Leitsatz (amtlich)
1. Das Übergangsgeld eines Teilnehmers an einer Maßnahme der Berufshilfe (§ 568 Abs 1 RVO) ist nach dem entgangenen regelmäßigen Entgelt (Regellohn) zu berechnen.
2. Eine Übergangsbeschäftigung zwischen der Berufsaufgabe und dem Maßnahmebeginn bleibt unberücksichtigt.
Leitsatz (redaktionell)
Der Berechnung des während der Umschulung gezahlten Übergangsgeldes ist das Entgelt aus dem Beruf zugrunde zu legen, dessen Aufgabe zur Teilnahme an der Berufshilfemaßnahme gezwungen hat.
Normenkette
RVO § 568 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 561 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1974-08-07, Abs. 3 S. 2 Fassung: 1974-08-07; RehaAnglG § 9 Abs. 1 Fassung: 1974-08-07, § 13 Abs. 2 Fassung: 1974-08-07, Abs. 3 Fassung: 1974-08-07
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, in welcher Höhe die beklagte Berufsgenossenschaft (BG) das dem Kläger gewährte Übergangsgeld während einer Umschulung zu zahlen hat.
Der 1956 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Friseurs und übte ihn, unterbrochen durch den Wehrdienst von Januar 1976 bis 31. März 1977, bis 8. Februar 1978 aus. Sodann war er vom 12. Februar bis 23. Juni 1978 als Hilfsarbeiter (Maschinenführer) beschäftigt. Er erhielt im Januar 1978 als Friseur einen Nettolohn von 735,11 DM und als Hilfsarbeiter einschließlich geleisteter Überstunden einen solchen von rund 1.300,-- DM monatlich.
Anfang 1975 war beim Kläger eine noch nicht als Berufskrankheit entschädigungspflichtige Hautkrankheit aufgetreten, die zu der Empfehlung von medizinischen Sachverständigen und des Staatlichen Gewerbearztes geführt hatte, den erlernten Beruf nach dem Wehrdienst nicht mehr auszuüben und eine Umschulung zu ermöglichen. Nach mehreren Beratungen durch das zuständige Arbeitsamt (1977 und 1978) bewilligte die Beklagte dem Kläger eine Umschulung zum Feinmechaniker in der Zeit vom 26. Juni 1978 bis 20. Dezember 1979 in einem Berufsförderungswerk nach § 3 Berufskrankheitenverordnung (BKVO) iVm § 1 Abs 2, §§ 10 bis 20 Rehabilitations-Angleichungsgesetz (RehaAnglG) - Bescheid vom 23. Mai 1978 - und gewährte ihm ein kalendertägliches Übergangsgeld von 24,50 DM nach dem Friseurentgelt (Schreiben vom 21. August 1978).
Das Sozialgericht (SG) Münster hat dieses Schreiben als Bescheid angesehen, es aufgehoben und die Beklagte verurteilt, der Berechnung des Übergangsgeldes das Entgelt des Klägers als Hilfsarbeiter zugrunde zu legen (Urteil vom 9. Januar 1980).
Das Landessozialgericht (LSG) für das Land Nordrhein-Westfalen hat das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, weil die Beschäftigung des Klägers als Hilfsarbeiter nur als Übergangsbeschäftigung bis zum Beginn der Umschulung zu werten sei und deshalb keine sachgerechte Grundlage für die Berechnung des Übergangsgeldes abgebe (Urteil vom 8. Oktober 1980).
Mit der zugelassenen Revision verlangt der Kläger weiter die Berechnung des Übergangsgeldes nach seinem letzten Entgelt.
Er beantragt sinngemäß,
das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der
Beklagten gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Zurückweisung der Revision.
Die Beteiligten sind damit einverstanden, daß der Senat durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Sie ist zurückzuweisen.
Da die Beklagte über eine Übergangsleistung im Sinne von § 3 BKVO wegen der anderweitigen Beschäftigung des Klägers nicht entschieden hat, ist nach der hier maßgebenden Vorschrift des § 568 Abs 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) idF des § 21 Nr 51 RehaAnglG vom 7. August 1974 (BGBl I 1881) dem Verletzten mit Wirkung ab 1. Oktober 1974 (§ 45 RehaAnglG) während einer Maßnahme der Berufshilfe Übergangsgeld nach den §§ 560, 561 RVO auch zu zahlen, wenn er wegen der Teilnahme an der Maßnahme gehindert ist, eine ganztätige Erwerbstätigkeit auszuüben. Bei Verletzten, die in den letzten drei Jahren vor Beginn der Maßnahme ein Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt haben, gilt § 561 Abs 1 und 3 entsprechend; Zeiten, in denen der Verletzte wegen des Arbeitsunfalles ohne Arbeitsentgelt und Arbeitseinkommen war, bleiben unberücksichtigt (§ 568 Abs 2 RVO idF des Art II § 1 Nr 2 Buchstaben b und c Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB 4) vom 23. Dezember 1976 (BGBl I 3845). Der in Bezug genommene § 560 Abs 1 RVO macht die Zahlung des Übergangsgeldes von der Arbeitsunfähigkeit infolge des Arbeitsunfalles (solange) und vom Erhalt von Arbeitsentgelt (soweit) abhängig. § 568 Abs 1 RVO enthält eine weitere Alternative für den Bezug von Übergangsgeld. Danach wird nicht verlangt, daß der Teilnehmer an einer Maßnahme der Berufshilfe arbeitsunfähig im Sinne der Krankenversicherung ist, um Übergangsgeld erhalten zu können und daß dieses vom Erhalt eines Arbeitsentgelts abhängig ist. Vielmehr genügt es, daß er wegen der Teilnahme an der Maßnahme gehindert ist, eine ganztätige Erwerbstätigkeit auszuüben. Durch § 560 Abs 1 RVO wird lediglich mit dem Wort "infolge", ebenso wie in § 556 Abs 1 Nr 1 RVO (verursachte Gesundheitsstörung) die notwendige Verbindung zwischen dem Bezug von Übergangsgeld zum Arbeitsunfall (Berufskrankheit) hergestellt. § 561 Abs 1 und 3 RVO führt für Arbeitnehmer als Teilnehmer an Berufshilfemaßnahmen zur entsprechenden Berechnung des Übergangsgeldes nach § 182 Abs 4, 5, 8 und 10 RVO. Der Regellohn ist bis zu einem Betrag in Höhe des 360. Teils des Höchstjahresarbeitsverdienstes (§ 575 Abs 2) zu berücksichtigen (§ 561 Abs 1 RVO). Nach § 182 Abs 4 RVO beträgt das Krankengeld 80 vH des wegen der Arbeitsunfähigkeit - hier wegen der Teilnahme an Berufshilfemaßnahmen - entgangenen regelmäßigen Entgelts (Regellohn); es darf das entgangene regelmäßige Nettoarbeitsentgelt nicht übersteigen. Der Regellohn wird nach den Abs 5, 6 und 9 aaO berechnet. Dabei sind Überstunden zu berücksichtigen, wenn sie regelmäßig geleistet wurden und ohne Arbeitsunfähigkeit - hier Teilnahme an Berufshilfemaßnahmen - weiter geleistet worden wären (Bereiter/Hahn/Schicke, Unfallversicherung, 4. Aufl, 1971, 14. Lieferung September 1981 Anm 4.1 zu § 561 RVO).
Diese Regelungen stimmen mit denjenigen des RehaAnglG überein: Nach der eine möglichst einheitliche Rehabilitation anstrebenden Programmvorschrift des § 9 Abs 1 RehaAnglG richten sich nämlich Voraussetzungen, Art und Umfang der Leistungen eines Rehabilitationsträgers und deren Sicherstellung entsprechend den Grundsätzen der §§ 10 bis 20 des Gesetzes im einzelnen nach den für den Reha-Träger geltenden besonderen Rechtsvorschriften. § 13 Abs 2 und 3 RehaAnglG übernehmen wörtlich § 182 Abs 4 und 5 RVO.
Zutreffend hat das LSG § 9 Abs 1 RehaAnglG in Verbindung mit § 13 Abs 3 RehaAnglG entnommen, daß hier der Beginn der Maßnahme dem Beginn der Arbeitsunfähigkeit gleichzusetzen ist. Wenn es alsdann auf die Erfahrung abgehoben hat, regelmäßig sei bei einer drohenden Berufskrankheit eine Berufsaufgabe nicht mit einer höherbezahlten Beschäftigung zu vereinbaren, so hat es damit dem Einzelfall sachgerecht und hinreichend Rechnung getragen. Zu Recht hat das LSG auch festgestellt, daß die ersten Beratungsgespräche bereits während des Wehrdienstes des Klägers stattgefunden haben, wenn auch der Kläger ursprünglich den Beruf eines Zahntechnikers angestrebt hat. Noch während der Ausübung seines erlernten Berufes, den er wegen der drohenden Berufskrankheit aufgeben sollte, hat er um eine neue Beratung gebeten, die schließlich zur Umschulung als Feinmechaniker geführt hat. Seine Beschäftigung als Hilfsarbeiter hat das LSG von der Revision unangefochten lediglich als Übergangsbeschäftigung bis zur Durchführung der Umschulung gewürdigt. Dem Umstand, daß sie nach dem Arbeitsvertrag unbefristet gewesen ist, hat es zu Recht keine wesentliche Bedeutung beigemessen. Eine solche Übergangsbeschäftigung kann auch dann nicht den Regellohn bestimmen, wenn - wie hier - ein höherer Lohn als im eigentlichen Beruf erzielt wird. Entscheidend ist der Bezug zu der drohenden Berufskrankheit. Diese wird aber gerade in § 560 Abs 1 RVO für den Übergangsgeldbezug vorausgesetzt. Auch § 13 Abs 1 RehaAnglG schließt eine solche Bezugnahme nicht grundsätzlich aus. Danach kann eine Überbrückungsbeschäftigung bis zur Teilnahme an einer Maßnahme der beruflichen Bildung, insbesondere wenn deren Durchführung von dem Verhalten des Förderungswürdigen abhängt, nicht als Gradmesser für die Berechnung des Übergangsgeldes dienen. Vielmehr sind die Umstände für die Umschulung bedeutsam. Dies war hier aber eindeutig die notwendige Aufgabe des Friseurberufs, nicht aber die Aufgabe der Beschäftigung als Hilfsarbeiter, auch wenn diese in Anbetracht von Überstunden gegenüber dem erlernten Beruf zu einem höheren Entgelt geführt hat.
Als Ergebnis ist festzuhalten: Maßgeblich für die Berechnung des Übergangsgeldes während einer Umschulung ist, daß der Verletzte infolge des Arbeitsunfalls (Berufskrankheit) zur Teilnahme an der Maßnahme der Berufshilfe gezwungen war. Daher hat eine Übergangsbeschäftigung vor Einleitung der Maßnahme ohne Bezug zur Berufskrankheit für die Berechnung der Höhe des Übergangsgeldes außer Betracht zu bleiben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen