Beteiligte
…Kläger und Revisionsbeklagter |
…Beklagter und Revisionskläger |
Tatbestand
G r ü n d e :
I.
Streitig ist die Höhe eines Zinsanspruchs.
Der 1917 geborene Kläger ist im Oktober 1983 aus der DDR zugezogen. Auf seinen noch am 27. dieses Monats gestellten Antrag anerkannte das beklagte Land ua "Verlust des rechten Beins im Bereich des Oberschenkels" mit einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80% als Schädigungsfolge und bewilligte hierwegen Beschädigtenrente (Grund- und Ausgleichsrente sowie Berufsschadensausgleich) ab 1. Oktober 1983 im Betrag von zuletzt 892,-- DM monatlich (Bescheide des Versorgungsamts - VersorgA - K vom 1. Dezember 1983 und 10. Juli 1984). Nach Widerspruch gegen den letztgenannten Bescheid setzte das VersorgA mit Abhilfebescheid vom 4. März 1985 die Beschädigtenrente (Berufsschadensausgleich) rückwirkend ab 1. Oktober 1983 auf einen höheren Betrag - zuletzt 964,-- DM monatlich - fest, errechnete bis 30. April 1985 eine Nachzahlung von 1.225,-- DM sowie Zinsen nach § 44 des Ersten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB 1) im Betrag von 23,-- DM. Der Zinsberechnung legte sie "die vom Dezember 1983 bis April 1984 aufgelaufenen (Rest-)Nachzahlungsbeträge laut Bescheid (5 x 56) = 280,-- DM" zugrunde. Den gegen die Berechnung allein der Zinsen eingelegten Rechtsbehelf wies der Beklagte zurück (Widerspruchsbescheid des Landesversorgungsamts - LVersorgA - vom 17. Mai 1985).
Im Rechtsstreit hat das Sozialgericht (SG) den Beklagten unter Abänderung der streitigen Bescheide verpflichtet, "dem Kläger bei der Verzinsung auch die Versorgungsleistungen der Monate Oktober und November 1983 zu berücksichtigen" (Urteil vom 27. Januar 1986). In der angefochtenen Entscheidung vom 21. Juli 1986 hat das Landessozialgericht (LSG) die - zugelassene - Berufung des Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt, die in § 44 Abs 1 und 2 SGB 1 genannten Zeitpunkte legten allein fest, ab wann zu verzinsen sei, nicht dagegen - so sinngemäß - die Zeitpunkte für die Ermittlung des zu verzinsenden Betrags. Es sei nicht sachgerecht, wenn gerade die zuerst fälligen Beträge nicht, wohl aber die später fällig werdenden Leistungen verzinst würden. Wenn die Verzinsungszeitpunkte feststünden, seien die gesamten Nachzahlungsbeträge zu verzinsen.
Mit der vom LSG zugelassenen Revision bringt der Beklagte vor, § 44 Abs 1 SGB 1 enthalte zwei Fristen, nämlich zum einen die 6-Monats-Frist in Absatz 2, die nicht strittig sei, und zum anderen die Frist eines Kalendermonats in Absatz 1. Unter Berücksichtigung dieser zwingenden gesetzlichen Vorschrift beginne die Verzinsungspflicht nach Auffassung des Beklagten somit erst nach Ablauf eines vollen Kalendermonats nach dem Eintritt der Fälligkeit der Geldleistung. Die Leistung sei nach Sachlage mit dem Tag der rechtswirksamen Antragstellung am 27. Oktober 1983 fällig geworden. Das bedeute, daß die Verzinsungspflicht erst mit dem Ersten des übernächsten Monats beginne, also nicht mit dem Monat der Fälligkeit, sondern ab 1. Dezember 1983. Nachdem nur volle Kalendermonate zugrunde zu legen seien, unterliege auch der im November 1983 aufgelaufene Nachzahlungsbetrag nicht der Verzinsung. Erst der Nachzahlungsbetrag für den Monat Dezember 1983 könne verzinst werden. Die Mitberücksichtigung der Monate Oktober und November sei rechtswidrig, nachdem der Gesetzgeber diesen Zeitraum von der Verzinsung ausdrücklich ausgeschlossen habe.
Der Beklagte beantragt,
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1. |
das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. Juli 1986 aufzuheben und die Klage abzuweisen; |
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2. |
außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. |
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Der Kläger ist im Revisionsverfahren nicht durch einen beim Bundessozialgericht (BSG) zugelassenen Bevollmächtigten vertreten.
Beide Beteiligte haben erklärt, daß sie mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden seien (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Nach § 44 Abs 1 SGB 1 sind Ansprüche auf - einmalige oder wiederkehrende - Geldleistungen nach dem Eintritt ihrer Fälligkeit bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung mit 4% zu verzinsen. Indessen beginnt nach Absatz 2 aaO die Verzinsung ungeachtet einer schon eingetretenen Fälligkeit frühestens nach Ablauf von 6 Kalendermonaten nach Eingang des vollständigen Leistungsantrags beim zuständigen Leistungsträger. Da der Kläger beim Beklagten den Leistungsantrag nach § 1 Abs 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) am 27. Oktober 1983 gestellt hat, hat ihm der Beklagte die zuletzt mit dem Abhilfebescheid vom 4. März 1985 bereits ab 1. Oktober 1983 (Antragsmonat, § 60 Abs 1 BVG) bewilligte Beschädigtenrente (§§ 29 ff BVG) zutreffend ab 1. Mai 1984 verzinst; die Zeitspanne zwischen dem Leistungsantrag am 27. Oktober 1983 und dem 1. November 1983 umfaßt keinen - vollen - Kalendermonat iS des Gesetzes. Hierüber besteht kein Streit. Streitig ist dagegen unter den Beteiligten, welcher B e t r a g der dem Kläger vom Beklagten bewilligten Beschädigtenrente nach § 44 Abs 1 SGB 1 zu verzinsen ist, in welchem Umfang also die bis zum Ablauf des Kalendermonats vor der Zahlung aufgelaufene Beschädigtenrente des Klägers zu den zu verzinsenden "Ansprüchen auf Geldleistungen" nach § 44 Abs 1 SGB 1 gehört. Entgegen der Ansicht des Beklagten zählt hierzu der Anspruch des Klägers auf Beschädigtenrente nicht erst ab Dezember 1983, sondern bereits ab Rentenbeginn am 1. Oktober 1983.
Der Beklagte kann sich für seine Auffassung nicht auf § 44 Abs 1 SGB 1 berufen. Voraussetzung eines Zinsanspruchs ist, was keiner näheren Begründung bedarf, die Fälligkeit des Hauptanspruchs. Mit "Ansprüchen auf Geldleistungen" erwähnt § 44 Abs 1 SGB 1 deshalb allein, was G e g e n s t a n d der Verzinsung ist. Hierzu regelt oder definiert die Vorschrift nichts, sondern sie setzt voraus, daß nach dem materiellen Leistungsrecht des SGB - außerhalb des § 44 aaO - ein (Haupt-)Anspruch auf - einmalige oder wiederkehrende - Geldleistungen in bestimmter Höhe entstanden und fällig (§§ 41, 40 Abs 1 SGB 1), aber noch nicht gezahlt ist. Bei wiederkehrenden oder laufenden Geldleistungen (vgl § 58 Abs 1 SGB 1) entsteht das Stammrecht mit der Erfüllung der materiellrechtlichen Voraussetzungen für den ersten Einzelleistungsanspruch; die weiteren Einzelleistungsansprüche entstehen jeweils mit dem Beginn der Zeiträume, für die sie bestimmt sind (vgl zB Peters, SGB-AT, Stand: August 1986, § 44 Anm 5; Casselmann in Koch/Hartmann, Die Rentenversicherung im SGB, SGB-AT § 40 RdNr 2). Zugleich werden diese Ansprüche nach § 41 aaO fällig. Da der Kläger nach dem - insoweit nicht angegriffenen und deshalb bindenden - streitigen (Abhilfe-)Bescheid vom Beklagten Beschädigtenrente bereits ab 1. Oktober 1983 fordern kann, sind für die Zeit vom Eintritt der Verzinsungspflicht am 1. Mai 1984 bis zum Ablauf des Monats vor der Zahlung auch die dem Kläger für Oktober und November 1983 jeweils zustehenden Renten-Einzelleistungen als Rückstände aufgelaufen, also als "fällige Ansprüche auf Geldleistungen" iS des § 44 Abs 1 SGB 1 zu verzinsen.
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des LSG war daher unbegründet und zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
Fundstellen