Verfahrensgang
LSG Bremen (Urteil vom 04.01.1991) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 4. Januar 1991 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung eines Zuschusses zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen.
Der bei der Klägerin seit dem 18. Juni 1975 als Redaktionsbote in der vollen tariflichen Wochenarbeitszeit (37,5 Stunden) beschäftigte Arbeitnehmer St. (St.), geboren am 31. März 1929, trat am 31. März 1988 in den Vorruhestand. Die Klägerin gewährte ihm ab April 1988 bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres aufgrund einer Vorruhestandsvereinbarung vom 10. März 1988 Vorruhestandsgeld (Vog). Der freigewordene Arbeitsplatz wurde betriebsintern ausgeschrieben und am 2. Mai 1988 mit der bisher in der Kantine desselben Betriebes der Klägerin teilzeitbeschäftigten (24 Stunden/Woche) Arbeitnehmerin D. (D.) wiederbesetzt, die fortan die volle tarifliche regelmäßige Arbeitszeit von wöchentlich 37,5 Stunden als Redaktionsbotin erbrachte. Den hierdurch in der Kantine freigewordenen Teilzeitarbeitsplatz (24 Stunden/Woche) besetzte die Klägerin am 7. Mai 1988 mit der bislang arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmerin L. (L.).
Den am 18. Mai 1988 gestellten Antrag der Klägerin auf „Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen” lehnte das Arbeitsamt (ArbA) ab, weil die im Zusammenhang mit der Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes eingestellte Arbeitnehmerin L. von der Klägerin nicht in einem, der Tätigkeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers St. vergleichbaren zeitlichen Umfang beschäftigt werde (Bescheid vom 8. Juni 1988, Widerspruchsbescheid vom 18. Juli 1988).
Das Sozialgericht (SG) Bremen hat die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 1988 verurteilt, der Klägerin den beantragten Zuschuß zu bewilligen. Es hat die Wiederbesetzung mit einer beitragspflichtig beschäftigten Teilzeitkraft (L.) als ausreichend angesehen (Urteil vom 2. Oktober 1989).
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) Bremen das Urteil des SG aufgehoben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das LSG ausgeführt, ein freigewordener Vollzeitarbeitsplatz könne auch mit Teilzeitarbeitskräften wiederbesetzt werden; ein Zuschuß nach § 2 Vorruhestandsgesetz (VRG) sei aber nur zu gewähren, wenn die zuvor arbeitslos gemeldeten Teilzeitarbeitskräfte im gleichen zeitlichen Umfang wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer beschäftigt würden. Vorliegend sei der freigewordene Arbeitsplatz jedoch nur zum Teil mit einem arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer besetzt worden (Urteil vom 4. Januar 1991).
Die Klägerin hat Revision eingelegt und zur Begründung ausgeführt, auf eine zeitliche Identität zwischen dem freigewordenen Arbeitsplatz und dem nach Umsetzung freigewordenen und mit einem Arbeitslosen neu besetzten Arbeitsplatz komme es nicht an. Weder der Gesetzeswortlaut noch der Sinn und Zweck des VRG gingen von dem Erfordernis aus, daß ein Arbeitsloser im gleichen zeitlichen Umfang wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer eingestellt werde.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Landessozialgerichts Bremen vom 4. Januar 1991 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Bremen vom 2. Oktober 1989 zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie trägt im wesentlichen vor, der 11. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) habe die Frage, ob die teilweise Besetzung eines freigewordenen Arbeitsplatzes mit einem zuvor arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer den Anspruch auf Zuschuß nach dem VRG auslöse, inzwischen zutreffend verneint (Hinweis auf BSG SozR 3-7825 § 2 Nr 3). Im vorliegenden Fall gelte nichts anderes, da auch hier ein Vollzeitarbeitsplatz freigemacht, jedoch nur eine arbeitslos gewesene Halbtagskraft eingestellt worden sei. Darauf, daß daneben betriebsinterne Umsetzungsprozesse stattgefunden haben, komme es selbst dann nicht an, wenn hierdurch im Ergebnis eine neue halbe Stelle geschaffen worden sei.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet.
In der Revisionsinstanz fortwirkende Verstöße gegen verfahrensrechtliche Grundsätze, die bei einer Revision von Amts wegen zu berücksichtigen sind, stehen einer Entscheidung des Senats in der Sache nicht entgegen.
Zutreffend hat das LSG erkannt, daß ein Berufungsausschlußgrund nach § 144 Abs 1 SGG nicht vorliegt; denn es geht hier nicht um Ansprüche auf einmalige oder auf wiederkehrende Leistungen für einen Zeitraum bis zu 13 Wochen (3 Monaten) im Sinne dieser Vorschrift. Die Klägerin begehrt Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen ihres früheren Arbeitnehmers St., die wie die Vorruhestandsleistungen durch den Arbeitgeber nicht einmalig, sondern wiederkehrend gewährt werden. Da die Klägerin Zuschüsse für die Zeit vom Beginn ihrer Zahlungen an den Arbeitnehmer St. begehrt und eine zeitliche Begrenzung des geltend gemachten Anspruchs nicht erfolgt ist, stehen Zuschüsse für mehr als 13 Wochen im Streit, ggf bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres von St.
Die Klage ist gemäß § 54 Abs 1, 4 SGG als verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage zulässig. Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid der Beklagten vom 8. Juni 1988 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Juli 1988, durch den das ArbA den (formularmäßigen) Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen abgelehnt hat. Bei der Durchführung des VRG unterscheidet das ArbA hinsichtlich der Gewährung von Zuschüssen zwischen einem Anerkennungs- und einem Leistungsverfahren, wie sie beim Kurzarbeitergeld und beim Mehrkostenzuschuß von Gesetzes wegen vorgesehen sind (vgl §§ 72, 81 Arbeitsförderungsgesetz ≪AFG≫). Wie der Senat bereits im Urteil vom 18. April 1991 (BSG SozR 3-7825 § 14 Nr 1, dort insoweit allerdings nicht abgedruckt) entschieden hat, kann dahingestellt bleiben, ob ein Arbeitgeber nach Ablehnung der Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen schon deshalb auf Leistung der Zuschüsse klagen muß, weil dieses Verfahren – anders als beim Kurzarbeitergeld und Mehrkostenzuschuß – durch Rechtssatz nicht vorgesehen ist und mit der Verneinung unverzichtbarer Anspruchsvoraussetzungen folgerichtig auch ein Anspruch auf die Leistung abgelehnt worden ist. Selbst wenn nämlich zwischen Anerkennungs- und Leistungsverfahren zu unterscheiden wäre, ist die verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage jedenfalls dann gegeben, wenn – wie im vorliegenden Fall – bereits im Widerspruchsverfahren nicht nur ein „Antrag auf Anerkennung der Voraussetzungen für die Gewährung von Zuschüssen zu den Vorruhestandsleistungen”, sondern die Gewährung eines Zuschusses selbst beantragt und vom ArbA abgelehnt wird.
Die Klage ist indessen unbegründet. Wie das LSG zutreffend entschieden hat, steht der Klägerin kein Zuschuß zu den Aufwendungen zu den Vorruhestandsleistungen für den Arbeitnehmer St. zu.
Nach § 1 Abs 1 VRG gewährt die Bundesanstalt für Arbeit (BA) Arbeitgebern Zuschüsse zu den Aufwendungen für Vorruhestandsleistungen an Arbeitnehmer, die – wie der Arbeitnehmer St. – das 58. Lebensjahr vollendet und ihre Erwerbstätigkeit beendet haben. Neben weiteren Merkmalen (zB einer zulässigen Vereinbarung über das Ausscheiden, die Verpflichtung zur Zahlung von Vog in bestimmtem Umfang, beitragspflichtiger Beschäftigung des ausscheidenden Arbeitnehmers von mindestens 1080 Kalendertagen in den letzten fünf Jahren, vgl § 2 Abs 1 Nrn 1 bis 4 VRG) setzt der Anspruch auf Zuschüsse gem § 2 Abs 1 Nr 5 VRG voraus, daß der Arbeitgeber aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen beim ArbA arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer (Buchst a) oder einen Jugendlichen oder sonstigen Arbeitnehmer, für den nach Abschluß der Ausbildung kein Arbeitsplatz vorhanden ist (Buchst b), auf dem freigemachten oder infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt. Kleinbetriebe können darüber hinaus dem Wiederbesetzungserfordernis dadurch entsprechen, daß sie aus Anlaß der Beendigung des Arbeitsverhältnisses einen Auszubildenden einstellen (Buchst c), was hier jedoch nicht geltend gemacht wird. Einen beim ArbA arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer hat die Klägerin anstelle des vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmers St. nicht eingestellt, sondern auf dessen Arbeitsplatz ab 2. Mai 1988 die Arbeitnehmerin D. eingesetzt, die schon bisher bei ihr beschäftigt war, wenn auch in einem geringeren Umfang. Diese Umsetzung war für die Arbeitnehmerin D. mit einer Erhöhung der wöchentlichen Arbeitszeit verbunden, jedoch wurde der infolge der Umsetzung freigewordene Teilzeitarbeitsplatz der Arbeitnehmerin D. wiederum nur mit einer zuvor arbeitslos gemeldeten Teilzeitarbeitskraft (24 Stunden/Woche) besetzt.
Zu Recht hat das LSG entschieden, daß die Einstellung lediglich einer Teilzeitarbeitskraft den Anspruch auf Gewährung eines Zuschusses nach § 2 VRG nicht auslöst, wenn der ausgeschiedene Arbeitnehmer vollzeitbeschäftigt war. Wie bereits der 11. Senat des BSG entschieden hat, besteht der Anspruch auf Zuschuß zu den Vorruhestandsleistungen weder in voller Höhe noch anteilig, wenn der Arbeitsplatz des in Vorruhestand getretenen Arbeitnehmers dem zeitlichen Volumen nach nur teilweise wiederbesetzt wird (BSG SozR 3-7825 § 2 Nr 3). Dies gilt nicht nur dann, wenn – wie im Fall des 11. Senates – der freigewordene Vollzeitarbeitsplatz in einen Teilzeitarbeitsplatz umgestaltet wird, weil Teile des Arbeitspensums außerhalb des Betriebes erledigt werden und nunmehr ein bislang arbeitslos gemeldeter Arbeitnehmer auf dem verbliebenen Restarbeitsplatz nur teilzeitbeschäftigt werden kann. Der Zuschuß ist auch dann zu versagen, wenn zwar eine derartige Umgestaltung (Reduzierung) des freigewordenen Arbeitsplatzes selbst nicht stattfindet, die betriebsinterne Umsetzung letztlich aber deshalb zur Einstellung lediglich einer Teilzeitarbeitskraft für einen ausgeschiedenen Vollzeitbeschäftigten führt, weil ein bereits im Betrieb beschäftigter Arbeitnehmer seine bisherige Teilzeittätigkeit zu einer Vollzeittätigkeit aufstockt und somit nur der mittelbar freigewordene Teilzeitarbeitsplatz wieder besetzt wird.
Die Revision schließt aus dem Wortlaut des § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a) VRG, daß der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer auch dann „auf dem freigemachten oder einem infolge des Ausscheidens durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt”, wenn er ihn teilzeitbeschäftigt. Das ist nicht zwingend; denn wenn das Gesetz verlangt, daß auf dem freigemachten Arbeitsplatz ein anderer Arbeitnehmer beschäftigt werden muß, läßt dies die Wertung zu, daß hier eine Beschäftigung im gleichen zeitlichen Umfang gemeint ist. Für die Richtigkeit dieses Verständnisses der Vorschrift spricht die Regelung in § 5 Abs 2 Satz 2 VRG, wenn dort von der „Wiederbesetzung” des freigemachten oder durch Umsetzung frei gewordenen Arbeitsplatzes mit einem Arbeitnehmer iS von § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a) bis c) VRG die Rede ist. Für eine Wiederbesetzung reicht aber eine teilweise Wiederbesetzung nicht aus (ebenso BSG SozR 3-7825 § 2 Nr 3).
Daß eine andere Interpretation des Wortlauts von § 2 Abs 1 Nr 5 VRG nicht zulässig ist, ergibt im übrigen die Entstehungsgeschichte der Vorschrift und Gesamtkonzeption des VRG. Aus beidem folgt, daß eine bloße Teilzeitbeschäftigung bei der Wiederbesetzung eines freigewordenen Vollzeitarbeitsplatzes den Anspruch auf Zuschuß zu den Vorruhestandsleistungen nicht auslöst. So hat der Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung zu § 2 Abs 1 Nr 4 des Regierungsentwurfs zum VRG, der als Nr 5 Gesetz geworden ist, hinsichtlich der Wiederbesetzung ausgeführt, der freigewordene Arbeitsplatz könne auch mit Teilzeitarbeitskräften wiederbesetzt werden, diese müßten insgesamt aber im gleichen zeitlichen Umfang wie der ausgeschiedene Arbeitnehmer beschäftigt werden (BT-Drucks 10/1175 S 28). Diese „klarstellende Interpretation” eines Organs der Gesetzgebung ist für den Senat bei der Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG zwar nicht verbindlich, jedoch formuliert der Hinweis in zutreffender Weise die Konsequenzen aus dem maßgeblichen Gesetzeszweck für die Wiederbesetzung freigewordener Arbeitsplätze. Das VRG soll nämlich zu einer Verbesserung der Beschäftigungslage beitragen, indem ältere Arbeitnehmer vorzeitig ihren Arbeitsplatz für jüngere arbeitslose Arbeitnehmer freimachen (vgl Regierungsbegründung zum Gesetzentwurf BT-Drucks 10/880, S 1). Durch die Erleichterung des vorzeitigen Ruhestandes älterer Arbeitnehmer sollte vor allem die Wiedereinstellung arbeitslos gemeldeter Arbeitnehmer gefördert und damit zugleich eine Entlastung der BA erreicht werden, indem diese von Leistungen für Arbeitslose freigestellt wird, die sie sonst im Rahmen der ihr übertragenen Aufgaben nach dem AFG hätte erbringen müssen (BT-Drucks 10/880 S 15). Auf die Belange der Arbeitgeber wurde insoweit besondere Rücksicht genommen, als der neu eingestellte Arbeitnehmer auch auf einem Arbeitsplatz beschäftigt werden kann, der durch betriebliche Umsetzung innerhalb des Betriebes freigeworden ist, und dem Arbeitgeber der Zuschuß zu seinen Leistungen sogar dann gewährt wird, wenn in einer Kette von Wiederbesetzungen der letztlich eingestellte Arbeitslose ein wesentlich geringeres Arbeitsentgelt erhält, als es der ausgeschiedene Arbeitnehmer erhielt. Wenn bereits hierdurch in Kauf genommen wurde, daß die wirtschaftliche Entlastung der Beitragszahler zur BA oder der Steuerzahler (§ 188 AFG) geringer ausfallen kann als bei unmittelbarer Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes mit einem qualitativ gleichwertigen arbeitslosen Leistungsempfänger, kann nicht davon ausgegangen werden, es hätte in der Absicht des Gesetzgebers gelegen, diesen Effekt dadurch noch weiter zu schmälern, daß zuschußauslösend auch eine nur Teil-Wiederbesetzung sein könne. Die oa Ausschußbegründung belegt das Gegenteil. Infolgedessen schließt sich der Senat der Auffassung des 11. Senats (aaO) an, daß die Gewährung von Zuschüssen nach § 2 Abs 1 VRG nur dann gerechtfertigt ist, wenn durch die Teilzeitbeschäftigung mehrerer zuvor arbeitslos gemeldeter Personen die Arbeitszeit des ausgeschiedenen Arbeitnehmers erreicht wird (im Ergebnis ebenso Pröbsting, Vorruhestandsgesetz, 1984, S 41; Berlinger/Macht AuB 1984, 321, 322 f; Siegers/Reichling/Müller, Vorruhestand/ 59er-Regelung, 2. Aufl 1985, § 2 Anm 6 S 34; Kunisch, Vorruhestand und 59er-Regelung, 1984, § 2 Anm 7 S 22; Grüner/Dalichau, Komm zum Vorruhestandsgesetz, Altersteilzeitgesetz, Stand Dezember 1991, § 2 Anm VII S 46; anderer Ansicht Faude/Schüren, Vorruhestandsgesetz, 1985, § 2 Rz 31, die allerdings nur auf den arbeitsmarktpolitischen Effekt abstellen, der auch bei einer Reduktion der Arbeitszeit oberhalb der Kurzzeitigkeitsgrenze des § 102 AFG erreicht werde). Unter Berücksichtigung aller mit dem VRG beabsichtigten Ziele besteht jedenfalls nur dann sowohl der erwünschte Arbeitsmarkteffekt als auch das vom Gesetzgeber für den Regelfall vorausgesetzte ausgewogene Verhältnis zwischen der Höhe der Zuschüsse zu den Vorruhestandsleistungen und den durch die Einstellung arbeitsloser Arbeitnehmer üblicherweise zu erwartenden Einsparungseffekten auf der Leistungsseite, wenn durch die Wiederbesetzung das reguläre Arbeitspotential des freigewordenen Arbeitsplatzes voll genutzt wird.
Der Senat sieht sich hierin bestätigt durch die in § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst c) VRG für Kleinbetriebe vorgesehene Regelung. Danach erkennt das Gesetz bei Arbeitgebern, die regelmäßig nicht mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigen, ausnahmsweise auch die Einstellung eines Auszubildenden als Wiederbesetzung des freigewordenen Arbeitsplatzes an. Mit dieser Regelung sollte den besonderen Belastungen kleinerer Betriebe durch die Vorruhestandsregelung Rechnung getragen werden (BT-Drucks 10/880, S 16) und Kleinbetrieben ein zusätzlicher Anreiz zur Einstellung Auszubildender geboten werden (BT-Drucks 10/1175, S 28). Wäre aber beim gesetzlichen Regelfall der Wiederbesetzung nach § 2 Abs 1 Nr 5 Buchst a) VRG auch die Einstellung von Teilzeitkräften in einem Umfang als ausreichend anzusehen, der hinter dem tatsächlichen Arbeitsumfang des freigewordenen Arbeitsplatzes zurückbleibt, könnte § 5 Abs 1 Nr 5 Buchst c) VRG im Vergleich hierzu nicht mehr als eine Begünstigung kleinerer Betriebe angesehen werden, da Auszubildende in aller Regel vollzeitbeschäftigt sind, zudem für die Ausbildung vom Arbeitgeber nicht nur die Ausbildungsvergütung selbst, sondern auch sächliche und persönliche Ausbildungsmittel aufgewandt werden müssen.
Schließlich kann auch nur durch diese Auslegung des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG ein Wertungswiderspruch zu § 3 Abs 1 Nr 2 des Gesetzes zur Förderung eines gleitenden Übergangs älterer Arbeitnehmer in den Ruhestand (AltTZG) vom 20. Dezember 1988, (BGBl I S 2343, 2348) vermieden werden. Das AltTZG, das an die Stelle des auslaufenden VRG getreten ist, sieht ebenfalls Leistungen an den Arbeitgeber vor, wenn dieser ua aus Anlaß des Übergangs eines Arbeitnehmers zur Altersteilzeitarbeit einen beim ArbA arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer auf dem freigemachten oder auf einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beschäftigt (§ 3 Abs 1 Nr 2 AltTZG). Das AltTZG will älteren Arbeitnehmern in stärkerem Maße als bislang die Möglichkeit eröffnen, gleitend vom Arbeitsleben in den Ruhestand überzugehen. Gleichzeitig sollen durch eine Reduzierung der Arbeitszeit älterer Arbeitnehmer neue Beschäftigungsmöglichkeiten für arbeitslose Arbeitnehmer geschaffen werden (BT-Drucks 11/2990 S 1, 16). Dementsprechend sieht das AltTZG vor, daß der ältere Arbeitnehmer seine Erwerbstätigkeit nicht gänzlich aufgibt, sondern zeitlich lediglich reduziert. Obgleich dieser Arbeitnehmer aus dem Betrieb nicht völlig ausscheidet, setzt der Anspruch auf Leistungen an den Arbeitgeber nach § 4 AltTZG ua voraus, daß der Arbeitgeber aus Anlaß des Übergangs des Arbeitnehmers in die Altersteilzeitarbeit einen beim ArbA arbeitslos gemeldeten Arbeitnehmer auf dem freigemachten oder einem in diesem Zusammenhang durch Umsetzung freigewordenen Arbeitsplatz beitragspflichtig iS des § 168 AFG beschäftigt (§ 3 Abs 1 Nr 2 AltTZG). Da auch der zur Altersteilzeitarbeit übergegangene Arbeitnehmer noch mindestens 18 Stunden wöchentlich beschäftigt sein muß (§ 2 Abs 1 Nr 2 AltTZG), wird gewährleistet, daß die BA weder für den bisher in Vollzeit beschäftigten noch für den neu eingestellten Arbeitnehmer Lohnersatzleistungen wegen Arbeitslosigkeit zu erbringen hat. Es ist nicht davon auszugehen, daß beim VRG, bei dem die Entlastung der BA ein wesentlicher Teil des Gesetzeszweckes war, für die Wiederbesetzung geringere Anforderungen genügen sollen. Wird mithin nach dem AltTZG beim nur teilweisen Ausscheiden eines Arbeitnehmers eine Wiederbesetzung des Arbeitsplatzes in dem in § 3 Abs 1 Nr 2 AltTZG beschriebenen Umfang verlangt, ist es gerechtfertigt, bei einem gänzlichen Ausscheiden des Arbeitnehmers nach Maßgabe des VRG den gegenüber dem AltTZG in aller Regel höheren Zuschuß der BA daran zu knüpfen, daß der freigewordene Arbeitsplatz zeitlich in vollem Umfang wiederbesetzt wird.
Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Weder direkt noch indirekt ist der von dem Arbeitnehmer St. zum 1. April 1988 freigemachte Vollzeit-Arbeitsplatz von der Klägerin iS des Gesetzes wiederbesetzt worden. Zwar wurde auf dessen Arbeitsplatz durch Umsetzung die Arbeitnehmerin D. in Vollzeit beschäftigt. Diese war jedoch bislang nur Teilzeitbeschäftigte gewesen. Lediglich für deren frei gewordenen Arbeitsplatz wurde die Arbeitnehmerin L. als Teilzeitkraft eingestellt. Sind damit die Voraussetzungen des § 2 Abs 1 Nr 5 VRG nicht erfüllt, hat das LSG die Klage auf Zuschuß-Leistungen nach § 2 Abs 1, § 3 VRG zu Recht abgewiesen. Die Revision der Klägerin hiergegen ist folglich zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 913631 |
BB 1993, 865 |
NZA 1993, 959 |