Entscheidungsstichwort (Thema)
Berichtigung von Anpassungsfehlern
Leitsatz (redaktionell)
Die Frist für Berichtigung nach den Vorschriften der Rentenanpassungsgesetze gilt nicht für die Berichtigung der Umstellung.
Normenkette
RAG 1 § 7 Fassung: 1958-12-21
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 28. Mai 1965 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. Januar 1965 wird zurückgewiesen; die Klage gegen den Bescheid vom 2. April 1965 wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, geboren am 30. April 1914, erhielt durch den Bescheid vom 19. April 1947 eine Witwenrente aus der Angestelltenversicherung (AV) ihres 1944 verstorbenen Ehemannes; die Rente wurde nach einem Steigerungsbetrag (der Versichertenrente) von 198,- RM jährlich berechnet und auf 321,- RM jährlich festgesetzt.
Bei der Umstellung der Witwenrente nach Art. 2 § 32 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) wurde fälschlich ein monatlicher Steigerungsbetrag von 9,50 DM statt eines Steigerungsbetrages von 8,25 DM (5/10 von 198,- DM = 99,- DM, geteilt durch 12 = 8,25 DM) zugrunde gelegt und durch Vervielfältigung mit dem für Geburts- und Todesjahr des Versicherten maßgeblichen Umstellungsfaktor 18,3 eine Umstellungsrente von 173,90 DM statt von 151,- DM monatlich ab 1. Januar 1957 errechnet. Von der Umstellung benachrichtigte die die Umstellung durchführende Bundespost die Klägerin durch eine "Mitteilung". Die Anpassungen nach dem 1., 2. und 3. Rentenanpassungsgesetz (RAG) erfolgten jeweils nach dem Rentenzahlbetrag für den Monat Januar des laufenden Jahres, so daß sich auf Grund der Anpassung nach dem 3. RAG für die Bezugszeiten ab 1. Januar 1961 eine monatliche Rente von 206,20 DM ergab.
Mit Schreiben vom 7. August 1961 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sich der derzeitige Rentenzahlbetrag bei richtiger Berechnung auf 179,10 DM ermäßige; sie zahle jedoch die Rente in der bisherigen Höhe ohne Anerkennung einer Rechtspflicht weiter und behalte sich die Berichtigung vor, weil noch nicht geklärt sei, ob es zulässig sei, die Rentenfeststellung zuungunsten des Berechtigten zu berichtigen. Nach dem 4. RAG wurde die Rente der Klägerin auf 216,60 DM und nach dem 5. RAG auf 230,90 DM erhöht. Am 6. Dezember 1963 erteilte die Beklagte der Klägerin sodann einen "Bescheid" folgenden Inhalts:
"Eine Überprüfung hat ergeben, daß Ihre Rente nicht richtig berechnet worden ist, weil bei der Umstellung nach dem AnVNG der Steigerungsbetrag falsch berechnet wurde. Danach dürfte Ihre Rente anstatt 230,90 DM nur 200,30 DM monatlich betragen. Hierzu verweisen wir auf die beigefügten Berechnungsunterlagen.
Da der derzeitige monatliche Zahlbetrag jedoch besitzgeschützt ist, wird die Rente in der bisherigen Höhe weitergezahlt. Wir behalten uns aber vor, Ihre Rente in Zukunft erst dann anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteigt. Die überzahlten Beträge fordern wir nicht zurück".
Mit der Klage hiergegen machte die Klägerin geltend, die Beklagte sei an die unrichtige Umstellung gebunden. Am 24. April 1964 teilte die Beklagte der Klägerin mit, daß sich der Zahlbetrag ihrer Rente durch das 6. RAG nicht erhöhe, weil die richtig berechnete und angepaßte Rente für die Bezugszeiten ab 1. Januar 1964 216,70 DM betrage und bereits eine höhere Rente (230,90 DM) gezahlt werde; am 2. April 1965 paßte die Beklagte die Rente nach dem 7. RAG auf 237,- DM für das Jahr 1965 an.
Das Sozialgericht (SG) Oldenburg wies die Klage durch Urteil vom 13. Januar 1965 ab: Der Umstellungsbescheid habe von Amts wegen jederzeit berichtigt werden können, er sei offenbar unrichtig gewesen. Da der Steigerungsbetrag der alten Rente seit mehr als 10 Jahren festgestanden habe, könne der fehlerhafte Steigerungsbetrag nur dadurch in den Umstellungsbescheid gekommen sein, daß bei der maschinellen Berechnung durch Verlesen oder Vertippen eine falsche Größe in die Maschine gegeben worden sei.
Die Klägerin legte Berufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen entschied mit Urteil vom 28. Mai 1965:
1. Auf die Berufung der Klägerin werden das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. Januar 1965, der Bescheid der Beklagten vom 6. Dezember 1963 und ihre Anpassungsmitteilungen vom 24. April 1964 und 2. April 1965 aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Rentenanpassung den Rentenumstellungsbetrag von 173,90 DM zugrunde zu legen.
Das LSG führte aus, die Berichtigung des der Umstellung zugrunde gelegten Steigerungsbetrages und damit des Umstellungsbetrages sei aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes unzulässig; dieser Betrag sei auch weiterhin für die Rentenanpassungen maßgebend; die "offenbar fehlerhafte" Umstellung habe nur bis Ende 1959 berichtigt werden dürfen; auch bei der Anpassung nach dem 4. bis 7. RAG sei die Beklagte an das Ergebnis der Umstellung gebunden gewesen.
Das LSG ließ die Revision zu.
Die Beklagte legte formgerecht und fristgemäß Revision ein. Sie beantragte,
das Urteil des LSG Niedersachsen vom 28. Mai 1965 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 13. Januar 1965 zurückzuweisen.
Die Beklagte rügte, das LSG habe § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie Vorschriften der Rentenanpassungsgesetze verletzt.
Die Klägerin beantragte,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§§ 124 Abs. 2, 153 Abs. 1, 165 SGG).
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG), sie ist auch begründet.
Die Klägerin hat - entgegen der Auffassung des LSG - keinen Anspruch auf eine weitere Erhöhung ihrer nach dem 5. RAG auf 230,90 DM festgestellten Rente, so lange dieser Betrag nicht von dem Betrag der ihr zustehenden, richtig umgestellten und angepaßten Rente überschritten wird.
In dem "Ankündigungs- und Vorbehaltsbescheid" vom 6. Dezember 1963 hat die Beklagte ihr Rechtsverhältnis zur Klägerin nicht geregelt; dieser "Bescheid" ist kein Verwaltungsakt, er kann deshalb nicht Gegenstand eines Aufhebungsantrags sein. Das LSG hat diesen "Bescheid" zu Unrecht aufgehoben (vgl. Urt. des erkennenden Senats vom 15.2.1966; BSG 24, 236). Ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist aber der - noch während des Verfahrens vor dem SG ergangene - Bescheid vom 24. April 1964; darin hat die Beklagte nunmehr die in dem "Vorbehaltsbescheid" angekündigte Absicht von weiteren Rentenerhöhungen durch Anpassung abzusehen verwirklicht; sie hat eine Rentenerhöhung nach dem 6. RAG ab 1. Januar 1964 abgelehnt, weil die richtig berechnete und angepaßte Rente 216,70 DM betrage und bereits eine höhere Rente (230,90 DM) gezahlt werde. Dieser Bescheid ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl. BSG aaO). Gegenstand des Verfahrens ist ferner der im Berufungsverfahren ergangene Bescheid der Beklagten vom 2. April 1965; darin hat die Beklagte die monatliche Rente der Klägerin nach dem 7. RAG auf 237,- DM für das Jahr 1965 angepaßt; sie ist hierbei wiederum von der richtig umgestellten Rente ausgegangen. Es ist demnach zu entscheiden, ob die Klägerin für das Jahr 1964 auf Grund des 6. RAG einen Anspruch auf Erhöhung der ihr bisher ausgezahlten Rente von 230,90 DM monatlich hat und ob ihr für das Jahr 1965 auf Grund des 7. RAG eine höhere Rente als 237,- DM monatlich zusteht. Entgegen der Ansicht des LSG ist das nicht der Fall.
Es handelt sich hier um eine Rente, die nach dem vor dem 1. Januar 1957 geltenden Recht festgestellt und nach den Vorschriften des Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG von der Bundespost "schematisch" umgestellt worden ist. Die Umstellung der Witwenrente der Klägerin ist insofern fehlerhaft gewesen, als die Umstellungsrente nach einem zu hohen monatlichen Steigerungsbetrag (von 9,50 DM) errechnet worden ist; nach dem maßgeblichen ursprünglichen Steigerungsbetrag der Versichertenrente von 198,- RM hätte bei der Umstellung nur ein Steigerungsbetrag von 8,25 DM zugrunde gelegt werden dürfen; die Klägerin hat danach eine zu hohe Umstellungsrente erhalten; die Rente der Klägerin ist jedoch bis zum 5. RAG ohne Rücksicht auf die unrichtige Umstellung angepaßt worden, so daß der monatliche Zahlbetrag nach der Anpassung auf Grund des 5. RAG ab 1. Januar 1963 230,90 DM erreicht hat.
Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 28. Juni 1966 (SozR Nr. 1 zu § 3 des 7. RAG) ausgeführt hat, ist der Versicherungsträger bei der Anpassung der - wie hier - nach Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG umgestellten Renten auf Grund des 4. bis 7. RAG an eindeutig falsch ermittelte Berechnungsfaktoren nicht gebunden; er kann die falschen Berechnungsfaktoren durch die richtigen ersetzen, muß jedoch in jedem Falle mindestens den bisherigen Zahlbetrag der Rente weitergewähren (vgl. auch die Urteile des Senats vom 15.2.1966, BSG 24, 236 ff und vom 4.8.1966 - 11 RA 214/65). Der Senat hat in den angeführten Urteilen dargelegt, daß die abweichende Auffassung, die das LSG vertreten hat, weder durch den Wortlaut des § 2 Nr. 1 des 1. Abschnitts des 7. RAG und der entsprechenden Vorschriften des 4., 5., 6. und 8. RAG noch durch Erwägungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geboten wird. Auch der 1. Senat hat in seinem Urteil vom 30. August 1966 - 1 RA 355/65 - ausgeführt: "Eine Rente, die nach dem bis zum 31. Dezember 1956 geltenden Recht festgestellt und nach den Vorschriften in Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG umgestellt wurde (sog. Faktorenrente), ist seit dem 4. RAG (vom 20.12.61 - BGBl I 2009 -) in der Weise anzupassen, daß die Umstellung ohne Bindung an die vorausgehenden Anpassungen und das Ergebnis der ersten Umstellung wiederholt wird; dabei ist jedoch der sich aus einer vorausgehenden Anpassung ergebende Rentenzahlbetrag geschützt". Renten nach Art. 2 §§ 31 bis 34 AnVNG - wie die der Klägerin - werden nach § 3 des 4. und 5. RAG, Art. I § 3 des 6. RAG und § 3 des 7. RAG erneut umgestellt, d. h. es wird so vorgegangen, als ob die Renten noch nicht umgestellt seien. Die Beklagte hat danach bei der - nach dem 4. RAG - zu wiederholenden Rentenumstellung nunmehr das bisher unrichtige Ergebnis der Umstellung durch das richtige Ergebnis der Umstellung ersetzen müssen; sie hat - ausgehend von dem Steigerungsbetrag der Ursprungsrente - den richtigen monatlichen Steigerungsbetrag (8,25 statt 9,50 DM), der der Vervielfältigung mit dem Tabellenwert zugrunde zu legen gewesen ist, ermitteln und danach die richtige Umstellungsrente errechnen müssen; diese sich aus der erneuten Umstellung ergebende Rente ist für die Rentenanpassungen maßgebend gewesen. Wenn die Beklagte die von der Post unrichtig umgestellte und angepaßte Rente weder für das Jahr 1962 (4. RAG) noch für das Jahr 1963 (5. RAG) geändert, sondern die Rechtsfolgen aus der erneuten Umstellung (mit dem richtigen Ergebnis) erst bei der Anpassung nach dem 6. RAG gezogen hat, so hat sie dadurch nicht etwa das Recht verwirkt, die Rente gesetzmäßig anzupassen. Da die richtige Umstellung einen Rentenbetrag ergeben hat, der nach Anpassung nach dem 6. RAG für Bezugszeiten vom 1. Januar 1964 an mit 216,70 DM (151 x 1,4347, vgl. Art. I § 3 Abs. 1 des 6. RAG) niedriger ist als der durch die Post festgestellte Anpassungsbetrag für das Jahr 1963 nach dem 5. RAG (230,90 DM), steht der Klägerin keine weitere Erhöhung ihrer Rente nach dem 6. RAG zu; die Beklagte hat aber den von der Post festgestellten - unrichtigen - Anpassungsbetrag weiterzahlen müssen, wie sie dies auch getan hat (6. RAG Art. I § 3, Art. III § 1 Abs. 1). Die Klägerin hat keinen Anspruch darauf, durch Anpassungen eine höhere Rente als 230,90 DM zu erhalten, so lange nicht die richtig umgestellte und angepaßte Rente durch weitere Anpassungen den Betrag von 230,90 DM übersteigt. Die Klägerin hat auch nach dem 7. RAG (also für 1965) keinen höheren Rentenanspruch als den, den die Beklagte nach richtiger Umstellung und Anpassung auf 237,- DM monatlich (151 x 1,5690, vgl. § 3 Abs. 1 des 7. RAG) festgestellt hat.
Zu Unrecht folgert das LSG aus den Vorschriften der Rentenanpassungsgesetze, wonach Berichtigungen nur bis zum Ende des Anpassungsjahres zulässig sind (§ 7 des 1. RAG und die entsprechenden Vorschriften des 2. bis 7. RAG), daß diese Frist auch für die Berichtigung der Umstellung gelte. Ergibt sich im Laufe eines Anpassungsjahres, daß die Anpassung für dieses Jahr fehlerhaft ist, so dürfen diese Fehler bis zum Ende des Jahres berichtigt werden. Diese zeitliche Begrenzung dieser Ermächtigung steht den durch die folgenden Rentenanpassungsgesetze geschaffenen Rechten und Pflichten der Versicherungsträger nicht entgegen. Hierbei handelt es sich nämlich nicht um die Berichtigung von "Anpassungsfehlern" des laufenden Anpassungsbetrages, sondern um eine neue Anpassung für ein anderes Jahr.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die Voraussetzungen vorgelegen haben, unter denen die Beklagte die fehlerhafte Umstellung wegen "offenbarer Unrichtigkeit" - schon früher - hätte "berichtigen" können (vgl. hierzu Urt. des BSG vom 8.9.61, BSG 15, 96). Selbst wenn das der Fall gewesen wäre, so hätte dies die Beklagte nicht hindern können, bei der Anpassung gesetzmäßig zu verfahren mit dem Ziel, daß die Klägerin künftig die "richtige" Rente erhält. Der Vertrauensschutz wird dadurch ausreichend gewährt, daß der früher falsch festgestellte Rentenbetrag sich auch durch die Anpassung nicht mindern kann. Für eine Mehrung oder gar progressive Erhöhung eines fälschlicherweise zu hoch festgestellten Betrages kann in der Regel kein Vertrauensschutz beansprucht werden (Urt. d. erkennenden Senats vom 15.2.66, BSG 24, 236 ff).
Die streitigen Bescheide sind somit rechtmäßig; das LSG hat sie zu Unrecht aufgehoben.
Da das LSG die Sach- und Rechtslage nicht zutreffend beurteilt hat, ist die Revision begründet. Das Urteil des LSG ist aufzuheben, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG ist zurückzuweisen, die Klage gegen den während des Berufungsverfahrens ergangenen Bescheid der Beklagten vom 2. April 1965 ist abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Fundstellen