Leitsatz (redaktionell)

Bei ehelicher Gütergemeinschaft ist im Regelfall nur die Hälfte des Betriebseinkommens nichtbuchführungspflichtiger Landwirte aus dem Gesamtgut auf die Ausgleichsrente anzurechnen (Anschluß an BSG 1971-10-05 9 RV 508/70 und BSG 1971-07-16 10 RV 510/70 = BSGE 33, 78).

 

Normenkette

BVG§33DV § 9 Fassung: 1967-11-09

 

Tenor

Die Sprungrevision des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 10. Juni 1970 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten auch des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger bezieht als Schwerbeschädigter Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sein landwirtschaftlicher Betrieb, den er im August 1961 übernommen hat, gehört zum Gesamtgut der allgemeinen Gütergemeinschaft, die er mit seiner Ehefrau vereinbart hat. Durch Bescheid vom 5. Februar 1968 - ergänzt durch Bescheide vom 6. Februar und 9. Februar 1968 gewährte ihm das Versorgungsamt (VersorgA) L u.a. Ausgleichsrente vom 1. Juni 1960 an. Bei der Berechnung der Ausgleichsrente wurde für die Zeit ab 1. August 1961 die Hälfte des nach § 9 der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG (idF vom 11. Januar 1961 - BGBl I 19 - DVO 1961 - und den bis 31. Dez. 1966 geltenden Fassungen) errechneten Einkommens aus dem landwirtschaftlichen Betrieb angerechnet. Durch Bescheid vom 16. Oktober 1968 - ergänzt durch Bescheide vom 6. Mai und 5. November 1969 - erließ das VersorgA einen Neufeststellungsbescheid nach § 62 BVG mit dem Hinweis, daß sich aufgrund der Neufassung des § 9 der DVO zu § 33 BVG vom 9. November 1967 (BGBl I, 1133 ff, 1140ff, die mit Wirkung vom 1. Januar 1967 in Kraft trat (Art. 5) und die durch die Vierte Änderungs-Verordnung vom 7. August 1968 - BGBl I S. 965 -, geändert wurde, - DVO 1967 -) das ermittelte Einkommen aus der Landwirtschaft erhöht habe. Er wurde nunmehr voll auf die Ausgleichsrente angerechnet. Der Widerspruch des Klägers wurde durch Bescheid des LandesversorgA B vom 31. März 1969 zurückgewiesen. Das Sozialgericht (SG) Landshut hat mit Urteil vom 10. Juni 1970 den Bescheid des VersorgA L vom 16. Oktober 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1969 sowie die Bescheide vom 6. Mai 1969 und 5. November 1969 insoweit aufgehoben, als zur Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen das volle nach § 9 DVO 1967 errechnete Einkommen zugrunde gelegt worden ist. Es hat den Beklagten verurteilt, zur Berechnung der einkommensabhängigen Leistungen nur die Hälfte dieses Einkommens heranzuziehen.

Das SG hat ausgeführt, nach § 9 DVO 1967 sei zwar das Einkommen aus der Landwirtschaft voll zu berücksichtigen. Die Verwaltung sei aber verpflichtet, an der ab 1. Januar 1960 gehandhabten langjährigen und der ertragssteuerrechtlichen Betrachtungsweise entsprechenden Verwaltungsübung, wonach nur die Hälfte dieses Einkommens in vergleichbaren Fällen herangezogen worden sei, aus Gründen der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes festzuhalten. Das SG hat die Berufung zugelassen.

Der Beklagte hat mit beigefügter Einwilligungserklärung des Klägers Sprungrevision eingelegt. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts, insbesondere die Verletzung des allgemeinen Rechtsgrundsatzes, daß das speziellere Gesetz - hier § 62 BVG und § 9 DVO 1967, wonach auf die Person des "Unternehmers" abgestellt und das anrechenbare Einkommen nach Stufenzahlen ermittelt werde, - der allgemeinen Norm - hier Grundsatz der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes - vorgehe. - Nachdem in dem rechtlich gleichliegenden Verfahren 10 RV 510/70 die Sprungrevision des Beklagten durch Urteil vom 16. Juli 1971 mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, nur die Hälfte des nach § 9 DVO 1967 errechneten Einkommens sei zu berücksichtigen, wenn der schwerbeschädigte Landwirt einen Betrieb bewirtschafte, der zum Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft gehöre, trägt er zusätzlich vor: Der Auffassung des 10. Senats könne nicht gefolgt werden, weil bei abhängig Beschäftigten die gleiche Rechtslage vorliege, hier aber - § 6 DVO - das eheliche Güterrecht keinen Einfluß auf den Umfang der Anrechnung der Einkünfte haben könne. Anders sei dies nur bei der Anrechnung von Einkünften aus Hausbesitz nach § 12 DVO, weil hier im wesentlichen nur das Vermögen die Einkünfte bringe. Die Einkünfte aus einem landwirtschaftlichen Betrieb seien aber im wesentlichen das Ergebnis der persönlichen Arbeitsleistung des Landwirts, der nach § 1421 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) die Verwaltungsbefugnis über das Gesamtgut habe; das Vermögen spiele nur eine untergeordnete Rolle. Der Anteil der Ehefrau an der auf dem Hofe anfallenden Arbeit sei nach allgemeiner Erfahrung völlig unabhängig von dem zwischen den Eheleuten geltenden Güterstand. Daraus folge, daß der Güterstand als Maßstab der Zurechnung hier ebenso ungeeignet sei wie im Falle des abhängigen Arbeitnehmers. Hier müsse das gleiche gelten wie im Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte (GAL). Der Beklagte beantragt,

das Urteil des SG Landshut vom 10. Juni 1970 aufzuheben und die Klage gegen den Bescheid vom 16. Oktober 1968 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31. März 1969 sowie die Klagen gegen die Bescheide vom 6. Mai 1969 und 5. November 1969 als unbegründet abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Sprungrevision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, daß das angefochtene Urteil jedenfalls im Ergebnis zutreffend sei, weil die frühere Verwaltungsübung rechtmäßig gewesen, zumindest aber in Bindung erwachsen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakten sowie das schriftliche Vorbringen der Beteiligten im Revisionsverfahren Bezug genommen.

II

Die Sprungrevision des Beklagten ist nach § 161 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthaft; sie ist auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG). Die somit zulässige Revision hatte aber keinen Erfolg.

Der Senat entnimmt aus dem unstreitigen Sachverhalt, daß der Kläger nicht buchführungspflichtiger Landwirt ist; er ist der Auffassung, daß im vorliegenden Fall kein überzeugender Grund vorliegt, die Einkünfte des Klägers aus seiner zum Gesamtgut der ehelichen Gütergemeinschaft gehörenden Landwirtschaft voll auf die Ausgleichsrente anzurechnen. Weder der Wortlaut des § 9 DVO 1967 noch die Systematik der DVO insgesamt geben einen Hinweis darauf, daß die Einkünfte der Ehefrau, die ihr aus dem landwirtschaftlichen Betrieb kraft Gesetzes (§ 1416 Abs. 1 BGB) zufließen, dem schwerbeschädigten Ehemann zu seinen Lasten voll angerechnet werden könnten. Der Senat ist zu der Überzeugung gelangt, daß bei ehelicher Gütergemeinschaft in den hier in Betracht kommenden Regelfällen nur die Hälfte des Einkommens aus dem Betrieb nicht buchführungspflichtiger Landwirte auf die Ausgleichsrente anzurechnen ist. Zur Begründung im einzelnen wird auf das Urteil des 10. Senats vom 16. Juli 1971 - 10 RV 510/70 - verwiesen, das dem Beklagten und den Prozeßbevollmächtigten des Klägers in vollem Wortlaut bekannt ist. Inzwischen hat auch der 9. Senat des Bundessozialgerichts in seinem Urteil vom 5. Oktober 1971 - 9 RV 508/70 - im gleichen Sinne entschieden.

Die Einwendungen, die der Beklagte gegen die Gründe des Urteils vom 16. Juli 1971 vorbringt, sind jedenfalls für den vorliegenden Fall nicht geeignet, die Überzeugung des erkennenden Senats von der Richtigkeit der Rechtsauffassung des 10. Senats zu erschüttern. Es ist zwar einzuräumen, daß Fälle denkbar sind, in denen daran gezweifelt werden kann, ob ehegüterrechtliche Gesichtspunkte bei der Ermittlung des anzurechnenden Einkommens ausschlaggebend sein können. Diese Zweifel mögen dann berechtigt sein, wenn die Ehefrau weder geistig noch körperlich bei der Führung des landwirtschaftlichen Betriebs mitwirkt oder etwa einen ganz anderen Beruf ausübt. In einem solchen Fall wäre tatsächlich zu erwägen, ob es vertretbar ist, die monatlichen Einkünfte aus dem von dem Beschädigten allein betriebenen landwirtschaftlichen Betrieb nur deshalb aufzuteilen, weil Gütergemeinschaft vereinbart worden ist, während die Einkünfte eines abhängig Beschäftigten unabhängig von dem Güterstand voll angerechnet werden. Eine derartige Fallgestaltung ist aber ein Ausnahmefall und im Rahmen vergleichbarer Rechtsstreitigkeiten schon deshalb besonders selten, weil regelmäßig der Schwerbeschädigte wegen der Schädigungsfolgen ohne Mithilfe der Ehefrau kaum in der Lage ist, einen landwirtschaftlichen Betrieb zu führen. Das gilt jedenfalls für die relativ unbedeutenden Betriebe ohne Buchführungspflicht (vgl. § 1 Abs. 1 des Gesetzes über die Ermittlung des Gewinns aus Land- und Forstwirtschaft nach Durchschnittssätzen vom 15. September 1965 - BGBl I, 1350 - i.V.m. § 161 der Reichsabgabenordnung), die von § 9 DVO 1967 auch nur erfaßt werden. Von einem derartigen Ausnahmefall kann ohne entsprechende Feststellungen in dem angefochtenen Urteil nicht ausgegangen werden. Auch der Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die Ehefrau des Klägers etwa nicht oder nur in untergeordnetem Maße in dem landwirtschaftlichen Betrieb mitarbeite. Dazu bestand auch kein Anlaß, wenn man berücksichtigt, daß der Beklagte früher selbst bei dem Kläger nur 40 % der physischen Arbeitskraft eines Gesunden und unter Berücksichtigung seiner leitenden Funktion einen gesamten Arbeitswert von 70 v.H. zugrunde gelegt hat. Im übrigen hat die Gemeinde Dorfbach am 4. April 1968 mitgeteilt, daß der Hof sogar "in erster Linie" von seiner Ehefrau und den Kindern bewirtschaftet werde. Die Betreuung des Haushalts kann daneben, jedenfalls soweit sie der Bewirtschaftung des Hofes auch nur mittelbar dient, nicht unberücksichtigt bleiben.

Da somit der Senat davon auszugehen hat, daß der Kläger und seine Ehefrau den zum Gesamtgut gehörenden Hof gemeinschaftlich bewirtschaften, besteht kein einleuchtender Grund, unter Außerachtlassung der ehegüterrechtlichen Regelung dem Kläger die Einkünfte aus der Landwirtschaft voll anzurechnen. Auch das Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 13. Mai 1970 (V 2 - 5214 - 796/70 - BVBl 1970 S. 50) stellt nur klar, daß das Rundschreiben vom 15. März 1967 (V 2 - 5214 - 1193/67 - BVBl 1967 S. 52), auf das sich der Beklagte beruft, nicht in jedem Fall eine Aufteilung des Einkommens bei Anwendung des § 9 DVO im Auge hat. Der BMA hält eine Aufteilung bei gemeinsamer Betriebsleitung für gerechtfertigt. Dabei kann die volle Beitragspflicht der Betriebsinhaber zur landwirtschaftlichen Alterskasse nur ein Hinweis auf die gemeinsame Betriebsleitung, bei der ehelichen Gütergemeinschaft aber jedenfalls keine unabdingbare Voraussetzung sein.

Es ist somit sachgerecht und entspricht dem Sinn auch des § 9 DVO 1967, den Kläger und seine Ehefrau unter Berücksichtigung der ehegüterrechtlichen Regelung als Mitunternehmer zu beurteilen und demnach nur die Hälfte des Gesamteinkommens aus dem zum Gesamtgut der Eheleute gehörenden landwirtschaftlichen Betrieb-nicht etwa die Hälfte der "gesamten selbstbewirtschafteten Fläche", wie der Beklagte meint (vgl. dazu die Ausführungen auf S. 20 des oben zitierten Urteils des 10. Senats vom 16. 7. 1971) - auf die Ausgleichsrente des Klägers anzurechnen. Die Entscheidung des SG stellt sich daher im Ergebnis als richtig dar, so daß die Sprungrevision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen war (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670058

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