gesetzes zum Unterhalt Verpflichtete.
Normenkette
SGB X § 44; VersorgAusglHärteG §§ 5, 9; AVG § 67 Abs. 2 (= RVO § 1290 Abs. 2)
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches LSG (Urteil vom 29.10.1992; Aktenzeichen L 3 An 37/91) |
SG Kiel (Urteil vom 22.01.1991; Aktenzeichen S 5 An 39/90) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1992 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Streitig ist, ob dem Kläger eine höhere Erwerbsunfähigkeitsrente (EU-Rente) unter Berücksichtigung von Rentenanwartschaften zusteht, die das Familiengericht im Rahmen des Versorgungsausgleichsverfahrens seiner geschiedenen Ehefrau (Beigeladene) übertragen hat.
Die Ehe der Beigeladenen und des Klägers wurde durch rechtskräftiges (Verbund-)Urteil des Amtsgerichts – Familiengerichts – Plön vom 18. April 1985 geschieden. Zum Ausgleich der in der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte übertrug das Familiengericht vom Versicherungskonto des Klägers auf das der Beigeladenen Rentenanwartschaften von monatlich 259,40 DM. In der mündlichen Verhandlung vom gleichen Tag schlossen die Beteiligten vor dem Familiengericht einen “Vergleich”. In diesem verpflichtete sich der Kläger ua, der Beigeladenen für jedes der Kinder (Nathalia geboren am 30. November 1968, Carola geboren am 5. Juli 1972) einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 287,50 DM zu zahlen. Gemäß Ziffer 1 des Vergleichs gingen die Beteiligten dabei davon aus, daß die Beigeladene mit den gemeinsamen Kindern das Einfamilienhaus des Klägers – bis zum Ende des Schulbesuchs des jüngsten Kindes (Ziffer 3) – mietfrei bewohnen könne. Im Innenverhältnis sollte die Beigeladene dafür die mit dem Hauseigentum verbundenen Lasten sowie die Kosten der normal anfallenden Reparaturen tragen (Ziffer 3). In Ziffer 2 verzichteten die Beteiligten wechselseitig auf Unterhalt auch für den Fall des Notbedarfs, “ergänzend” verpflichtete sich der Kläger die Krankenversicherungsbeiträge für die Beigeladene und die Kinder zu zahlen, sollte die Beigeladene nicht mehr kraft Gesetzes krankenversichert sein.
Die Beigeladene war seit 1986 als Verwaltungsangestellte zunächst auf einer halben und später auf einer Dreiviertel-Planstelle beschäftigt. Die Schulausbildung der jüngsten Tochter wird voraussichtlich im August 1994 enden.
Mit Bescheid vom 14. Juli 1987 bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Wirkung vom 1. Januar 1987 eine um den Versorgungsausgleich gekürzte EU-Rente. Im April 1989 beantragte der Kläger – rückwirkend – die Auszahlung der ungekürzten EU-Rente. Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23. August 1989 unter Hinweis auf § 5 des Gesetzes zur Regelung von Härten im Versorgungsausgleich vom 21. Februar 1983 (BGBl I 1983 S 105 ≪VAHRG≫) ua deshalb ab, weil die Beigeladene im Vergleich am 18. April 1985 auf Unterhalt verzichtet habe. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 1. März 1990 zurück. Im Verlaufe des Widerspruchsverfahrens erging ein weiterer Rentenbescheid der Beklagten (vom 24. Januar 1990), in dem die EU-Rente des Klägers unter Berücksichtigung einer zwischenzeitlich zuerkannten Unfallrente neu berechnet worden war.
Das Sozialgericht (SG) hat durch Urteil vom 22. Januar 1991 den Bescheid vom 23. August 1989 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 1. März 1990 aufgehoben und die Beklagte verurteilt unter Abänderung der Bescheide vom 14. Juli 1987 und vom 24. Januar 1990 die EU-Rente des Klägers ab 1. Januar 1987 ohne Kürzung der durch den Versorgungsausgleich übertragenen Anrechte neu festzustellen, die Nachzahlung zur Hälfte an den Kläger zu zahlen und im übrigen die Rente ungekürzt zu gewähren. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 29. Oktober 1992) und im wesentlichen ausgeführt: Nach § 5 Abs 1 VAHRG werde die Versorgung des Ausgleichsverpflichteten nicht um die im Wege des Versorgungsausgleichs auf den geschiedenen Ehegatten übertragenen Rentenanwartschaften gekürzt, solange der Ausgleichsberechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalte und er gegen den Ausgleichsverpflichteten einen Unterhaltsanspruch habe. Diese Voraussetzungen seien hier gegeben. Die Beigeladene habe keinen Anspruch auf Rente; ein Versicherungsfall sei bei ihr noch nicht eingetreten. Ihr stehe gegen den Kläger auch ein Anspruch auf Unterhalt aufgrund des Vergleichs vom 18. April 1985 gemäß § 1585c Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu. Dieser Anspruch sei nicht durch einen Unterhaltsverzicht ausgeschlossen. Ziffer 2 des Vergleichs sei nicht allgemein und umfassend formuliert gewesen, sondern durch weitere Vereinbarungen modifiziert worden. So habe der Kläger auch der Beigeladenen Unterhalt in Form einer Naturalleistung, und zwar in Gestalt der mietfreien Hausnutzung, gewährt. Zwar sei der Unterhalt gemäß § 1585 Abs 1 BGB grundsätzlich durch eine Geldrente zu leisten, jedoch könnten die Beteiligten abweichend hiervon auch in anderer Weise den Unterhalt erbringen. Die nach § 5 VAHRG auszugleichende Härte entfalle erst dann, wenn der Kläger der Beigeladenen das Haus nicht mehr zur unentgeltlichen Nutzung überlassen müsse.
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Sie rügt eine unzutreffende Anwendung von § 5 Abs 1 VAHRG und trägt vor:
Es sei zu klären, ob eine durch § 5 Abs 1 VAHRG auszugleichende Härte vorliege, wenn ein Unterhaltsverzicht auch für den Fall des Notbedarfs ausgesprochen, gleichzeitig jedoch die zeitweilige mietfreie Nutzung einer Wohnung bzw hier eines Einfamilienhauses vereinbart worden sei. § 5 VAHRG setze nach seinem Sinn und Zweck voraus, daß ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch des Ausgleichsberechtigten gegen den Ausgleichsverpflichteten gemäß §§ 1569 ff BGB bestehe. Nur ein derartiger Anspruch könne zu den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) aufgezeigten Unzuträglichkeiten beim Versorgungsausgleich führen. Nach den bisherigen tatsächlichen Feststellungen sei nicht erkennbar, ob die Beigeladene für den in Frage kommenden Zeitraum überhaupt einen derartigen gesetzlichen Unterhaltsanspruch habe bzw gehabt habe, die ausgleichsberechtigte Beigeladene also bedürftig iS von §§ 1570 bis 1578 BGB und der ausgleichsverpflichtete Kläger leistungsfähig iS von § 1581 BGB (gewesen) seien.
Selbst wenn jedoch ein solcher gesetzlicher Unterhaltsanspruch bestehen sollte, sei dieser durch den Unterhaltsverzicht ausgeschlossen. Der Vergleich vor dem Familiengericht enthalte auch keine modifizierte Unterhaltsvereinbarung. Denn das eingeräumte Wohnrecht sei nicht Bestandteil einer Unterhaltsvereinbarung. Unterhalt könne nämlich nur durch eine laufende Unterhaltsrente gewährt werden.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 29. Oktober 1992 sowie das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 22. Januar 1991 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Revision zurückzuweisen.
Er trägt vor:
Durch den Vergleich sei der Beigeladenen ein Anspruch auf Unterhalt in Form einer zeitlich befristeten mietfreien Nutzung des Hauses eingeräumt worden. Diese Vereinbarung sei nicht sittenwidrig. Sie sei nicht etwa getroffen worden, damit er in den Genuß einer höheren EU-Rente auf Kosten des Rentenversicherungsträgers gelangen könne. Er habe bei Abschluß des Vergleichs nicht voraussehen können, daß er bereits 1986 erwerbsunfähig werde. Eine Abänderung der Vereinbarung nach § 323 Zivilprozeßordnung (ZPO) komme nicht in Betracht, weil der Unterhaltsanspruch der Beigeladenen untrennbar mit demjenigen der Kinder verbunden sei. Da er somit Unterhalt leiste und die Beigeladene aus dem übertragenen Versorgungsanrecht noch keine Rente beziehe, lägen die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 VAHRG vor. Denn die Vorschrift diene der Vermeidung einer Doppelbelastung des Ausgleichsverpflichteten.
Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist iS der Aufhebung des angefochtenen Urteils des LSG und der Zurückverweisung des Rechtsstreits an dieses Gericht gemäß § 170 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) begründet. Die vom LSG festgestellten Tatsachen reichen zur abschließenden Entscheidung nicht aus.
Zutreffend ist das LSG zwar davon ausgegangen, daß die Frage, ob dem Kläger ab 1. Januar 1987 eine höhere EU-Rente zusteht, sich nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) beurteilt. Denn der Bescheid vom 14. Juli 1987, in dem die Beklagte dem Kläger erstmals eine Rente wegen EU bewilligt hat, wäre von Anfang an rechtswidrig, wenn die Beklagte im Hinblick auf § 5 Abs 1 VAHRG die EU-Rente nicht um die durch die Entscheidung des Familiengerichts vom 18. April 1985 an die Beigeladene übertragenen Rentenanwartschaften hätte kürzen dürfen. Denn nach dieser Vorschrift wird die Versorgung des aus dem Versorgungsausgleich Verpflichteten nicht aufgrund des bereits durchgeführten Versorgungsausgleichs gekürzt, solange der Berechtigte aus dem im Versorgungsausgleich erworbenen Anrecht keine Rente erhalten kann und er gegen den Verpflichteten einen Anspruch auf Unterhalt hat oder nur deshalb nicht hat, weil der Verpflichtete zur Unterhaltsleistung wegen der auf dem Versorgungsausgleich beruhenden Kürzung außerstande ist. Eines gesonderten Antrags des Klägers nach § 9 Abs 1 VAHRG, wonach über Maßnahmen nach §§ 4 bis 8 VAHRG der Leistungsträger auf Antrag zu entscheiden hat, bedurfte es nicht. Der allgemeine Antrag des Klägers auf Bewilligung der EU-Rente vom 15. Dezember 1986 umfaßte nämlich – Anhaltspunkte für einen gegenteiligen Willen des Klägers liegen nicht vor – auch den Antrag nach § 5 VAHRG (vgl hierzu BSG SozR 3-5795 § 6 Nr 1; MünchKomm-Gräper, 3. Aufl, § 9 VAHRG RdNr 10). Infolgedessen hätte die Beklagte bei der Bewilligung der EU-Rente sämtliche möglichen Berechnungselemente berücksichtigen, also auch darüber befinden müssen, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 VAHRG vorliegen. Etwas anderes hätte nur dann gegolten, wenn der Kläger bei Abschluß des Verfahrens über den Versorgungsausgleich bereits aufgrund bindenden Bescheids eine EU-Rente bezogen hätte. In diesem Fall hätte er entsprechend dem in der Rentenversicherung geltenden Antragserfordernis einen Antrag auf ungekürzte Rente gemäß §§ 5 Abs 1, 9 Abs 1 und 2 VAHRG stellen müssen (§ 67 Angestelltenversicherungsgesetz ≪AVG≫, vgl MünchKomm, aaO, § 5 RdNr 36; Verbandskomm, Vorbemerkung vor § 1304, § 5 VAHRG RdNr 3).
Das LSG hat auch zutreffend angenommen, daß im Hinblick auf die Einheitlichkeit der Entscheidung über den Rentenanspruch (bezüglich Rentenart, Rentenbeginn und Rentenhöhe; vgl hierzu BSG SozR 3-1300 § 32 Nr 2) der im Laufe des Widerspruchsverfahrens ergangene – nachfolgende – Rentenbescheid vom 24. Januar 1990 gemäß § 86 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden und mithin mitangefochten ist.
Aufgrund der vom LSG getroffenen Feststellungen kann jedoch nicht abschließend beurteilt werden, ob die Voraussetzungen des § 5 Abs 1 VAHRG hier vorliegen. Zwar erhält der ausgleichspflichtige Kläger eine um die übertragenen Anrechte gekürzte laufende EU-Rente, während die ausgleichsberechtigte Beigeladene aus dem Versorgungsanrecht noch keine Rente bezieht. Nicht festgestellt werden kann jedoch, ob der Beigeladenen ein Unterhaltsanspruch iS von § 5 Abs 1 VAHRG gegen den Kläger zusteht. Denn Anspruch auf Unterhalt in diesem Sinne ist allein der durch Gesetz begründete Unterhaltsanspruch nach §§ 1569 ff BGB (ebenso MünchKomm, aaO, § 5 VAHRG, RdNr 29). Unterhaltsansprüche, die aufgrund vertraglicher Vereinbarungen entstehen, können den Ausgleichsverpflichteten grundsätzlich nicht begünstigen.
Dies folgt aus Sinn und Zweck von § 5 VAHRG. Durch das VAHRG sind die vom BVerfG in der Entscheidung vom 28. Februar 1980 (BVerfGE 53, 257 ff = SozR 7610 § 1587 Nr 1) für erforderlich gehaltenen ergänzenden Regelungen zur Vermeidung von Härten nach Durchführung des Versorgungsausgleichs eingeführt worden. Zur Grundkonzeption des Versorgungsausgleichs hat das BVerfG ua ausgeführt: Dieser beruhe sowohl auf dem güterrechtlichen Prinzip der Vermögensteilung in Weiterentwicklung des Zugewinnausgleichs als auch auf den unterhaltsrechtlichen Überlegungen zur Realisierung und rechtlichen Umgestaltung des Vorsorgeunterhalts; denn die Unterhaltspflicht des Ausgleichspflichtigen erfasse nicht nur den unmittelbaren Lebensbedarf, sondern auch die Alterssicherung des Ausgleichsberechtigten; die wirtschaftliche Sicherung des sozial schwächeren Ehegatten bestimme den Zweck des Versorgungsausgleichs; die Teilung der Anwartschaften im Zeitpunkt der Scheidung mit den sich daraus ergebenden versicherungsrechtlichen Folgen diene der möglichst umfassenden und abschließenden Regelung der vermögensrechtlichen Auseinandersetzung der Ehegatten. In Durchbrechung dieses Prinzips – endgültige Regelung der Vermögensauseinandersetzung auch mit Blick auf die während der Ehe erworbenen Versorgungsanrechte – hat das BVerfG zur Vermeidung ungerechtfertigter Härten ua für den Fall eine ergänzende Regelung für notwendig erachtet, daß der ausgleichsberechtigte Ehegatte, dem die übertragenen Werteinheiten mangels Vorliegens eines Versicherungsfalls noch nicht zugute kommen, auf Unterhaltsleistungen des Verpflichteten angewiesen ist. Entsprechend dieser Aufforderung ist der Gesetzgeber tätig geworden und hat ua diesen Ausnahme-(Härte-)Fall in § 5 VAHRG geregelt. Anlaß für die Aussetzung der Kürzung in diesen Fällen ist ua die Unterhaltspflicht des Ausgleichsverpflichteten gegenüber dem Ausgleichsberechtigten, und zwar – zur Vereinfachung des Verwaltungsaufwandes – unabhängig von der Höhe des tatsächlich geleisteten Unterhalts (vgl BT-Drucks 9/2296 S 14 f). Grundlage dieses Anspruchs auf Unterhalt iS von § 5 Abs 1 VAHRG ist jedoch nicht eine ins Belieben der geschiedenen Ehegatten gestellte vertragliche Vereinbarung, sondern allein die als Folge der Ehescheidung eintretende gesetzliche Regelung des nachehelichen Unterhaltsanspruchs gemäß §§ 1569 ff BGB. Denn zum Schutz der Solidargemeinschaft der Versicherten und auch im Hinblick auf den Ausnahmecharakter der Regelung bei besonderen Härten muß eine mögliche Manipulation der geschiedenen Ehegatten zu Lasten der Versichertengemeinschaft – etwa durch Zahlung eines vertraglich vereinbarten geringen Unterhalts, um in den Genuß der ungekürzten Rente zu gelangen – verhindert werden. Zur Vermeidung eines derartigen Zusammenwirkens der Ehegatten muß zur Bestimmung der Unterhaltspflicht an einen objektiven Maßstab, nämlich an die gesetzliche Regelung, angeknüpft werden (vgl hierzu MünchKomm aaO § 5 VAHRG RdNr 31; Soergel-Schmeiduch, 12. Aufl, § 5 VAHRG RdNr 12; offengelassen: 8. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) in SozR 3-5795 § 5 Nr 1). Zu unterscheiden hiervon ist die sich sodann anschließende Frage, ob der Ausgleichsverpflichtete tatsächlich – in welcher Form auch immer – Unterhalt leistet; auf den Wert dieser Leistung kommt es in diesem Zusammenhang – wie ausgeführt – aus Gründen der Verwaltungspraktikabilität grundsätzlich nicht an. Dabei kann offenbleiben, ob die Härteregelung des § 5 VAHRG auch dann eingreift, wenn der Ausgleichsverpflichtete – obwohl kraft Gesetzes unterhaltspflichtig –, tatsächlich keinen Unterhalt leistet.
Es entspricht jedenfalls aber Sinn und Zweck der Härteregelung, daß stets dann, wenn ein Unterhaltsanspruch nicht besteht, weil die Ehegatten im Rahmen ihrer Vertragsfreiheit einen vollständigen Unterhaltsverzicht vereinbart haben (§ 1585c BGB, vgl Soergel-Schmeiduch, aaO), eine Manipulation mithin ausgeschlossen ist, nicht auf die gesetzliche Unterhaltslage abzustellen ist. Bei einem derartigen Verzicht kann auch die vom BVerfG geschilderte, für die Einführung des § 5 VAHRG maßgebliche Härte iS eines verfassungswidrigen Zustandes nicht eintreten. Denn eine durch die Scheidungsfolgen bedingte rechnerische – nicht gesetzliche – Doppelbelastung des Ausgleichspflichtigen wegen Zahlung von Unterhalt bei gleichzeitiger Kürzung der Rente um die wegen des Vorsorgeunterhalts gekürzten Anrechte kommt hier nicht in Betracht.
Einen solchen totalen Unterhaltsverzicht haben Kläger und Beigeladene im Vergleich vom 18. April 1985 entgegen der Auffassung der Beklagten nach den den Senat bindenden Feststellungen des LSG nicht vereinbart.
Das LSG hat hierzu ausgeführt: Der Unterhaltsverzicht in dem Vergleich sei nicht allgemein und umfassend, sondern durch die weiteren Vereinbarungen modifiziert. Die Würdigung des Vergleichs in seiner Gesamtheit zeige, daß der Kläger nicht nur den Kindern, sondern auch der Beigeladenen bis zur Schulentlassung der jüngsten Tochter eine Naturalleistung in Gestalt der mietfreien Hausnutzung zugewendet habe. Als Zweck dieser Zuwendung komme nur die Erfüllung einer Unterhaltspflicht in Betracht, da für eine andere Zweckbestimmung jeglicher Anhalt fehle. Auch die gewählte Form der Naturalleistung stehe der Wertung als Unterhaltsleistung nicht entgegen. Zwar sei laufender Unterhalt gemäß § 1585 Abs 1 BGB durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren, abweichend hiervon könnten die Ehegatten nach § 1585c BGB jedoch auch eine andere Form der Unterhaltsgewährung bestimmen. Diese vom LSG als Tatsachengericht vorgenommene Auslegung einer Willenserklärung, zu der auch der sachlich-rechtliche Inhalt einer gerichtlichen Vereinbarung gehört, ist eine das Revisionsgericht gemäß § 163 SGG bindende Tatsachenfeststellung, soweit sie die Frage betrifft, was die Erklärenden geäußert und was sie entsprechend ihrem inneren Willen tatsächlich gemeint haben.
Insoweit kann das Revisionsgericht nur prüfen, ob das Berufungsgericht Verfahrensvorschriften, insbesondere Denkgesetze und Erfahrungssätze verletzt hat (vgl hierzu BSGE 43, 37 ff = SozR 2200 § 1265 Nr 24; BSG SozR 2200 § 1265 Nr 89). Eine weitere Nachprüfung der Auslegung des Individualvertrages findet in der Revisionsinstanz nicht statt. Zulässige und begründete Revisionsrügen hat die Beklagte gegen das vom LSG bei der Auslegung der Unterhaltsvereinbarung eingeschlagene Verfahren nicht vorgetragen, sondern lediglich ihre von der des LSG abweichende und daher revisionsrechtlich nicht beachtliche Vertragsauslegung dargetan. Die Darlegungen des LSG zur Gewährung des Unterhalts – teilweise unentgeltliche Nutzung des Wohnhauses – verstoßen auch nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze bzw gegen sonstige Auslegungsgrundsätze iS von §§ 133, 157 BGB. Sie enthalten eine mögliche Auslegung. Es entspricht der Rechtsprechung (vgl BGH NJW 1962, S 2102 f) – und auch der allgemeinen Lebenserfahrung – daß Unterhalt auch in Form einer unentgeltlichen Nutzung von Wohnraum gewährt werden kann. Eine derartige mietfreie Überlassung lag nach den Feststellungen des LSG nicht nur zugunsten der unterhaltsberechtigten Kinder des Klägers, sondern auch zugunsten der Beigeladenen vor.
Dem Kläger könnte demnach ein Anspruch auf eine höhere EU-Rente ohne Kürzung der an die Beigeladenen übertragenen Versorgungsanrechte ab 1. Januar 1987 zustehen, wenn und solange die Beigeladene gegen ihn in dem in Frage kommenden Zeitraum einen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gemäß §§ 1569 ff BGB hat bzw hatte. Feststellungen hierzu, die eine abschließende Beurteilung ermöglichen, hat das LSG nicht getroffen. Das LSG wird infolgedessen zu klären haben, ob die Beigeladene bedürftig und der Kläger leistungsfähig iS der genannten Vorschriften waren bzw sind.
Die fehlenden Feststellungen können von der Revisionsinstanz nicht nachgeholt werden. Der Rechtsstreit wird daher an das LSG zurückverwiesen (§ 170 Abs 2 SGG). Bei der das Verfahren abschließenden Entscheidung wird das LSG auch über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Fundstellen