Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung. Beitragsveranlagung. Gefahrtarif. Gefahrklasse. Umlegung des Finanzbedarfs – Altlasten-Ost. Unfallgefahr
Leitsatz (redaktionell)
Die Umlegung des Finanzbedarfs der Unfallversicherungsträger für die Entschädigung der in der früheren DDR eingetretenen Arbeitsunfälle nach dem Grad der Unfallgefahr ist verfassungsgemäß.
Normenkette
SGB VII § 157 Abs. 3, § 159 Abs. 1 S. 1, § 152 Abs. 1, § 153 Abs. 1, § 167 Abs. 1-2, § 215 Abs. 9; GG Art. 3 Abs. 1 EinigVtr Anlage I Kap. VIII .S III Nr. 1c Abs. 8 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Februar 2003 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage gegen den Beitragsbescheid der Beklagten vom 22. April 1999 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 27. April 1999 und gegen die Beitragsbescheide vom 25. April 2000 und vom 25. April 2001 als unzulässig abgewiesen wird.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Die Beteiligten streiten um die Veranlagung der Klägerin zum Gefahrtarif der beklagten Berufsgenossenschaft (BG) ab dem Jahre 1998 und die Beiträge der Klägerin zu der BG in den Jahren 1998 bis 2000. Die Klägerin betreibt als Hauptunternehmen gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung und ist Mitglied der Beklagten (Mitgliedschein von 26. Januar 1993). Diese erhob ihre Beiträge ab 1. Januar 1998 aufgrund ihres ab diesem Zeitpunkt geltenden Gefahrtarifs (im Folgenden Gefahrtarif 1998), der für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung folgende Gefahrtarifstellen enthielt:
Gefahrtarifstelle |
Unternehmensart |
Gefahrklasse |
*Jedes Unternehmen wird zu den zwei Gefahrklassen 48 und 49 veranlagt. |
48* |
Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung – Beschäftigte, die ausschließlich in kaufmännischen und verwaltenden Unternehmensteilen der Verleiher und Entleiher eingesetzt sind und ausschließlich kaufmännische und verwaltende Tätigkeiten verrichten |
0,57 |
49* |
Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung – Beschäftigte, die nicht die in der Gefahrtarifstelle 48 genannten Voraussetzungen erfüllen |
10,66 |
Insgesamt reichen die Gefahrklassen dieses Gefahrtarifes von 0,35 bis 45,40. Grundlage des Gefahrtarifs waren alle gezahlten Leistungen sämtlicher Versicherungsfälle sowie die beitragspflichtigen Entgelte der Jahre 1994 bis 1996 (so genannter Beobachtungszeitraum).
Mit Bescheid vom 8. September 1998 veranlagte die Beklagte die Klägerin hinsichtlich deren Unternehmensteils gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung zu den Gefahrtarifstellen 48 und 49 ihres Gefahrtarifs 1998 mit den entsprechenden Gefahrklassen und legte letztere ihrem Beitragsbescheid für das Jahr 1998 vom 22. April 1999 sowie dessen Änderungsbescheid vom 27. April 1999 zugrunde. Sowohl gegen den Veranlagungs- als auch gegen den Änderungsbescheid wurde Widerspruch eingelegt und mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1999 wurde der Widerspruch gegen den Veranlagungsbescheid zurückgewiesen.
Während des sich anschließenden und nur gegen den Veranlagungsbescheid vom 8. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1999 gerichteten Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Kiel (SG) hat die Beklagte mit Beitragsbescheid für das Jahr 1999 vom 25. April 2000 und Beitragsbescheid für das Jahr 2000 vom 25. April 2001 weitere Beiträge gegenüber der Klägerin festgesetzt. Durch Urteil vom 15. Mai 2002 hat das SG die Klage abgewiesen und es dahingestellt lassen, ob die Beitragsbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 Gegenstand des Vorverfahrens bzw Klageverfahrens geworden seien.
Die von der Klägerin eingelegte Berufung hat das Schleswig-Holsteinische Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 12. Februar 2003 zurückgewiesen, denn der Veranlagungsbescheid sowie “die darauf beruhenden Beitragsbescheide für die Jahre 1998 bis 2000” seien rechtmäßig. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Beklagte sei aufgrund des Mitgliedsscheins die zuständige BG für die Klägerin. Die Bildung der Gefahrtarifstelle 49 sei nicht zu beanstanden, da für die Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung eine gemeinsame gewerbetypische Unfallgefahr zu bejahen sei. Eine Zertifizierung oder ein Qualitätsmanagement führten zu keinen gravierenden unterschiedlichen Gefährdungen für sie. Die Berechnung der Gefahrklasse sei nicht mit gravierenden Fehlern behaftet. Für die Behauptung der Klägerin, die Vertreterversammlung der Beklagten sei vor der Beschlussfassung über den Gefahrtarif 1998 unvollständig oder unrichtig informiert worden, gebe es keine Anhaltspunkte. Die Berücksichtigung der so genannten DDR-Altlasten entsprechend § 157 Abs 2 des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII) sei verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung materiellen und formellen Rechts. Es fehle bereits an der Zuständigkeit der Beklagten für die Klägerin als Zeitarbeitsunternehmen. Die Berechnung der Gefahrklassen verstoße gegen § 157 Abs 3 SGB VII. Die Abgrenzung der Gefahrtarifstellen der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung sei im Beobachtungszeitraum nicht deckungsgleich gewesen und die Nacherhebung der Beklagten sei unverwertbar. Die Zuordnung der Lohnsummen zu den beiden Gefahrtarifstellen sei nicht korrekt erfolgt. § 157 Abs 2 SGB VII sei verletzt, weil die Gefahrtarifstellen in erster Linie nach Gefährdungsrisiken zu bilden seien. Da bis Ende des Jahres 1997 für ca 20 % der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit ca 40 % der Arbeitnehmer, zu denen die Klägerin gehört habe, eine Herabsetzung der Gefahrklassen um 40 % erfolgt sei, weil diese bestimmte Kriterien der Beklagten erfüllt und ein Qualitätsmanagementsystem vorgehalten hätten, wäre es geboten gewesen, für diese Unternehmen aufgrund ihres wesentlich niedrigeren Gefährdungsrisikos eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Die Verwaltung der Beklagten habe deren Vertreterversammlung nicht ordnungsgemäß informiert, so dass kein ordnungsgemäßer Beschluss der Vertreterversammlung über den Gefahrtarif vorliege. Die Beitragsbescheide seien entgegen der Entscheidung des Senats vom 24. Juni 2003 – B 2 U 21/02 R – (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1) Gegenstand des anhängigen Rechtsstreits geworden, zumindest die nach Klageerhebung ergangenen für die Jahre 1999 und 2000. Die Berücksichtigung der Altlasten-Ost bei der Beitragsberechnung verstoße gegen Art 3 Abs 1 des Grundgesetzes (GG) und § 157 Abs 2 SGB VII sei entgegen der Entscheidung des Senats vom 24. Juni 2003 (aaO) ebenfalls verfassungswidrig. Schließlich habe das LSG Beweisanträge der Klägerin zur Gefahrklassenberechnung verfahrensfehlerhaft übergangen.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Schleswig-Holsteinischen Landessozialgerichts vom 12. Februar 2003 und des Sozialgerichts Kiel vom 15. Mai 2002 sowie den Veranlagungsbescheid der Beklagten vom 8. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1999, den Beitragsbescheid vom 22. April 1999, nebst Änderungsbescheid vom 27. April 1999 und die Beitragsbescheide vom 25. April 2000 und vom 25. April 2001 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet. Die Veranlagung der Klägerin durch die Beklagte mittels Bescheid vom 8. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1999 ab dem Jahre 1998 ist rechtmäßig. Hinsichtlich der Beitragsbescheide für die Jahre 1998 bis 2000 ist die Klage als unzulässig abzuweisen.
Der Beitragsbescheid für das Jahr 1998 vom 22. April 1999 sowie dessen Änderungsbescheid vom 27. April 1999 sind nicht von Gesetzes wegen gemäß § 86 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des bei ihrem Erlass anhängigen Vorverfahrens gegen den Veranlagungsbescheid geworden, denn sie bauen zwar auf der Veranlagung auf, haben den Veranlagungsbescheid selbst aber nicht abgeändert. Die Klägerin hat zwar gegen den Änderungsbescheid Widerspruch eingelegt; eine Entscheidung darüber ist aber bisher nicht ergangen. Schließlich hat die Beklagte die Einwendungen gegen den Beitragsbescheid auch nicht von sich aus in das Vorverfahren gegen den Veranlagungsbescheid einbezogen, sondern in dem Widerspruchsbescheid vom 24. Juni 1999 ausdrücklich nur über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides vom 8. September 1998 entschieden. Eine unmittelbare Klage gegen den Beitragsbescheid für das Jahr 1998 sowie dessen Änderungsbescheid ist nicht zulässig, weil es insoweit an der gemäß § 78 Abs 1 SGG obligatorischen Überprüfung im Rahmen eines Vorverfahrens und damit an einer Prozessvoraussetzung für die Anfechtungsklage fehlt.
Die Beitragsbescheide für die Jahre 1999 und 2000 vom 25. April 2000 und vom 25. April 2001 sind ebenfalls nicht gemäß § 96 Abs 1 SGG ohne gesonderte Anfechtung kraft Gesetzes Gegenstand des gegen den Veranlagungsbescheid anhängigen Klageverfahrens geworden. Durch die auf der Veranlagung beruhenden Beitragsbescheide wurde der Veranlagungsbescheid weder geändert noch ersetzt. Wie der Senat entschieden hat, kann die Einbeziehung der Beitragsbescheide auch nicht auf eine analoge oder entsprechende Anwendung der § 86 Abs 1 bzw § 96 Abs 1 SGG gestützt werden, weil dadurch der Streitstoff erweitert würde und Erwägungen der Prozessökonomie ein solches Ergebnis nicht rechtfertigen (Urteil vom 24. Juni 2003 – BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 8). Direkte Klagen gegen die genannten Bescheide sind unzulässig, weil sie nicht innerhalb der Frist von einem Monat nach Bekanntgabe der Verwaltungsakte (§ 87 Abs 1 SGG) erhoben worden sind.
Die vom SG ausdrücklich dahingestellt gelassene und vom LSG nicht weiter begründete, fehlerhafte Einbeziehung der Beitragsbescheide ist auch nicht durch rügelose Einlassung der Beteiligten “geheilt” worden. Ob neben dem Ausgangsbescheid weitere, nach Klageerhebung ergangene Verwaltungsakte gemäß § 96 Abs 1 SGG Gegenstand des Gerichtsverfahrens geworden sind und das Berufungsgericht über sie entscheiden durfte, ist in der Revisionsinstanz von Amts wegen zu prüfen. Denn es geht dabei um die Zulässigkeit der gegen die Folgebescheide gerichteten Klage und damit um das Vorliegen von Prozessvoraussetzungen, die in jeder Lage des Verfahrens gegeben sein müssen und nicht zur Disposition der Beteiligten stehen (Urteil des Senats vom 9. Dezember 2003 – B 2 U 54/02 R – mit weiteren Nachweisen, zur Veröffentlichung in BSGE und SozR 4-2700 § 160 Nr 1 vorgesehen).
Die Beklagte ist aufgrund ihres bindenden Bescheides vom 26. Januar 1993 (Mitgliedschein) über die Aufnahme der Klägerin in ihr Unternehmerverzeichnis der zuständige Unfallversicherungsträger für die Klägerin.
Der Veranlagungsbescheid vom 8. September 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Juni 1999 ist rechtmäßig. Rechtsgrundlage für den Veranlagungsbescheid ist § 159 Abs 1 Satz 1 SGB VII, nach dem der Unfallversicherungsträger die Unternehmen für die Tarifzeit nach dem Gefahrtarif zu Gefahrklassen veranlagt. Der von der Beklagten der Veranlagung der Klägerin zugrunde gelegte, ab 1. Januar 1998 geltende Gefahrtarif der Beklagten ist hinsichtlich der zwischen den Beteiligten umstrittenen Gefahrtarifstellen 48 und 49 rechtlich nicht zu beanstanden (Urteil des Senats vom 24. Juni 2003, BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1 mit weiteren Nachweisen und ausführlicher Begründung).
Daran ist trotz der von der Klägerin vorgebrachten Revisionsrügen festzuhalten. Dass der Gefahrtarif 1998 und die Rechtsgrundlagen, auf denen er beruht, entgegen der nicht weiter begründeten Ansicht der Klägerin verfassungsgemäß ist, ergibt sich ebenfalls aus der soeben genannten Entscheidung (BSG, aaO jeweils RdNr 30 f).
Die Behauptung der Klägerin, der Gefahrtarif 1998 sei von der Vertreterversammlung der Beklagten nicht ordnungsgemäß gemäß § 33 Abs 1 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) beschlossen worden, weil die Verwaltung der Beklagten deren Vertreterversammlung vor der Beschlussfassung über den Gefahrtarif 1998 nicht ordnungsgemäß informiert habe, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Denn der Senat ist an die tatsächlichen Feststellungen des LSG gebunden, soweit nicht zulässige und begründete Revisionsrügen vorgebracht sind (§ 163 SGG). Das LSG hat festgestellt, es sei nicht erkennbar, dass die Vertreterversammlung vor der Beschlussfassung unvollständig oder unrichtig informiert worden sei, und für die entsprechende Behauptung der Klägerin ließen sich keine tatsächlichen Anknüpfungspunkte finden. Hinsichtlich dieser Feststellungen des LSG hat die Klägerin keine zulässige und begründete Verfahrensrüge vorgebracht, sondern nur ihre abweichenden Behauptungen zum Sachverhalt wiederholt.
Gegen die Gliederung des Gefahrtarifs 1998 und die Bildung der Gefahrtarifstellen 48 und 49 hat die Klägerin keine zulässige und begründete Revisionsrüge erhoben. Denn sie macht insofern keine Bedenken geltend mit Ausnahme des Vorbringens, bis Ende des Jahres 1997 sei für ca 20 % der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung mit ca 40 % der Arbeitnehmer, zu denen die Klägerin gehört habe, eine Herabsetzung der Gefahrklasse um 40 % erfolgt, weil diese bestimmte Kriterien der Beklagten erfüllt und ein Qualitätsmanagement-System vorgehalten hätten. Daher wäre es geboten gewesen, in dem neuen ab dem Jahr 1998 geltenden Gefahrtarif für diese Unternehmen aufgrund ihres wesentlich niedrigeren Gefährdungsrisikos eine eigene Gefahrtarifstelle zu bilden. Aus der früher erfolgten Herabsetzung der Gefahrklasse für einen Teil der von einer Gefahrtarifstelle umfassten Unternehmen folgt jedoch ebenso wenig wie aus den unterschiedlichen Tätigkeiten und Gefährdungsrisiken innerhalb dieses Gewerbezweiges ein Zwang für die Selbstverwaltung der Beklagten, diese zu unterteilen (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 19 f). Denn als autonom gesetztes objektives Recht (vgl § 157 SGB VII, §§ 33 ff SGB IV) ist der Gefahrtarif 1998 der Beklagten durch die Sozialgerichte nur daraufhin überprüfbar, ob er mit dem SGB VII und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar ist. Innerhalb des gesetzlichen Rahmens war der Beklagten bei der Aufstellung des Gefahrtarifs ein nicht zu eng bemessener Entscheidungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt. Die Prüfung, ob der Gefahrtarif die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Regelung trifft, ist nicht Aufgabe der Gerichte (BSG, aaO, jeweils RdNr 12). Im Übrigen ist zu beachten, dass die Herabsetzung der Gefahrklasse regelungssystematisch völlig andere Fragen betrifft als die Gliederung des Gefahrtarifs nach Gefahrtarifstellen (vgl zur Herabsetzung § 162 SGB VII sowie Urteil des Senats vom 5. Mai 2003 – SozR 4-2700 § 162 Nr 1).
Die von der Klägerin gegen die Berechnung der Gefahrklassen der Gefahrtarifstellen 48 und 49 erhobenen Rügen greifen nicht durch. Zwar sind die den jeweiligen Gefahrtarifstellen zuzuordnenden Gefahrklassen “aus dem Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten zu berechnen” (§ 157 Abs 3 SGB VII). Dass dies aber kein reiner Rechenakt ist, entspricht der bisherigen, vom Gesetzgeber (vgl BT-Drucks 13/2204 S 73, 110 ff) kodifizierten Praxis der Unfallversicherungsträger, die auch vom Bundessozialgericht (≪BSG≫ Urteil vom 18. Oktober 1994 – 2 RU 6/94 –, SGb 1995, 253 ff) gebilligt wurde (“kein bloßes Rechenwerk, sondern ein Zusammenfluss rechnerischer und wertender bzw gewichtender Faktoren” – “nicht nachrechenbar, wohl aber nachvollziehbar”). Aufgrund der eingeschränkten Überprüfungsbefugnis der Gerichte bei Gefahrtarifen (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 12) kann nicht jeder Fehler bei der Aufteilung der Lohnsummen oder Unfalllasten Beachtung finden, andererseits muss das Zahlenmaterial als solches gesichert sein. Entgegen dem Revisionsvorbringen wurden die Einwände gegen das der Berechnung zugrunde liegende Zahlenmaterial und vor allem die geänderte Definition der Gefahrtarifstellen in dem Urteil des Senats vom 24. Juni 2003 (BSGE 91, 128 = SozR 4-2700 § 157 Nr 1, jeweils RdNr 26 f) geprüft mit dem Ergebnis, dass sich das Berufungsgericht im damaligen Verfahren aufgrund seiner ausführlichen Würdigung des Zahlenmaterials nicht zu weiteren Beweiserhebungen gedrängt sehen musste. Auch vorliegend hat das LSG sich mit den in diesem Zusammenhang von der Klägerin geäußerten Bedenken gegen die Vorgehensweise der Beklagten ausführlich beschäftigt und nachvollziehbar dargelegt, wieso es keine Veranlassung für eine weitere Beweiserhebung sah.
Soweit die Klägerin weitere Ermittlungen zu den Grundlagen der Gefahrklassenberechnung vermisst und meint, das Berufungsgericht habe seine Pflichten aus § 103 SGG verletzt, kann ihr nicht gefolgt werden. Denn das Revisionsvorbringen gibt nichts dafür her, dass sich das LSG zu der beantragten Beweiserhebung hätte veranlasst sehen müssen. Durch die in Rede stehenden Ermittlungen sollte bewiesen werden, dass infolge falscher Zuordnung eines Teils der bei den Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung beschäftigen Arbeitnehmer für die Gefahrtarifstelle 49 eine erheblich zu hohe Gefahrklasse errechnet worden sei. Dieser Nachweis scheitert jedoch von vornherein an der Ungeeignetheit der benannten Beweismittel. Denn es ist nicht ersichtlich, wie durch ein Sachverständigengutachten, ein berufskundliches Gutachten, eine Auskunft der Bundesanstalt für Arbeit oder ein versicherungsmathematisches Gutachten bewiesen werden soll, wie viel Prozent der Beschäftigten der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung durch die geänderte Definition der Gefahrtarifstellen von der Gefahrtarifstelle 48 nun der Gefahrtarifstelle 49 zuzuordnen waren. Soweit die von der Beklagten insofern erhobenen Daten zugrunde gelegt werden, hat die Klägerin nicht dargelegt, wieso eines dieser Beweismittel zu nachvollziehbaren anderen Ergebnissen als die Beklagte kommen soll. Soweit die Klägerin meint, die Daten könnten heute neu erhoben werden, mangelt es an einer Darlegung, wieso eine Datenerhebung heute zu richtigeren Zahlen führen soll, als die von der Klägerin kritisierte zeitnähere Nacherhebung der Beklagten.
Nichts Anderes gilt für die Beweisanträge der Klägerin, die näheren Umstände der Nacherhebung der Beklagten aufzuklären mittels Einholung eines Sachverständigengutachtens durch Befragung der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung, hilfsweise durch Befragung derselben durch das Gericht sowie Vernehmung der Abteilungsleiterin Gefahrtarif der Beklagten. Bei einem Erfolg dieser Beweiserhebungen stände nach Auffassung der Klägerin fest, dass es zu falschen Zuordnungen von einer großen Anzahl von Beschäftigten gekommen sei, das Ergebnis der Nacherhebung unverwertbar geworden sei, die Berechnung der Gefahrklassen an einem schweren Fehler leide und nicht mehr nachvollziehbar sei. Dem kann so nicht gefolgt werden: Bei einer erfolgreichen Beweiserhebung stände zunächst höchstens die falsche Zuordnung einer Anzahl von Beschäftigten fest. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die von der Klägerin in ihrem Beweisantrag verwandten Begriffe “gewerbliche” und “kaufmännische” Gefahrtarifstelle nicht den Beschreibungen der umstrittenen Gefahrtarifstellen 48 und 49 des Gefahrtarifs 1998 der Beklagten entsprechen, wodurch die vom LSG berücksichtigten Schwierigkeiten bei der Zuordnung der Lohnsummen und der Nacherhebung der Beklagten eindrucksvoll belegt werden. Alle weiteren auf der Zuordnung der Lohnsummen aufbauenden Folgerungen, insbesondere zur Gewichtung möglicher Fehler, sind Fragen der Bewertung dieses zuvor genannten Ergebnisses, also Fragen der Beweiswürdigung, mit denen sich das LSG beschäftigt hat.
Zu dem weiteren Beweisantrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens, hilfsweise Vorlage der bei der Beklagten eingegangenen Fragebögen sowie Lohnsummenmeldungen der Unternehmen der gewerbsmäßigen Arbeitnehmerüberlassung wird schlicht ausgeführt, dass die Klägerin davon ausgeht, dass die Aussage eines Zeugen unrichtig war. Dies ist aber keine Darlegung, aufgrund der das LSG sich zu weiteren Beweiserhebungen hätte gedrängt sehen müssen, weil jegliche Begründung fehlt. Im Übrigen hat das LSG im Rahmen seiner Beweiswürdigung und unter Bezugnahme auf seine frühere Entscheidung vom 6. Februar 2002, die des Sächsischen LSG und die Beweiserhebung des SG Duisburg ausgeführt, dass die Gefahrklassenberechnung keine gravierenden, zu ihrer Fehlerhaftigkeit führenden Mängel ausweist. Gerade im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin, dass es sich bei der Erhebung des Zahlenmaterials um einen komplexen Vorgang handelte, hätte von ihr nachvollziehbar dargelegt werden müssen, auf welche Weise sichergestellt werden kann, dass die maßgeblichen Umstände der Wirklichkeit entsprechend rekonstruierbar sind, so dass ein darauf beruhendes Gutachten als geeignetes Beweismittel angesehen werden kann (vgl BSG SozR 3-1500 § 103 Nr 9). Zieht man in Betracht, dass eine heutige Befragung tendenziell keine besseren Ergebnisse als eine zeitnähere erbringen kann, so wird deutlich, dass heute noch weniger als zur Zeit der Nachbefragung der Beklagten im Jahr 1997 die Mängel einer derartigen Untersuchung nicht mehr mit der von der Klägerin für erforderlich gehaltenen Zuverlässigkeit behebbar sind. Insofern hat die Klägerin auch in der Revisionsbegründung keine weiterführenden Angaben gemacht.
Auf die hinsichtlich der konkreten Beitragshöhe aufgeworfenen Fragen zur Berücksichtung der so genannten Altlasten-Ost kommt es für die vorliegende Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Veranlagungsbescheides nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung.
Fundstellen