Leitsatz (amtlich)
Der Knappschaftssold kann nicht mehr gewährt werden, wenn er erst nach dem 31-12-1957 beantragt worden ist.
Normenkette
KnVNG Art. 2 § 31 Abs. 2 Fassung: 1957-05-21; KnRVNV § 9 Fassung: 1942-10-04; KnRVNV 1942 § 9 Fassung: 1942-10-04
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1965 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Streitig ist die Gewährung des Knappschaftssoldes.
Der am 2. Juni 1905 geborene Kläger war vom 22. Januar 1920 bis zum 3. Mai 1958 im Oberschlesischen Bergbau beschäftigt, und zwar vom 22. Januar 1920 bis zum 28. April 1928 als Pumpenmaschinist, vom 1. Mai 1928 bis zum 30. Juni 1935 als Arbeiter im Maschinenbetrieb, vom 1. Juli 1935 bis zum 29. März 1948 als Fördermaschinist (Angestellter), vom 2. April 1948 bis zum 14. März 1951 als Maschinenarbeiter, vom 16. März 1951 bis zum 31. Dezember 1952 als Maschinenschlosser und vom 1. Januar 1953 bis zum 3. Mai 1958 als Fördermaschinist (Angestellter). Am 20. Mai 1958 siedelte er in das Gebiet der Bundesrepublik über. Er beantragte am 21. Juli 1958 die Gewährung der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG).
Mit Bescheid vom 30. Juni 1959 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die vom Kläger verrichteten Arbeiten gehörten nicht zu den Hauer- oder gleichgestellten Arbeiten.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch gegen die Ablehnung des Antrages auf Gewährung der Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG am 26. Oktober 1959 zurück; über den Knappschaftssold wurde nicht entschieden. In dem daraufhin erlassenen Widerspruchsbescheid vom 3. November 1959 heißt es jedoch in den Gründen zusätzlich: "Den Knappschaftssold sieht das neue Rentenrecht als Regelleistung nicht mehr vor. Ein Antrag auf diese Leistung hätte bis zum 31. Dezember 1957 gestellt sein müssen. Da ein Antrag bis zu diesem Tag der Ruhrknappschaft nicht vorlag, kann Ihnen Knappschaftssold nicht gewährt werden."
Durch Urteil vom 4. Juli 1960 hat das Sozialgericht (SG) unter Abweisung der Klage im übrigen die Beklagte verurteilt, dem Kläger Knappschaftssold für die Zeit vom 1. Juli 1958 an zu zahlen.
Auf die Berufung der Beklagten hat das Landessozialgericht (LSG) unter Abänderung des sozialgerichtlichen Urteils die Klage abgewiesen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt mit dem Ziel der Gewährung des Knappschaftssoldes. Das Bundessozialgericht (BSG) hat mit Urteil vom 29. Mai 1964 die Entscheidung des Berufungsgerichts aufgehoben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen, weil es hinsichtlich des Anspruchs auf Gewährung des Knappschaftssoldes an dem Vorverfahren mangele.
Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies am 26. Oktober 1964 den Widerspruch des Klägers gegen die Ablehnung des Knappschaftssoldes mit der Begründung zurück, daß der Antrag erst am 21. Juli 1958, und damit verspätet, gestellt worden sei (Art. 2 § 31 Abs. 2 des Knappschaftsversicherungs- Neuregelungsgesetzes - KnVNG -).
Durch Urteil vom 7. Januar 1965 hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen; es hat die Revision zugelassen.
Das LSG ist der Auffassung, daß der Kläger keinen Anspruch auf den Knappschaftssold hat, weil es nach dem seit dem 1. Januar 1957 geltenden Knappschaftsrecht den Knappschaftssold nicht mehr gibt. Es könne seit dem 1. Januar 1957 nur noch Knappschaftssold in den Fällen gewährt werden, für die es in den Übergangsbestimmungen ausdrücklich vorgesehen ist. Gemäß Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG sei der Knappschaftssold nach dem 31. Dezember 1956 nur zu gewähren, wenn seine Voraussetzungen bis zum 31. Dezember 1957 nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht erfüllt sind. Zu den Voraussetzungen des Knappschaftssoldes gehöre aber auch die Antragstellung. Eine entsprechende Regelung habe auch für die dem Knappschaftssold vergleichbare frühere Leistung, die Alterspension (§ 37 RKG aF) gegolten und gelte ebenso für die den Knappschaftssold ablösende Leistung, die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG (vgl. § 82 Abs. 5 RKG). Diese Entwicklung unterstreiche, daß beim Knappschaftssold der Antrag zu den materiellen Leistungsvoraussetzungen gehört habe. Nachdem der Gesetzgeber sich entschlossen habe den Knappschaftssold überhaupt abzuschaffen, habe es kaum in seiner Absicht gelegen, noch für unbegrenzte Zeit Leistungen dieser Art neu entstehen zu lassen, und zwar dann auch für solche Versicherte, die den Antrag schon vor dem 31. Dezember 1957 hätten stellen können. Bis zum 31. Dezember 1957 hätten daher die Voraussetzungen für die Gewährung dieser Leistung nicht vorgelegen.
Gegen dieses Urteil hat der Kläger Revision eingelegt. Er rügt, das Berufungsgericht habe seinen Anspruch auf Knappschaftssold zu Unrecht als unbegründet angesehen. Er habe bis zum 31. Dezember 1957 die für die Gewährung des Knappschaftssolds nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht erforderlichen Voraussetzungen erfüllt. Der Umstand, daß er den Antrag auf die Gewährung des Knappschaftssolds erst nach dem 31. Dezember 1957 gestellt habe, müsse dabei rechtlich unerheblich bleiben, weil der Antrag keine materiell-rechtliche Voraussetzung für die Entstehung dieses Anspruchs gewesen sei. Der Anspruch entstehe unabhängig von dem Antrag bereits in dem Augenblick, in dem er 180 Monate wesentlich bergmännische Arbeiten geleistet und das 50. Lebensjahr vollendet habe. Der Antrag sei nur ein formales Erfordernis für die Auszahlung des Knappschaftssolds. Unter "Voraussetzungen" im Sinne des Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG könne nur die Erfüllung der materiell-rechtlichen Leistungsvoraussetzungen verstanden werden. Hätte der Gesetzgeber hierunter auch den formellen Antrag auf Auszahlung des Knappschaftssoldes verstanden wissen wollen, so hätte er dies zum Ausdruck gebracht. Er hätte dann das Erfordernis der Antragstellung bis zum 31. Dezember 1957 ausdrücklich erwähnt. Der Wille des Gesetzgebers sei dahin zu verstehen, die Bergleute, die im Jahre 1957 in den Genuß des Knappschaftssolds gekommen wären, also kurz vor dessen Gewährung gestanden hätten, noch in den Genuß des Knappschaftssolds kommen zu lassen.
Der Erfüllung der Voraussetzungen für die Gewährung des Knappschaftssolds stehe auch nicht entgegen, daß er erst im Mai 1958 in das Bundesgebiet übergesiedelt sei. Er müsse unter Anwendung des Fremdrentengesetzes so gestellt werden, als ob er die Beitragszeiten im Bundesgebiet zurückgelegt hätte. In diesem Falle seien aber die Voraussetzungen zur Gewährung des Knappschaftssolds bis zum 31. Dezember 1957 erfüllt.
Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Urteils des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 7. Januar 1965 und des Widerspruchsbescheides der Beklagten vom 29. Oktober 1964 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 4. Juli 1960 als unbegründet zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und ist mit dem Berufungsgericht der Auffassung, daß ein Rentenanspruch erst dann als erworben gilt, wenn seine sämtlichen Voraussetzungen erfüllt sind. Dazu gehöre auch die Anmeldung des Anspruchs, also der Antrag gem. § 191 Abs. 1 RKG - § 1545 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) -, wenn das Gesetz - wie hier - ausdrücklich vorschreibe, daß der Versicherte die Leistung auf Antrag erhält. Als der Kläger im Juli 1958 den Knappschaftssold beantragt habe, sei diese Leistung aber kraft Gesetzes bereits weggefallen, so daß ihm der Knappschaftssold nicht gewährt werden könne.
Schließlich stehe auch § 1 Abs. 1 FAG vom 7. August 1953 der Zuerkennung des Knappschaftssoldes an den Kläger entgegen. Diese Vorschrift fordere für den Anspruch auf Leistungen u.a. den Antrag, der hier in entsprechender Anwendung des Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG bis zum 31. Dezember 1957 gestellt sein müsse. Zudem habe sich der Kläger bis Mai 1958 nicht im Bundesgebiet oder im Lande Berlin aufgehalten. Im übrigen sei nicht erwiesen, daß er während der knappschaftlichen Versicherungszeiten vom 2. Juni 1921 bis zum 31. Dezember 1937 und vom 1. Juni 1945 bis zum Mai 1958 einhundertachtzig Monate wesentlich bergmännische Arbeiten verrichtet habe.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
Ob der Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 3. November 1959, der sich nur in seinen Gründen mit dem Knappschaftssold befaßt, eine wirksame Entscheidung über den Anspruch auf Gewährung des Knappschaftssoldes enthält, kann dahinstehen. Jedenfalls hätte dieser Bescheid, soweit er sich auf den Knappschaftssold erstreckt, aufgehoben werden müssen, weil er insoweit nicht durch die Entscheidung der Widerspruchsstelle der Beklagten gedeckt ist. Die Widerspruchsstelle hat nämlich laut Sitzungsniederschrift vom 26. Oktober 1959 keine Entscheidung über den Anspruch auf Knappschaftssold getroffen. Einer solchen Aufhebung bedarf es jetzt aber nicht mehr, weil die Widerspruchsstelle inzwischen am 29. Oktober 1964 über den Knappschaftssold entschieden hat und dem Kläger ein entsprechender Widerspruchsbescheid erteilt worden ist. Damit ist das erforderliche Vorverfahren wirksam durchgeführt.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht entschieden, daß der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung des Knappschaftssoldes hat.
Das am 1. Januar 1957 in Kraft getretene Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetz kennt den Knappschaftssold als knappschaftliche Rentenleistung nicht mehr. Allerdings kann ein Anspruch auf Knappschaftssold nach Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG auch noch nach dem 31. Dezember 1956 anerkannt werden, wenn die Voraussetzungen für die Gewährung des Knappschaftssoldes bis zum 31. Dezember 1957 nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht erfüllt sind.
Nach § 9 der bis zum 31. Dezember 1956 in Kraft gewesenen Verordnung über die Neuregelung der Rentenversicherung im Bergbau vom 4. Oktober 1942 erhält Knappschaftssold auf Antrag der Versicherte, der das 50. Lebensjahr vollendet, 300 Beitragsmonate zurückgelegt, während der Zeit mindestens 180 Beitragsmonate wesentlich bergmännische Arbeiten verrichtet und die Anwartschaft erhalten hat.
Das Berufungsgericht hat den Anspruch des Klägers abgelehnt, weil er den Antrag auf Gewährung des Knappschaftssoldes erst am 17. Juli 1958 gestellt hat; es geht davon aus, daß zu den Voraussetzungen des Knappschaftssoldes auch der Antrag gehört. Im Ergebnis ist dieser Auffassung zuzustimmen. Es ist zwar nicht zweifelsfrei, ob der Antrag auf Gewährung des Knappschaftssoldes ganz allgemein materiell-rechtliche Bedeutung hat. Allein aus dem Umstand, daß in § 9 der VO vom 4. Oktober 1942 vorgeschrieben ist, daß der Knappschaftssold auf Antrag gewährt wird, kann dies jedenfalls nicht geschlossen werden. Es kommt vielmehr darauf an, aus welchem Grunde der Gesetzgeber das Antragserfordernis in die materielle Rechtsvorschrift aufgenommen hat. Immerhin hat aber der Antrag jedenfalls insoweit materielle Bedeutung, als er in gewissen Fällen, wie in dem vorliegenden, für den Beginn des Knappschaftssoldes maßgebend ist (§ 51 Abs. 1 RKG aF i.V.m. § 1286 RVO aF). Entscheidend ist jedoch, daß Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG darauf abzielt, die Gewährung des im neuen Knappschaftsrecht nicht mehr vorgesehenen Knappschaftssoldes auf die Fälle zu beschränken, in welchen der Antrag spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 1957 gestellt worden ist. Einerseits hat diese Vorschrift zwar den Zweck, über das Inkrafttreten des KnVNG (1. Januar 1957) hinaus für eine Übergangszeit, d.h. bis zum 31. Dezember 1957, die Möglichkeit zu eröffnen, daß Ansprüche auf den Knappschaftssold noch entstehen können, vor allem um diejenigen Fälle zu erfassen, in denen der Rentenantrag bereits vor Verkündung des KnVNG (27. Mai 1957 gestellt war. Doch hat diese Vorschrift andererseits auch den Zweck, mit dem 31. Dezember 1957 den Knappschaftssold endgültig auslaufen zu lassen, um zu vermeiden, daß sich die Versicherungsträger und Gerichte noch für unabsehbare Zeit mit Ansprüchen auf Gewährung einer Leistung befassen müssen, die das am 1. Januar 1957 in Kraft getretene neue Knappschaftsrecht nicht mehr kennt. Vom 1. Januar 1958 an sollte vielmehr die Bergmannsrente nach § 45 Abs. 1 Nr. 2 RKG die allein in Betracht kommende Rentenleistung sein, die wegen Vollendung des 50. Lebensjahres und langer bergmännischer Tätigkeit gewährt wird. Geht man von diesem erkennbaren Zweck des Art. 2 § 31 Abs. 2 KnVNG aus, so ergibt sich, daß der Knappschaftssold dann nicht mehr gewährt werden kann, wenn er erst nach dem 31. Dezember 1957 beantragt worden ist.
Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der am 31. Dezember 1957 ablaufenden Antragsfrist kann dem Kläger nicht gewährt werden, weil eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nur bei Versäumung von Verfahrensfristen möglich ist, während es sich hier um eine materielle Ausschlußfrist handelt.
Dem Kläger steht somit ein Anspruch nach Art. 2 § 31 KnVNG nicht zu.
Die Revision des Klägers wird daher als unbegründet zurückgewiesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen