Sie verwenden eine veraltete Browser-Version. Dies kann unter Umständen zu Einschränkungen in der Funktion sowie Darstellung führen. Daher empfehlen wir Ihnen, einen aktuellen Browser wie z.B. Microsoft Edge zu verwenden.
Personal
Steuern
Finance
Immobilien
Controlling
Themen
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Haufe.de
Shop
Service & Support
Newsletter
Kontakt & Feedback
Login

Personal Steuern Finance Immobilien Controlling Öffentlicher Dienst Recht Arbeitsschutz Sozialwesen
Immobilien
Controlling
Öffentlicher Dienst
Recht
Arbeitsschutz
Sozialwesen
Sustainability
Themen

BSG Urteil vom 23.11.1979 - 12 RK 19/79

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen

Leitsatz (amtlich)

BGB § 206 Abs 1 ist entsprechend auch auf den Lauf der Antragsfrist des ArVNG Art 2 § 51a Abs 3 S 1 anzuwenden (Fortführung von BSG 1963-06-19 3 RK 34/59 = BSGE 19, 173).

Normenkette

ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 3 S. 1 Fassung: 1972-10-16; BGB § 206 Abs. 1 Fassung: 1896-08-18

Verfahrensgang

SG Detmold (Entscheidung vom 13.12.1978; Aktenzeichen S 9 J 221/77)

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der bis Ende 1976 geschäftsunfähig gewesene Kläger berechtigt war, in entsprechender Anwendung des § 206 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) noch 1977 einen Nachentrichtungsantrag gemäß Art 2 § 51a des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) zu stellen.

Der 1936 geborene Kläger hatte nach den von den Beteiligten nicht angegriffenen Feststellungen des Sozialgerichts (SG) bis Ende 1976 an einer chronisch-halluzinatorischen Psychose gelitten; ein gesetzlicher Vertreter war für ihn nicht bestellt worden. Seinen Antrag vom 2. Februar 1977 auf Nachentrichtung von Beiträgen gemäß Art 2 § 51a ArVNG für die Zeit von 1956 bis 1973 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Mai 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1977 mit der Begründung ab, der Kläger habe die Antragsfrist des Art 2 § 51a Abs 3 ArVNG versäumt. Da es sich hierbei um eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist handele, rechtfertige die bei ihm vorhanden gewesene Geschäftsunfähigkeit weder die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand noch die entsprechende Anwendung des § 206 BGB. Durch Urteil vom 13. Dezember 1978 hat das SG mit gleicher Begründung die Klage abgewiesen.

Hiergegen richtet sich die - vom SG zugelassene - Sprungrevision des Klägers, zu deren Begründung er geltend macht, nach der Zielsetzung des Art 2 § 51a ArVNG sei es gerechtfertigt, auf die Versäumung der Frist für die Stellung des in dieser Vorschrift geregelten Nachentrichtungsantrages den Schutzgedanken des § 206 BGB entsprechend anzuwenden.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des SG Detmold vom 13. Dezember 1978 und Bescheid der Beklagten vom 20. Mai 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13. Oktober 1977 aufzuheben sowie die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Zeit von 1956 bis 1973 zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II.

Die Revision des Klägers ist begründet; er war in entsprechender Anwendung des § 206 BGB noch am 2. Februar 1977 zur Stellung eines Nachentrichtungsantrages gemäß Art 2 § 51a ArVNG befugt.

Das SG ist zutreffend davon ausgegangen, daß das Antragsrecht nach Art 2 § 51a ArVNG (= Art 2 § 49a des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes - AnVNG -) ein Gestaltungsrecht ist, das der Versicherte durch die Abgabe seines einseitigen, empfangsbedürftigen Nachentrichtungs-"Antrages" ausübt (vgl dazu BSGE 45, 247 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 17; erkennender Senat, Urteil vom 13. September 1979 - 12 RK 60/78 - mwN, zur Veröffentlichung bestimmt), und daß die in Art 2 § 51a Abs 3 Satz 1 ArVNG geregelte Antragsfrist eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist ist, die am 31. Dezember 1975 abgelaufen war. Da der Kläger nach den für das Revisionsgericht bindenden tatsächlichen Feststellungen des SG die Nachentrichtungserklärung nicht bis dahin abgegeben hat, wäre sein Nachentrichtungsrecht untergegangen, wenn der Fristablauf nicht analog § 206 BGB wegen der Geschäftsunfähigkeit des Klägers gehemmt war (vgl BSGE 34, 22, 24; BSG SozR 5486 Art 4 § 2 Nr 2).

Insoweit ist von den ebenfalls gemäß § 163 SGG für den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des SG auszugehen, daß der Kläger bis Ende 1976 an einer chronisch-halluzinatorischen Psychose gelitten hat. Er hat sich deshalb nicht nur vorübergehend in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden und war infolgedessen geschäftsunfähig iSd §§ 104 Nr 2, 206 Abs 1 Satz 1 BGB. Schließlich ist für den Senat auch die Feststellung des SG bindend, daß der Kläger während dieser Zeit ohne gesetzlichen Vertreter gewesen ist. Damit liegen die nach § 206 Abs 1 Satz 1 BGB erforderlichen Voraussetzungen für die Ablaufhemmung einer Verjährungsfrist vor.

§ 206 Abs 1 BGB ist auch entsprechend auf die Antragsfrist des Art 2 § 51a ArVNG anzuwenden. In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) ist seit langem anerkannt, daß § 206 Abs 1 BGB auf sozialrechtliche Ausschlußfristen grundsätzlich entsprechend anzuwenden ist, es sei denn die vom Gesetzgeber mit der Ausschlußfrist verfolgten Ziele und dabei zu berücksichtigenden Interessen sprechen für eine klare "schematische" Zeitgrenze, was insbesondere dann anzunehmen ist, wenn dem Versicherungsträger ein endgültiger Überblick über die abzuwickelnden Lebensvorgänge und den Umfang der dafür einzusetzenden Mittel ermöglicht, andererseits aber auch das "Hineinwachsen in bestimmte Rechte" verhindert werden soll (BSGE 34, 22, 24 mwN; 36, 267, 268). Von solchen Fällen abgesehen, hat das BSG deshalb nicht nur die Wahrnehmung eines von einer Ausschlußfrist betroffenen Leistungsanspruches als zulässig erachtet (vgl zu § 58 BVG: BSGE 14, 246; zu § 182 RVO: BSGE 25, 76; zu § 1290 RVO: BSGE 36, 267; zu Art 2 § 44 ArVNG: BSGE 34, 22), sondern auch die Gestaltung eines Versicherungsverhältnisses noch nach Fristablauf zugelassen (vgl für die Anzeige der Weiterversicherung nach § 313 Abs 2 RVO: BSGE 19, 173).

Der Senat hat keine Bedenken, diese Grundsätze auch auf die Ausübung des Antragsrechts nach Art 2 § 51a ArVNG anzuwenden. Dabei hält er es entgegen der von der Beklagten vertretenen Ansicht nicht für erheblich, daß die Ausübung des Antragsrechts hier nicht nur der Änderung oder Fortsetzung, sondern auch erst der Begründung eines Versicherungsverhältnisses dienen kann.

Die entsprechende Anwendung des § 206 BGB auf die Frist des Art 2 § 51a Abs 3 Satz 1 ArVNG ist auch mit dem Zweck der Vorschrift vereinbar. Dieser ergibt sich zwar weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch aus der Begründung des Entwurfs und dem Gang des Gesetzgebungsverfahrens (vgl BT-Drucks VI/2153; stenogr. Berichte, 6. Wahlperiode, 197. Sitzung, S. 11660 mit Anlage 4 - Umdruck Nr 305 -; stenogr. Berichte, 6. Wahlperiode, 198. Sitzung S. 11701). Er läßt sich aber aus der Zielsetzung des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 (BGBl I S 1965) ableiten, mit dem Art 2 § 51a ArVNG in das ArVNG eingefügt worden ist. Danach hat der Gesetzgeber, um die Öffnung der Rentenversicherung für den in Art 2 § 51a Abs 1 und Abs 2 ArVNG genannten Personenkreis wirkungsvoller zu gestalten, den begünstigten Personen ermöglichen wollen, durch eine umfangreiche Beitragsnachentrichtung bis zu 18 Jahren (ohne Vorversicherungszeiten) schnell eine tragfähige Sicherung gegen Alter und Invalidität aufzubauen. Diese Absicht ergibt sich auch daraus, daß der Gesetzgeber die Möglichkeit der Einräumung von Zahlungsfristen durch Verwaltungsakt zugelassen (Art 2 § 51a Abs 3 Satz 3 ArVNG) oder solche Fristen selbst kraft Gesetzes vorgesehen hat (Art 2 § 51a Abs 2 Satz 4 ArVNG). Gegenüber diesem - das RRG im allgemeinen und die Norm des Art 2 § 51a ArVNG im besonderen beherrschenden - Ziel trat der mit der auf den 31. Dezember 1975 begrenzten Antragsfrist erstrebte Zweck, dem Versicherungsträger einen Überblick über den Umfang der neu begründeten oder inhaltlich veränderten Versicherungsverhältnisse zu geben und sich in der Finanzplanung hierauf einzustellen, jedenfalls soweit zurück, daß die nachträgliche Einbeziehung der von § 206 BGB erfaßten und rentenversicherungsrechtlich in besonderem Maße schutzbedürftigen Personen in den Kreis der von Art 2 § 51a ArVNG begünstigten Versicherten nicht ausgeschlossen ist.

Der Senat kann aufgrund der vom SG getroffenen tatsächlichen Feststellungen auch selbst entscheiden. Da der Kläger bis Ende 1976 geschäftsunfähig und nicht gesetzlich vertreten war, lief bei entsprechender Anwendung des § 206 BGB die Antragsfrist des Art 2 § 51a Abs 3 Satz 1 ArVNG erst sechs Monate nach dem Wiedereintritt der vollen Geschäftsfähigkeit des Klägers ab, so daß der Anfang Februar 1977 gestellte Nachentrichtungsantrag fristgerecht erklärt worden ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Fundstellen

  • Dokument-Index HI1655140

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?

Jetzt kostenlos 4 Wochen testen

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene Beiträge
  • zfs 03/2020, Ersatz der Mehrwertsteuer bei Erwerb eines ... / 2 Aus den Gründen:
    3
  • AGS 7/2016, Keine Mutwilligkeit, wenn Rechtswahrnehmung ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • AGS 7/2017, Verfahrenswert eines Freistellungsanspruchs ... / 2 Aus den Gründen
    2
  • Fahrzeug-Zulassungsverordnung [bis 31.08.2023] / Abschnitt 1 Gemeinsame Vorschriften
    2
  • FF 01/2013, Illoyale Vermögensminderung und Zugewinnausg ... / Aus den Gründen:
    2
  • zfs 03/2009, Problemfelder zum Punktesystem aus Sicht de ... / 2. Bindung an die rechtskräftige Entscheidung
    2
  • § 12 Erbengemeinschaft / 8. Prozesskostenhilferecht
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / (4) Sonstige Voraussetzungen
    1
  • § 12 Produkthaftpflichtversicherung / VIII. Zeitliche Begrenzung (Ziff. 7)
    1
  • § 16 Der Pflichtteil im Steuerrecht / 7. Besteuerung des Pflichtteils
    1
  • § 2 Die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) / 2. Auf das Ausscheiden des Gesellschafters anwendbare Vorschriften
    1
  • § 2 Pflichten aus dem Anwaltsvertrag / bb) Rechtswahlklauseln
    1
  • § 2 Urheberrecht / 5. Schutz des Sendeunternehmens
    1
  • § 22 Fahrlässige Körperverletzung (§ 229 StGB) / I. Tathandlung: Körperliche Misshandlung und/oder Gesundheitsbeschädigung
    1
  • § 22 Handelsregister und Erbfolge / 1. Rechtsübergang in Erbengemeinschaft
    1
  • § 25 Mitbestimmungs- und Arbeitsrecht / 3. Grundsätze für Sozialplanabfindungen
    1
  • § 29 Allgemeine verwaltungsrechtliche Angelegenheiten / 3. Terminsgebühr
    1
  • § 3 Testamentsgestaltung / ee) Behinderungen
    1
  • § 3 Trennung der Eheleute / 2. Verbindlichkeiten nach der Trennung und Scheidung
    1
  • § 4 Ehegattenunterhalt / e) Ausbildung
    1
Weitere Inhalte finden Sie u.a. in folgendem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium
Top-Themen
Downloads
Zum Haufe Shop
Produktempfehlung


Zum Thema Recht
Haufe Shop: Datenschutz- und IT-Recht
Datenschutz- und IT-Recht
Bild: Haufe Shop

Ob in Kanzleien, Unternehmen oder der öffentlichen Verwaltung – rechtliche Fragen im digitalen Umfeld sind überall. Wer mit Daten arbeitet, benötigt daher ein solides Verständnis für das Rechtsgebiet. Das Buch bietet einen praxisnahen und zugleich effizienten Einstieg anhand von 36 Beispielfällen.


Newsletter Recht
Newsletter Recht - Wirtschaftsrecht

Aktuelle Informationen aus dem Bereich Wirtschaftsrecht frei Haus - abonnieren Sie unseren Newsletter:

  • Handels- und Gesellschaftsrecht
  • Gewerblicher Rechtsschutz
  • Vertriebsrecht
Pflichtfeld: Bitte geben Sie eine gültige E-Mail Adresse ein.
Bitte bestätigen Sie noch, dass Sie unsere AGB und Datenschutzbestimmungen akzeptieren.
Haufe Fachmagazine
Themensuche
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z
Zum Recht Archiv
Haufe Group
Haufe People Operations Haufe Fachwissen Haufe HR-Software Haufe Digitale Personalakte Advolux Haufe Onlinetraining rudolf.ai - Haufe meets AI
Weiterführende Links
RSS Newsletter FAQ Mediadaten Presse Editorial Code of Conduct Redaktionsrichtlinie zum KI-Einsatz Netiquette Sitemap Buchautor:in werden bei Haufe
Kontakt
Kontakt & Feedback AGB Cookie-Einstellungen Compliance Datenschutz Impressum
Haufe Shop Recht
Anwaltssoftware Anwaltliches Fachwissen Software Gesellschafts- & Wirtschaftsrecht Lösungen Alle Recht Produkte

    Weitere Produkte zum Thema:

    × Profitieren Sie von personalisierten Inhalten, Angeboten und Services!

    Unser Ziel ist es, Ihnen eine auf Ihre Bedürfnisse zugeschnittene Website anzubieten. Um Ihnen relevante und nützliche Inhalte, Angebote und Services präsentieren zu können, benötigen wir Ihre Einwilligung zur Nutzung Ihrer Daten. Wir nutzen den Service eines Drittanbieters, um Ihre Aktivitäten auf unserer Website zu analysieren.

    Mit Ihrer Einwilligung profitieren Sie von einem personalisierten Website-Erlebnis und Zugang zu spannenden Inhalten, die Sie informieren, inspirieren und bei Ihrer täglichen Arbeit unterstützen.

    Wir respektieren Ihre Privatsphäre und schützen Ihre Daten. Sie können sich jederzeit darüber informieren, welche Daten wir erheben und wie wir sie verwenden. Sie können Ihre Einwilligung jederzeit widerrufen. Passen Sie Ihre Präferenzen dafür in den Cookie-Einstellungen an.

    Mehr Informationen Nein, Danke Akzeptieren