Entscheidungsstichwort (Thema)

Berücksichtigung nur der Arbeitgeberanteile aufgrund der Kontokarte der RfA

 

Leitsatz (redaktionell)

Das LSG hat nicht die Grenzen seines Rechts, das Gesamtergebnis des Verfahrens frei zu würdigen (SGG § 128), überschritten, wenn es die Tatsache des Eintrags von Arbeitgeberbeitragsanteilen in der Kontokarte der RfA nicht als ausreichend angesehen hat, um festzustellen, daß auch Arbeitnehmerbeitragsanteile entrichtet worden seien. Tatsachen und Beweismittel, die insoweit einen Verfahrensmangel des LSG ergeben, hat die Klägerin mit der Revision nicht bezeichnet (SGG § 164 Abs 2 S 2). Das LSG hat von der Entrichtung der Arbeitnehmeranteile auch nicht ohne Beweiserhebung - auf Grund des sogenannten Beweises des 1. Anscheins - überzeugt sein müssen. Es hat für die streitige Zeit nicht einem typischen Geschehensablauf entsprochen, daß vom Arbeitgeber mit seinen eigenen Beitragsanteilen stets auch Beitragsanteile für den Versicherten überwiesen worden sind. Unter den Voraussetzungen des § 390 des damals geltenden Versicherungsgesetzes für Angestellte hat ein Angestellter von der Beitragsleistung befreit werden können, der Arbeitgeber ist aber trotzdem verpflichtet gewesen, die auf ihn entfallenden Beitragsanteile an die RfA abzuführen. Die Tatsache, daß die Kontokarte nur die Arbeitgeberbeitragsanteile enthält, spricht für diesen Geschehensablauf, nicht aber dafür, daß die Arbeitnehmerbeitragsanteile zu Unrecht entweder vom Arbeitgeber nicht abgeführt oder von der RfA nicht in die Kontokarte eingetragen worden sind. Die behauptete Entrichtung der Arbeitnehmeranteile hätte daher nachgewiesen werden müssen; ein solcher Nachweis ist nicht erbracht.

 

Normenkette

SGG § 128 Fassung: 1953-09-03, § 164 Abs. 2 S. 2 Fassung: 1953-09-03; FANG Art. 6 § 6 Fassung: 1960-02-25

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Sozialgerichts Braunschweig vom 25. Januar 1965 und des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 27. März 1966 aufgehoben. Die Klage auf Aufhebung der Bescheide vom 18. August 1964, 4. März 1965 und 3. Februar 1966 wird in vollem Umfange abgewiesen.

2. Die Revision der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin ist die Witwe des am 24. Januar 1882 geborenen R F (F.), der in Königshütte (Oberschlesien) als Kassenbeamter bei einer Hütte beschäftigt war. Ab 1. Januar 1940 bezog F. vom polnischen Versicherungsträger Rente wegen Berufsunfähigkeit, die durch Bescheid vom 19. Juni 1941 von der früheren Reichsversicherungsanstalt für Angestellte (RfA) übernommen und bis zum Januar 1945 gezahlt wurde. F. und die Klägerin wurden im Juni 1946 aus Königshütte ausgewiesen und nahmen ihren Wohnsitz in Bad Harzburg. Danach wurde durch die Landesversicherungsanstalt (LVA) Braunschweig, Abteilung Angestelltenversicherung, die Rente wieder ab 1. Juli 1946 an F. gezahlt. F. starb im August 1949; der letzte monatliche Rentenzahlbetrag betrug 165,- DM. Die graue Kontokarte aus dem Archiv der Beklagten enthält für die Zeit von Januar 1913 bis Juni 1922 nur Arbeitgeberbeitragsanteile.

Durch Bescheid vom 28. Juni 1950 gewährte die Beklagte der Klägerin Witwenrente in Höhe von monatlich 83,10 DM. Der monatliche Zahlbetrag erhöhte sich bis zum 31. Dezember 1956 auf 135,10 DM. Nach dem Inkrafttreten des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) wurde mit Wirkung vom 1. Januar 1957 die Witwenrente auf 330,80 DM umgestellt; dabei wurde als Jahr des Rentenbeginns das Jahr 1946 und ein monatlicher Steigerungsbetrag von 123,80 DM zugrunde gelegt. In der Folgezeit wurde die monatliche Rente den Änderungen der allgemeinen Bemessungsgrundlage angepaßt, sie betrug im Jahre 1964 auf Grund des 6. Rentenanpassungsgesetzes (RAG) 441,- DM.

Durch "Bescheid" vom 18. August 1964 teilte die Beklagte der Klägerin mit, ihre Rente sei nicht richtig berechnet worden. Bei der Umstellung im Jahre 1957 sei als Jahr des Rentenbeginns statt 1940 das Jahr 1946 und überdies ein falscher Steigerungsbetrag (123,80 DM statt 36,10 DM) zugrunde gelegt worden. Der Klägerin stünde ab 1. Oktober 1964 unter Berücksichtigung des 6. RAG statt der gezahlten 441,- DM nur eine monatliche Rente von 316,10 DM zu. Die Rente werde zwar in der "besitzgeschützten" bisherigen Höhe weitergezahlt, bei einer künftigen Neufeststellung aber nur dann erhöht, wenn die neuberechnete Rente den bisherigen Zahlbetrag übersteige. Die Beklagte behielt sich außerdem vor, die Rente in Zukunft erst dann anzupassen, wenn die richtig berechnete und richtig angepaßte Rente den derzeitigen zu hohen monatlichen Zahlbetrag übersteige.

Das Sozialgericht (SG) Braunschweig änderte den "Bescheid" vom 18. August 1964 dahin ab, daß die der Klägerin zustehende Rente unter Anwendung des 6. RAG nicht 316,10 DM, sondern 387,- DM betrage; es legte als Rentenbeginn das Jahr 1940 (statt 1946) zugrunde, errechnete jedoch als Steigerungsbetrag 52,60 DM (statt 36,10 DM). Im übrigen wies das SG die Klage ab (Urteil vom 25. Januar 1965).

Mit ihrer Berufung begehrte die Beklagte, unter Abänderung des Urteils des SG die Klage gegen den "Bescheid" vom 18. August 1964 in vollem Umfang abzuweisen. Die Klägerin legte Anschlußberufung ein; sie beantragte die Aufhebung des "Bescheids" vom 18. August 1964 in vollem Umfang, der anschließenden Anpassungsmitteilungen auf Grund des 7. und 8. RAG, durch die eine Erhöhung des bisherigen Zahlbetrags abgelehnt worden war, und eines weiteren Bescheids der Beklagten vom 3. Februar 1966. Durch den Bescheid vom 3. Februar 1966 hatte die Beklagte die Rente der Klägerin während des Berufungsverfahrens ab 1. Januar 1959 nach Art. 6 § 6 Abs. 2 des Fremdrenten- und Auslandsrenten-Neuregelungsgesetzes (FANG) vom 25. Februar 1960 neu umgestellt und, weil die Neuberechnung auch unter Berücksichtigung der Vorschriften des 8. RAG keinen günstigeren Zahlbetrag ergab, den "besitzgeschützten" Betrag von 441,- DM weiter gewährt.

Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen wies durch Urteil vom 27. Mai 1966 die Berufung der Beklagten zurück. Auf die Anschlußberufung der Klägerin verurteilte es die Beklagte unter Abänderung des Urteils des SG, des "Bescheids" vom 18. August 1964 "und der anschließenden Anpassungsmitteilungen", bei der jeweiligen Anpassung der Witwenrente der Klägerin über den 30. September 1964 hinaus das Jahr 1946 als Jahr des Rentenbeginns und den monatlichen Steigerungsbetrag von 52,60 DM zugrunde zu legen; im übrigen wurde die Anschlußberufung der Klägerin zurückgewiesen, die Klage gegen den Bescheid vom 3. Februar 1966 wurde abgewiesen. Das LSG führte aus: Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Die Beklagte dürfe, auch wenn sie den bisherigen Rentenbetrag weiterzahle, bei den Rentenanpassungen seit dem 4. RAG falsche Berechnungsfaktoren durch richtige Faktoren nur dann ersetzen, wenn die früher zugrunde gelegten Faktoren "ohne Zweifel" unrichtig seien und wenn - in entsprechender Anwendung des § 138 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) - der Fehler "offenbar" sei. Dies treffe hier nur teilweise zu. Die der Umstellung im Jahre 1957 zugrunde gelegten Berechnungsfaktoren seien jedenfalls im Umstellungsjahr 1957 nicht in vollem Umfang offenbar unrichtig gewesen. Soweit die Beklagte bei der Umstellung im Jahre 1957 nicht von 1940 (dem Jahr des Beginns des Rentenbezugs in Polen, sondern fälschlich von 1946 (dem Jahr des Beginns der Rentenzahlung durch die LVA Braunschweig) ausgegangen sei, beruhe das auf einem Rechtsirrtum; diese Rechtsfrage sei damals streitig gewesen und erst durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. September 1961 (BSG 15, 93 ff) geklärt worden. Auch die fehlerhafte Ermittlung des monatlichen Steigerungsbetrags mit 123,80 DM sei teilweise auf einen "Denkfehler" zurückzuführen. Der "Denkfehler" bestehe darin, daß nicht von dem hier maßgebenden halben jährlichen Ostgebietsgrundbetrag von 840,- DM, sondern von dem regelmäßigen Grundbetrag von 444,- DM ausgegangen und demnach der halbe monatliche Grundbetrag für die Witwenrente (222 : 12 = 18,5) mit 18,50 DM angesetzt worden sei. Daß dieser monatliche Grundbetrag von 18,50 DM zur Feststellung des Steigerungsbetrags von der "Netto-Rente" des Versicherten (142,30 DM) statt von der "Halbrente" der Witwe (71,10 DM) abgezogen und so der Umstellung ein Steigerungsbetrag von 123,80 DM (142,30 - 18,50 = 123,80) statt 52,60 DM (71,10 - 18,50 = 52,60) zugrunde gelegt worden sei, sei dagegen ein offenbares Versehen. Der mit 123,80 DM zu hoch angesetzte Steigerungsbetrag könne daher, wie auch das SG angenommen habe, zwar durch den Betrag von 52,60 DM ersetzt werden, die weitere Ermäßigung auf 36,10 DM sei aber nicht gerechtfertigt. Die Anschlußberufung der Klägerin sei sonach begründet, soweit die Beibehaltung des Jahres 1946 als Jahr des Rentenbeginns begehrt werde, jedoch unbegründet, soweit die Klägerin die Beibehaltung des Steigerungsbetrags von 123,80 DM beanspruche. Unbegründet sei auch die Klage der Klägerin auf Aufhebung des Bescheids vom 3. Februar 1966. Der verhältnismäßig niedrige Zahlbetrag nach dieser Neuumstellung erkläre sich aus der geringen Zahl von Beiträgen und daraus, daß für die Zeit von 1913 bis 1922 nur Arbeitgeberbeitragsanteile entrichtet worden seien. Das LSG ließ die Revision zu.

Beide Beteiligten legten form- und fristgerecht Revision ein.

Die Klägerin beantragte,

das Urteil des LSG aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Rente der Klägerin unter Anrechnung von Arbeitnehmerbeitragsanteilen für die Zeit von Januar 1913 bis Juni 1922 neu festzustellen.

Sie beanstandete "die persönlichen Berechnungsfaktoren für die Witwenrente" und die Neuberechnung des Rentenzahlbetrags "nach der Umstellung": Das LSG sei von einer zu kleinen Zahl von Beiträgen ausgegangen. Da die graue Kontokarte des Ehemanns der Klägerin für die Zeit von Januar 1913 bis Juni 1922 Arbeitgeberbeitragsanteile aufweise, habe das LSG nach dem Beweis des ersten Anscheins bis zum Antritt des Gegenbeweises durch den Versicherungsträger davon ausgehen müssen, daß für diese Zeit auch Arbeitnehmerbeitragsanteile entrichtet worden seien, denn Arbeitgeberanteile würden nur zusammen mit Arbeitnehmeranteilen überwiesen.

Die Beklagte beantragte,

1. das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben, als die Berufung zurückgewiesen und die Beklagte verurteilt worden ist, bei der jeweiligen Anpassung der Rente der Klägerin über den 30. September 1964 hinaus das Jahr 1946 als Jahr des Rentenbeginns und den monatlichen Steigerungsbetrag von 52,60 DM zugrunde zu legen,

2. das Urteil des SG Braunschweig aufzuheben,

3. die Klage gegen den Bescheid vom 18. August 1964 abzuweisen.

Sie rügte die Verletzung der §§ 54, 77 SGG und des § 3 des 7. RAG. Die Klage gegen den "Bescheid" vom 18. August 1964 sei unzulässig, weil es sich dabei um keine die Klägerin belastende Regelung handele. Im übrigen sei die Beklagte seit dem 4. RAG nicht gehindert, die als unrichtig erkannten Berechnungsfaktoren bei der Umstellung richtigzustellen und, bei Wahrung des Besitzstandes, auf dieser Grundlage die Rentenanpassungen durchzuführen. Da die früher ermittelten Berechnungsfaktoren ohne Zweifel unrichtig seien, habe die Beklagte sie durch die richtigen Faktoren ersetzen dürfen. Für eine entsprechende Anwendung des § 138 SGG, auf die das LSG abgestellt habe, sei hier kein Raum.

Die Beklagte beantragte ferner,

die Revision der Klägerin zurückzuweisen.

Die Klägerin hat sich zur Revision der Beklagten nicht geäußert.

Die Beteiligten erklärten sich mit einem Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 165, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) einverstanden.

II

Die Revisionen der Beklagten und der Klägerin sind zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164 SGG). Die Revision der Beklagten ist auch begründet; die Revision der Klägerin ist jedoch unbegründet.

1. Das LSG hat den "Berichtigungsbescheid" vom 18. August 1964 zu Unrecht aufgehoben. Es hat - ebenso wie das SG - verkannt, daß die Beklagte mit diesem "Bescheid" ihr Rechtsverhältnis zu der Klägerin nicht neu geregelt hat; sie hat die Rente der Klägerin damals nicht neu festgestellt, sondern der Klägerin nur mitgeteilt, daß die bisherige Rente falsch berechnet und wie die Rente künftig, insbesondere bei künftigen Rentenanpassungen, richtig zu berechnen sei. Dieser "Bescheid" ist kein Verwaltungsakt gewesen, er hat nicht mit der Klage angefochten werden können, die Aufhebungsklage ist unzulässig gewesen (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 15. Februar 1966, BSG 24, 236).

Ein anfechtbarer Verwaltungsakt ist aber die während des Berufungsverfahrens ergangene "Anpassungsmitteilung" vom 4. März 1965 nach dem 7. RAG, die dem LSG vorgelegen hat, (vgl. Niederschrift über den "Erörterungstermin" vom 11. November 1965, Bl. 79 der Gerichtsakten). Dieser Bescheid ist nach § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens des LSG geworden, auch wenn der "Bescheid" vom 18. August 1964 kein anfechtbarer Verwaltungsakt gewesen ist (vgl. BSG 24, 237). Mit dem Bescheid vom 4. März 1965 hat die Beklagte die Witwenrente der Klägerin nach Art. 2 §§ 31 ff AnVNG neu festgestellt (umgestellt); sie hat die Rente der Klägerin ab 1. Januar 1957 auf 220,30 DM (statt bisher 330,80 DM) festgestellt, diesen Betrag der Rentenanpassung nach dem 7. RAG zugrunde gelegt und die Rente ab 1. Januar 1965 auf 345,70 DM festgestellt. Bei der Neuberechnung hat sie die Berechnungsfaktoren, die der früheren Umstellung zugrunde gelegen haben, geändert; sie hat der Klägerin jedoch weiterhin die Rente von 441,- DM, die nach dem 6. RAG der Klägerin gewährt worden ist, belassen; auch nach dem 8. RAG hat sie die Rente der Klägerin - ab 1. Januar 1966 - nicht erhöht, weil auch die der Klägerin nach der Neufeststellung in dem Bescheid vom 3. Februar 1966 unter Berücksichtigung des 8. RAG zustehende Rente (374,40 DM) unter dem Betrag von 441,- DM geblieben ist. Entgegen der Meinung des LSG ist der Bescheid vom 4. März 1965 nicht nur teilweise, sondern in vollem Umfange rechtmäßig.

Das LSG hat - ebenso wie das SG - nicht verkannt, daß die Umstellung der Witwenrente im Jahre 1957 mehrere Fehler enthalten hat. Für die Ermittlung des Vervielfältigungsfaktors (Art. 2 §§ 31 Abs. 1, 32 Abs. 1 AnVNG) ist es neben dem Geburtsjahr des Versicherten (1882) auf das Jahr des Beginns der Rente des Versicherten angekommen. Die Beklagte ist zu Recht in dem Bescheid vom 4. März 1965 vom Jahre 1940 (statt 1946) ausgegangen. Der Ehemann der Klägerin hat von 1940 an Rente wegen Berufsunfähigkeit bezogen. Die Berufsunfähigkeitsrente ist ihm nach seiner Übersiedlung in die Bundesrepublik vom Jahre 1946 an (nur) weitergewährt worden; es ist für die Frage des Rentenbeginns unerheblich, daß die Rente im Jahre 1940 von einem Versicherungsträger außerhalb der Bundesrepublik (nämlich vom polnischen Versicherungsträger) festgestellt worden ist. Entscheidend ist, daß die Rente ab 1946 von einem Versicherungsträger innerhalb der (späteren) Bundesrepublik auf Grund des gleichen Versicherungsverhältnisses und des gleichen Versicherungsfalles gewährt worden ist (vgl. Urteil des BSG vom 8. September 1961, BSG 15, 93). Nach der Anlage 4 zu Art. 2 § 32 AnVNG hat bei einem im Jahre 1882 geborenen Versicherten zwar sowohl bei einem Rentenbeginn im Jahre 1940 als auch bei einem Rentenbeginn im Jahre 1946 der Vervielfältigungsfaktor 6,1 betragen; die (unrichtige) Annahme, daß von einem Rentenbeginn im Jahre 1946 auszugehen sei, hat sich jedoch auf die Höhe der Umstellungsrente deshalb ausgewirkt, weil der Klägerin damit eine unrichtige - zu hohe - "Höchstbetragsrente" (Art. 2 § 33 Abs. 1 AnVNG), nämlich die Höchstbetragsrente nach einer Versicherungsdauer von 49 Jahren (1897 bis 1946) mit 330,80 DM gewährt worden ist, während die Höchstbetragsrente bei einer Versicherungsdauer von nur 43 Jahren (1897 bis 1940) niedriger gewesen wäre. Auch der monatliche Steigerungsbetrag ist bei der Rentenumstellung im Jahre 1957 unrichtig errechnet worden. Wie das LSG zutreffend dargelegt hat, ist die Beklagte bei der Umstellung der Witwenrente damals offensichtlich von einem jährlichen Grundbetrag der Witwenrente nach innerdeutschem Recht mit 222,- DM (die Hälfte des Grundbetrags der Versichertenrente von 444,- DM) = 18,50 DM monatlich ausgegangen; diesen Grundbetrag hat sie sodann offenbar versehentlich nicht von der Witwenrente, die damals ohne die Erhöhung nach dem Sozialversicherungs-Anpassungsgesetz 71,10 DM monatlich betragen hat, sondern von der entsprechenden "Nettorente" des Versicherten mit 142,30 DM abgezogen und ist so zu dem Steigerungsbetrag von 123,80 DM gelangt, während sich bei Abzug des monatlichen Grundbetrags von der Witwenrente ein Steigerungsbetrag von 52,60 DM ergeben hätte. Bei richtiger Umstellung der Witwenrente ist dagegen von dem Grundbetrag von 420,- DM auszugehen gewesen. Nach den Feststellungen des LSG hat der Ehemann der Klägerin zuletzt Rente nach einem Grundbetrag von 840,- DM jährlich = 70,- DM monatlich erhalten (vgl. § 32 Abs. 1 der Ostgebietsverordnung vom 22. Dezember 1941 - RGBl I 177 - i.d.F. der Verordnung vom 12. Oktober 1943 - RGBl I 565). Es ist davon auszugehen, daß in der Rente der Klägerin, die vor dem 1. Januar 1957 zuletzt 135,10 DM betragen hat, der halbe Grundbetrag nach der Ostgebietsverordnung - 35 DM monatlich - enthalten gewesen ist. Als Steigerungsbetrag wird der Teil des monatlichen Zahlbetrags zugrunde gelegt, der sich nach Abzug der übrigen Rentenbestandteile ergibt, wie sie auf Grund der vor dem Inkrafttreten des AnVNG zuletzt geltenden Vorschriften festzustellen wären. Für die Klägerin hat am 31. Dezember 1956 das Fremdrenten- und Auslandsrentengesetz (FAG) vom 7. August 1953 (BGBl I 848) gegolten; ihre Rente wäre damals nach § 3 Abs. 1 dieses Gesetzes auf Grund der Ostgebietsverordnung festzusetzen gewesen. Die Beklagte hatte daher alle Rententeile, die nach dieser Verordnung neben den Steigerungsbeträgen zu gewähren waren, vom Rentenzahlbetrag abzuziehen. Dazu gehörte einmal der monatliche Grundbetrag von 35,- DM (vgl. BSG 21, 1 ff), zum anderen der Zuschlag nach Art. 1 Abs. 1 Nr. 2 des Sozialversicherungs-Anpassungsgesetzes vom 17. Juni 1949 (12,- DM), die Zulage von 20,- DM nach § 2 Abs. 1 des Rentenzulage-Gesetzes vom 10. August 1951, die Erhöhung nach § 1 Abs. 1 des Grundbetragserhöhungs-Gesetzes vom 17. April 1953 (4,- DM) und der Mehrbetrag nach dem Rentenmehrbetrags-Gesetz vom 23. November 1954, der der Klägerin in Höhe von 28,- DM gewährt worden ist. Die Summe dieser Rententeile beträgt 99,- DM. Zieht man diesen Betrag von dem letzten monatlichen Rentenzahlbetrag von 135,10 DM ab, so ergibt sich als monatlicher Steigerungsbetrag 36,10 DM. Diesen Steigerungsbetrag hat die Beklagte bei der Neuberechnung (Umstellung) der Rente in dem Bescheid vom 4. März 1965 mit dem Tabellenwert von 6,1 vervielfältigt und die Umstellungsrente ab 1. Januar 1957 zutreffend mit monatlich 220,30 DM und ab 1. Januar 1965 nach dem 7. RAG mit monatlich 345,70 DM (220,30 x 1.5690) festgestellt. Sie hat dabei auch beachtet, daß der Anpassungsbescheid nach dem 6. RAG, mit dem die Rente der Klägerin auf Grund der früheren unrichtigen Umstellung auf 441,- DM festgestellt worden ist, nach § 77 SGG bindend geworden ist; sie hat der Klägerin diesen Betrag, der höher ist als die Rente, die der Klägerin bei richtiger Umstellung und Anpassung nach dem 7. RAG zusteht, weiter gewährt und durch die Bindungswirkung des Umstellungsbescheides von 1957 sowie der Rentenanpassungen nach dem 1. bis 5. RAG nicht angetastet. Diese Bindungswirkung hat sich nur auf den Rentenzahlbetrag erstreckt, die Berechnungsfaktoren einer Rente sind nicht bindend (Urteile des BSG vom 20. April 1961, BSG 14, 154, 158 und vom 13. August 1965 - 11/1 RA 366/62 -; Die Angestelltenversicherung, 1965 S. 298). Für die Entscheidung im vorliegenden Fall kommt es jedoch nicht auf die Frage an, unter welchen Voraussetzungen frühere, bindend gewordene Bescheide zurückgenommen werden dürfen, sondern darauf, ob der Versicherungsträger bei den jeweiligen Rentenanpassungen - hier bei der Rentenanpassung nach dem 7. RAG und den folgenden Rentenanpassungen - an eindeutig unrichtige Berechnungsfaktoren, die früheren Bescheiden zugrunde gelegen haben, gebunden ist. Das ist zu verneinen. Dabei ist es unerheblich, ob die fehlerhaften Berechnungsfaktoren auf unrichtigen rechtlichen Überlegungen oder auf offenbaren Unrichtigkeiten im Sinne von § 138 SGG beruhen. Das LSG hat daher zu Unrecht die Beklagte verurteilt, bei der Anpassung der Rente der Klägerin nach dem 7. RAG (und bei den folgenden Rentenanpassungen) weiterhin als Rentenbeginn das Jahr 1946 und als monatlichen Steigerungsbetrag 52,60 DM zugrunde zu legen, weil die Umstellung im Jahre 1957 insoweit - nach der Meinung des LSG - auf "Denkfehlern" und nicht auf einem offenbaren Versehen beruhe. Wie der Senat bereits in dem Urteil vom 28. Juni 1966 (SozR Nr. 1 zu § 3 des 7. RAG) ausgeführt hat, ist der Versicherungsträger bei der Anpassung der - wie hier - nach Art. 2 §§ 31 - 34 AnVNG umgestellten Rente nach dem 4. bis 7. RAG an eindeutig falsch ermittelte Berechnungsfaktoren nicht gebunden; er kann die falschen Berechnungsfaktoren durch die richtigen ersetzen, muß jedoch in jedem Fall mindestens den bisherigen Zahlbetrag der Rente weiter gewähren (vgl. auch die Urteile des Senats vom 15. Februar 1966, BSG 24, 236; vom 4. August 1966 - 11 RA 214/65 -; vom 23. November 1966 - 11 RA 226/65 - sowie das Urteil des 1. Senats vom 30. August 1966 - 1 RA 355/65 -). In diesen Urteilen ist dargelegt, daß eine abweichende Auffassung weder durch den Wortlaut des § 2 Nr. 1 des 1. Abschnitts des 7. RAG und der entsprechenden Vorschriften des 4., 5., 6. und 8. RAG noch durch Erwägungen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes geboten wird. Der Vertrauensschutz wird dadurch ausreichend gewährt, daß der früher falsch festgestellte Rentenbetrag sich bei der Anpassung nicht ermäßigen kann; für eine Mehrung oder gar progressive Erhöhung eines fälschlicherweise zu hoch festgestellten Betrags kann in der Regel kein Vertrauensschutz beansprucht werden (vgl. BSG 24, 236 f). Es ist auch unerheblich, daß die Beklagte die unrichtig umgestellte und angepaßte Rente für die Jahre 1962, 1963 und 1964 (4. bis 6. RAG) nicht geändert, sondern die Rechtsfolgen aus der erneuten Umstellung - mit dem richtigen Ergebnis - erst bei der Umstellung nach dem 7. RAG gezogen hat; die Beklagte hat dadurch nicht etwa das Recht verwirkt, die Rente vom 7. RAG an gesetzmäßig anzupassen (vgl. das Urteil des Senats vom 23. November 1966 - 11 RA 226/65 -).

Da die richtige Umstellung und Anpassung der Rente nach dem 7. RAG mit monatlich 345,70 DM vom 1. Januar 1965 an niedriger ist als der Anpassungsbetrag, der für das Jahr 1964 bei der schematischen Anpassung durch die Post nach dem 6. RAG (mit 441,- DM) festgestellt worden ist, ist die Beklagte zu einer Erhöhung der Rente für die Rentenbezugszeiten von dem 1. Januar 1964 an entgegen der Auffassung des LSG nicht verpflichtet.

2. Aus den Ausführungen unter 1) ergibt sich, daß die Revision der Klägerin, soweit sie - ohne weitere Begründung - "die persönlichen Berechnungsfaktoren für die Witwenrente ... beanstandet", unbegründet ist. Soweit die Klägerin mit der Revision beantragt hat, unter Aufhebung des Urteils des LSG die Beklagte zu verurteilen, die Rente der Klägerin "unter Anrechnung auch von Arbeitnehmerbeitragsanteilen für die Zeit von 1913 bis 1922 neu festzustellen", betrifft ihre Revision nur den Bescheid der Beklagten vom 3. Februar 1966. Mit diesem Bescheid hat die Beklagte die Rente der Klägerin nach Art. 6 § 6 Abs. 2 FANG ab 1. Januar 1959 erneut umgestellt, sie hat dabei u.a. die glaubhaft gemachte Beschäftigungszeit des Ehemanns der Klägerin vom 1. Januar 1913 bis zum 30. Juni 1922 berücksichtigt, jedoch nur die Arbeitgeberbeitragsanteile der Rentenberechnung zugrunde gelegt, weil in der Kontokarte der RfA für den Ehemann der Klägerin während dieser Zeit nur die Arbeitgeberanteile enthalten sind. Da die so errechnete Umstellungsrente nach dem FANG ab 1. Januar 1959 niedriger ist als die Umstellungsrente ab 1957 in der richtig errechneten Höhe von 220,30 DM - die einschließlich der Rentenanpassung nach dem 8. RAG den Betrag von 374,80 DM erreicht -, ist die Rente in Höhe des bisherigen monatlichen Zahlbetrags von 441,- DM (der sich auf Grund der unrichtigen Rentenumstellung von 1957 nach dem 6. RAG ergeben hat) weiter gewährt worden (Art. 6 § 11 FANG). Entgegen der Meinung der Klägerin ist auch dieser Bescheid in vollem Umfang rechtmäßig. Das LSG hat nicht die Grenzen seines Rechts, das Gesamtergebnis des Verfahrens frei zu würdigen (§ 128 SGG), überschritten, wenn es die Tatsache des Eintrags von Arbeitgeberbeitragsanteilen in der Kontokarte der RfA nicht als ausreichend angesehen hat, um festzustellen, daß auch Arbeitnehmerbeitragsanteile entrichtet worden seien. Tatsachen und Beweismittel, die insoweit einen Verfahrensmangel des LSG ergeben, hat die Klägerin mit der Revision nicht bezeichnet (§ 164 Abs. 2 Satz 2 SGG). Das LSG hat von der Entrichtung der Arbeitnehmeranteile auch nicht ohne Beweiserhebung - auf Grund des sogenannten Beweises des ersten Anscheins - überzeugt sein müssen. Es hat für die streitige Zeit nicht einem typischen Geschehensablauf entsprochen, daß vom Arbeitgeber mit seinen eigenen Beitragsanteilen stets auch Beitragsanteile für den Versicherten überwiesen worden sind. Unter den Voraussetzungen des § 390 des damals geltenden Versicherungsgesetzes für Angestellte hat ein Angestellter von der Beitragsleistung befreit werden können, der Arbeitgeber ist aber trotzdem verpflichtet gewesen, die auf ihn entfallenden Beitragsanteile an die RfA abzuführen. Die Tatsache, daß die Kontokarte nur die Arbeitgeberbeitragsanteile enthält, spricht für diesen Geschehensablauf, nicht aber dafür, daß die Arbeitnehmerbeitragsanteile zu Unrecht entweder vom Arbeitgeber nicht abgeführt oder von der RfA nicht in die Kontokarte eingetragen worden sind. Die behauptete Entrichtung der Arbeitnehmeranteile hätte daher nachgewiesen werden müssen; ein solcher Nachweis ist nicht erbracht.

Da das LSG die Rechtslage insoweit, als es - ebenso wie das SG - die Beklagte zur Gewährung einer höheren Rente verurteilt hat, unzutreffend beurteilt hat, sind auf die Revision der Beklagten die Urteile des SG und des LSG aufzuheben. Die Klage, mit der die Klägerin die Aufhebung des "Bescheids" vom 18. August 1964 und der Bescheide vom 4. März 1965 und 3. Februar 1966 begehrt hat, ist in vollem Umfange abzuweisen. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2304811

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