Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsweg bei Ersatzanspruch. Nachrangigkeit der Tbc-Hilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch auf Tuberkulosehilfe nach BSHG §§ 48 ff geht dem Anspruch auf Kranken- und Heilbehandlung nach BVG § 10 Abs 2, 4 vor (Anschluß an BSG 1976-07-14 9 RV 180/75 = SozR 3100 § 10 Nr 6); das gilt auch, wenn die Versorgungsberechtigten gleichzeitig Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem LAG sind.

 

Orientierungssatz

1. Für den auf BSHG § 59 Abs 2 gestützten Ersatzanspruch ist der Rechtsweg zu den Sozialgerichten gegeben, denn bei Ersatzansprüchen ist entscheidend, aus welchem Rechtsgebiet die sie begründende Leistungspflicht des Beklagten hergeleitet wird. Hat letztere ihre Grundlage im materiellen Recht der KOV - mit Ausnahme der Kriegsopferfürsorge -, ist vom Kläger der Sozialrechtsweg zu beschreiten (vgl BSG vom 1968-12-11 10 RV 606/65 = BSGE 29, 44, 45f und BSG vom 1975-04-23 9 RV 136/74 = BSGE 39, 260, 261). Hier liegt der Ersatzforderung die Behauptung des Klägers zugrunde, die Versorgungsverwaltung habe den erkrankten Versorgungsempfängern Tbc-Behandlung als Heil- bzw Krankenbehandlung nach BVG § 10 zu gewähren gehabt. Das Verhältnis der Erkrankten zu der Versorgungsverwaltung wird somit durch das BVG geregelt, also durch ein außerhalb der Sozialhilfe liegendes Rechtsgebiet, für das nicht die allgemeinen Verwaltungsgerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig sind (vgl BVerwG vom 1970-07-01 V C 10.70 = BVerwGE 35, 355, 356 ff sowie auch BSG vom 1967-01-31 4 RJ 475/65 = BSGE 26, 102, 103f und BSG vom 1969-01-14 4 RJ 189/66 = BSGE 29, 87, 88).

2. Der Gesetzgeber ist durch die Subsidiaritätsklausel des BSHG § 2 nicht gehindert, in anderen Gesetzen - hier in BVG § 10 - Leistungen für Tbc auszuschließen und so doch die Tbc-Hilfe nach dem BSHG vorgehen zu lassen. BSHG § 2 greift nur bei der Gesetzesanwendung ein, nicht dagegen, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen kein Anspruch besteht (so auch BVerwG vom 1965-01-27 V C 37.64 = BVerwGE 20, 194, 198).

 

Normenkette

BVG § 10 Abs. 2 Fassung: 1966-12-28, Abs. 4 Fassung: 1964-02-21, Abs. 7 Buchst. a Fassung: 1974-08-07; BSHG § 2 Fassung: 1969-09-18, § 48 Fassung: 1969-09-18, § 59 Fassung: 1969-09-18; LAG § 276; BVG § 10 Abs. 7 Buchst. c Fassung: 1974-08-07; BSHG § 59 Abs. 2 Fassung: 1969-09-18; SGG § 51 Abs. 1 Fassung: 1953-09-03

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 26.04.1977; Aktenzeichen L 6 V 1528/74)

SG Stuttgart (Entscheidung vom 21.12.1973; Aktenzeichen S 12 V 1288/71)

 

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 26. April 1977 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von dem beklagten Land Ersatz von Kosten, die er als überörtlicher Träger der Sozialhilfe in den Jahren 1969 bis 1972 für stationäre Behandlungen von acht an Tuberkulose (Tbc) Erkrankten aufgewendet hat.

Die Erkrankten waren Empfänger von Unterhaltshilfen nach dem Lastenausgleichsgesetz (LAG). Außerdem waren sie nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) heil- bzw krankenbehandlungsberechtigte Versorgungsempfänger; die Tbc war nicht als Schädigungsfolge anerkannt. Die Versorgungsverwaltung lehnte den Ersatz der vom Kläger für die Behandlung aufgewendeten Kosten ab. Die Klage, die damit begründet worden war, die Kosten seien nur vorläufig nach § 59 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) übernommen worden, hat das Sozialgericht (SG) abgewiesen. Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Das Landessozialgericht (LSG) hat ua ausgeführt: Ein Ersatzanspruch bestehe nicht, weil die Ansprüche auf Heil- bzw Krankenbehandlung nach § 10 Abs 2 und 4 BVG wegen einer Tbc ausgeschlossen seien, wenn und soweit ein entsprechender Anspruch auf Tbc-Hilfe bestehe oder die Heil- oder Krankenbehandlung durch ein anderes Gesetz sichergestellt sei (§ 10 Abs 5 BVG idF des 3. Neuordnungsgesetzes - NOG -). Damit sei der das allgemeine Sozialhilferecht beherrschende Grundsatz des Nachranges der Sozialhilfe für den Bereich der Tbc-Hilfe durch die speziellere Subsidiaritätsnorm des BVG durchbrochen. Der Vorrang der Leistungsverpflichtung des Trägers der Sozialhilfe vor der Versorgungsverwaltung werde nicht dadurch beseitigt, daß das LAG für Empfänger von Unterhaltshilfe als zusätzliche Leistung in Fällen der Krankheit ebenfalls Krankenversorgung vorsehe (§ 276 Abs 1 Satz 1 LAG) und daß diese Vorschrift eine Subsidiaritätsklausel zu Lasten der Leistungen nach dem BVG enthalte (§ 276 Abs 1 Satz 3 LAG). Dies bedeute nur, daß versorgungsberechtigte Unterhaltshilfeempfänger keinen Anspruch auf Krankenbehandlung nach dem LAG hätten; auf den vorliegenden Rechtsstreit habe diese Regelung jedoch keinen Einfluß. Zwar gehe im Verhältnis zu dem Anspruch auf Tbc-Hilfe nach dem BSHG die Krankenversorgung nach dem LAG vor. Hier sei aber ausschließlich das Rangverhältnis zwischen den Ansprüchen auf Krankenhilfe nach dem BVG und auf Tbc-Hilfe nach dem BSHG maßgebend. Es sei kein Grund dafür erkennbar, daß die Subsidiaritätsnorm des § 10 BVG zu Lasten des BSHG dann nicht gelten solle, wenn ein an Tbc erkrankter Versorgungsberechtigter auch Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem LAG sei.

Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er meint, bei der Prüfung des hier streitigen Ersatzanspruchs könne das Verhältnis des BSHG zum LAG nicht unberücksichtigt bleiben. Der Anspruch auf Tbc-Hilfe nach dem BSHG trete hinter demjenigen auf Krankenversorgung nach dem LAG zurück. Da demnach bei Empfängern von Unterhaltshilfe ein Anspruch auf Tbc-Hilfe nach dem BSHG gar nicht bestehe, komme die Subsidiaritätsvorschrift des § 10 BVG zu Lasten der Sozialhilfe auch nicht zum Tragen. Dieses Ergebnis stehe auch mit der gesetzlichen Aufgabenzuweisung im Einklang. Der Träger der Sozialhilfe solle für an Tbc erkrankte Unterhaltshilfeempfänger keine Leistungen erbringen. Dagegen entspreche es dem Willen des Gesetzgebers - nicht zuletzt auch im Hinblick auf das Verhältnis des LAG zum BVG -, daß der Träger der Kriegsopferversorgung die Krankenbehandlung für tbc-Kranke Unterhaltshilfeempfänger zu tragen habe, weil der Anspruch nach dem BVG vor der lastenausgleichsrechtlichen Krankenversorgung zu erfüllen sei. Die Auffassung der Vorinstanzen würde dazu führen, daß die Erkrankten zur Lösung der Konkurrenzprobleme auf die - wegen der Kostenersatzpflicht unter Einsatz des gesamten Einkommens und Vermögens - schlechteste aller Sozialleistungen, die Sozialhilfe, verwiesen würden.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Urteile des LSG Baden-Württemberg vom 26. April 1977 und des SG Stuttgart vom 21. Dezember 1973 aufzuheben und das beklagte Land zum Ersatz der Kosten für die im Tatbestand des sozialgerichtlichen Urteils aufgeführten stationären Tbc-Behandlungen der dort ebenfalls genannten acht Versorgungsberechtigten zu verurteilen.

Das beklagte Land beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Es hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG zu Recht zurückgewiesen. Dem Kläger steht der geltend gemachte Ersatzanspruch nicht zu.

Die Vorinstanzen haben für den auf § 59 Abs 2 BSHG gestützten Ersatzanspruch den Rechtsweg zu den Sozialgerichten zutreffend bejaht. Nach § 51 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit ua in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung. Um einen solchen Rechtsstreit handelt es sich hier, denn bei Ersatzansprüchen ist entscheidend, aus welchem Rechtsgebiet die sie begründende Leistungspflicht des Beklagten hergeleitet wird. Hat letztere ihre Grundlage im materiellen Recht der Kriegsopferversorgung - mit Ausnahme der Kriegsopferfürsorge -, ist vom Kläger der Sozialrechtsweg zu beschreiten (BSGE 29, 44, 45f; 39, 260, 261; BSG in FEVS 18, 343, 344; Mergler/Zink, BSHG, 2. Auflage, Anm 32 zu § 59). Hier liegt der Ersatzforderung die Behauptung des Klägers zugrunde, die Versorgungsverwaltung habe den erkrankten Versorgungsempfängern Tbc-Behandlung als Heil- bzw Krankenbehandlung nach § 10 BVG zu gewähren gehabt. Das Verhältnis der Erkrankten zu der Versorgungsverwaltung wird somit durch das BVG geregelt, also durch ein außerhalb der Sozialhilfe liegendes Rechtsgebiet, für das nicht die allgemeinen Verwaltungsgerichte, sondern die Sozialgerichte zuständig sind (vgl BVerwGE 35, 355, 356 ff sowie auch BSGE 26, 102, 103f; 29, 87, 88). Der Grund hierfür ist, daß § 59 Abs 2 BSHG keinen selbständigen Anspruch begründet, sondern einen solchen - zwischen den Erkrankten und der für verpflichtet gehaltenen Stelle - voraussetzt (Gottschick/Giese, BSHG, 6. Auflage, RdNr 5.5 zu § 59), so daß der Streitgegenstand durch die behauptete Leistungsverpflichtung des Beklagten gegenüber dem Dritten als Empfänger der Leistung entscheidend geprägt wird.

Der Ersatzanspruch ist nicht begründet. Nach § 59 Abs 2 Satz 2 1. Halbs BSHG hat die verpflichtete Stelle die dem Träger der Sozialhilfe durch dessen vorläufige Hilfeleistung im Rahmen der Tbc-Hilfe nach § 59 Abs 1 BSHG entstandenen Kosten zu erstatten. Die Versorgungsverwaltung war nicht zur Gewährung von Tbc-Behandlung der vom Kläger betreuten Personen verpflichtet.

Nach den vorinstanzlichen Feststellungen hat der Kläger in den Jahren 1969 bis 1972 acht Personen wegen Tbc stationär behandeln lassen, die Versorgungsleistungen nach dem BVG in Form von Elternrente, Witwenrente bzw -beihilfe oder Beschädigtenrente wegen einer eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von mindestens 50 % bedingenden Schädigung bezogen. Die Tbc war bei allen diesen Personen nicht als Schädigungsfolge anerkannt. Der diesem Personenkreis grundsätzlich nach § 10 Abs 2 bzw 4 BVG zustehende Anspruch auf Heil- bzw Krankenbehandlung war und ist hinsichtlich einer Tbc-Erkrankung ausgeschlossen. Das ergibt sich aus den zu den Zeiten der streitigen Behandlungen geltenden § 10 Abs 5 Buchst a BVG idF des 3. NOG vom 28.12.1966 bzw § 10 Abs 6 Buchst a BVG idF des 3. Anpassungsgesetzes vom 16.12.1971. Nach diesen Vorschriften sind der Krankenbehandlungsanspruch der Witwen und versorgungsberechtigten Eltern (§ 10 Abs 4 Buchst c BVG idF des 3. NOG) und der Heilbehandlungsanspruch der Schwerbeschädigten für nicht als Schädigungsfolgen anerkannte Gesundheitsstörungen (§ 10 Abs 2 BVG) ausgeschlossen, wenn und soweit ein entsprechender Anspruch auf Tbc-Hilfe besteht.

Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 14. Juli 1976 (SozR 3100 § 10 Nr 6 = USK 76160) dargelegt, daß durch diese Vorschrift der Nachrang der Leistungsverpflichtung der Versorgungsverwaltung gegenüber derjenigen nach den §§ 48 ff BSHG ausgesprochen worden ist. Mit § 10 Abs 4 Buchst a BVG aF und dessen zuvor genannten Folgevorschriften (jetzt § 10 Abs 7 Buchst a BVG) ist die Verantwortlichkeit des Versorgungsträgers im Verhältnis zu den §§ 48 ff BSHG aufgehoben worden. Unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien hat der Senat auch dargelegt, daß die Subsidiaritätsvorschrift des § 2 BSHG an der Leistungsverpflichtung des überörtlichen Trägers der Sozialhilfe für tbc-kranke Versorgungsempfänger nichts ändert, weil insoweit die Verpflichtung der Versorgungsträger lediglich als "letzte ergänzende Auffanghilfe" gedacht ist. Außerdem liegt die Heil- und Krankenbehandlung für Gesundheitsstörungen, die keine Schädigungsfolgen sind oder unter denen bestimmte, den Beschädigten nahestehende Personen leiden, außerhalb des eigentlichen Zieles des BVG. § 10 BVG ist deshalb die Norm, die eine Kompetenzüberschneidung zwischen den nach dem BVG und den nach dem BSHG zuständigen Behörden verhindern soll und aus diesem Grund bestimmt, daß der Versorgungsträger für die Tbc-Behandlung des hier streitigen Personenkreises nicht einzustehen hat, sondern daß insoweit die Tbc-Hilfe nach den §§ 48 ff BSHG vorgeht. An dieser Rechtsauffassung hält der Senat fest. Sie wird sowohl in der Rechtsprechung der allgemeinen Verwaltungsgerichte (vgl BVerwGE 30, 214, 216f; BayVGH in BayVBl 1967, 432f) als auch in der Literatur vertreten (Wilke/Wunderlich, BVG, 4. Auflage, Anm VI 1 zu § 10 BVG; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG, 9. Auflage, RdNr 8 zu § 48, Gottschick/Giese, aaO, RdNr 5.2 zu § 2 sowie 5.2. zu § 48; Mergler/Zink aaO, Anm 15 zu § 48; Vogt, BayVBl 1966, 148, 150f; Graf, ZfS 1969, 301, 303). Wie das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zutreffend ausgeführt hat, ist der Gesetzgeber durch die Subsidiaritätsklausel des § 2 BSHG nicht gehindert, in anderen Gesetzen - hier in § 10 BVG - Leistungen für Tbc auszuschließen und so doch die Tbc-Hilfe nach dem BSHG vorgehen zu lassen. § 2 BSHG greift nur bei der Gesetzesanwendung ein, nicht dagegen, wenn aufgrund anderer gesetzlicher Bestimmungen kein Anspruch besteht (so BVerwGE 20, 194, 198).

Entgegen der Auffassung der Revision ändert sich an der im Verhältnis zur Versorgungsverwaltung vorrangigen Leistungsverpflichtung des Sozialhilfeträgers nichts dadurch, daß die Leistungsempfänger gleichzeitig auch Unterhaltshilfeempfänger nach dem LAG waren.

Zwar besteht nach § 276 Abs 1 LAG ein Anspruch der Unterhaltshilfeempfänger auf Krankenversorgung. Diese Leistung geht nach verbreiteter Auffassung derjenigen nach dem BSHG vor, da hier die allgemeine Subsidiaritätsnorm des § 2 BSHG Anwendung findet (vgl Kühne/Wolff, Die Gesetzgebung über den Lastenausgleich, Ausgabe B, Stand Juni 1977, Anm 7, 9 zu § 276 LAG; Oestreicher, BSHG, Stand 1.1.1978, RdNr 7 zu § 48; Vogt aaO, S 150f; BayVGH in ZfSH 1966, 207, 208; Bayerisches LSG in Breithaupt 1970, 611, 613). Andererseits ist die Heil- und Krankenbehandlung nach dem BVG gegenüber derjenigen nach dem LAG vorrangig, wie sich aus § 276 Abs 1 Satz 3 LAG ergibt (vgl erkennender Senat in SozR 3100 § 10 Nr 6 S 5; BSGE 19, 260, 261f; SozR Nr 3 zu § 10 BVG S Ca 6 R; Kühne/Wolff aaO Anm 9 zu § 276; Baierl ZfF 1963, 82, 83).

Hier kann im Ergebnis dahinstehen, ob dieser auf den ersten Blick vorhandene Kreislauf tatsächlich auch für Leistungen bei Tbc gilt oder ob dort nicht auch die Tbc-Hilfe nach dem BSHG der allgemeinen Krankenversorgung nach dem LAG vorgeht. Auch ist nicht zu beurteilen, ob der Nachrang des LAG gegenüber dem BVG ebenfalls auch bei einer Tbc-Behandlung gilt und bei Vorleistung nach dem LAG ein entsprechender Ersatzanspruch gegen die Versorgungsverwaltung besteht. Selbst wenn insoweit der Auffassung des Klägers zu folgen wäre, ergäbe sich daraus keine Änderung des aufgezeigten Rangverhältnisses, das eine Ersatzverpflichtung der Versorgungsverwaltung gegenüber dem Sozialhilfeträger für Tbc-Behandlung ausschließt. § 10 Abs 5 Buchst a BVG hat nicht nur eine abdrängende Wirkung zugunsten der von der Leistungspflicht freiwerdenden Versorgungsverwaltung, dieser Vorschrift kommt gleichzeitig - in Verbindung mit den Sozialhilfebestimmungen - eine aufdrängende Wirkung zu Lasten des Sozialhilfeträgers zu. Hierzu hat das BVerwG ausgeführt, § 10 Abs 5 BVG bezwecke - neben der Festlegung der Subsidiarität der Versorgungsleistungen - auch eine Verweisung der Tbc-Kranken an den Träger der Tbc-Hilfe bzw jetzt Sozialhilfe, da dessen Leistungen umfassender und nachhaltiger seien (BVerwGE 30, 214, 216f). Die Richtigkeit dieser Auffassung ist auch den vom BVerwG zitierten Gesetzesmaterialien zu entnehmen. In der Begründung zum Entwurf des Tbc-Hilfegesetzes (THG), dem Vorläufer der §§ 48 ff BSHG, heißt es ua: "Der Rechtsanspruch findet dem subsidiären Charakter der Tbc-Hilfe entsprechend seine Begrenzung dort, wo für bestimmte Personengruppen die erforderliche Hilfe ganz oder zum Teil in anderen Gesetzen sichergestellt ist. Das gilt vor allem für ... anerkannte Folgen einer Schädigung durch § 10 Abse 1 bis 4 BVG .... Umgekehrt enthält das Gesetz die Sicherstellung im Sinne von § 10 Abs 5 BVG" (BT-Drucks III/349 S 13f). Die Gewährleistung der "Sicherstellung" von Tbc-Hilfe bezog sich auf § 10 Abs 5 letzter Satz BVG in der Ursprungsfassung vom 17. August 1953, wonach ein Heilbehandlungsanspruch für Nichtschädigungsfolgen sowie für Angehörige Schwerbeschädigter entfiel, "wenn die Krankenbehandlung anderweitig sichergestellt ist oder sichergestellt werden kann". Mit dem THG hat der Gesetzgeber somit die Leistungsverpflichtung des Trägers der Tbc-Hilfe auch im Verhältnis zur Versorgungsverwaltung positiv regeln wollen. Diese Rechtslage ist bei Inkrafttreten der §§ 48 ff BSHG bestehen geblieben (so ausdrücklich BT-Drucks III/1799 S 47 3. Absatz zu Unterabschnitt 8) und ebenfalls nicht durch die Neuregelung der Subsidiarität in § 10 Abs 4 BVG durch das 1. NOG geändert worden (vgl BT-Drucks III/1239 S 23 zu § 10 Abs 4). Nach der zuletzt genannten Begründung wird "die Sicherstellung in den Fällen angenommen, in denen Ansprüche gegen den Träger der Tbc-Hilfe bestehen". Aus alledem folgt, daß bei einer Tbc-Erkrankung von Versorgungsempfängern bei fehlender Anerkennung als Versorgungsleiden nicht nur kein Behandlungsanspruch nach dem BVG besteht, sondern gleichzeitig positiv ein solcher nach den Tbc-Hilfevorschriften geschaffen werden sollte und auch geschaffen wurde. Für Tbc-Leistungen kann der Sozialhilfeträger deshalb auch dann keinen Ersatz von der Versorgungsverwaltung verlangen, wenn möglicherweise eine dritte Behörde als ihm gegenüber vorrangig erscheint. Hierdurch ändert sich nichts an der sowohl abdrängenden als auch aufdrängenden Wirkung des § 10 Abs 5 Buchst a BVG zugunsten des Versorgungsträgers.

Ein anderes Ergebnis würde auch Sinn und Zweck der in § 10 Abs 5 Buchst a BVG geregelten Kompetenzverteilung zwischen Versorgungsverwaltung und Sozialhilfeträger nicht gerecht. Wie bereits unter Hinweis auf das Urteil vom 14.7.1976 ausgeführt, liegt die Heil- und Krankenbehandlung für Gesundheitsstörungen, die keine Schädigungsfolgen sind oder unter denen bestimmte, den Beschädigten nahestehende Personen leiden, außerhalb des eigentlichen Zieles des BVG, der Versorgung der Opfer des Krieges. Die dennoch zugunsten eines weiteren Personenkreises nachträglich mehr und mehr in das Versorgungsrecht übernommenen Aufgaben der Heil- und Krankenbehandlung sollen naturgemäß sonst im sozialen Leistungsgefüge offen bleibende Lücken schließen, sind also nur als Auffanghilfen gedacht (erkennender Senat in SozR 3100 § 10 Nr 6 S 4f). Auffanghilfe ist hierbei gemeint in bezug auf die betroffenen Erkrankten, die sonst anderweitig nicht versorgt wären, nicht aber in der Art, daß nach dem BVG Leistungen dann zu gewähren sind, wenn der vorrangig verpflichtete Sozialhilfeträger gegenüber einer dritten Stelle nur nachrangig verpflichtet ist. Hierdurch kann die Leistungspflicht nach dem BVG nicht wieder entstehen, denn für diese ergibt sich keine Notwendigkeit. Die Krankenbehandlung der von § 10 Abs 5 BVG erfaßten Personen ist nach wie vor außerhalb des Versorgungsrechts sichergestellt, so daß es keiner Auffanghilfe bedarf. Der generelle und uneingeschränkte Vorrang der §§ 48 ff BSHG (so der erkennende Senat aaO S 3) wird nicht beseitigt.

Hinzu kommt, daß der Vorrang der Leistungen nach den §§ 48 ff BSHG auch deshalb festgelegt wurde, weil die Tbc-Hilfe nach diesen Vorschriften zum einen besser geeignet ist, dieser Erkrankung zu begegnen, weil sie umfassender und nachhaltiger ist als die Behandlung aufgrund des BVG (so BVerwGE 30, 215, 216; erkennender Senat aaO S 4), so daß sie bessere Heilungsaussichten bietet (so BT-Drucks III 1239 S 23 zu § 10 Abs 4 BVG). Dazu steht nicht im Widerspruch, daß zwischen BSHG und LAG möglicherweise der Vorrang nach dem LAG anzunehmen ist, denn § 276 Abs 3 Satz 1 LAG bestimmt, daß die Krankenversorgung den Trägern der Sozialhilfe obliegt. Zum anderen werden mit ihr neben den fürsorgerischen Maßnahmen auch seuchen-hygienische Aufgaben in der Form des Schutzes der Allgemeinheit vor der Verbreitung dieser Krankheit erfüllt (Luber, Tbc-Hilfe, Stand Oktober 1974, Anm I, 2, e, ee, zu § 2 BSHG; Schellhorn/Jirasek/Seipp, aaO, RdNr 1, 4 zu § 48; vgl auch den Text des § 48 Abs 1 BSHG).

Insgesamt gesehen dient die Tbc-Hilfe somit weitergehenden Zwecken als das BVG (so BMA in BVBl 1960, 2 Nr 1) und hat deshalb Vorrang. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, warum sich an diesem an der genannten Aufgabenzuweisung orientierten Rangverhältnis etwas ändern soll, weil die Erkrankten auch Empfänger von Unterhaltshilfe nach dem LAG sind. Hierdurch wird die gegenüber der Versorgungsverwaltung umfassendere Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers nicht beseitigt.

Das Argument des Klägers, die Auffassung der Vorinstanzen würde dazu führen, daß die Erkrankten zur Lösung der Konkurrenzprobleme auf die "schlechteste aller Sozialleistungen" verwiesen würden, ist nicht geeignet, den Rechtsstreit zu seinen Gunsten zu entscheiden. Unter Berücksichtigung der vom Gesetzgeber vorgenommenen umfassenden Aufgabenzuweisung erscheint es bereits fraglich, ob von der Tbc-Hilfe nach dem BSHG als der schlechtesten aller Sozialleistungen gesprochen werden kann. Und was die im Rahmen der Sozialhilfeleistungen zu berücksichtigenden Einkommens- und Vermögensverhältnisse angeht, so ist die Situation nicht anders, als wenn nur die Versorgungsverwaltung und der Sozialhilfeträger als leistungsverpflichtet in Betracht kommen. Insoweit hat sich der Gesetzgeber in Kenntnis der Ausgestaltung des Sozialhilferechts für den Vorrang des BSHG entschieden. Die Gerichte haben nicht die Möglichkeit, in das freie Gestaltungsrecht des Gesetzgebers einzugreifen, zumal es auch sachgerecht erscheint, die Versorgungsträger von den hier streitigen, nicht durch den Krieg oder damit zusammenhängende Ereignisse verursachten Kosten freizustellen.

Nach alledem steht dem Kläger der geltend gemachte Ersatzanspruch nicht zu. Die Revision ist mit der sich aus § 193 Abs 4 SGG ergebenden Kostenfolge zurückzuweisen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1652907

Breith. 1980, 489

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