Leitsatz (amtlich)

1. Zu den "Voraussetzungen" der Befreiung von der Beitragspflicht iS von GAL 1965 § 14 Abs 2 S 2 zählt nicht der Antrag auf Befreiung.

2. Der in GAL § 14 Abs 2 S 1 Buchst b Alternative 1 umschriebene Befreiungstatbestand kann nicht vor der Antragstellung erfüllt sein.

 

Normenkette

GAL § 14 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1965-09-14, S. 1 Buchst. b Alt. 1 Fassung: 1965-09-14

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Juli 1974 und das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 13. November 1973 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Der Kläger wurde durch Bescheid vom 27. Juni 1972 mit Wirkung "ab 1.2.1967" in das Mitgliederverzeichnis der Beklagten aufgenommen und zur Beitragsleistung ab Januar 1970 veranlagt. Darauf beantragte er im Juli 1972 seine Befreiung von der Beitragspflicht, weil er seit April 1954 rentenversicherungspflichtig sei. Die Beklagte befreite ihn gemäß § 14 Abs 2 Buchst b des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte idF vom 14. September 1965 (GAL 1965) "ab 1. Juli 1972"; zugleich wies sie darauf hin, daß der Kläger für die zurückliegende Zeit noch 829,-- DM an Beiträgen und Kosten zu zahlen habe (Bescheid vom 3. Februar 1973).

Nach erfolglosem Widerspruch änderte das Sozialgericht (SG) auf die Klage den Befreiungsbescheid und den Widerspruchsbescheid ab; es verurteilte die Beklagte, den Kläger von der Beitragspflicht auch für die Zeit von Januar 1970 bis Juni 1972 zu befreien. Die Berufung der Beklagten wies das Landessozialgericht (LSG) zurück. Es hielt die sachlichen Voraussetzungen der Befreiung bereits am 1. Januar 1970 für erfüllt; zu ihnen zähle der Antrag nicht, ihm komme nur formal-, nicht aber materiell-*-rechtliche Bedeutung zu.

Hiergegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten: Zu Unrecht habe das LSG dem Antrag nur formale Bedeutung beigemessen. Zudem seien die übrigen Voraussetzungen des § 14 Abs 2 Buchst b GAL 1965 nicht vor der Antragstellung erfüllt gewesen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten sind mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision ist begründet; der Kläger hat keinen Anspruch auf Befreiung von der Beitragspflicht für Zeiten vor seinem Befreiungsantrag.

Nach der hier maßgebenden Vorschrift des § 14 Abs 2 Satz 2 GAL 1965 tritt die Befreiung mit Beginn des Monats ein, in dem "die Voraussetzungen erfüllt" sind.

Zu Recht hat das LSG zwar angenommen, daß der Antrag auf Befreiung zu diesen "Voraussetzungen" nicht gehört. Dem steht nicht entgegen, daß ohne Antrag keine Befreiung ausgesprochen werden kann. Der Gesetzgeber konnte gleichwohl den Beginn der Befreiung vom Zeitpunkt des Befreiungsantrages unabhängig machen. Daß er das gewollt hat, ergibt die Entstehungsgeschichte des § 14 Abs 2 Satz 2 GAL 1965.

Während in dem Vorläufer des § 9 Abs 2 GAL idF des Gesetzes vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) zum Befreiungsbeginn noch nichts gesagt war, hat § 9 Abs 2 GAL idF des Gesetzes vom 23. Mai 1963 (BGBl I 353) in dem damals eingefügten Satz 2 bestimmt: "Die Beitragsbefreiung tritt mit Beginn des Monats ein, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind, wenn der Antrag innerhalb von zwei Monaten nach diesem Zeitpunkt gestellt wird, andernfalls vom Beginn des Monats, in dem der Antrag gestellt wird". Diese Einfügung ist auf Beschluß des Bundestagsausschusses für Sozialpolitik erfolgt; sie sollte klarstellen, von welchem Zeitpunkt die Beitragsbefreiung bei verspätet gestelltem Antrag wirksam wird (zu BT-Drucks IV/1092, S 3 zu Nr 7). Nach der Fassung dieses Satzes kann kein Zweifel bestehen, daß zu den "Voraussetzungen", die hier erfüllt sein mußten, der Antrag nicht gehören konnte. Ihm kam vielmehr neben diesen "Voraussetzungen" für den Befreiungsbeginn eine besondere Bedeutung zu. Ein solcher Zweifel konnte erst auftauchen, nachdem das Dritte Gesetz zur Änderung und Ergänzung des GAL vom 13. August 1965 (BGBl I 801) die Bestimmung über den Befreiungsbeginn (die dann in die Neufassung des GAL 1965 als § 14 Abs 2 Satz 2 übernommen wurde) auf den Wortlaut kürzte: "Die Beitragsbefreiung tritt mit Beginn des Monats ein, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind". Es fehlt jedoch jeder Anhalt dafür, daß der Gesetzgeber nunmehr zu diesen "Voraussetzungen" auch den Antrag rechnen wollte. Die Änderung ging wieder auf einen Beschluß des BT-Ausschusses für Sozialpolitik zurück (BT-Drucks IV/3471 Seite 3 zu Nr 6); sie wurde damit begründet, es solle "für den Beginn einer Beitragsbefreiung nicht mehr auf die Einhaltung einer Frist für die Antragstellung ankommen", die Befreiung solle "vielmehr mit Beginn des Monats eintreten, in dem die Voraussetzungen erfüllt sind". Die Entstehungsgeschichte belegt hiernach eindeutig, daß der Antrag von da an allgemein keine Bedeutung mehr für den Befreiungsbeginn haben sollte. Als "Voraussetzungen" für den Befreiungsbeginn kommen daher nur die übrigen Voraussetzungen für die Befreiung in Betracht.

Gleichwohl muß die Revision der Beklagten Erfolg haben, weil die anderen Tatbestandsmerkmale des § 14 Abs 2 GAL 1965 für eine Beitragsbefreiung nicht vor Juli 1972 erfüllt sein konnten.

Danach kam es hier darauf an, daß der Kläger innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung neben der Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 1 GAL mindestens 30 Monate versicherungspflichtig in der gesetzlichen Rentenversicherung war (Buchst b, 1. Fall), und daß die Vorgänger im Unternehmen und deren Ehegatte entweder verstorben waren oder schriftlich einen Verzicht auf Altersgeldansprüche erklärten (Abs 2 Satz 1 letzter Satzteil).

Zu dem letzten Erfordernis hat sich das LSG nicht geäußert, es hat auch keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen. Der Senat kann insoweit keine Feststellungen nachholen. Immerhin sei jedoch darauf hingewiesen, daß nach den Verwaltungsakten es den Anschein hat, als sei das den Unternehmensvorgänger und dessen Ehegatten betreffende Befreiungserfordernis erst durch den im November 1972 erklärten Verzicht von Frau K. B. auf Altersgeldansprüche erfüllt worden (vgl Bl 25 bis 27 der Verwaltungsakten).

Wie dem aber auch sei, jedenfalls war der in § 14 Abs 2 Buchst b, 1. Fall, umschriebene Tatbestand nicht vor der Antragstellung erfüllt. Dieser Tatbestand war nicht schon erfüllt mit Ablauf von 30 Kalendermonaten Rentenversicherungspflicht in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung; es trifft nicht zu, daß der Zeitraum der letzten fünf Jahre vor der Antragstellung hier nur die Bedeutung einer Rahmenfrist habe. Vielmehr erfordert der Tatbestand auch, daß der Antragsteller landwirtschaftlicher Unternehmer iS von § 1 GAL in den letzten fünf Jahren vor der Antragstellung gewesen ist. Das hat bereits der früher für Streitigkeiten aus der landwirtschaftlichen Altershilfe zuständige 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden (SozR Nr 4 zu § 9 GAL); der erkennende Senat schließt sich dieser Auffassung an. Sie entspricht nicht nur dem Wortlaut des Gesetzes, das für die letzten fünf Jahre vor der Antragstellung eine Tätigkeit als landwirtschaftlicher Unternehmer iS des § 1 GAL verlangt; die hier vertretene Auffassung trägt auch dem Bestreben des Gesetzgebers Rechnung, ua auf einen ausreichenden sozialen Schutz des landwirtschaftlichen Unternehmers zu achten. Wer fünf Jahre landwirtschaftlicher Unternehmer ist, kann immerhin bei Erwerbsunfähigkeit vorzeitiges Altersgeld beanspruchen. Der landwirtschaftliche Unternehmer soll daher mindestens diese Zeit zurückgelegt haben, bevor er sich darüber schlüssig wird, ob er aus der landwirtschaftlichen Altershilfe wegen einer 30monatigen Versicherungszeit in der gesetzlichen Rentenversicherung ausscheiden und seinen Schutz künftig nur noch in der gesetzlichen Rentenversicherung suchen will.

Der Ablauf dieses Fünfjahreszeitraumes fällt aber notwendig mit der Antragstellung zusammen. Damit hat die Antragstellung hier neben ihrer allgemeinen eine besondere Bedeutung, die sich auf den Befreiungsbeginn auswirken muß. Sie kommt nur zum Tragen bei dem Befreiungstatbestand des § 14 Abs 2 Buchst b, 1. Fall; wie die Beklagte zutreffend in ihrer Revisionsbegründung darlegt, können die "Voraussetzungen" für den Befreiungsbeginn, wenn dieser Tatbestand die Befreiung rechtfertigen soll, niemals vor der Antragstellung erfüllt sein. Auf den im Juli 1972 gestellten Antrag hat die Beklagte den Kläger daher nicht für Zeiten vor Juli 1972 befreien können.

Es mag sein, daß der Kläger bei einer früheren Kenntnis von der Befreiungsmöglichkeit eine Befreiung schon von einem früheren Zeitpunkt, frühestens von Februar 1972 an (fünf Jahre nach dem 1. Februar 1967, dem Beginn seiner landwirtschaftlichen Unternehmertätigkeit), hätte erreichen können. Dafür könnte sprechen, daß er bereits im Juni 1971 in einem Fragebogen auf seine Pflichtversicherung in der Arbeiterrentenversicherung seit 22. April 1954 hingewiesen hatte. Die Akten der Beklagten und das Vorbringen der Beteiligten ergeben jedoch keinen Anhalt dafür, daß die Beklagte schon nennenswerte Zeit vor Juli 1972 das Vorliegen eines Befreiungstatbestandes bei dem Kläger erkannt hätte und deshalb vielleicht verpflichtet gewesen wäre, den Kläger auf diese Möglichkeit hinzuweisen. Es kann daher offenbleiben, welche Folgen bei einem gegenteiligen Sachverhalt oder bei gegenteiligen Anhaltspunkten der Senat für seine Entscheidung hätte ziehen müssen.

Auf die Revision sind hiernach die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben. Die Klage ist abzuweisen.

 

Fundstellen

BSGE, 276

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