Leitsatz (redaktionell)
1. Nach BVG § 30 Abs 5 ist die gemäß BVG § 30 Abs 2 erhöhte Grundrente ohne Ansehung der Gründe für die Erhöhung auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen. Eine Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit wegen eines Betroffenseins im Nebenberuf (hier: Musiker) ist nicht anders zu bewerten als im Hauptberuf; sie ist also ebenso anzurechnen.
2. In BVG § 30 Abs 2 ist das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einbuße nicht aufgeführt. Im Regelfalle werden soziale und wirtschaftliche Gründe nebeneinander zu einer Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit führen.
3. Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ist nach BVG § 30 Abs 5 der gesamte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen, ohne Berücksichtigung der Gründe, die zur Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben.
In den Fällen, in denen keine wirtschaftlichen, sondern ausschließlich soziale Gründe zur Erhöhung der Minderung der Erwerbsfähigkeit geführt haben, wird Abs 5 im allgemeinen nicht angewendet werden, da ein Einkommensverlust, der eine Voraussetzung f für einen Berufsschadensausgleich bildet, nicht vorliegen wird.
Auch eine zu Unrecht gewährte Erhöhung muß nach Abs 5 wegen der getroffenen allgemeinen Regelung ebenso berücksichtigt werden, wie eine rechtmäßige Höherbewertung der Minderung der Erwerbsfähigkeit.
Normenkette
BVG § 30 Abs. 2 Fassung: 1964-02-21, Abs. 5 Fassung: 1964-02-21
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8. Februar 1968 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
Der Kläger arbeitete bis zu seiner Einberufung zur Wehrmacht im Jahre 1942 in der Feinmechanischen- und Maschinenbauindustrie, zuletzt als Bandführer (Partieführer) in der Fotoverschlußmontage. Er bezieht Versorgung wegen der als Schädigungsfolge im Sinne des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) im einzelnen anerkannten Verletzungen der rechten Hand; die Rente war zunächst nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. festgestellt und wurde später (1955) nach einer MdE um 60 v.H. erhöht, weil er in seinem Beruf als Partieführer besonders betroffen sei. Im Dezember 1960 beantragte der Kläger die Erhöhung seiner Rente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit; er könne seinen Nebenberuf als Musiker nicht mehr ausüben, wodurch ihm monatlich ein Verlust von mindestens 250,-- DM entstehe. Mit Zustimmung des Landesversorgungsamtes gewährte das Versorgungsamt dem Kläger mit Bescheid vom 18. Oktober 1963 unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit Beschädigtenrente nach einer MdE um 70 v.H. vom 1. Dezember 1960 an.
Den Antrag des Klägers vom September 1964 auf Gewährung von Berufsschadensausgleich nach dem Zweiten Neuordnungsgesetz (NOG) zum BVG lehnte das Versorgungsamt zunächst ab; es müsse von dem durchschnittlichen Bruttoverdienst der Arbeiter in der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik in der Leistungsgruppe 2 ausgegangen werden, so daß bei der Anrechnung des Einkommens und des Mehrbetrages der Grundrente wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ein Berufsschadensausgleich nicht in Betracht komme. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos.
Nachdem im anschließenden Klageverfahren die Beteiligten einen Teilvergleich darüber geschlossen hatten, daß für den Berufsschadensausgleich das Durchschnittseinkommen der Leistungsgruppe 1 der Arbeiter in der Wirtschaftsgruppe Feinmechanik zugrunde gelegt wird, hat der Kläger nur noch die volle Anrechnung des Mehrbetrages der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich bekämpft. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 3. Oktober 1966 abgewiesen.
Das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg hat mit Urteil vom 8. Februar 1968 die Berufung des Klägers zurückgewiesen und die Revision zugelassen. Nach § 30 Abs. 5 BVG sei der Mehrbetrag der Grundrente, der sich durch die Erhöhung der MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit ergebe, auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen. Dabei komme es auf die Gründe, welche für diese Erhöhung maßgebend gewesen seien, nicht an. Nach § 30 Abs. 2 BVG könne die MdE wegen besonderer beruflicher Betroffenheit aus verschiedenen Gründen erhöht werden, weil nicht nur wirtschaftliche, sondern berufliche und auch soziale Gesichtspunkte zu berücksichtigen seien. Außerdem könne nach § 30 Abs. 2 BVG die MdE auch dann erhöht werden, wenn ein materieller Schaden, also eine konkrete finanzielle Einbuße, nicht nachgewiesen sei. Dagegen seien für die Höhe des Berufsschadensausgleichs ausschließlich wirtschaftliche Gesichtspunkte entscheidend, zumal ein Berufsschadensausgleich nur bei einem Einkommensverlust gewährt werde. Aus der in § 30 Abs. 5 BVG enthaltenen allgemeinen Regelung ergebe sich, daß es für die Anrechnung des Mehrbetrages der Grundrente nicht darauf ankomme, aus welchen Gründen die MdE erhöht worden sei. Der Mehrbetrag der Grundrente sei daher in jedem Falle auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen, wenn die Grundrente nach § 30 Abs. 2 BVG erhöht worden sei.
Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 30 Abs. 5 BVG und wiederholt seine Rechtsauffassung, daß allein der für den Hauptberuf erzielte Mehrbetrag der Grundrente anzurechnen sei, hingegen die für den Nebenberuf - Musiker - gewährte weitere Grundrentenerhöhung bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs unberücksichtigt zu bleiben habe. Er beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils und des Urteils des Sozialgerichts Stuttgart vom 3. Oktober 1966 sowie des Bescheides vom 28. März 1966 den Beklagten zu verurteilen, ihm einen neuen Bescheid über die Gewährung von Berufsschadensausgleich ab 1. Januar 1964 zu erteilen.
Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Der Kläger hat die durch Zulassung statthafte (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) Revision form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 164, 166 SGG). Sein zulässiges Rechtsmittel konnte keinen Erfolg haben.
Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ist in § 30 Abs. 2 BVG unter den Gründen für die Annahme eines besonderen beruflichen Betroffenseins das Vorliegen einer wirtschaftlichen Einbuße nicht aufgeführt. Im Regelfalle werden soziale und wirtschaftliche Gründe nebeneinander zu einer Erhöhung der MdE führen. Ist die Grundrente wegen besonderen beruflichen Betroffenseins erhöht worden, so ist gemäß § 30 Abs. 5 BVG der Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen, und zwar der gesamte Mehrbetrag, ohne Berücksichtigung der Gründe, die zur Erhöhung der MdE geführt haben. Dies entspricht der Systematik des BVG. Denn die Grundrente wird bei der Errechnung des Berufsschadensausgleichs für Beschädigte - anders nach § 40 a Abs. 2 BVG beim Schadensausgleich der Witwen - nicht berücksichtigt, weil ihr keine Unterhaltsfunktion zukommt. Vielmehr soll sie den Mehraufwand abgelten, welcher dem Beschädigten als Folge der Schädigung erwächst; sie erstrebt eine Entschädigung für die Beeinträchtigung der körperlichen Integrität (BSG - SozR BVG § 30 Nr. 39). Soweit dagegen nach § 30 Abs. 2 BVG wirtschaftliche Einbußen infolge der Behinderung in der Berufsausübung zu einer Erhöhung der MdE und damit der Grundrente (§ 31 BVG) führen, ist es folgerichtig, den wegen einer Einkommensbuße gewährten Mehrbetrag der Grundrente bei der Berechnung des Berufsschadensausgleichs gem. § 30 Abs. 5 BVG zu berücksichtigen. In den Fällen, in denen keine wirtschaftliche, sondern ausschließlich soziale Gründe zur Erhöhung der MdE geführt haben, wird § 30 Abs. 5 BVG im allgemeinen nicht angewendet werden. Denn ein Einkommensverlust, welcher eine der Voraussetzungen für einen Berufsschadensausgleich bildet, wird nicht vorliegen. Insoweit bedurfte es also keiner Regelung, die bei der Berücksichtigung des Mehrbetrages der Grundrente nach den Ursachen für die Erhöhung der MdE unterscheidet.
Es war noch zu prüfen, ob im vorliegenden Fall die Rechtslage dadurch berührt wird, daß die MdE wegen eines besonderen beruflichen Betroffenseins im Nebenberuf erhöht worden war. Insoweit hat der Beklagte zutreffend darauf hingewiesen, daß der Wortlaut des § 30 Abs. 5 BVG eindeutig ist und die gemäß § 30 Abs. 2 BVG erhöhte Grundrente ohne Ansehung der Gründe für die Erhöhung auf den Berufsschadensausgleich anzurechnen ist. Die Vorschrift enthält hinsichtlich der Fälle nach der Art des vorliegenden auch nicht etwa eine Lücke. Denn aus § 30 Abs. 2, 3 und 4 BVG sowie § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 28. Februar 1968 zur Durchführung des § 30 Abs. 3 und 4 BVG ergibt sich nicht, daß eine Erhöhung der MdE wegen eines Betroffenseins im Nebenberuf anders zu behandeln sei als die im Hauptberuf. Im Hinblick hierauf und auf die bindende Wirkung des Bescheides vom 18. Oktober 1963 kann unerörtert bleiben, ob nach dem Gesetz die MdE überhaupt wegen eines besonderen Betroffenseins im Nebenberuf erhöht werden kann. Denn auch eine etwa zu Unrecht gewährte Erhöhung muß gemäß § 30 Abs. 5 BVG wegen der dort getroffenen allgemeinen Regelung ebenso berücksichtigt werden, wie eine rechtmäßige Höherbewertung der MdE.
Mithin hat das Berufungsgericht zutreffend entschieden, daß der gesamte durch die Erhöhung der MdE nach § 30 Abs. 2 BVG erzielte Mehrbetrag der Grundrente auf den Berufsschadensausgleich des Klägers anzurechnen ist. Daher mußte die Revision - wie geschehen - zurückgewiesen werden.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Da die Voraussetzungen der §§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG erfüllt waren, konnte der Senat ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.
Fundstellen