Leitsatz (amtlich)

1. Hat ein Beteiligter die Entscheidung eines Oberversicherungsamtes entsprechend der von diesem erteilten Rechtsmittelbelehrung nach MRV 165 §§ 27 Buchst c und 83 mit der (weiteren) Berufung angefochten, so gelten für die Einlegung der Berufung die Vorschriften der MRV 165; § 129 Abs 2 ist nicht anzuwenden.

2. Die Frist zur Einlegung der Berufung nach MRV 165 § 83 beginnt gemäß MRV 165 § 35 nicht zu laufen, wenn die Rechtsmittelbelehrung des Oberversicherungsamtes, gegen dessen Urteil (weitere) Berufung eingelegt worden ist, nicht die Angabe enthält, daß die Berufung beim Oberversicherungsamt schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist. Allein der Hinweis, daß Berufung beim Oberverwaltungsgericht eingelegt werden kann, genügt nicht.

 

Normenkette

RVO § 129 Fassung: 1927-12-16; MRV BrZ 165 §§ 27, 35, 83

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts ... vom 3. Februar 1955 aufgehoben; die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.

Von Rechts wegen.

 

Tatbestand

Dem Kläger war durch Bescheid der beklagten Landesversicherungsanstalt (LVA.) vom 3. Mai 1950 die Invalidenrente bewilligt worden. Mit Bescheid vom 4. Juni 1952 entzog die Beklagte dem Kläger gemäß § 1293 der Reichsversicherungsordnung (RVO) in Verbindung mit der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 3 die Rente mit Ablauf des Monats Juni 1952 mit der Begründung, daß Invalidität nicht mehr vorliege. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger rechtzeitig beim Oberversicherungsamt (OVA.) ... Berufung eingelegt, die durch Urteil des OVA. vom 25. September 1952 zurückgewiesen wurde. Das Urteil des OVA., das dem damaligen Prozeßbevollmächtigten des Klägers am 18. Oktober 1952 zugestellt wurde, enthält folgende Rechtsmittelbelehrung:

"Gegen diese Entscheidung kann innerhalb eines Monats nach Zustellung die (weitere) Berufung bei dem Oberverwaltungsgericht in ... eingelegt werden. Das Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht ist nicht gebührenfrei."

Der damalige Prozeßbevollmächtigte des Klägers legte mit Schriftsatz vom 17. November 1952, der "an das OVA. ... durch das Rechts- und Versicherungsamt der Stadt ... gerichtet war, weitere Berufung ein. Der Schriftsatz ging am gleichen Tage beim Rechts- und Versicherungsamt der Stadt ... ein und wurde an das OVA. ... abgegeben, bei dem er am 20. November 1952 eintraf. Das OVA. ... legte mit Verfügung vom 16. Dezember 1952 die Berufungsschrift nebst seinen Akten dem Oberverwaltungsgericht ( OVerwGer .) ... vor, das die Sache nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) an das Landessozialgericht (LSGer.) ... abgab. Dieses hat die Berufung durch Urteil vom 3. Februar 1955 als unzulässig verworfen und zur Begründung im wesentlichen folgendes ausgeführt:

Die Berufung hätte nach § 83 der Militärregierungsverordnung (MilRegVO) Nr. 165 bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder beim OVerwGer . eingelegt werden müssen. Die Berufung sei zwar innerhalb der Berufungsfrist beim Rechts- und Versicherungsamt der Stadt ... eingegangen, jedoch erst nach Ablauf dieser Frist beim OVA. als dem sowohl nach § 129 RVO als auch nach § 83 MilRegVO Nr. 165 zuständigen Gericht. Das Rechts- und Versicherungsamt der Stadt ... sei zwar eine andere inländische Behörde im Sinne des § 129 RVO; durch den Eingang bei dieser Stelle sei aber die Berufungsfrist nicht gewahrt, weil seit Inkrafttreten der MilRegVO Nr. 165 allein die formstrengere Vorschrift des § 83 dieser Verordnung maßgebend sei. Dies folge aus der Vorschrift des § 115 Buchst. c der MilRegVO Nr. 165, die alle deutschen Gesetze und Verordnungen aufhebe, soweit sie mit der genannten Verordnung nicht vereinbar seien.

Das LSGer. hat die Revision nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zugelassen. Der Kläger hat gegen das Urteil, das ihm am 22. März 1955 zugestellt worden ist, durch seine Prozeßbevollmächtigte mit einem am 19. April 1955 beim Bundessozialgericht. ( BSGer .) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt und in einem am 20. April 1955 eingegangenen weiteren Schriftsatz beantragt, das Urteil des LSGer. ... vom 3. Februar 1955 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung an die Vorinstanz zurückzuverweisen. Zur Begründung der Revision macht der Kläger geltend, die vom OVA. ... erteilte Rechtsmittelbelehrung sei unvollständig und habe die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt, so daß die Berufung als rechtzeitig eingelegt anzusehen sei. Die Beklagte ist dieser Auffassung entgegengetreten und hat Zurückweisung der Revision beantragt.

Wegen der Ausführungen der Beteiligten im einzelnen wird auf den Inhalt der Schriftsätze vom 19. April und 4. Juni 1955 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthaft; sie ist form- und fristgerecht eingelegt und auch begründet.

Es handelt sich um einen Rechtsstreit über die Entziehung der Invalidenrente, der beim Inkrafttreten des SGG beim OVerwGer . ... einem Verwaltungsgericht ( VerwGer .) des zweiten Rechtszuges, rechtshängig war und nach § 215 Abs. 8 SGG als Berufung auf das LSGer. ... übergegangen ist. Die Zulässigkeit der Berufung richtet sich nach den Vorschriften des SGG (§ 215 Abs. 8 letzter Halbsatz). Hierunter sind, wie der erkennende Senat in seinem Urteil vom 16. Juni 1955 ( BSGer . Bd. 1 S. 82) ausgesprochen hat, die allgemeinen Vorschriften über die Berufung (§§ 143 ff SGG) zu verstehen. Da keiner der Gründe vorliegt, der die Berufung ausschließt (§ 144 bis 149 SGG), hat das LSGer. die Berufung zu Recht als statthaft angesehen. Streitig ist, ob der Kläger die Berufung rechtzeitig eingelegt hat.

Für die Beurteilung eines vor Inkrafttreten des SGG bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit eingelegten Rechtsmittels ist grundsätzlich das zur Zeit der Einlegung des Rechtsmittels geltende Verfahrensrecht maßgebend. Zwar findet, wie im Schrifttum und in der Rechtsprechung allgemein anerkannt ist, bei einer Änderung des Verfahrensrechts das neue Prozeßrecht in der Regel auch in Streitsachen Anwendung, die beim Eintritt der Rechtsänderung schon rechtshängig waren. Dies gilt aber grundsätzlich nur für zukünftige Handlungen und Vorgänge, dagegen nicht, soweit es sich um die rechtliche Wirkung von Prozeßhandlungen handelt, die beim Inkrafttreten des neuen Rechts bereits abgeschlossen waren (vgl. Urteil des 9. Senats vom 24.5.1955 in BSGer . Bd. 1 S. 44).

Nach § 1694 RVO konnten in Angelegenheiten der Invalidenversicherung Urteile der Spruchkammern der OVA. mit der Revision angefochten werden, über die das Reichsversicherungsamt (RVA.) zu entscheiden hatte. Dieses war mit dem Zusammenbruch im Jahre 1945 außer Funktion getreten, so daß es zunächst nicht möglich war, die Entscheidung der OVÄ. richterlich nachzuprüfen. In der früheren britischen Besatzungszone trat am 15. September 1948 die MilRegVO Nr. 165 in Kraft. Nach § 22 dieser VO entscheiden die VerwGer . über die Anfechtung von Verwaltungsakten sowie über andere Streitigkeiten des öffentlichen Rechts mit Ausnahme der Verfassungsstreitigkeiten; jedoch ist die Zuständigkeit der Landesverwaltungsgerichte nach Abs. 3 dieser Vorschrift ausgeschlossen in Angelegenheiten, die durch Gesetz den ordentlichen Gerichten oder einem anderen bestehenden Gericht zugewiesen sind. Die OVerwGer . dagegen entscheiden über das Rechtsmittel der Berufung und der Beschwerde gegen erstinstanzliche Entscheidungen besonderer VerwGer ., "gegen die nach den gegenwärtig geltenden Vorschriften kein Rechtsmittel bei einem anderen bestehenden Gericht eingelegt werden kann" (§ 27 Buchst. c MilRegVO Nr. 165). Die Frage des rechtlichen Charakters der Spruchkammern der OVÄ. war in Schrifttum und Rechtsprechung umstritten. Die Gerichte der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit der früheren britischen Besatzungszone haben teilweise die OVÄ. als besondere VerwGer . im Sinne des § 27 Buchst. c MilRegVO Nr. 165 angesehen, teilweise haben sie ihnen jedoch den Charakter von Verwaltungsbehörden zuerkannt (vgl. das oben angeführte Urteil des erkennenden Senats vom 16. Juni 1955). So vertrat das OVerwGer . ... im Gegensatz zum OVerwGer . ... die Auffassung, daß die Spruchkammern der OVÄ. als besondere VerwGer . anzusehen seien, und daß deshalb ihre Urteile grundsätzlich mit der Berufung nach § 27 Buchst. c MilRegVO Nr. 165 angefochten werden könnten. (vgl. Sammlung von Entscheidungen der Oberverwaltungsgerichte Münster und Lüneburg, Bd. 4 S. 11 - OVerwGer . Münster -; Bd. 5, S. 266, 276, 277, 359 - OVerwGer . Lüneburg). Wegen der ungeklärten Rechtslage hielt es der Gesetzgeber für geboten, für die beim Inkrafttreten des SGG in Angelegenheiten des § 51 bei den Gerichten der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit rechtshängigen Sachen in § 215 Abs. 6 - 9 SGG eine besondere gesetzliche Regelung zu treffen. Diese Regelung bestimmt, daß die bei den allgemeinen VerwGer . des ersten Rechtszuges anhängigen Sachen, soweit eine Entscheidung des OVA. oder des Versorgungsgerichts ( VersGer .) nicht vorliegt, auf die Sozialgerichte ( SGer .), soweit eine solche Entscheidung vorliegt, auf die LSGer. als Berufung übergehen, während die im zweiten Rechtszug der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit anhängigen Sachen allgemein auf die LSGer. als Berufung übergehen. Der Senat hat in seinem oben angeführten Urteil vom 16. Juni 1955, das sich auf einen Fall bezieht, in dem das Urteil der Spruchkammer des OVA. vor Inkrafttreten der MilRegVO Nr. 165 ergangen war, ausgesprochen, daß die LSGer. durch die in § 215 Abs. 8 SGG getroffene Regelung der Prüfung enthoben seien, ob die Anrufung des VerwGer . nach den besonderen Vorschriften über das verwaltungsgerichtliche Verfahren überhaupt zulässig war. Der Senat brauchte in jenem Falle keine Entscheidung zu der hier im Vordergrund stehenden Frage zu treffen, nach welchen rechtlichen Gesichtspunkten Prozeßhandlungen zu beurteilen sind, die nach Inkrafttreten der für das Gebiet der früheren britischen Zone erlassenen MilRegVO Nr. 165 vorgenommen wurden, und die sich auf Entscheidungen der OVÄ. beziehen, die ebenfalls nach diesem Zeitpunkt ergangen sind.

Die Tatsache, daß die Frage der Anfechtbarkeit der Entscheidungen der OVÄ. ungeklärt war und daß die OVÄ. deshalb kaum in der Lage waren, eine mit Sicherheit zutreffende Rechtsmittelbelehrung zu erteilen, könnte zu der Meinung führen, daß die Nichtbeachtung der für die Beschreitung des Verwaltungsrechtsweges geltenden Verfahrensvorschriften einem Beteiligten nicht zum Nachteil gereichen dürfe. Diese Auffassung ist jedoch abzulehnen, weil sie eine erhebliche Rechtsunsicherheit zur Folge hätte. Wenn der Gesetzgeber der Anrufung der VerwGer . eine besondere rechtliche Bedeutung beigelegt hat, indem er für die Weiterbehandlung der dort anhängigen Sachen durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in § 215 Abs. 6 - 9 SGG eine besondere Regelung getroffen hat, so kann die Nichtbeachtung wesentlicher Vorschriften des allgemeinen verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht als rechtlich bedeutungslos angesehen werden. Hat somit ein Beteiligter die Entscheidung eines OVA., die nach Inkrafttreten der MilRegVO Nr. 165 ergangen ist, entsprechend der ihm vom OVA. erteilten Rechtsmittelbelehrung nach §§ 27 Buchst. c, 83 MilRegVO Nr. 165 mit der (weiteren) Berufung angefochten, so können für die Einlegung dieses Rechtsmittels nur die Vorschriften der MilRegVO Nr. 165 maßgebend sein. Die Anwendung anderer prozeßrechtlicher Vorschriften wäre mit dem Wesen des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nicht vereinbar.

Nach § 83 MilRegVO Nr. 165 ist die Berufung bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen; die Berufungsfrist ist nach dieser Vorschrift aber auch gewahrt, "wenn die Berufung innerhalb der Frist beim Oberverwaltungsgericht eingeht".

Demgegenüber schrieb der für die Anrufung der Versicherungsbehörden geltende § 129 RVO vor, daß die Rechtsmittel grundsätzlich bei der Stelle einzulegen sind, die zu entscheiden hatte. Die Frist galt nach § 129 Abs. 2 a. a. O. auch dann als gewahrt, wenn das Rechtsmittel rechtzeitig bei einer inländischen Behörde oder bei einem Organ der Versicherungsträger eingegangen war. Diese Vorschrift ist zwar nicht, wie das LSGer. angenommen hat, durch § 115 Buchst. c MilRegVO Nr. 165 aufgehoben worden, sie hat vielmehr auch in der früheren britischen Besatzungszone für das Verfahren vor den Versicherungsbehörden der RVO noch bis zum Inkrafttreten des SGG weiter gegolten. Sie war jedoch für die Einlegung eines Rechtsmittels bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit nicht anwendbar, weil sich das Verfahren in diesen Fällen allein nach den besonderen Vorschriften dieser Gerichtsbarkeit richtet.

Nach der für das Verfahren vor den VerwGer . der früheren britischen Besatzungszone maßgebenden Vorschrift des § 35 MilRegVO Nr. 165 beginnt die Frist für ein Rechtsmittel oder einen sonstigen Rechtsbehelf nur dann zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die zuständige Behörde mit Angabe ihres Sitzes und die einzuhaltende Frist belehrt worden ist. Diese Vorschrift entspricht der für das Gebiet der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit in Lehre und Rechtsprechung allgemein vertretenen Auffassung, daß die Frist für einen Rechtsbehelf nicht in Lauf gesetzt wird, wenn die vorgeschriebene Rechtsmittelbelehrung fehlt, unrichtig oder unvollständig ist (vgl. Jellinek, Verwaltungsrecht 3. Aufl. S. 266, 270; Klinger, Verwaltungsgerichtsbarkeit in der britischen Zone, Anm. A u. C zu § 35 MilRegVO Nr. 165; Preuß. OVerwGer . 50 S. 290, 67 S. 205; OVerwGer . Hamburg vom 23.1.1948, MDR 1948 S. 369; BayVerwGerHof vom 20.12.1950, DÖV 1952 S. 314). Auch das Bundesverwaltungsgericht ( BVerwGer .) hat in dem Urteil vom 9.3.1954 (NJW 1954 S. 1262) ausgeführt, der der Verwaltungsgerichtsbarkeit innewohnende Rechtsschutzgedanke verlange, daß der Betroffene von allen ihm zustehenden Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen und den für ihre Geltendmachung vorgeschriebenen Fristen Kenntnis erhalte; dies müsse um so mehr gelten, als für das Verwaltungs- und das Verwaltungsstreitverfahren kein Vertretungszwang bestehe. In einem Beschluß vom 17.9.1954 (Entscheidungen BVerwGer . Band I S. 192) hat das BVerwGer . ausgesprochen, daß eine Rechtsmittelbelehrung über die Erhebung der Anfechtungsklage als ausreichend anzusehen sei, wenn die Behörde das Landesverwaltungsgericht, bei dem die Klage gemäß § 53 MilRegVO Nr. 165 schriftlich oder zum Protokoll des Urkundsbeamten zu erheben ist, bezeichnet habe; eines Hinweises darauf, daß nach § 53 Abs. 2 MilRegVO Nr. 165 durch rechtzeitige Einreichung der Klageschrift bei der Verwaltungsbehörde die Klagefrist gewahrt werde, bedürfe es nicht. In einer weiteren Entscheidung des BVerwGer . vom 2.4.1954 (MDR 1954 S. 566) ist zum Ausdruck gebracht, aus dem Sinn des § 35 MilRegVO Nr. 165 sei nicht zu folgern, daß sich die Rechtsmittelbelehrung auch auf den notwendigen Inhalt der Rechtsmittelschrift zu erstrecken habe; es sei vielmehr als ausreichend anzusehen, wenn die Beteiligten davon unterrichtet würden, was für sie zunächst am bedeutsamsten ist, nämlich von der Art des Rechtsbehelfs, der Behörde, an die sie sich wenden müssen, und der einzuhaltenden Frist.

Dem BVerwGer . ist darin beizutreten, daß die Rechtsmittelbelehrung nicht über sämtliche von den Beteiligten zu wahrenden Förmlichkeiten Auskunft zu geben braucht, sie muß aber ihrem Zweckgedanken entsprechend die Beteiligten in die Lage versetzen, bei der Einlegung des Rechtsmittels den richtigen Weg zu beschreiten; sie muß deshalb, wie der Senat schon zu § 66 SGG in seiner Entscheidung vom heutigen Tage in Sachen ... gegen LVA. ... (3 RJ 26/55) für das Revisionsverfahren vor dem BSGer . ausgeführt hat, auch auf die Besonderheiten des Verfahrens hinweisen, um die Beteiligten vor Rechtsnachteilen zu schützen. Dieser Hinweis ist besonders dann erforderlich, wenn das Verfahren bisher nach den Vorschriften der RVO durchgeführt worden ist und wenn die Vorschriften über die Einlegung von Rechtsmitteln bei einem Gericht der allgemeinen Verwaltungsgerichtsbarkeit, das nunmehr angerufen werden konnte, von den bisherigen Vorschriften wesentlich abweichen. Da § 83 MilRegVO Nr. 165 sich von der Vorschrift des § 129 RVO wesentlich unterscheidet, wie oben näher dargelegt ist, kann die vom OVA. erteilte Rechtsmittelbelehrung nicht als ausreichend angesehen werden.

Die Rechtsmittelbelehrung gibt zwar an, daß die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung "beim OVerwGer . in ... eingelegt werden könne", sie ist aber unvollständig, weil sie keine Angaben darüber enthält, bei welcher anderen Stelle das Rechtsmittel auch eingelegt werden kann und in welcher Form es einzulegen ist. Der Kläger konnte aus der Rechtsmittelbelehrung zwar entnehmen, daß das OVerwGer . in ... die für die Entscheidung über das Rechtsmittel zuständige Stelle war, es war aus ihr aber nicht zu ersehen, daß das Rechtsmittel nur bei zwei in § 83 MilRegVO genau bezeichneten Stellen eingelegt werden konnte, und in welcher Form das Rechtsmittel einzulegen war. Es fehlte nämlich in der Rechtsmittelbelehrung die Angabe, daß die (weitere) Berufung beim OVA. ... schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen ist (§ 83 Abs. 1 Satz 1 MilReg VO Nr. 165). Allein der Hinweis, daß die Berufung beim OVerwGer . in ... eingelegt werden könne (Satz 2 der genannten Vorschrift), genügte nicht. Schon im Hinblick auf die den Versicherten und den Vertretern der Verbände geläufige Vorschrift des § 129 Abs. 2 RVO über die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln bei jeder inländischen Behörde und jedem Versicherungsträger mußte nach Inkrafttreten der MilRegVO Nr. 165 die auf den neuen Rechtsweg vor den Verwaltungsgerichten hinweisende Rechtsmittelbelehrung zweifelsfrei erkennen lassen, bei welchen Stellen und in welcher Weise das Rechtsmittel eingelegt werden konnte.

Das LSGer. hat diese Rechtslage verkannt und daher die Berufung zu Unrecht als verspätet angesehen. Die Revision ist daher begründet (§ 162 Abs. 2 SGG).

Da das LSGer. keine tatsächlichen Feststellungen getroffen, sondern die Berufung aus verfahrensrechtlichen Gründen als unzulässig verworfen hat, war die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zur erneuten Verhandlung und zur Entscheidung in der Sache selbst an die Vorinstanz zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 SGG).

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2373406

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