Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 12. März 1992 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten über die Höhe der Beiträge zur freiwilligen Krankenversicherung.
Der 1927 geborene Kläger betreibt als selbständiger Kaufmann einen Waschsalon-und Heißmangelbetrieb und ist bei der beklagten Ersatzkasse freiwillig versichert. Welche Beiträge die Beklagte hierfür bis 30. April 1989 erhoben hat, ist dem angefochtenen Urteil und den von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen. Durch Bescheid vom 21. August 1989 stufte die Beklagte den Kläger für die Zeit vom 1. Mai bis 31. Dezember 1989 in die Beitragsklasse 771 mit einem monatlichen Beitrag von 237,00 DM und durch Bescheid vom 25. Januar 1990 für das Jahr 1990 in die Beitragsklasse 781 mit einem monatlichen Beitrag von 267,00 DM ein. Unter Berufung auf § 20 Abs 1 Nr 9 ihrer ab 1. Mai 1989 bzw ab 1. Januar 1990 geltenden Satzung wies die Beklagte den dagegen erhobenen Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheid vom 30. März 1990).
Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die vom Kläger für die Zeit ab 1. Mai 1989 zu zahlenden Beiträge unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu festzusetzen. Auch das Landessozialgericht (LSG) hat einen Verstoß der fraglichen Satzungsbestimmung gegen § 240 Abs 1 Satz 2 des Sozialgesetzbuches – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V) gesehen und die Beitragsbemessung aufgrund von höheren als in § 240 Abs 4 SGB V vorgesehenen Mindesteinnahmen für unzulässig gehalten.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung von § 240 SGB V. Sie ist insbesondere der Auffassung, daß § 240 Abs 2 SGB V den Abs 1 Satz 2 der Vorschrift ergänze; dafür bestehe deshalb ein Bedürfnis, weil das zu versteuernde Einkommen von Selbständigen deren wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht zutreffend wiedergebe. Wenn § 240 Abs 2 SGB V nur einen Vergleich der Einnahmearten und nicht auch eine bestimmte Mindesthöhe vorschreibe, laufe er praktisch leer. Eine genauere Ermittlung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Selbständigen werfe überdies datenschutzrechtliche Probleme auf.
Die Beklagte beantragt,
die angefochtenen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision der Beklagten ist iS einer Aufhebung des angefochtenen Urteils und einer Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet. Eine abschließende Entscheidung kann ohne weitere tatsächliche Feststellungen nicht ergehen.
Wie der Senat bereits entschieden hat (BSGE 64, 100, 102 = SozR 2200 § 180 Nr 44) ist richtige Klageart gegen einen Bescheid, mit dem nach Meinung des Klägers zu hohe Beiträge festgesetzt werden, die reine Anfechtungsklage. Denn bereits die Anfechtung oder Teilanfechtung des streitigen Beitragsbescheids setzt das Gericht in die Lage, über die Beitragshöhe im streitigen Zeitraum abschließend zu entscheiden. Für die vom SG ausgesprochene (und vom LSG bestätigte) Verurteilung der Beklagten zur Erteilung eines Bescheids über die Beitragshöhe fehlt es unter diesen Umständen am Rechtsschutzbedürfnis.
Die über den Bezirk des Berufungsgerichts hinaus geltende und daher revisible Satzung der Beklagten bestimmt in § 20 Abs 1 Nr 9 Satz 1 in der seit 1. April 1989 unveränderten Fassung, daß Selbständige mindestens in diejenige Beitragsklasse einzustufen sind, die sich an Einnahmen in Höhe von zwei Drittel der monatlichen Bezugsgröße nach § 18 des Sozialgesetzbuchs – Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung – (SGB IV) orientiert. Das ist mit § 240 SGB V nicht vereinbar.
Die mit Wirkung vom 1. Januar 1989 in Kraft getretene Vorschrift des § 240 SGB V sieht im Gegensatz zum früheren für die gesetzlichen Krankenkassen (Pflichtkassen) geltenden Recht vor, daß für freiwillige Mitglieder die Beitragsbemessung durch die Satzung geregelt wird (Abs 1 Satz 1). Dabei ist sicherzustellen, daß die Beitragsbelastung die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des freiwilligen Mitglieds berücksichtigt (Abs 1 Satz 2). Die Satzung der Krankenkasse muß mindestens die Einnahmen des freiwilligen Mitglieds berücksichtigen, die bei einem vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten zugrunde zu legen sind (Abs 2 Satz 1). Die §§ 223 und 227, § 228 Abs 2, § 229 Abs 2 und § 243 Abs 2 SGB V gelten entsprechend (Abs 2 Satz 2). Als beitragspflichtige Einnahmen gilt für den Kalendertag mindestens der neunzigste Teil der monatlichen Bezugsgröße (Abs 4). Die Satzung kann auch Beitragsklassen vorsehen (Abs 5).
In der Begründung des Entwurfs eines Gesundheitsreform-Gesetzes (GRG) zu Art 1 § 249 (BT-Drucks 11/2237, S 225), der unverändert dem jetzigen § 240 SGB V entspricht, heißt es zu den Absätzen 1, 2, 4 und 5: (zu Abs 1:) „Die Vorschrift ermöglicht es allen Krankenkassen, das Beitragsrecht für freiwillige Mitglieder autonom in der Satzung zu regeln. Dieses Recht hatten bisher nur die Ersatzkassen. Damit können sachgerechte Sonderregelungen insbesondere für Selbständige und einkommenslose freiwillig versicherte Ehegatten getroffen werden. Bei der Beitragsgestaltung ist die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds zu berücksichtigen, dh alle Einnahmen und Geldmittel, die das Mitglied zum Lebensunterhalt verbraucht oder verbrauchen könnte, sind ohne Rücksicht auf ihre steuerliche Behandlung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen. Diese Regelung bedeutet aber auch, daß der Beitragsberechnung nicht automatisch bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können, ohne daß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit geprüft wird.” – (zu Abs 2:) „Ein freiwilliges Mitglied darf beitragsmäßig nicht geringer belastet werden als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter. Insoweit werden der Gestaltungsfreiheit der Krankenkasse Grenzen gesetzt. Die allgemeinen Vorschriften über die Beitragsberechnung, insbesondere die Vorschriften über die Beitragsberechnung bei Einmalzahlungen und über die Ermäßigung von Beiträgen, finden Anwendung.” – (zu Abs 4:) „Der Mindestbeitrag für freiwillige Mitglieder wird angehoben, da bei dem jetzigen Mindestbeitrag Leistung und Gegenleistung nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen. Der Mindestbeitrag beträgt 1988 ca. 65 DM. Nach neuem Recht wird er sich verdoppeln.” – (zu Abs 5:) „Die Krankenkasse kann auch Beitragsklassen vorsehen. Hierbei sind die Regelungen der vorhergehenden Absätze zu beachten. Die Vorschriften über Beitragssätze gelten entsprechend.”
Aus Wortlaut und Gesetzesbegründung des § 240 SGB V ergibt sich, daß durch die Satzung der Krankenkasse von den Einnahmen des freiwillig Versicherten unabhängige Mindesteinnahmen nicht über die in Abs 4 dieser Vorschrift bestimmte Höhe hinaus festgelegt werden dürfen.
Gegen die Zulässigkeit einer Fiktion von höheren Mindesteinnahmen spricht bereits § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V (Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit). Mit dieser allgemeinen Handlungsanleitung wird dem Satzungsgeber gestattet und aufgetragen, die Einzelheiten der Beitragsbemessung für die freiwilligen Mitglieder – ausgerichtet an der gesamten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit des jeweiligen Mitglieds – in der Satzung näher zu regeln. Hierbei kann die Krankenkasse etwa Bestimmungen darüber treffen, welche Einnahmearten zu berücksichtigen sind, inwieweit Betriebsausgaben oder Abschreibungen sich beitragsmindernd auswirken, wie Steuervergünstigungen zu behandeln sind und inwieweit Verlustausgleiche zugelassen werden (vgl zum früheren Recht die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ≪BSG≫ in BSGE 57, 240 = SozR 2200 § 180 Nr 20; BSG SozR 2200 § 180 Nr 16; BSG USK 8860). Dagegen gestattet die Vorschrift keine Fiktion tatsächlich nicht erzielter Einnahmen; denn die gesamte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Mitglieds wird durch seine tatsächlichen und nicht durch fiktive Einnahmen bestimmt. Dies wird durch die Gesetzesbegründung bestätigt, wonach nicht automatisch ohne Prüfung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestimmte Einnahmen zum Lebensunterhalt unterstellt werden können.
Weiterhin spricht § 240 Abs 4 SGB V (Mindesteinnahmen) gegen die Zulässigkeit des Ansatzes von höheren Mindesteinnahmen. Diese Bestimmung läßt als Ausnahme von der Beitragsbemessung aufgrund der individuellen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit eine Unterschreitung der dort vorgeschriebenen Mindestgrenze nicht zu, die im Jahre 1990, bezogen auf den Monat, bei 1.096,67 DM lag. Wie der Senat in seinen Urteilen vom 7. November 1991 (BSGE 70, 13 = SozR 3-2500 § 240 Nr 6 und SozR 3 aaO Nr 7) entschieden hat, stellt die darin enthaltene Fiktion von Mindesteinnahmen die gesetzliche Untergrenze dar. Sie besagt aber zugleich, daß diese in Abs 4 eindeutig und allgemein festgelegte Grenze nicht angehoben werden darf. Auch die Gesetzesbegründung ergibt keinen Anhalt für die Zulässigkeit einer allgemeinen oder auf bestimmte Gruppen freiwillig Versicherter beschränkte höhere Mindestgrenze. Das Wort „mindestens” in Abs 4 bedeutet lediglich, daß Mindesteinnahmen in der dort genannten Höhe fingiert werden, soweit tatsächlich geringere oder keine Einnahmen vorhanden sind.
Die Mindesteinnahmen-Grenze für Selbständige in Höhe von zwei Dritteln der monatlichen Bezugsgröße kann auch nicht auf § 240 Abs 5 SGB V gestützt werden. Diese Regelung, die der Verwaltungsvereinfachung dient, läßt eine stufenweise Zusammenfassung von Versicherten in Beitragsklassen nach der Höhe ihrer beitragspflichtigen Einnahmen zu. Dabei dürfen die Abstufungen an der Untergrenze eine Beitragsbemessung in Höhe der Mindesteinnahmen nach Abs 4 nicht ausschließen und im übrigen nicht so groß bemessen werden, daß die Beitragsbemessung in erheblichem Umfang von den in § 240 Abs 1 bis 4 SGB V getroffenen Bestimmungen abweicht; denn § 240 Abs 5 SGB V enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Vielmehr sind nach der Gesetzesbegründung die vorhergehenden Absätze zu beachten. Das BSG hat schon nach dem früheren Recht (§ 180 Abs 2 bis 4 der Reichsversicherungsordnung ≪RVO≫) eine Satzungsbestimmung für nicht genehmigungsfähig erklärt, die alle bei ihr freiwillig versicherten Selbständigen in eine „Mitgliederklasse” einstufen und für sie einen Grundlohn in Höhe des tariflichen Arbeitsentgelts eines leitenden Angestellten (Meisters) der entsprechenden Berufsgruppe, mindestens aber 100 vH der Bezugsgröße vorsehen wollte (SozR 2200 § 180 Nr 11). Die Begründung der damaligen Entscheidung trifft im wesentlichen auch für das geltende neue Recht zu. Danach rechtfertigen die Schwierigkeiten, die tatsächlichen Einkommensverhältnisse zu ermitteln, nicht eine grob vereinfachte Festsetzung der beitragspflichtigen Einnahmen. In § 19 Abs 4 der Satzung der Beklagten werden selbständig Erwerbstätige mit beitragspflichtigen Einnahmen von 0,00 DM bis – im Jahre 1990 – 2.193,00 DM beitragsmäßig zusammengefaßt. Selbst wenn man nur von der Differenz zwischen den monatlichen Mindesteinnahmen nach § 240 Abs 4 SGB V (1990: 1.096,67 DM) und den satzungsmäßig für Selbständige vorgeschriebenen monatlichen Mindesteinnahmen ausgeht, ergibt dies im Jahre 1990 einen Unterschied von 1.093,33 DM pro Monat. Die Zusammenfassung von Versicherten mit Einkommensunterschieden von monatlich über 1.000,00 DM ist mit § 240 Abs 1 und 2 SGB V nicht mehr vereinbar. Außerdem könnte in Beitragsklassen möglicherweise nicht der Oberwert, sondern nur ein Mittelwert angesetzt werden.
Entgegen der Auffassung der Beklagten läßt sich die Festlegung einer höheren als der gesetzlichen Mindesteinnahmen-Grenze auch nicht aus § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V (Einnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten) herleiten. Zwar enthält die Vorschrift die Verpflichtung, Vergleiche mit versicherungspflichtig Beschäftigten anzustellen. Sie setzt aber bei den einzelnen freiwillig Versicherten eine Differenzierung nach der Höhe ihrer beitragspflichtigen Einnahmen voraus. Die von der Beklagten durch Satzung festgelegte Beitragsbemessungsgrundlage für selbständig Erwerbstätige richtet sich demgegenüber nach der Bezugsgröße iS von § 18 SGB IV und damit nach dem durchschnittlichen Arbeitsentgelt aller Versicherten der Rentenversicherung der Arbeiter und Angestellten ohne Auszubildende im jeweils vorvergangenen Kalenderjahr. Ein auf den Monat bezogener Bruchteil dieses Durchschnittswertes kann als solcher nicht als die gemäß § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V durch Vergleich ermittelte Beitragsbemessungsgrundlage in Betracht gezogen werden.
§ 240 Abs 2 Satz 1 SGB V rechtfertigt es auch dann nicht, zwei Drittel der monatlichen Bezugsgröße als Mindesteinnahmen-Grenze durch Satzung festzulegen, wenn – was die Regel sein dürfte – die sich daraus ergebenden Einnahmen niedriger liegen als die tariflichen Monatseinnahmen eines vergleichbaren versicherungspflichtig Beschäftigten. Ein Abstellen auf tarifliche Bezüge vergleichbarer Arbeitnehmer ist nämlich jedenfalls insoweit unzulässig, als beim Versicherten höhere Einnahmen unterstellt werden, als er in Wirklichkeit hat.
Bereits aus dem Wortlaut der Vorschrift (Abs 2 Satz 1 des § 240 SGB V) und einem terminologischen Vergleich mit Abs 4 wird erkennbar, daß sie keine Ermächtigungsgrundlage für die Festsetzung einer fiktiven Mindesteinnahmen-Grenze durch die Satzung sein kann. Während in Abs 2 Satz 1 die Formulierung „die Einnahmen … berücksichtigen” verwandt wird, die typischerweise bei konkret erzielten Einnahmen gebraucht wird, ist in Abs 4 die Formulierung „Als … Einnahmen gilt” gewählt worden, die in der Gesetzessprache bei Fiktionen üblich ist. Der Gesetzgeber hätte, falls er in Abs 2 Satz 1 eine fiktive Mindesteinnahmen-Grenze ermöglichen wollte, sich nicht einer anderen als der in Abs 4 derselben Vorschrift enthaltenen Formulierung bedient.
Die Zweckbestimmung des § 240 Abs 2 SGB V läßt eine Auslegung, wie sie die Beklagte vertritt, ebenfalls nicht zu. Wenn ein freiwilliges Mitglied nicht geringer belastet werden darf als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter, so ergibt sich schon daraus, daß die Höhe der Selbständigen-Einnahmen, die nach der Satzung der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind, jeweils von der Höhe der Einnahmen aus der ausgeübten selbständigen Tätigkeit abhängig ist; denn für den zum Vergleich heranzuziehenden versicherungspflichtig Beschäftigten ist Bemessungsgrundlage für die von ihm und seinem Arbeitgeber zu tragenden Beiträge das konkret vom Arbeitgeber in dem betreffenden Entgeltabrechnungszeitraum zu zahlende Arbeitsentgelt (vgl BSGE 59, 183, 189 = SozR 4100 § 168 Nr 19). Daß Gleiches für freiwillig Versicherte gilt, wird besonders deutlich durch die in § 240 Abs 2 Satz 2 SGB V ua enthaltene Verweisung auf § 227 SGB V, dessen Abs 1 Satz 2 einmalig gezahltes Arbeitsentgelt, soweit die Abs 2 und 4 nichts anderes bestimmen, dem Entgeltabrechnungszeitraum zuordnet, in dem es gezahlt wird. Die Verweisung ergäbe keinen Sinn, wenn gemäß § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V auf fiktive Einnahmen abgestellt werden dürfte.
Dem kann nicht entgegengehalten werden, die Ausrichtung an den konkreten Einnahmen aus selbständiger Tätigkeit ergebe sich bereits aus § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V, von dem insoweit abzuweichen § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V gerade vorschreibe. § 240 Abs 1 Satz 2 SGB V stellt nämlich dem Satzungsgeber einen Maßstab zur Verfügung, der bei der Umsetzung sowohl im Rechtlichen als auch im Tatsächlichen einen gewissen Spielraum läßt. Eine untere Grenze dieses Spielraums kann der Vorschrift nicht entnommen werden. Diese findet sich vielmehr in Abs 2 und Abs 4 sowie in dem hier nicht zur Anwendung kommenden Abs 3 (Rente neben Arbeitsentgelt) des § 240 SGB V. Während die in Abs 4 getroffene Regelung eine absolute Untergrenze darstellt, hat Abs 2 nach der Gesetzesbegründung zum Ziel zu verhindern, daß ein freiwilliges Mitglied beitragsmäßig geringer belastet wird als ein vergleichbarer versicherungspflichtig Beschäftigter. Die Satzung muß danach jedenfalls vorschreiben, daß die Einnahmen, die bei einem versicherungspflichtig Beschäftigten gemäß § 226 Abs 1 SGB V zu berücksichtigen sind, auch der Beitragsbemessung freiwillig Versicherter zugrunde gelegt werden, nämlich das Arbeitsentgelt (§ 14 SGB IV), der Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung und der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Versorgungsbezüge); ferner muß bei selbständig erwerbstätigen freiwillig Versicherten das – dem Arbeitsentgelt insoweit vergleichbare – Arbeitseinkommen (§ 15 SGB IV) ohne die in § 226 Abs 1 Nr 4 SGB V enthaltene Einschränkung „soweit”) zur Beitragsbemessung herangezogen werden. Diese Auslegung wird überwiegend auch in der Literatur vertreten (vgl Krauskopf/Schroeder-Printzen, Soziale Krankenversicherung, Komm, SGB V, § 240 Rz 4, 7; Peters in Kasseler Kommentar, SGB V, § 240 Rz 19; Richter in Jahn, Sozialgesetzbuch für die Praxis, SGB V, § 240 Rz 4, 5; Töns in SozVers 1990, 123 ff; Storr in SGb 1990, 479, 480, 482). Der gegenteiligen Auffassung, § 240 Abs 2 Satz 1 SGB V erfordere bei Selbständigen das Abstellen auf die tariflich festgelegten Einnahmen eines abhängig Beschäftigten mit gleicher Qualifikation (Gerlach in Hauck/Haines, Sozialgesetzbuch, Komm, SGB V K, § 240 Rz 31, 44; Krengel in BKK 1989, 183 ff; Wasem in GKV-Komm, SGB V, § 240 Rz 14) stimmt der Senat nicht zu.
Es mag sein, daß die zutreffende Beurteilung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit von Selbständigen mitunter schwierig ist. Ohne ausdrückliche gesetzliche Grundlage läßt sich damit eine generelle Ausnahme vom Grundsatz der Amtsermittlung (§ 20 SGB X) jedoch nicht rechtfertigen; das Gesetz hat an anderer Stelle (§ 28f Abs 2 SGB IV) sehr differenziert vorgeschrieben, wie Ermittlungsschwierigkeiten – im Einzelfall – zu lösen sind. Wenn § 240 Abs 2 SGB V in diesem Sinne verstanden werden sollte, wäre zu erwarten gewesen, daß dies deutlicher zum Ausdruck gebracht wird. Soweit die Betroffenen die Amtsermittlung durch die Berufung auf den Datenschutz zu unterlaufen suchen, wären bestehende Grundsätze (vgl etwa Schroeder-Printzen/v. Wulffen § 20 Anm 11) fortzuentwickeln.
Da – wie ausgeführt – auf die allein zulässige Anfechtungsklage zu entscheiden ist, ob die angefochtenen Beitragsbescheide insgesamt aufzuheben oder ob und ggf in welchem Umfang sie hinsichtlich der Beitragshöhe für den streitbefangenen Zeitraum abzuändern sind, muß die Sache an das LSG zurückverwiesen werden. Der Senat ist an einer abschließenden Entscheidung dadurch gehindert, daß Feststellungen über die beitragspflichtigen Einnahmen des Klägers für den streitbefangenen Zeitraum ab 1. Mai 1989 bisher nicht getroffen sind. Erst wenn diese Feststellungen nachgeholt sind, kann beurteilt werden, ob die Einnahmen des Klägers die Grenze des § 240 Abs 4 SGB V überschritten haben oder nicht. Das LSG muß auch noch feststellen, ob der angefochtene Bescheid die Beitragshöhe für die Zeit vom 1. Mai 1989 an erstmals geregelt hat oder ob er von diesem Zeitpunkt an lediglich einen unbefristeten früheren Beitragsbescheid abgeändert hat. Letzteres wäre, weil es sich bei Beitragsbescheiden um Verwaltungsakte mit Dauerwirkung handelt (BSGE 69, 255 = SozR 3-1300 § 48 Nr 3; SozR 3-2500 § 240 Nr 6), nur unter den Voraussetzungen der §§ 45, 48 des Sozialgesetzbuchs – Verwaltungsverfahren – zulässig. Schließlich wird der Behauptung der Beklagten nachzugehen sein, der vom Kläger zu zahlende Beitrag sei ab 1. April 1990 auf 252,00 DM gesenkt worden, denn ein entsprechender Beitragsbescheid wäre vermutlich Gegenstand des Verfahrens geworden (§ 96 Sozialgerichtsgesetz).
Die Kostenentscheidung bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.
Fundstellen