Leitsatz (redaktionell)
RVO § 1268 Abs 4 - Es liegt keine Lücke vor, die durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte:
Daß bei der jetzt vorgenommenen Annäherung der Rentenvorschriften für "echte" und "geschiedene" Witwen durch die Bestimmung des RVO § 1268 Abs 4 nF Härten für die "echte" Witwe, insbesondere bei kurzer 2. Ehedauer entstehen konnten, war dem Gesetzgeber durchaus bekannt.
Normenkette
RVO § 1268 Abs. 4 Fassung: 1957-02-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. April 1960 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte die der Klägerin zu gewährende Witwenrente nach der Vorschrift des § 42 Art 2 ArVNG zu berechnen hat.
Die Beklagte hat der Klägerin die Hälfte der außergerichtlichen Kosten aller drei Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin war seit dem 6. April 1950 die zweite Ehefrau des am 30. April 1957 verstorbenen Versicherten R. S.. Dieser war vorher vom 25. September 1937 bis zu der aus seinem Alleinverschulden erfolgten Scheidung am 1. April 1949 mit Frau K. A. S. geb. K. verheiratet gewesen. Am Tage des Scheidungsurteils hatte S. sich seiner ersten Ehefrau gegenüber in einem gerichtlichen Vergleich zur Zahlung einer Unterhaltsrente von monatlich 25,- DM verpflichtet; dieser Verpflichtung war er bis zu seinem Tode nachgekommen.
Mit Bescheid vom 10. Mai 1958 gewährte die Beklagte der Klägerin die Witwenrente und setzte sie auf 60,40 DM monatlich fest; da eine Witwenrente auch an die geschiedene erste Frau gezahlt werde, berechnete sie nach § 1268 Abs 4 der Reichsversicherungsordnung (RVO) nF die Höhe der beiden Witwen zustehenden Renten nach dem der jeweiligen Ehedauer entsprechenden Anteil der nach Abs 1 aaO sich ergebenden Witwenrenten. Für die Bemessung der Anteile legte die Beklagte die Dauer beider Ehen nach vollen Kalendermonaten zugrunde.
Mit ihrer Klage gegen diesen Bescheid erstrebte die Klägerin die Gewährung einer nur um 25,- DM monatlich gekürzten Gesamtwitwenrente; es könnte nicht Sinn der gesetzlichen Regelung sein, daß der geschiedenen Ehefrau eine höhere Rente gezahlt werde, als sie als Unterhalt bezogen habe. Das Sozialgericht wies die Klage ab. Mit ihrer Berufung hatte die Klägerin nur insoweit Erfolg, als das Landessozialgericht (LSG) - mit sehr ausführlicher Begründung - die Auffassung vertrat, bei der für die Anteilsberechnung zugrunde zulegenden Ehedauer sei nicht von vollen Kalendermonaten, sondern von der nach Tagen berechneten wirklichen Dauer auszugehen, wodurch sich im vorliegenden Fall eine geringfügig höhere Rente für die Klägerin ergab. Das LSG ließ die Revision gegen dieses Urteil zu.
Beide Parteien legten frist- und formgerecht unter Antragstellung Revision ein und begründeten sie.
Die Beklagte wandte sich gegen die vom LSG vorgesehene Art der Berechnung der Ehedauer nach einzelnen Tagen. Nachdem sich ergeben hatte, daß der Klägerin nach Art 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) ein Anspruch auf Vergleichsberechnung ihrer Rente zustand und diese Vergleichsberechnung eine gegenüber beiden nach neuem Recht strittigen Berechnungsarten erheblich höhere Rente ergab, nahm die Beklagte ihre Revision zurück.
Die Klägerin greift mit ihrer Revision (Urteilszustellung 17.9., Revisionseingang 12.10., Revisionsbegründung 3.11.1960) weiterhin die ihrer Ansicht nach fehlerhafte Anwendung des § 1268 Abs 4 RVO nF an. Sie trägt vor, da die Hinterbliebenenrente Unterhaltsersatzfunktion habe, sei es unverständlich, daß der früheren Ehefrau auf Grund jener Bestimmung ein höherer Betrag gewährt werden könne, als ihr auf Grund des gerichtlichen Vergleichs zugestanden habe. Die Klägerin erblickt in der daraus für sie folgenden Herabsetzung des Betrags der ihr sonst zustehenden Witwenrente eine vom Gesetzgeber ungewollte Härte und meint, das Gericht könne diese im Wege der Annahme einer Gesetzeslücke beseitigen und zu einem ihr günstigeren Ergebnis kommen.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagte kostenpflichtig zu verurteilen, bei der Berechnung der ihr zu gewährenden Rente die Rente der früheren Ehefrau, wenn überhaupt, so höchstens mit einem Betrag von 25,- DM zu berücksichtigen,
hilfsweise,
die Sache zur erneuten Verhandlung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte hat Zurückweisung der Revision beantragt.
Beide Parteien haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
Die frist- und formgerecht eingelegte und begründete Revision der Klägerin ist durch Zulassung statthaft, jedoch nicht begründet.
Entgegen der Auffassung der Klägerin kennt die für frühere Ehefrauen durch die Rentenreform in einer Reihe von Punkten günstigere neue gesetzliche Regelung die früher im § 1272 Abs 4 RVO aF festgelegten Begrenzungen der "Geschiedenen" - Witwenrente nicht mehr. Daß bei der jetzt vorgenommenen Annäherung der Rentenvorschriften für "echte" und "geschiedene" Witwen durch die Bestimmung des § 1268 Abs 4 RVO nF Härten für die "echte" Witwe, insbesondere bei kurzer zweiter Ehedauer entstehen konnten, war dem Gesetzgeber durchaus bekannt (vgl Bericht BT-Drucksache 3080 S 15). Der Bundestagsausschuß war trotz dieser ihm bekannten Härten jedoch einhellig der Ansicht, die Rentenversicherung nicht mit dem durch mehrere Ehefrauen des Versicherten sonst entstehenden höheren Risiko belasten zu sollen und nahm daher jene durch die Verweisung mehrerer Witwen auf einen einzigen Betrag entstehenden Härten bewußt in Kauf. Es liegt demnach keine Lücke vor, die durch die Rechtsprechung ausgefüllt werden könnte. Auch sonstige Gründe, die zu einem für die Klägerin günstigeren Ergebnis führen könnten, sind nicht zu erkennen. Ein Vergleich zwischen den nach § 1268 Abs 4 und den nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften beruhenden Witwenrente ergibt soweit für letztere den höheren Betrag.
Die Revision der Klägerin war demnach mit der Maßgabe zurückzuweisen, daß ihr von der Beklagten die nach Art 2 § 42 ArVNG zu berechnende Vergleichsrente zu zahlen ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen