Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Klage gegen eine Entscheidung der Schiedsstelle nach § 80 SGB 12. betriebsnotwendige Investitionsaufwendungen für ein Pflegeheim. fehlende Befugnis der Schiedsstelle zur Ersetzung der nach § 76 Abs 2 S 4 SGB 12 erforderlichen Zustimmung des Sozialhilfeträgers. keine Verzichtbarkeit wegen widersprüchlichen Verhaltens. Erstreitung in einem gesonderten Klageverfahren. Aufhebung der Schiedsstellenentscheidung. Bindungswirkung für die beigeladene Schiedsstelle
Leitsatz (amtlich)
1. Die sozialhilferechtliche Schiedsstelle hat nicht die Befugnis, eine fehlende Zustimmung (Einwilligung, Genehmigung) des Sozialhilfeträgers zur Investitionsmaßnahme einer Einrichtung als gesetzliche Voraussetzung für die Erhöhung einer Vergütung wegen der Investition zu ersetzen.
2. Die Zustimmung muss in einem gesonderten Klageverfahren erstritten werden.
3. Der zuständige Sozialhilfeträger kann jedoch eine Erhöhung der Vergütung akzeptieren, ohne der Investitionsmaßnahme zuzustimmen.
Orientierungssatz
Die Schiedsstelle selbst kann aufgrund der gesetzlichen Regelung des § 77 Abs 1 S 5 SGB 12 nicht verklagt und somit auch nicht gem § 131 Abs 3 SGG zu einer neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt werden. Bei Aufhebung der Schiedsstellenentscheidung sind die Vertragsparteien jedoch im Rahmen der Rechtskraft der Entscheidung (§ 141 SGG) unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 131 Abs 3 SGG an die Begründung der Aufhebung gebunden und die Schiedsstelle hat sie als Vertragshilfeorgan bei ihrer erforderlich werdenden neuen Entscheidung zu beachten.
Normenkette
SGB 12 § 75 Abs. 3 S. 1, Abs. 5 Sätze 1, 3; SGB 12 § 76 Abs. 2 S. 4; SGB 12 § 77 Abs. 1 Sätze 3, 5; SGB 12 § 80; SGB 11 § 82 Abs. 4 S. 1; BGB § 242; SGG § 141 Abs. 1 Nr. 1, § 131 Abs. 3, § 69 Nr. 3, § 75
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 27. April 2012 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits unter Ausschluss der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst trägt.
Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 30 061 Euro festgesetzt.
Tatbestand
Im Streit ist ein Schiedsspruch über die Höhe der Investitionskostenvergütung für die Zeit vom 3.3.2010 bis 2.3.2011.
Die Beklagte ist Trägerin des landesrechtlich nicht geförderten Alten- und Pflegeheims "Seniorenhaus M" in L (nachfolgend Pflegeheim) im M-Kreis, einer nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch - Soziale Pflegeversicherung - (SGB XI) zugelassenen Pflegeeinrichtung. Im Jahre 2002 haben sich die Beklagte und der Kläger, als das Heim noch über nur 29 Plätze (vier Plätze für Kurzzeitpflege und 25 für vollstationäre Dauerpflege) verfügt hat, sozialhilferechtlich auf eine Investitionskostenvergütung in Höhe von 15,90 Euro pro Heimplatz und Tag geeinigt; diese Vereinbarung galt vertraglich bis zum Inkrafttreten einer neuen Vergütungsvereinbarung fort. In den Jahren 2006/2007 wurde das Pflegeheim auf 64 Heimplätze (7 Plätze für Kurzzeitpflege; 57 Plätze für Dauerpflege) erweitert.
Der klagende Sozialhilfeträger lehnte im April 2007 Verhandlungen über eine wegen dieser Investitionen geforderten Erhöhung der Investitionskostenvergütung ab, weil eine Zustimmung zur Erweiterung des Heims nicht erteilt worden sei und nicht erteilt werde. Nach einigem Schriftverkehr mit der Anforderung verschiedener Unterlagen von der Beklagten unter ausdrücklichem Hinweis darauf, dass auch mit diesem Vorgehen eine Zustimmung zu den getätigten Investitionen nicht verbunden sei, bot er der Beklagten dann doch aus Kulanz eine Investitionskostenvergütung in Höhe von 16,55 Euro je Dauerpflegeplatz und 19,08 Euro je Kurzzeitpflegeplatz an. Die Beklagte nahm lediglich das Angebot für die Kurzzeitpflegeplätze an, erklärte die Verhandlungen hinsichtlich der Dauerpflegeplätze indes für gescheitert und rief insoweit am 3.3.2010 die beigeladene Schiedsstelle an. Dort beantragte sie letztlich die Festsetzung eines Betrags von 20,88 Euro täglich für jeden der 57 Dauerpflegeplätze, während der Kläger weiterhin nur mit 16,55 Euro einverstanden war. Die beigeladene Schiedsstelle setzte die Vergütung für die Zeit vom 3.3.2010 bis 2.3.2011 auf 18,60 Euro pro Pflegetag und Dauerpflegeplatz fest (Beschluss vom 16.6.2010).
Auf die Klage des Sozialhilfeträgers mit dem Ziel der Aufhebung des Schiedsspruchs unter "Verurteilung der Beigeladenen zur erneuten Entscheidung" hat das Hessische Landessozialgericht (LSG), nachdem es die Schiedsstelle einfach beigeladen, diese sich aber weder geäußert noch einen Antrag gestellt hatte, den Beschluss der Schiedsstelle aufgehoben und "die Sache an" diese "zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zurückverwiesen"; die Widerklage des Pflegeheimträgers auf Aufhebung des Schiedsspruchs und Verurteilung der Beigeladenen zur Neuentscheidung, letztlich in der Sache mit dem Ziel der Festsetzung von 20,88 Euro, hat es abgewiesen (Urteil vom 27.4.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat das LSG ausgeführt, der Beschluss der beigeladenen Schiedsstelle sei schon deswegen rechtswidrig, weil diese das in § 76 Abs 2 Satz 4 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) ausdrücklich geregelte Zustimmungserfordernis des klagenden Sozialhilfeträgers zur Maßnahme nicht beachtet habe. Insbesondere habe der Kläger keine (nachträgliche) Genehmigung - auch nicht konkludent - erteilt. Diese könne nicht in der Zustimmung zum Versorgungsvertrag nach dem SGB XI bzw dem Abschluss einer Pflegesatzvereinbarung nach diesem Gesetz gesehen werden. Die beigeladene Schiedsstelle habe jedoch nicht geprüft, ob das Ermessen des klagenden Sozialhilfeträgers zur Erteilung der Zustimmung auf Null reduziert sei; dies müsse sie nachholen.
Mit seiner Revision rügt der beklagte Pflegeheimträger, das LSG sei zu Unrecht von einem Zustimmungserfordernis des klagenden Sozialhilfeträgers zur Baumaßnahme ausgegangen. Mit dieser sei nämlich eine neue Einrichtung entstanden, für die eine Zustimmung nach § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII nicht erforderlich sei. Selbst wenn man dies anders sähe, sei das dem klagenden Sozialhilfeträger insoweit grundsätzlich zustehende Ermessen auf Null reduziert; denn der Umbau sei unumgänglich gewesen, um das Pflegeheim dem Betreuungsbedarf dementer und immobiler Bewohner anzupassen. Ohnedies habe der klagende Sozialhilfeträger entgegen der Auffassung des LSG bereits dadurch seine Zustimmung zu den Baumaßnahmen erteilt, dass er der Pflegesatzvereinbarung nach dem SGB XI für die vollstationäre Dauerpflege zugestimmt und sein Einvernehmen zu einem Versorgungsvertrag nach den Vorschriften des SGB XI erteilt habe. Auf seine Widerklage sei das LSG zu Unrecht in den Urteilsgründen überhaupt nicht näher eingegangen. Dass im Land Hessen neben den Verträgen nach dem SGB XI keine eigenen Leistungs- und Prüfungsvereinbarungen abgeschlossen würden, stehe einer Entscheidung der Schiedsstelle über höhere Investitionskostenvergütungen (20,88 Euro) nicht entgegen. Das LSG habe zu Unrecht keine Sachverhaltsfeststellungen zur Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des Zustimmungserfordernisses und zur angemessenen Höhe der Vergütung getroffen. Dadurch und durch die fehlenden Ausführungen zur Widerklage habe das LSG das rechtliche Gehör verletzt.
Die Beklagte beantragt, nachdem sie den Antrag auf Verurteilung der Schiedsstelle zur Neubescheidung zurückgenommen hat,
das Urteil des LSG in den Gründen nach Maßgabe ihrer eigenen Revisionsbegründung abzuändern.
Der Kläger beantragt, nachdem er ebenfalls seinen Antrag auf Verurteilung der Schiedsstelle zurückgenommen hat,
die Revision zurückzuweisen.
Er hält die Entscheidung des LSG für zutreffend.
Die Beigeladene hat weder einen Antrag gestellt noch sich zur Sache geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Trägerin des Pflegeheims (Beklagte und Widerklägerin) ist im Ergebnis unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫). Zwar hat das LSG bei seiner Entscheidung gegen das Gesetz verstoßen, indem es § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII (hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Neuregelung der zivilrechtlichen Vorschriften des Heimgesetzes nach der Föderalismusreform vom 29.7.2009 - BGBl I 2319 - erhalten hat) falsch ausgelegt hat; denn entgegen seiner Ansicht ist von der beigeladenen Schiedsstelle nicht im Schiedsverfahren zu prüfen, ob in Anwendung dieser Norm das Ermessen des Revisionsbeklagten (klagender und widerbeklagter Sozialhilfeträger) bei der Entscheidung über die Zustimmung zu einer Investitionsmaßnahme der Revisionsklägerin auf Null reduziert ist. Jedoch ist die Entscheidung des LSG im Tenor über die Aufhebung des Schiedsspruchs gerechtfertigt, weil die beigeladene Schiedsstelle gehindert ist, ohne eine solche Zustimmung des Sozialhilfeträgers überhaupt eine Vergütungsvereinbarung festzusetzen und keine der sachlichen Einwendungen der Revisionsklägerin gegen die Entscheidung des LSG (dazu später) berechtigt ist (vgl zu diesem Gedanken für das Obsiegen und Unterliegen bei der Klage gegen Schiedssprüche BSGE 113, 258 ff RdNr 11 = SozR 4-3300 § 85 Nr 4). Ob die von der Revisionsklägerin erhobenen Verfahrensfehler ordnungsgemäß gerügt sind und vorliegen, bedarf keiner Entscheidung, weil dies nicht zu einer Zurückverweisung der Sache an das LSG führen würde. Die beigeladene Schiedsstelle wird im wiedereröffneten Schiedsverfahren (zu dieser Rechtsfolge BVerwGE 116, 78 ff = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr 7) die Ansicht des erkennenden Senats zu berücksichtigen haben.
Dass das LSG mit seiner Entscheidung neben der Aufhebung des Schiedsspruchs die beigeladene Schiedsstelle ausdrücklich zur erneuten Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt hat, wie dies sowohl von der Revisionsklägerin als auch dem Revisionsbeklagten noch beantragt worden war, bedarf nicht zwingend einer Klarstellung im Tenor (zur Rechtswidrigkeit einer Verurteilung der beigeladenen Schiedsstelle und zur Bindung der Beigeladenen an die Gründe dieses Urteils später). Durch die in der mündlichen Verhandlung beim Senat insoweit erklärten Klagerücknahmen hat sich der Rechtsstreit in diesem Punkt (teilweise) erledigt (§ 102 Abs 1 Satz 2 SGG).
Streitgegenstand des Revisions-, aber auch des Gerichtsverfahrens insgesamt, ist damit nur noch die Aufhebung des Schiedsspruchs der beigeladenen Schiedsstelle, gegen den sich der Kläger und die Beklagte im Wege der Widerklage zulässigerweise mit einer Anfechtungsklage wehren (hierzu nur BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1 RdNr 11 mwN). Entgegen der üblichen prozessualen Situation richtet sich die Klage - erstinstanzlich beim LSG zu erheben (§ 29 Abs 2 Nr 1 SGG) - indes in einem Verfahren sui generis (dazu nur: BSG, aaO, RdNr 12; BVerwGE 116, 78 ff = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr 7; Jaritz/Eicher in juris PraxisKommentar ≪jurisPK≫ SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 82 mwN) gemäß § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII (hier idF, die die Norm durch das Gesetz zur Änderung des SGB XII und anderer Gesetze vom 2.12.2006 - BGBl I 2670 erhalten hat) gegen den jeweiligen Vertragspartner, ohne dass es eines Vorverfahrens bedurfte (§ 77 Abs 1 Satz 6 SGB XII). Es handelt sich bei der eigenen Klage der Revisionsklägerin und Beklagten, die zeitlich nach der des Revisionsbeklagten beim LSG eingegangen ist, wegen dieser Besonderheit des Klageverfahrens zwar formal um eine Widerklage (§ 100 SGG); indes verfolgt sie wie die Klage des Revisionsbeklagten, des Sozialhilfeträgers, mit der Aufhebung des Schiedsspruchs primär dasselbe verfahrensrechtliche Ziel.
Dabei ist die Klage auf die Gegenstände beschränkt, über die keine Einigung zwischen den Vertragsparteien erreicht werden konnte (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII; vgl dazu BSG, aaO, RdNr 9 f). Dies ist der Schiedsspruch insgesamt über die angemessene Höhe der Investitionskostenvergütung pro Pflegetag bei Dauerpflege für die Zeit vom 3.3.2010 bis 2.3.2011. Streitgegenstand ist insoweit also nicht nur der den Betrag von 16,55 Euro übersteigende "Teil des Schiedsspruchs", den der Revisionsbeklagte, der klagende Sozialhilfeträger, im Schiedsverfahren akzeptiert hätte. Wegen des Entscheidungsfreiraums der beigeladenen Schiedsstelle (dazu später) ist deren Schiedsspruch nämlich nicht teilbar in einen zusprechenden und ablehnenden Teil, wie dies bei bewilligenden Verwaltungsakten über Leistungen der Fall ist.
Die Revision ist zulässig; die Beklagte und Widerklägerin ist durch das LSG-Urteil beschwert, obwohl dieses formal ihrem Klageantrag auf Aufhebung des Schiedsspruchs entsprochen hat. Denn die Beschwer liegt in der maßgeblichen Begründung für die Aufhebung des Schiedsspruchs, an die die Revisionsklägerin und der Revisionsbeklagte wegen der geschilderten Besonderheiten des Verfahrens (vgl § 77 Abs 1 Satz 5 SGB XII) im Rahmen der Rechtskraft der Entscheidung (§ 141 SGG) unter Berücksichtigung des Rechtsgedankens des § 131 Abs 3 SGG untereinander gebunden sind und die auch die Schiedsstelle als Vertragshilfeorgan (zu dieser Funktion BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1 RdNr 9 mwN) bei ihrer erforderlich werdenden neuen Entscheidung zu beachten hat (BSG, aaO, RdNr 12; Jaritz/Eicher, jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 85; so auch bereits das BVerwG ≪BVerwGE 116, 78, 86 = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr 7 aE≫ ohne nähere Begründung). Denn auch sie darf trotz ihres Gestaltungsfreiraums fehlende Willenserklärungen der Vertragsparteien nur insoweit ersetzen, als die Vertragsparteien selbst rechtlich in der Lage sind, Erklärungen abzugeben.
Nur dieses Ergebnis wird der besonderen prozessualen Situation gerecht, nach der, anders als in sonstigen gerichtlichen Verfahren gegen Schiedssprüche, die Schiedsstelle selbst aufgrund der ausdrücklichen - außergewöhnlichen - gesetzlichen Regelung gerade nicht verklagt und somit auch nicht gemäß § 131 Abs 3 SGG zu einer neuen Entscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts verurteilt werden kann. Es kann dahinstehen, ob bzw inwieweit bei der Beurteilung der Rechtskraft ohnedies allgemein über den Tenor hinaus auf den Inhalt der Entscheidung zurückgegriffen werden darf (vgl dazu nur Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 141 RdNr 7 ff mwN). Jedenfalls in Verfahren gegen sozialhilferechtliche Schiedssprüche, in der mangels gesetzlicher Regelung eine Verurteilung der Schiedsstelle zur Neuentscheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts nicht vorgesehen ist, erfordern dies die Interessen der Vertragsparteien, damit überhaupt von einem effektiven Rechtsschutz gesprochen werden kann.
Auch sonstige von Amts wegen zu berücksichtigende Verfahrensmängel stehen einer Sachentscheidung nicht entgegen. Insbesondere waren sowohl Klage als auch Widerklage zulässig. Dabei bedarf es keiner Entscheidung darüber, ob die Klage der Revisionsklägerin gegen den Schiedsspruch, die sich formal als Widerklage darstellt, als solche auch außerhalb der für Anfechtungsklagen ansonsten geltenden Klagefrist (§ 87 Abs 1 SGG) erhoben werden könnte (vgl dazu allgemein für die Widerklage Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, aaO, § 100 RdNr 6a mwN); vorliegend ist sie jedenfalls innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist erhoben worden. Der Zulässigkeit der Klage des revisionsbeklagten Sozialhilfeträgers steht auch nicht entgegen, dass er sich im Verfahren vor der beigeladenen Schiedsstelle bereit erklärt hat, eine Investitionskostenvergütung von 16,55 Euro täglich zu akzeptieren; dadurch verliert er nicht die Klagebefugnis (§ 54 Abs 2 SGG). Abgesehen davon, dass die beigeladene Schiedsstelle von ihm gerade nicht angerufen worden ist, ist die Schiedsstelle vor allem über den vom klagenden Sozialhilfeträger akzeptierten Betrag von 16,55 Euro hinausgegangen und der Schiedsspruch ist, soweit er die angemessene Höhe der Vergütung betrifft, nicht in einen beschwerenden und nicht beschwerenden Teil auflösbar (s oben).
Ob eine Beiladung der Schiedsstelle - abgesehen von der Frage ihrer Beteiligtenfähigkeit (§ 70 SGG) - nur als einfache (s dazu: Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 83 ff mwN; BVerwGE 116, 78 ff = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr 7, "keine notwendige Beiladung") oder ggf sogar wegen der beim LSG noch beantragten (unzulässigen) Verurteilung der Schiedsstelle als notwendige zu Recht erfolgt ist, weil das LSG dem Antrag auf Verurteilung stattgegeben hat, ist rechtlich ohne Bedeutung. Zumindest eine einfache Beiladung (§ 75 Abs 1 SGG) war zulässig, weil jedenfalls die rechtlichen Interessen der Schiedsstelle berührt sind. Es bedarf keiner näheren Ausführungen dazu, ob dabei die Schiedsstelle selbst nach § 70 Nr 2 SGG (nichtrechtsfähige Personenvereinigung; näher dazu für den Prothetik-Einigungsausschuss nach altem Recht BSG SozR 1500 § 70 Nr 3) oder in analoger Anwendung der Nr 4 (so für den Prothetik-Einigungsausschuss BSG aaO) beteiligtenfähig ist, wenn wie vorliegend das Landesrecht nicht die Beteiligtenfähigkeit der Behörde anordnet (Nr 3) oder ob das LSG richtigerweise das Land als maßgebliche juristische Person, bei dessen Amt die Schiedsstelle gebildet ist, hätte beiladen müssen oder können (zweifelnd in anderem Zusammenhang BSG, Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 19/99 R). Selbst wenn letzteres der Fall wäre, würde sich eine Korrektur der Beiladung als überflüssiger Formalismus darstellen, weil sich die Schiedsstelle am Verfahren ohnedies nicht beteiligt hat und sie, wie ausgeführt, auch ohne Beiladung an die Entscheidung des Senats gebunden ist. Eine aus einer formal fehlerhaften Beiladung ggf resultierende fehlende Rechtskraft wirkt sich also in der Sache ohnehin nicht aus.
Die Revision ist unbegründet; die Klage des Revisionsbeklagten ist in vollem Umfang begründet, die Widerklage der Revisionsklägerin mit dem letztlichen Ziel, durch eine neue Entscheidung der Beigeladenen eine noch höhere Investitionskostenvergütung zu ermöglichen, dagegen in der Sache unbegründet, wenngleich der Schiedsspruch aufgehoben bleibt. Im Ergebnis bleiben nämlich alle Einwände der Revisionsklägerin, auf die sie ihre Revision stützt, ohne Erfolg, weil einer Entscheidung der Schiedsstelle über die angemessene Investitionskostenvergütung (§ 75 Abs 5 Satz 3 iVm Abs 3 SGB XII)§ 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII entgegensteht.
Danach braucht der Träger der Sozialhilfe einer verlangten Erhöhung der Vergütung aufgrund von Investitionsmaßnahmen nur zuzustimmen, wenn er der Maßnahme zuvor zugestimmt hat. § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII gilt nicht nur für Vergütungsvereinbarungen außerhalb der Pflege nach dem SGB XI - bei denen Bestandteil einer Vergütung auch ein Investitionsbetrag ist (§ 76 Abs 2 Satz 1 SGB XII) -, sondern auch - wie vorliegend - in Fällen des § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII bei der Vergütung von zugelassenen landesrechtlich nicht geförderten Pflegeeinrichtungen iS des § 72 SGB XI. Nach § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII (in der seit 1.1.2005 geltenden Fassung) ist der Träger der Sozialhilfe nur zur Übernahme gesondert berechneter Investitionskosten nach § 82 Abs 4 SGB XI, also für landesrechtlich nicht geförderte Pflegeeinrichtungen, verpflichtet, wenn hierüber entsprechende (gesonderte sozialhilferechtliche) Vereinbarungen nach dem Zehnten Kapitel (des SGB XII) getroffen worden sind. Es kann offen bleiben, ob dies immer eine Prüfungsvereinbarung und/oder Leistungsvereinbarung voraussetzt (dazu Jaritz/Eicher, aaO, § 75 SGB XII RdNr 171 mwN), ob solche Vereinbarungen neben der Vergütungsvereinbarung über die Investitionskosten getroffen sind und ob bzw wann Schiedsstellen ggf berechtigt sind, zumindest inzident Leistungsvereinbarungen in den Schiedsspruch einzubeziehen, oder auch ohne Prüfungs- und/oder Leistungsvereinbarung eine Vergütung festsetzen dürfen (dazu nur Jaritz/Eicher, aaO, § 77 SGB XII RdNr 37 ff mit umfassenden weiteren Nachweisen und § 75 SGB XII RdNr 82 ff mit umfassenden weiteren Nachweisen).
Zwar ist die Entscheidung der Schiedsstelle, die eine Schlichtungsmaßnahme eines sachnahen, weisungsfreien, mit Vertretern der Interessen der betroffenen Gruppen paritätisch zusammengesetzten Gremiums darstellt (BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1 RdNr 9 mwN) und deren Entscheidungsspielraum sich am Vereinbarungsspielraum der Vertragsparteien messen muss, gerichtlich im Rahmen der gesetzlichen Grenzen nur eingeschränkt überprüfbar (dazu im Einzelnen: BSG, aaO, RdNr 14 mwN; Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 80 SGB XII RdNr 31; Neumann in Hauck/Noftz, SGB XII, K § 77 RdNr 38 ff, Stand März 2012; Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 80 SGB XII RdNr 3 ff; Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 77 SGB XII RdNr 92 mit umfassenden weiteren Nachweisen). Überprüfbar bleibt verfahrensrechtlich jedoch die Ordnungsgemäßheit des vorliegend erst nach Ablauf der Verhandlungsfrist (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII) eingeleiteten Schiedsverfahrens, wobei wegen des Entscheidungsfreiraums der Schiedsstelle die Beteiligung eines unzuständigen Sozialhilfeträgers unter Berücksichtigung des § 42 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) in der Regel nicht geheilt werden dürfte. Hier ist das Schiedsverfahren als Verwaltungsverfahren nicht deshalb fehlerhaft, weil der klagende Sozialhilfeträger (Revisionsbeklagter) für den Abschluss von Vergütungsvereinbarungen nicht zuständig gewesen wäre. Hierzu stellt § 77 Abs 1 Satz 2 SGB XII auf den Sitz des für die Einrichtung zuständigen Trägers der Sozialhilfe ab, trifft dabei indes nur eine Regelung über die örtliche, nicht die sachliche Zuständigkeit. Diese ergibt sich hier aus § 97 Abs 1 SGB XII, der für die "Sozialhilfe" allgemein die sachliche Zuständigkeit des örtlichen Trägers der Sozialhilfe bestimmt, solange keine abweichenden landesrechtlichen Regelungen getroffen sind. Dies ist nicht der Fall - mangels eigener Prüfung des LSG darf dies der Senat feststellen - und L, der Sitz sowohl des Einrichtungsträgers als auch des Pflegeheims, gehört zum örtlichen Zuständigkeitsbereich des Klägers.
Entgegen der Ansicht der Revisionsklägerin scheitert die Anwendung des § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII nicht daran, dass mit den Investitionen ein neues Pflegeheim entstanden wäre, für das auch ohne die in § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII vorgesehene Zustimmung gemäß § 75 Abs 5 Satz 3 SGB XII neue Vereinbarungen getroffen werden könnten, aber auch müssten - die alten Vereinbarungen würden dann nicht mehr gelten. Es handelt sich weiterhin um dieselbe Einrichtung, die - wenn auch erheblich - nur erweitert worden ist, ohne dass der Zweck der Einrichtung qualitativ eine Änderung erfahren hat. Der Begriff der Einrichtung (s dazu mwN zur Rspr des BVerwG BSGE 112, 196 ff = SozR 4-3500 § 54 Nr 10: "in besonderer Organisationsform zusammengefasster Bestand von personellen und sachlichen Mitteln unter verantwortlicher Trägerschaft, der auf gewisse Dauer angelegt und für einen wechselnden Personenkreis zugeschnitten ist") wird aber gerade durch ihren Zweck geprägt (BSG SozR 4-3500 § 106 Nr 1 RdNr 19). Weder dieser noch die anderen Kriterien zur Begriffsbestimmung haben durch die baulichen Erweiterungen irgendeine Änderung erfahren. Es wäre geradezu widersinnig, wenn das Zustimmungserfordernis des § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII durch besonders umfassende und damit teure Maßnahmen umgangen werden könnte. Mit der Regelung soll nämlich sichergestellt werden, dass ohne Zustimmung geschaffene Fakten nicht zu höheren Vergütungen führen (Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 76 SGB XII RdNr 38).
Zwar kann die nach § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII erforderliche Zustimmung zur Maßnahme auch nachträglich, also nach Durchführung der Maßnahme, aber vor einer Zustimmung zur Investitionskostenvergütung erklärt werden (Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 76 SGB XII RdNr 100); denn der Begriff der Zustimmung umfasst sowohl die Einwilligung im Voraus als auch die Genehmigung im Nachhinein (vgl §§ 182 bis 184 Bürgerliches Gesetzbuch ≪BGB≫). Nach den für den Senat bindenden - weil nicht mit erfolgreichen Verfahrensrügen angegriffenen - Tatsachenfeststellungen des LSG (§ 163 SGG) hat der klagende und revisionsbeklagte Sozialhilfeträger jedoch mangels Kenntnis vom Vorhaben weder im Voraus noch nachträglich den Erweiterungsmaßnahmen zugestimmt, sondern nach Kenntnis der durchgeführten Baumaßnahmen sogar jederzeit ausdrücklich seine Zustimmung verweigert; eine konkludente Zustimmung scheidet bereits aus diesem Grund aus.
Die Zustimmung ist auch entgegen dem Vortrag der Revisionsklägerin nicht wegen widersprüchlichen Verhaltens ("venire contra factum proprium"; § 242 BGB) des Sozialhilfeträgers verzichtbar. Dass er dem Abschluss eines neuen Versorgungsvertrags nach dem SGB XI und der Pflegesatzvereinbarung nach dem SGB XII zugestimmt hat und sozialhilferechtlich mit einer Erhöhung der Vergütung im Kurzzeitpflegebereich einverstanden war sowie im Langzeitpflegebereich eine mäßige Erhöhung akzeptiert hätte, rechtfertigt diesen Schluss nicht. Soweit es das Verhalten des Sozialhilfeträgers im Rahmen der Versorgung durch die Pflegekassen nach dem SGB XI betrifft, ergibt sich dies bereits daraus, dass die Investitionskosten von den Leistungen der Pflegekassen nach dem SGB XI nicht erfasst werden (§ 82 SGB XI) und gerade deshalb eigenständige Vereinbarungen nach § 75 Abs 5 SGB XII erforderlich sind. Dass der klagende Sozialhilfeträger "trotz fehlender Zustimmung" im Rahmen der Kurzzeitpflege eine Erhöhung akzeptiert hat und im Langzeitpflegebereich eine mäßige Erhöhung akzeptieren würde, kann ebenso wenig als widersprüchlich gewertet werden; denn die Frage, ob er sich auf eine fehlende Zustimmung im Verfahren der Erhöhung der Investitionskostenvergütung beruft, ist nach der ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ("braucht nur zuzustimmen") und dem Sinn der Vorschrift ihm im Einzelfall überlassen (Schellhorn in Schellhorn/Schellhorn/Hohm, SGB XII, 18. Aufl 2010, § 76 SGB XII RdNr 20; Jaritz/Eicher, aaO, § 76 SGB XII RdNr 105). Vor diesem Hintergrund ist die Entscheidung des klagenden Sozialhilfeträgers, sich in Teilbereichen nicht auf die fehlende Zustimmung zu berufen, nicht treuwidrig.
Verweigert der Sozialhilfeträger seine Zustimmung zur Investitionsmaßnahme selbst, muss diese vielmehr in einem gesonderten Klageverfahren - erstinstanzlich beim zuständigen Sozialgericht - erstritten werden (Jaritz/Eicher in jurisPK SGB XII, 2. Aufl 2014, § 76 SGB XII RdNr 105). Entgegen dem Vortrag der Revisionsklägerin und den Ausführungen im Urteil des LSG ist deshalb für die Entscheidung des Senats ohne Bedeutung, ob ggf das Ermessen des Sozialhilfeträgers zur nachträglichen Genehmigung auf Null geschrumpft ist. Es ist nicht Aufgabe der Schiedsstelle, dies zu prüfen, sondern muss im gesonderten Klageverfahren geklärt werden (aA zu Unrecht: Schellhorn, aaO, § 76 SGB XII RdNr 20; Flint, aaO, § 76 SGB XII RdNr 38; Münder in Lehr- und Praxiskommentar SGB XII, 9. Aufl 2012, § 76 SGB XII RdNr 32). Die Schiedsstelle selbst kann eine fehlende Genehmigung nicht ersetzen. Sie kann lediglich - und dies wird sie vorliegend auch versuchen können - auf eine nachträgliche Genehmigung oder einen Verzicht des Sozialhilfeträgers auf die Einrede der fehlenden Zustimmung hinwirken können. Dies ergibt sich aus ihrer Aufgabe, (nur) die fehlende Vereinbarung der Vertragsparteien zu ersetzen (§ 77 Abs 1 Satz 3 SGB XII). Der freien Vereinbarung unterliegt die Zustimmung nach § 76 Abs 2 Satz 4 SGB XII aber gerade nicht, sondern ausschließlich der Entscheidung des Sozialhilfeträgers. Die Ersetzung einer fehlenden Zustimmung unterfällt damit nicht der Kompetenz der Schiedsstelle in ihrer Vertragshelferfunktion.
Ob die von der Revisionsklägerin geltend gemachten Verfahrensfehler ordnungsgemäß gerügt sind und vorliegen, kann offen bleiben. Eine andere Entscheidung in der Sache ist ohnedies nicht möglich (§ 170 Abs 1 Satz 2 SGG). Nach der Aufhebung des Schiedsspruchs wird die beigeladene Schiedsstelle nunmehr erneut zu entscheiden haben, weil das Schiedsverfahren noch nicht abgeschlossen ist (BSG SozR 4-3500 § 77 Nr 1 RdNr 12; BVerwGE 116, 78 ff = Buchholz 436.0 § 93 BSHG Nr 7; aA Flint in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 5. Aufl 2014, § 80 SGB XII RdNr 32). Dem steht die fehlende Zustimmung des klagenden und widerbeklagten Sozialhilfeträgers schon deshalb nicht entgegen, weil dieser auch weiterhin bereit sein dürfte, eine geringe Erhöhung der Investitionskostenvergütung (etwa auf 16,55 Euro) auch ohne Zustimmung zur Maßnahme zu akzeptieren. Ob die beigeladene Schiedsstelle andernfalls eine Erhöhung der Vergütung ablehnt oder ggf das Ergebnis eines gesonderten Klageverfahrens wegen der fehlenden Zustimmung abwartet, unterliegt ihrer Entscheidung.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm §§ 154 Abs 1, 155 Abs 1 Satz 3 und Abs 2, 162 Abs 3 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Festsetzung des Streitwerts folgt aus § 197a Abs 1 Satz 1 SGG iVm §§ 63 Abs 2, 52 Abs 3 Satz 1, 45 Abs 1 Satz 1 und 3, 47 Abs 1 Satz 1 Gerichtskostengesetz.
Fundstellen
BSGE 2015, 233 |
NVwZ-RR 2015, 740 |
WzS 2015, 25 |
NDV-RD 2015, 33 |
SGb 2014, 555 |