Entscheidungsstichwort (Thema)
Altersgeld. Witwen/Witwer. Kürzung. Zuschuß zur Nachentrichtung
Leitsatz (amtlich)
§ 50 Abs. 1 S. 1 GAL gebietet die Kürzung eines Altersgeldes nicht nur ausnahmsweise, sondern regelmäßig dann, wenn gleichzeitig eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen wird, die auch auf Zeiten beruht, für die die landwirtschaftliche Alterssicherung einen Zuschuß zur Beitragsnachentrichtung geleistet hatte.
Normenkette
GAL §§ 47-48, 50; ALG § 129; ArVNG § 52a; AnVNG § 50b
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. März 1996 aufgehoben.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Oktober 1994 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin außergerichtliche Kosten des Rechtsstreits nicht zu erstatten.
Tatbestand
I.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob der Anspruch der Klägerin auf (Witwen-)Altersgeld/Witwenrente aus der Altershilfe für Landwirte wegen des Bezugs eines Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung ab 1. Februar 1993 in vollem Umfang „ruht”.
Die am 8. November 1927 geborene Klägerin wurde mit Bescheiden der Landesversicherungsanstalt (LVA) Hessen vom 16. Februar 1989 und 2. April 1990 zur Nachentrichtung von Beiträgen in der gesetzlichen Rentenversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1956 bis 31. Dezember 1981 bzw 1. Januar 1982 bis 31. Dezember 1986 zugelassen. Die Beklagte bewilligte ihr hierzu mit Bescheiden vom 21. März 1989 und 10. April 1990 gemäß § 47 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte (GAL) einen Zuschuß in Höhe von insgesamt 64.537,20 DM (= 70 % des auf das durchschnittliche Bruttoarbeitsentgelt aller Versicherten bezogenen Beitrags) und unterrichtete sie anschließend im Juni 1990 von ihrem Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Alterskasse (§ 48 Abs. 1 GAL). Über den auf sie entfallenden 30 %-Anteil von 27.658,80 DM hinaus zahlte die Klägerin für Höchstbeiträge in der Zeit vom 1. Januar 1956 bis zum 30. Dezember 1970 zusätzlich 16.487,20 DM ein. Seit 1. Januar 1990 erhält sie flexibles Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung (RVO).
Am 22. Oktober 1992 verstarb der Ehemann der Klägerin, der als ehemaliger landwirtschaftlicher Unternehmer seit dem 1. November 1988 landwirtschaftliches Altersgeld in Höhe von zuletzt 957,60 DM bezogen hatte. Mit dem nunmehr streitgegenständlichen Bescheid vom 9. September 1993 (in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1994) bewilligte ihr die Beklagte daraufhin für die Zeit vom 1. November 1992 bis 31. Januar 1993 (Witwen-)Altersgeld in Höhe der bisher dem Ehemann zustehenden Leistung und lehnte eine darüber hinausgehende Zahlung unter Berufung auf §§ 47, 50 GAL ab: nach Mitteilung des Rentenversicherungsträgers entfielen von insgesamt 4.208,2 der Berechnung des Altersruhegeldes zugrundeliegenden Werteinheiten (WE) 3.703,74 WE auf den Zeitraum der Beitragsnachentrichtung, so daß sich ein Verhältniswert von 88,01 % ergebe; der entsprechende Rentenanteil belaufe sich demgemäß ab 1. Februar 1993 auf 1.578,55 DM bzw ab dem 1. Juli 1993 auf 1.647,39 DM und übersteige damit das zu diesen Zeitpunkten zustehende landwirtschaftliche Altersgeld in Höhe von 638,80 DM bzw 666,70 DM. Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht (SG) Kassel mit Urteil vom 31. Oktober 1994 unter Hinweis auf die Eindeutigkeit der gesetzlichen Regelung abgewiesen. Aufgrund der mittlerweile erfolgten Neufeststellung der Altersrente ergebe sich bei einem Anteil von 91,31 % bzw 94,05 % der in den Nachentrichtungszeitraum fallenden WE nunmehr sogar ein noch ungünstigeres Verhältnis als im angefochtenen Bescheid angenommen. Die vom Gesetzgeber getroffene Regelung sei auch nicht verfassungswidrig.
Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hat dieses Urteil auf die Berufung der Klägerin mit Urteil vom 29. März 1996 aufgehoben und die Beklagte „unter Abänderung des Bescheides vom 9. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1994 verurteilt, der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 1993 bis zum 31. Dezember 1994 ungekürztes Witwenaltersgeld und ab 1. Januar 1995 ungekürzte Witwenrente zu gewähren”. Zur Begründung hat es im wesentlichen folgendes ausgeführt: Nach den Materialien zum Gesetz zur Verbesserung und Ergänzung sozialer Maßnahmen in der Landwirtschaft (Agrarsoziales Ergänzungsgesetz ≪ASEG≫) vom 21. Dezember 1970 (BGBl I S. 1774), „die die Konzeption des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck der Vorschrift dokumentieren”, sei § 50 Abs. 1 Satz 1 GAL keine Rechtsgrundlage für die vorgenommene Kürzung. Die Vorschrift sei vielmehr nur als spezielle Regelung für diejenigen Ausnahmefälle anzusehen, in denen ein früherer Landwirt nach Abgabe seines Unternehmens und Inanspruchnahme eines Zuschusses nach § 47 GAL später wieder landwirtschaftlicher Unternehmer geworden sei und erneut einen Altersgeldanspruch erworben habe (Hinweis auf BT-Drucks VI/1384 S. 3). Damit verbiete sich auch eine analoge Anwendung. § 50 Abs. 1 Satz 3 GAL greife bereits tatbestandlich nicht ein. Ab dem 1. Januar 1995 ergebe sich der Anspruch der Klägerin aus dem zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen § 14 Abs. 1 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte (≪ALG≫ – Art. 1, 48 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung – Agrarsozialreformgesetz 1995 ≪ASRG 1995≫ vom 29. Juli 1994, BGBl I S 1890). Auch die damit nunmehr anzuwendende Kürzungsvorschrift des § 129 Abs. 1 Satz 1 und 2 ALG sei nicht einschlägig. Der Gesetzgeber habe hiermit ersichtlich nur den früheren Rechtszustand bewahren und keine inhaltlich bedeutsame Änderung vornehmen wollen. Ebenso liege die von Satz 3 der Norm erfaßte Konstellation nicht vor. Etwas anderes ergebe sich schließlich nicht aus der durch das Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Reform der agrarsozialen Sicherung (ASRG-ÄndG) vom 15. Dezember 1995 (BGBl I S 1814) mit Wirkung ab 1. Januar 1995 (vgl. Art. 5 Abs. 2 ASRG-ÄndG) geänderten Fassung von § 129 Abs. 1 Satz 1 und 3 ALG. Erneut sei nämlich ausdrücklich an die bis zum 31. Dezember 1994 maßgebliche Rechtslage angeknüpft worden.
Die Beklagte hat gegen diese Entscheidung die vom LSG zugelassene Revision eingelegt: Der seinem Wortlaut nach einschlägige § 50 Abs. 1 Satz 1 GAL sei entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht lediglich auf Ausnahmefälle zu begrenzen. Hätte der Gesetzgeber dies gewollt, hätte er es im Wortlaut der Norm selbst zum Ausdruck bringen müssen. Die gesetzliche Regelung von Ausnahmefällen in § 50 Abs. 2 GAL verdeutliche vielmehr, daß in jedem hiervon nicht erfaßten Fall die einheitliche Anwendung des in Abs. 1 Satz 1 ebenda normierten Grundsatzes habe sichergestellt werden sollen. Entstehungsgeschichte und Zweckbestimmung der §§ 47 ff GAL bestätigten dies. Danach habe ein Doppelbezug jeweils mit Bundesmitteln finanzierter Leistungen ausgeschlossen werden sollen. Aufgrund der ab 1. Januar 1995 zu beachtenden neuen Rechtslage ergäben sich demgegenüber keine Änderungen. Ziel des GAL-Gesetzgebers sei es gewesen, den bisherigen Rechtszustand unverändert beizubehalten. Wie das SG bereits zutreffend festgestellt habe, sei es nicht möglich, den Kürzungsbetrag unter Zugrundelegung des konkret auf die Beitragszuschüsse entfallenden Rentenanteils zu ermitteln. Hierzu bestehe auch keine Notwendigkeit, da die gesetzlich gebotene pauschal-zeitanteilige Vergleichsbetrachtung zu keiner unbilligen Benachteiligung des betroffenen Personenkreises führe. Auf eigenen Beitragsanteilen beruhende Ansprüche gegen den Träger der gesetzlichen Rentenversicherung würden ihnen nämlich nicht entzogen.
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 29. März 1996 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 31. Oktober 1994 zurückzuweisen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angegriffene Urteil für zutreffend und überzeugend. Nach dem Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (BT-Drucks VI/1384 S 3) sei § 50 GAL lediglich auf den dort umschriebenen Anwendungsfall bezogen. Für die erweiternde Auffassung der Beklagten gebe es keine Grundlage. Durch das ab dem 1. Januar 1995 geltende neue Recht hätten sich Änderungen nicht ergeben.
Entscheidungsgründe
II
Die aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht statthafte und zulässig eingelegte Revision der Beklagten erweist sich auch sachlich als in vollem Umfang begründet. Zu Unrecht hat das Berufungsgericht ihren Bescheid vom 9. September 1993 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Juni 1994 abgeändert und das bestätigende Urteil des SG vom 31. Oktober 1994 aufgehoben. Im Ergebnis zutreffend hatte die Beklagte dem Anspruch der Klägerin auf Leistungen aus der landwirtschaftlichen Versicherung nach ihrem Ehemann rechtshindernd den anteiligen Bezug eines eigenen Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung entgegengehalten.
1) Entgegen der Begründung der angefochtenen Verwaltungsentscheidung scheitert allerdings der geltend gemachte Anspruch nicht erst daran, daß im streitigen Zeitraum hierin wurzelnde Einzelansprüche nicht zur Entstehung gelangen könnten (vgl. zur Bedeutung des „Ruhens” in diesem Sinne und zur Unterscheidung der Einzelansprüche vom sog Stammrecht grundlegend BSGE 5, 4 ff, 6 und Senat in SozR 3-2600 § 300 Nr. 3). Der – bei Erlaß der angegriffenen Verwaltungsentscheidung zunächst noch anzuwendende – § 50 Abs. 1 Satz 1 GAL ordnet vielmehr für den Fall, daß der Empfänger ua eines Altersgeldes, der einen Zuschuß nach § 47 GAL in Anspruch genommen hat, zugleich eine Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen bezieht, die Kürzung des Altersgeldes um den Teil der Rente aus den gesetzlichen Rentenversicherungen an, der dem Verhältnis entspricht, in dem die WE (ab dem 1. Januar 1992 aufgrund Art. 17 Nr. 18 Buchst. a des Gesetzes zur Reform der gesetzlichen Rentenversicherung ≪ Renten-Reformgesetz 1992 – RRG 1992 –≫: Entgeltpunkte) für Beitragszeiten, auf die der Zuschuß entfällt, zur Summe der WE steht, die der Ermittlung der für den Versicherten maßgeblichen Rentenbemessungsgrundlage zugrunde gelegt worden ist. Als Bestimmung über die Höhe des Anspruchs betrifft die Norm, die mangels einer Differenzierung zwischen Altersgeldern aus eigenem und aus abgeleitetem Recht ohne weiteres auch den zur Entscheidung stehenden Sachverhalt erfaßt, damit das zugrundeliegende subjektive Rentenrecht (Stammrecht) selbst (vgl. zur entsprechenden Situation im Zivilrecht exemplarisch J. von Staudingers Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch ≪BGB≫, 12. Aufl, Vorbem zu §§ 759 – 761 BGB Rn 7) und läßt bereits dieses in Abhängigkeit vom jeweiligen Kürzungsbetrag und in dessen jeweiliger Höhe nicht zur Entstehung gelangen.
Im Falle der Klägerin wird hierdurch ab 1. Februar 1993 die Entstehung eines derartigen Rechts überhaupt verhindert. Schon der auf der Grundlage des vom LSG festgestellten Mindestanteils von 88,01 vH anrechenbare Teil ihres Altersruhegeldes aus der gesetzlichen Rentenversicherung (1.578,55 DM) ist mehr als doppelt so hoch wie der Betrag des ab 1. Februar 1993 zustehenden Altersgeldes (638,80 DM). Nichts anderes ergibt sich im übrigen, wenn man abweichend vom Wortlaut der gesetzlichen Berechnungsvorschriften fiktiv allein die auf den von der Beklagten geleisteten Zuschuß entfallenden WE berücksichtigen wollte: für 41 hiervon erfaßte und mit jeweils 70 WE zu berücksichtigende Kalenderjahre ergäbe sich dann mit insgesamt 2.870 WE immer noch ein Anteil von 68,20 vH an der unveränderten Gesamtsumme von 4.208,20 WE und damit überschlägig ein maßgeblicher Anteil des Altersruhegeldes in Höhe von 1.223,24 DM.
2) Entstehungsgeschichte, Sinn und Zweck sowie der systematische Zusammenhang des Gesetzes bestätigen und verdeutlichen dieses Ergebnis.
a) Die §§ 47 bis 50 GAL sind auf den entsprechenden Vorschlag im Bericht des federführenden Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung (≪10. Ausschuß≫ zu BT-Drucks VI/1384; I. Allgemeines, S. 2) mit dem ASEG als dessen Dritter Teil in das GAL eingefügt worden. Der hierdurch als Leistungsart der landwirtschaftlichen Alterssicherung neu geschaffene Beitragszuschuß war ursprünglich Teil des vom Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vorgelegten „Einzelbetrieblichen Förderungs- und sozialen Ergänzungsprogramms” und diente demgemäß zunächst der Bewältigung von Folgen des Strukturwandels in der Landwirtschaft (Bericht des 10. Ausschusses aaO, S. 2). Seine Gewährung war daher anfänglich denjenigen Landwirten vorbehalten, die die Voraussetzungen des § 41 Abs. 1 Buchst. d und e GAL erfüllt und ihr landwirtschaftliches Unternehmen gemäß § 42 GAL zum Zweck der Strukturverbesserung aufgegeben hatten (§ 47 Abs. 1 GAL in der gemäß Art. 4 § 2 ASEG ab dem 1. Januar 1971 geltenden Fassung). Diesem Personenkreis sollte durch einen Zuschuß in Höhe von 70 vH (§ 47 Abs. 1, 3 GAL) der nach (den gleichzeitig eingeführten) §§ 52 a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz (ArVNG) bzw 50 b Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG) nachzuentrichtenden Beiträge ermöglicht werden, nach Aufnahme einer in der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit nunmehr dort einen umfassenden sozialen Schutz aufzubauen (vgl. Senat in SozR 3-5850 § 48 GAL Nrn 1 und 2).
Durch das Gesetz über die laufende Anpassung der Altersgelder in der Altershilfe für Landwirte (Siebtes Änderungsgesetz GAL – 7. ÄndG-GAL) vom 19. Dezember 1973 (BGBl I, 1973) wurde dann mit Wirkung vom 1. Januar 1974 in § 47 Abs. 1 GAL der Halbsatz, „wenn sie ihre landwirtschaftlichen Unternehmen zum Zweck der Strukturverbesserung gemäß § 42 abgegebenen haben und im übrigen die Vorschriften des § 41 Abs. 1 Buchstaben d und e erfüllt sind” gestrichen (Art. 1 Nr. 18 a). Für die Zugehörigkeit zum – hierdurch erheblich erweiterten ≪$≫ Kreis der Begünstigten genügte nach Aufgabe der strukturpolitischen Zielsetzung nunmehr die „normale” Aufgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens nach § 2 Abs. 3, 4, 6 und 7 GAL (vgl. Griese, Nachentrichtung von Beiträgen zur Rentenversicherung durch landwirtschaftliche Unternehmer, deren Ehegatten und ehemaligen mitarbeitenden Familienangehörigen, SdL 1988, 224). Die erleichterten Anspruchsvoraussetzungen sollten nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 7/934, S. 1, 2, 10) einen Anreiz zur vermehrten Inanspruchnahme der Zuschußgewährung schaffen, deren Umfang zunächst hinter den Erwartungen zurückgeblieben war.
b) Entsprechend dem mit der Einführung des Beitragszuschusses verfolgten Ziel, den betroffenen Personenkreis in die gesetzliche Rentenversicherung zu überführen, sah sich bereits der Gesetzgeber des ASEG zu umfassenden Vorkehrungen gegen einen unerwünschten Doppelbezug jeweils weit überwiegend steuerfinanzierter Leistungen veranlaßt (Bericht des 10. Ausschusses, aaO, S. 3, und Senat in Die Beiträge 1993, 414 ff). In Übereinstimmung hiermit betonen auch die Erläuterungen der Bundesregierung zu Art. 1 Nr. 17 des 7. ÄndG-GAL (aaO, S. 13) nochmals ausdrücklich, daß die Leistungsgewährung an den nunmehr erweiterten Personenkreis dem Aufbau einer angemessenen Alterssicherung (allein) in der gesetzlichen Rentenversicherung dient und demgemäß eine zusätzliche Sicherung in der Altershilfe der Landwirte weder erforderlich noch angesichts der hohen Bundeszuschüsse vertretbar erscheint. Die hierzu ergangenen gesetzlichen Bestimmungen betreffen im wesentlichen das Deckungsverhältnis der Versicherung: Insofern bestimmt zunächst § 48 Abs. 1 GAL, daß die Inanspruchnahme eines Zuschusses nach § 47 GAL regelmäßig und zwingend zum Ausscheiden aus der landwirtschaftlichen Alterskasse führt und die betroffenen ehemaligen landwirtschaftlichen Unternehmer damit fiktiv rückbezüglich und von Anfang an als nicht zur landwirtschaftlichen Altershilfe gehörig anzusehen sind (Senat in SozR 5850 § 48 Nr. 1 S. 5 und Nr. 2 S. 10); die geleisteten Beiträge sind infolge der Auflösung des bis dahin latent fortbestehenden Versicherungsverhältnisses von Amts wegen zu erstatten (§ 48 Abs. 2 GAL). Für den Leistungsfall ist damit gleichzeitig sichergestellt, daß grundsätzlich anstelle der von der Alterssicherung der Landwirte bezweckten. Teilsicherung iS einer Deckung nur des Bargeldbedarfs (vgl. hierzu BSG in SozR GAL 1965 § 4 Nr. 2, SozR 5850 § 4 Nr. 10, 3100 § 44 Nr. 12, 4100 § 134 Nr. 32 sowie BVerfG in BVerfGE 25, 314 ff, 322 und SozR 5850 § 14 Nr. 11) allein der umfassende Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung gewährleistet sein soll. Vom Verbot der Einbeziehung in beide Sicherungssysteme ausgenommen sind allein diejenigen für besonders schutzwürdig erachteten und im Gesetz ausdrücklich erwähnten Personen, die nach der – insofern auch nach dem 31. Dezember 1973 unverändert erforderlichen – Aufgabe ihres Unternehmens zum Zweck der Strukturverbesserung (§ 48 Abs. 1 GAL idF des ASEG und ab 1. Januar 1974 Abs. 1 ebenda idF des 7. ÄndG-GAL) bei Aufnahme der rentenversicherungspflichtigen Beschäftigung oder Tätigkeit das 50. Lebensjahr bereits vollendet haben und deshalb in diesem System allein eine ausreichende Alterssicherung nicht mehr erlangen können (Bericht des 10. Ausschusses, aaO, S. 3).
Spezifisch leistungsrechtlicher Bestimmungen bedarf es demgemäß ergänzend allein noch – aber auch stets dann –, wenn und soweit ausnahmsweise dennoch die Gefahr einer Mehrfachbegünstigung besteht. Eine unerwünschte Übersicherung auf dieser Ebene umfassend zu verhindern, ist Aufgabe von § 50 Abs. 1 Satz 1 GAL. Von dieser Funktion der Norm ausgehend ist für eine Reduktion ihres sachlichen Anwendungsbereichs gegenüber dem vom Wortlaut getragenen Umfang kein Anlaß erkennbar. Entgegen der Auffassung des LSG, das für sein Vorgehen im übrigen einen aus dem Gesetz abgeleiteten Rechtfertigungsgrund nicht anbietet, betrifft die Vorschrift demgemäß auch keineswegs allein die vom 10. Ausschuß (aaO, S. 3) erörterte Fallgruppe, daß der Bezieher eines Beitragszuschusses zu einem späteren Zeitpunkt erneut landwirtschaftlicher Unternehmer wird und hieraus einen erneuten Altersgeldanspruch aus eigenem Recht erwirbt. Vielmehr ist nach dem Gesetzeszweck (der ratio legis) auch und erst recht die hier in Frage stehende Konstellation erfaßt, daß Ehegatten als Mitunternehmer tätig waren, aus Anlaß der Unternehmensübergabe an beide Leistungen der landwirtschaftlichen Alterssicherung erbracht werden und damit im Todesfall praktisch regelmäßig eine Kumulation von Ansprüchen aus eigenem und aus abgeleitetem Recht zu erwarten ist.
c) Der Gesetzgeber des ASEG traf hinsichtlich der Einbeziehung von Ehegatten in das System der landwirtschaftlichen Alterssicherung auf die Situation, daß sich zwar aus der Tatsache der gemeinsamen Hofbewirtschaftung gemäß § 17 Abs. 1 GAL zwei Mitgliedschaftsverhältnisse bei der zuständigen landwirtschaftlichen Alterskasse ergaben („Mitglied der landwirtschaftlichen Alterskasse ist jeder landwirtschaftliche Unternehmer …”, § 1 GAL), regelmäßig aber nur einer von ihnen, nämlich derjenige, der das Unternehmen überwiegend leitete, beitragspflichtig war (§ 14 Abs. 6 GAL). Damit ergab sich im Leistungsfall die Konsequenz, daß der – gegen die Risiken des Alters und der Erwerbsunfähigkeit allein abgesicherte beitragspflichtige Ehegatte aufgrund des sog Verheiratetenzuschlages nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GAL ein um 50 vH höheres (vorzeitiges) Altersgeld bezog. Durch die auf das Ehepaar als Einheit abstellende Leistungsbemessung sollte dabei neben dem Aspekt des Bedarfs der in der Regel gleichwertige Arbeitsaufwand beider Partner typisierend Berücksichtigung finden (BSG in SozR 5850 § 4 Nr. 5 mwN). Demgegenüber erbrachte eine bei gleichberechtigter Leitung aufgrund dementsprechend doppelter Beitragszahlung in jeweils voller Höhe ausnahmsweise gewährleistete eigenständige Sicherung beider Partner im wirtschaftlichen Endergebnis nur einen um ein Drittel höheren Zahlbetrag (vgl. Breuer, Geteilte Auszahlung des Altersgeldes, SdL 1986, S. 29 ff, 30), so daß hiervon in aller Regel Abstand genommen wurde.
Die Einführung des Beitragszuschusses nach § 47 GAL bedeutet vor diesem Hintergrund von vornherein eine bis dahin nicht vorgesehene Mehrfachbegünstigung der Unternehmer-Ehepaare mit nur einem Beitragszahler. Für diese besteht nunmehr nämlich – wie der Fall der Klägerin zeigt – die naheliegende Möglichkeit, daß nach der Hofübergabe ein Ehegatte ohne jede Gegenleistung einen Zuschuß zur Beitragsnachentrichtung in der gesetzlichen Rentenversicherung in Anspruch nimmt und dennoch der bisher beitragspflichtige Ehegatte ungeachtet der hierdurch erreichten eigenständigen und umfassenden anderweitigen Sicherung des Partners unverändert die volle Leistung für einen verheirateten Berechtigten aus der landwirtschaftlichen Alterssicherung begehrt. Schon der hieraus bei Eintritt des Leistungsfalls auch in der gesetzlichen Rentenversicherung resultierende Parallelbezug von jeweils ungekürzten Renten aus beiden Sicherungssystemen zu Lebzeiten der Ehegatten ist zumindest bei dessen konsequenter Umsetzung mit dem allgemein leistungsrechtlichen Gesichtspunkt der einheitlichen Betrachtungsweise bei Ehepaaren als unvereinbar anzusehen; allerdings hat der Gesetzgeber insofern (ohne ersichtliche Gründe) vom Erlaß einer Anrechnungsbestimmung Abstand genommen. Jedenfalls dann aber, wenn nach dem Tode eines der Partner Ansprüche aus abgeleitetem Recht ohne eigene Beitragszahlung (gegenüber der Landwirtschaftlichen Alterskasse) und eigenem Recht auf der Grundlage ua der bezuschußten Beitragsnachentrichtung (gegenüber dem Rentenversicherungsträger) beim Hinterbliebenen in einer Person zusammentreffen, kann das Bedürfnis nach einer konkurrenzrechtlichen Regelung keinesfalls geringer sein als bei der Kollision jeweils originärer Ansprüche.
Das Gesetz trägt dem umfassend und unabhängig von Zufälligkeiten sowie unter Vermeidung von Wertungswidersprüchen Rechnung. Gleichermaßen derjenige, der selbst einen Beitragszuschuß in Anspruch genommen hat (§ 50 Abs. 1 Satz 1 GAL) wie auch derjenige, der eine Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nach einem Versicherten bezieht, der einen Beitragszuschuß in Anspruch genommen hat (§ 50 Abs. 1 Satz 2 ≪seit dem 1. Januar 1992 aufgrund Art. 17 Nr. 18 RRG 1992: Satz 3≫ GAU, muß eine anteilige Kürzung ua seines landwirtschaftlichen Altersgeldes hinnehmen. Wäre demgegenüber – wie das Berufungsgericht meint – § 50 Abs. 1 Satz 2 GAL tatsächlich die einzige insofern einschlägige Bestimmung, hätte nur der Empfänger eines (auf eigener Beitragsleistung beruhenden) Altersgeldes eine Kürzung dieser Leistung um den Betrag der anteiligen Hinterbliebenenrente hinzunehmen, während derjenige Ehegatte, der den Zuschuß ohne Gegenleistung an die landwirtschaftliche Alterssicherung selbst in Anspruch genommen hatte, als Überlebender Leistungen aus beiden Systemen ungekürzt erhalten könnte. Ein derartiges Ergebnis wäre indessen als bloßes Resultat unvorhersehbarer Geschehensabläufe einer auf den Wertungsentscheidungen des Gesetzes basierenden Deutung in keiner Weise zugänglich.
3. Soweit das LSG schließlich seine Auffassung, § 50 Abs. 1 Satz 1 GAL sei für Fallkonstellationen der vorliegenden Art. von vornherein nicht einschlägig, entscheidend auf die Entstehungsgeschichte (des ASEG) stützt, geht es im wesentlichen von einem unzutreffenden Verständnis von Funktion und Bedeutung der sog historischen Methode im allgemeinen aus und verkennt im übrigen Bedeutung und Tragweite der (nur fragmentarisch) herangezogenen Materialien für den konkreten Auslegungszusammenhang.
a) Unabhängig von den in Literatur und obergerichtlicher Rechtsprechung (vgl. zum Meinungsstand zuletzt Fischer, Auslegungsziele und Verfassung, in: Die Steuerrechtsordnung in der Diskussion, Festschrift für Klaus Tipke zum 70. Geburtstag, Köln 1995, S. 187 ff sowie speziell zum Verfassungsrecht Sachs. Die Entstehungsgeschichte des Grundgesetzes als Mittel der Verfassungsauslegung in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, DVBl 1984, 73 ff) vertretenen Auffassungen zum Gewicht der Entstehungsgeschichte innerhalb eines Kanons nebeneinander zulässiger und sich wechselseitig ergänzender Vorgehensweisen im einzelnen, bleibt doch – soweit erkennbar – gemeinsamer und unbestrittener Ausgangspunkt der Diskussion stets, daß der Wille des an Sprache gebundenen Gesetzgebers primär durch die Interpretation des in Gesetzesform Verlautbarten zu ermitteln ist (Fischer, aaO, S. 208 mwN). Zwar kann daher zu dessen Deutung auch der Gang seiner Entstehung unterstützend herangezogen werden. Keinesfalls darf jedoch umgekehrt die dem Entwurf beigegebene Begründung anstelle der objektiven Aussage des Gesetzes isoliert zur Grundlage der Rechtsfindung gemacht werden (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des BVerfG in diesem Sinne BVerfGE 11, 126 ff, 130; 13, 261 ff, 268; 54, 277 ff, 298 f; 62, 1 ff, 45).
Dies muß umso mehr dann gelten, wenn sich – wie hier – alle für die Norminterpretation erforderlichen Anhaltspunkte bereits dem Gesetz selbst entnehmen lassen und die Äußerungen eines am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organs zum Inhalt einer einzelnen Bestimmung ersichtlich nur die Aufgabe haben, deren Anwendungsbereich im Kontext mit allgemeinen Ausführungen hinsichtlich Zielsetzung und systematischem Zusammenhang der vorgeschlagenen Regelung exemplarisch zu erläutern. Eine darüber hinausgehende Absicht läßt auch der unmittelbare Wortlaut der vom LSG zitierten Begründung des 10. Ausschusses zu § 50 GAL nicht erkennen: für die Auffassung, daß mit der dort zutreffend als erfaßt angesehenen Fallgestaltung der einzige Anwendungsfall der Norm hätte beschrieben werden sollen, vermittelt sie nach Wortlaut und Inhalt keinerlei Anlaß. Ob und ggf welche Bedeutung eine dementsprechend eindeutige Willensbetätigung für das Verständnis des Gesetzes gehabt hätte, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben.
4. Die Bestimmungen des ALG haben diese Rechtslage in keiner Hinsicht verändert. Dies entspricht dem in der Begründung zum Entwurf des ASRG 1995 (BR-Drucks 508/93, S. 9.1) zum Ausdruck gekommenen Bestreben, den bisherigen Zustand aufrecht zu erhalten. Keine inhaltlichen Abweichungen hat auch die – aufgrund der geänderten Terminologie notwendige – Änderung von § 129 ALG durch Art. 1 Nr. 30 a Buchst. a des ASRG-ÄndG vom 15. Dezember 1995 (BGBl I, S. 1814) gebracht, die rückwirkend zum 1. Januar 1995 in Kraft getreten ist: Mit der ausdrücklichen Erwähnung von „Renten wegen Todes” soll vielmehr ausdrücklich an die bis zum 31. Dezember 1994 bestehenden Verhältnisse angeknüpft werden (vgl. BT-Drucks 13/3057, S. 29).
Nach alledem hat die Beklagte für die Zeit ab dem 1. Februar 1993 zu Recht die Erbringung von Leistungen nach dem verstorbenen E. H. verweigert.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 954099 |
SozSi 1997, 320 |