Entscheidungsstichwort (Thema)

Freiwillige Versicherung in der gesetzlichen RV. Beamter. Zweitbeschäftigung

 

Leitsatz (amtlich)

Das Nachentrichtungsrecht nach AnVNG Art 2 § 49a Abs 2 (= ArVNG Art 2 § 51a Abs 2) setzt voraus, daß die Versicherungsberechtigung nach AVG § 10 (= RVO § 1233) im Zeitpunkt der Antragstellung besteht (Fortführung von BSG 1977-02-23 12/11 RA 88/75).

 

Orientierungssatz

Die Vorschrift des AVG § 10 Abs 1a ist auf Beamte auch dann anzuwenden, wenn sie neben ihrem Beamtenverhältnis auch noch eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung (AVG § 4 Abs 1 Nr 5) ausüben.

 

Normenkette

AnVNG Art. 2 § 49a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; ArVNG Art. 2 § 51a Abs. 2 Fassung: 1972-10-16; AVG § 10 Abs. 1a Fassung: 1972-10-16; RVO § 1233 Abs. 1a Fassung: 1972-10-16; AVG § 4 Abs. 1 Nr. 5 Fassung: 1976-12-23; RVO § 1228 Abs. 1 Nr. 4 Fassung: 1976-12-23

 

Verfahrensgang

Bayerisches LSG (Entscheidung vom 15.03.1978; Aktenzeichen L 13/An 88/77)

SG Regensburg (Entscheidung vom 08.03.1977; Aktenzeichen S 2/An 88/76)

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger gemäß Art 2 § 49a Abs 2 des Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (AnVNG) als Beamter nach Entrichtung von weniger als 60 Monatsbeiträgen freiwillige Beiträge nachentrichten darf, weil er während der Antragsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG zeitweilig nicht Beamter war und außerdem neben dem Beamtenverhältnis ab 1. Januar 1975 in einem nach § 4 Abs 1 Nr 5 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) versicherungsfrei gewesenen Beschäftigungsverhältnis gestanden hat.

Der Kläger war vom 1. Februar 1972 bis 21. Oktober 1974 Rechtsreferendar. Vom 16. Dezember 1974 bis 12. Juni 1975 war er Assessor im Angestelltenverhältnis; sein Dienstherr hatte ihm für diese Zeit einen Gewährleistungsbescheid gemäß § 8 AVG erteilt. Im Anschluß daran war er über den 31. Dezember 1975 hinaus Regierungsrat zur Anstellung.

Zeitweilig parallel hierzu, nämlich von Oktober 1971 bis April 1973 und von April 1974 bis zum 31. Dezember 1975 war der Kläger als wissenschaftliche Hilfskraft an der Universität Regensburg tätig. Für die ersten 28 Monate dieses Beschäftigungsverhältnisses sind Pflichtbeiträge entrichtet worden; für die Zeit ab 1. Januar 1975 war diese Tätigkeit als versicherungsfreie geringfügige Beschäftigung angesehen worden.

Am 22. Dezember 1975 beantragte der Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. April 1964 bis zum 31. Dezember 1973, soweit diese Zeiten nicht bereits mit Beiträgen belegt sind. Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 14. Januar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1976 mit der Begründung ab, der Kläger sei nach § 6 AVG versicherungsfrei und nicht gemäß Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge berechtigt, weil er zuvor nur für 28 Monate Beiträge entrichtet habe.

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage geltend gemacht, für seine Antragsberechtigung nach Art 2 § 49a Abs 2 Satz 1 AnVNG komme es nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern nur darauf an, ob er irgendwann während der mehrjährigen Antragsfrist zur Antragstellung berechtigt gewesen sei; das treffe auf ihn für die Zeit vom 22. Oktober 1974 bis zum 15. Dezember 1974 zu, weil er während dieser Zeit weder versicherungsfrei u.a. nach § 6 AVG noch von der Versicherungspflicht befreit gewesen sei, so daß § 10 Abs 1a AVG keine Anwendung finde.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8. März 1977). Die Berufung des Klägers ist ohne Erfolg geblieben. In seinem Urteil vom 15. März 1978 hat das Landessozialgericht (LSG) ausgeführt, Voraussetzung für die Wirksamkeit eines Nachentrichtungsantrages nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG sei, daß die Voraussetzungen für die Nachentrichtung im Zeitpunkt der Antragstellung vorlägen. Zur Zeit der Stellung seines Antrages sei der Kläger aber bereits Beamter gewesen, ohne die besonderen Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG hinsichtlich der Vorversicherungszeit zu erfüllen. Auch das Beschäftigungsverhältnis bei der Universität Regensburg rechtfertige die Nachentrichtung von Beiträgen nicht, weil die Tätigkeit als Hilfsassistent nicht losgelöst von dem gleichzeitig bestehenden Beamtenverhältnis gesehen werden könne und es zudem dem Grundgedanken des Art 2 § 49a Abs 2 Satz 1 AnVNG widerspreche, den Kläger zur Nachentrichtung zuzulassen, obwohl er eine Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen zu erwarten habe.

Zur Begründung seiner Revision rügt der Kläger unter Aufrechterhaltung seines Rechtsstandpunktes die Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt,

1.

das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. März 1978 und das Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 8. März 1977 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 1976 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Mai 1976 aufzuheben,

2.

die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge zur Angestelltenversicherung für die Zeit vom 1. April 1964 bis 30. September 1971 und für die Zeit vom 1. Mai 1973 bis 31. Dezember 1973 zu gestatten.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Beide Beteiligte haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).

II.

Die Revision des Klägers ist nicht begründet, weil er die besonderen Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG für die Nachentrichtung von Beiträgen nach Art 2 § 49a AnVNG im Zeitpunkt der Stellung des Nachentrichtungsantrages nicht erfüllt hat; daran ändert nichts, daß er während des Laufes der Antragsfrist des Art 2 § 49a Abs 3 Satz 1 AnVNG zeitweilig nicht Beamter war und neben seinem Beamtenverhältnis eine ab Januar 1975 versicherungsfreie Nebenbeschäftigung verrichtet hat.

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger nicht zu dem von Art 2 § 49a Abs 1 AnVNG erfaßten Personenkreis gehört und daß für ihn infolgedessen die Nachentrichtung freiwilliger Beiträge nur unter den Voraussetzungen des Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG in Betracht kommt.

Das LSG hat auch zutreffend entschieden, daß der Kläger, der Beamter ist und bisher Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung nur für 28 Monate entrichtet hat, nicht zur Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG berechtigt ist. Diese Vorschrift setzt voraus, daß der Antragsteller nach § 10 AVG zur freiwilligen Versicherung berechtigt ist. Die in § 10 Abs 1 AVG generell für Nichtversicherungspflichtige eröffnete Zulassung zur freiwilligen Versicherung ist in § 10 Abs 1a AVG für einen bestimmten Personenkreis, u.a. für Beamte, eingeschränkt worden; diese Personen dürfen sich nur freiwillig versichern, wenn sie bereits für 60 Monate Beiträge entrichtet haben. Diese Regelung ist auch mit Art 3 des Grundgesetzes (GG) vereinbar (Beschluß des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 27. September 1978, SozR 5750 Art 2 § 51a ArVNG Nr 19).

Der erkennende Senat hat bereits in dem Urteil vom 23. Februar 1977 - 12/11 RA 88/75 - (DAngVers 1977, 297) entschieden, daß für die Nachentrichtungsberechtigung allein der Status des Antragstellers im Zeitpunkt der Antragstellung maßgeblich ist. Dies folge schon aus dem Wortlaut des Art 2 § 49a Abs 2 Satz 1 AnVNG; der Gesetzgeber habe nicht auf irgendeine frühere Berechtigung zur freiwilligen Versicherung, sondern allein auf die gegenwärtige beim Inkrafttreten des Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG am 19. Oktober 1972 abgestellt. Zutreffend geht die Revision allerdings davon aus, daß mit diesem Urteil noch nicht entschieden worden ist, ob Personen, bei denen die in § 10 Abs 1a AVG normierten Beschränkungen einer freiwilligen Versicherung während des Laufes der Antragsfrist zeitweilig nicht vorgelegen haben, zur Beitragsnachentrichtung nur unter den erschwerten Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG berechtigt sind. Unter Berücksichtigung der Zielsetzung des Rentenreformgesetzes (RRG), Nachentrichtungsmöglichkeiten für vordem unzureichend gesicherte Personengruppen zu schaffen, deren Versicherungsberechtigung erst mit dem RRG begründet worden ist (vgl BVerfG aaO), bejaht der Senat auch diese Frage. Der Gesetzgeber hat die Erfüllung der Voraussetzungen für die Ausübung des Nachentrichtungsrechts nicht an einen bestimmten Zeitpunkt geknüpft, sondern einen mehrjährigen Zeitraum festgelegt. Deshalb genügt es zwar wenn die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für die Entstehung des Nachentrichtungsrechts erst im Laufe der Antragsfrist erfüllt werden. Zu diesen Voraussetzungen gehört jedoch auch die Stellung eines Nachentrichtungsantrages; denn erst mit seiner Stellung entsteht das Nachentrichtungsrecht, sofern dessen Voraussetzungen im übrigen erfüllt sind (BSGE 45, 247). Diese müssen deshalb, wenn das Nachentrichtungsrecht mit der Stellung des Nachentrichtungsantrages entstehen soll, im Zeitpunkt der Antragstellung vorliegen. Das war beim Kläger, als er im Dezember 1975 den Nachentrichtungsantrag stellte, nicht (mehr) der Fall. Zu diesem Zeitpunkt war er nämlich schon Beamter und daher nur unter den besonderen - von ihm nicht erfüllten - Voraussetzungen des § 10 Abs 1a AVG zur freiwilligen Versicherung berechtigt.

§ 10 Abs 1a AVG ist - entgegen der Ansicht des Klägers - hier auch nicht deshalb unanwendbar, weil der Kläger im Zeitpunkt der Antragstellung eine Tätigkeit als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter an der Universität Regensburg ausgeübt hat, die in der Zeit ab 1. Januar 1975 nach § 4 Abs 1 Nr 5 AVG idF des Rentenversicherungsänderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (BGBl I S 476) versicherungsfrei war. Richtig ist zwar der Ausgangspunkt der Revision, daß nach der ständigen Rechtsprechung des BSG (BSGE 16, 98, 104; 20, 133, 134 = SozR Nr 5 zu § 5 AVG) zwei nebeneinander bestehende Beschäftigungsverhältnisse versicherungsrechtlich getrennt zu beurteilen sind, wenn in ihnen verschiedenartige Tätigkeiten ausgeübt werden. Deshalb ist auch die Versicherungsfreiheit eines Beamten auf das Beamtenverhältnis beschränkt, sie erstreckt sich nicht auf ein daneben bestehendes, nicht beamtenrechtlich geregeltes Beschäftigungsverhältnis (erkennender Senat, Urteil vom 25. Oktober 1976 - 12 RK 19/76 - SozR 2200 § 169 Nr 4). Indessen rechtfertigt allein das Bestehen eines zweiten Beschäftigungsverhältnisses noch nicht, § 10 Abs 1a AVG auf den Kläger nicht anzuwenden. Nach der Zielsetzung des Gesetzes soll - jedenfalls in dem hier vorliegenden Fall des § 4 Abs 1 Nr 5 AVG - das zweite Beschäftigungsverhältnis wegen der überragenden Bedeutung des ersten Beschäftigungsverhältnisses versicherungsrechtlich nicht relevant sein, weil der Gesetzgeber das erste Beschäftigungsverhältnis als ausreichende Sicherung ansieht. Schon aus diesem allgemeinen versicherungsrechtlichen Gesichtspunkt ist es geboten, die Vorschrift des § 10 Abs 1a AVG auf Beamte auch dann anzuwenden, wenn sie neben ihrem Beamtenverhältnis noch eine versicherungsfreie Nebenbeschäftigung ausüben. Darüber hinaus würde, wie schon das LSG zutreffend hervorgehoben hat, die Zulassung der Nachentrichtung allein wegen Ausübung einer versicherungsfreien Nebentätigkeit gerade bei Beamten der besonderen Zielsetzung des RRG hinsichtlich der Eröffnung der Nachentrichtung nach Art 2 § 49a AnVNG widersprechen, weil hiernach nur solchen versicherungsberechtigten Personen die Nachentrichtung von Beiträgen gestattet werden sollte, die nicht bereits anderweit versorgt sind. Daher bleibt § 10 Abs 1a AVG auch im Hinblick auf die Hilfsassistententätigkeit des Klägers anwendbar mit der Folge, daß er zur Nachentrichtung nach Art 2 § 49a Abs 2 AnVNG nicht berechtigt ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1653982

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