Leitsatz (redaktionell)
Zulässigkeit der Berufung bei Streit über den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4:
Die Vorschrift des SGG § 146 gilt nicht für den Beitragszuschuß nach RVO § 381 Abs 4; mithin kann auch gegen ein Urteil des SG, in dem lediglich über den Anspruch auf Beitragszuschuß für einen vergangenen Zeitraum entschieden worden ist, Berufung eingelegt werden, sofern die Anspruchsdauer mehr als 3 Monate umfaßt.
Normenkette
RVO § 381 Abs. 4 Fassung: 1956-06-12; SGG § 146 Fassung: 1958-06-25
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Mai 1967 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Gründe
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin, die von der beklagten Bundesversicherungsanstalt für Angestellte seit dem 1. April 1963 Altersruhegeld und seit dem 19. November 1965 einen Beitragszuschuß zu ihrer privaten Krankenversicherung (§ 381 Abs. 4 RVO) erhält, der Beitragszuschuß schon vom Beginn des Altersruhegeldes an zusteht. Das Sozialgericht (SG) hat dies bejaht, das Landessozialgericht Niedersachsen (LSG) hat die - vom SG nicht zugelassene - Berufung der Beklagten als unzulässig verworfen. Es hat ausgeführt, die Berufung betreffe lediglich einen abgelaufenen Zeitraum im Sinne des § 146 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Zwar handele es sich hier nicht um Rente, sondern um einen Zuschuß zur Rente. Dieser sei jedoch gegenüber der Rente kein "Aliud", sondern ein "Minus" und eine unselbständige Nebenleistung. Für eine solche könne vernünftigerweise kein weitergehender Rechtsschutz als für die Rente selbst gewährt werden (Urteil vom 26. Mai 1967).
Die Beklagte hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt und Verletzung des § 146 SGG gerügt.
Sie beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 26. Mai 1967 und das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 9. Dezember 1966 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision der Beklagten ist begründet.
Wie der erkennende Senat im Urteil vom 26. Januar 1967 (BSG 26, 73) entschieden hat, ist die Berufung zulässig, wenn sie - wie hier - den Anspruch eines Rentners auf einen Zuschuß zu seinem Krankenversicherungsbeitrag für einen abgelaufenen, aber mehr als drei Monate umfassenden Zeitraum betrifft. Streitigkeiten wegen Gewährung solcher Leistungen gehören zwar zu den Angelegenheiten der Rentenversicherungen im Sinne des § 146 SGG (vgl. § 1235 Nr. 5 RVO). Beitragszuschüsse der genannten Art haben jedoch - anders als z.B. das Übergangsgeld (§ 1241 RVO) - keinen "rentenähnlichen Charakter"; schon deswegen kann § 146 SGG, der im übrigen als Ausnahmevorschrift zu § 143 SGG eng auszulegen ist, auf sie nicht entsprechend angewendet werden (vgl. BSG SozR Nr. 27 zu § 144 und Nr. 11 zu § 146 SGG).
An dieser Auffassung hält der Senat auch nach nochmaliger Prüfung und unter Würdigung der vom LSG angeführten Gegengründe fest. Entgegen der Ansicht des LSG ist der Anspruch auf einen Beitragszuschuß nach § 381 Abs. 4 RVO gegenüber dem Anspruch auf Rente nicht als ein Weniger (minus), sondern als ein Anderes (aliud) anzusehen; als Weniger müßte er in dem Mehr (Rentenanspruch) enthalten sein, was nicht zutrifft. Der Anspruch nach § 381 Abs. 4 RVO verhält sich zum Rentenanspruch auch nicht wie ein Neben- zum Hauptanspruch. Beiträge des Rentenversicherungsträgers für die Krankenversicherung der Rentner einerseits und Renten andererseits nennt § 1235 RVO als untereinander rechtlich gleichwertige Regelleistungen der Rentenversicherung; entsprechendes gilt für Zuschüsse nach § 381 Abs. 4 RVO. Auch wirtschaftlich haben die Beiträge bzw. Beitragszuschüsse des Rentenversicherungsträgers für die Rentner nicht selten die gleiche Bedeutung wie die Rente selbst. Richtig ist allerdings, daß der Anspruch auf einen Zuschuß zum Krankenversicherungsbeitrag (nicht "zur Rente") insofern "unselbständig" ist, als er das Bestehen eines Rentenanspruchs voraussetzt. Daraus ist jedoch nichts für seine Berufsunfähigkeit zu entnehmen. Es gibt keinen Grundsatz, daß ein "unselbständiger" Anspruch hinsichtlich der Zulässigkeit der Berufung ebenso zu beurteilen ist wie der Anspruch, von dessen Bestehen er abhängt.
Das LSG hätte somit die Berufung der Beklagten nicht als unzulässig verwerfen dürfen, sondern hätte über sie sachlich entscheiden müssen. Der Senat kann diese Entscheidung nicht nachholen, da entsprechende tatsächliche Feststellungen fehlen. Er hat deshalb den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das LSG zurückverwiesen.
Fundstellen