Leitsatz (amtlich)
Die Beschränkung der Zuschüsse an Bauherrn auf Bauten des sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbaus durch den Verwaltungsrat der BA hält sich im Rahmen der Ermächtigung des AVAVG § 143a; sie verstößt nicht gegen GG Art 3.
Normenkette
AVAVG § 143a Abs. 1 Fassung: 1959-12-07, § 143n Abs. 2 S. 1 Fassung: 1959-12-07; GG Art. 3 Abs. 1 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen vom 24. Februar 1967 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin, eine Finanzierungsbank in H, beantragte am 30. Januar 1964, ihr einen Zuschuß zu den in der Schlechtwetterzeit entstandenen Mehrkosten für das Bauvorhaben in H, Pweg ..., zu gewähren. Mit Bescheid vom 17. Februar 1964 bewilligte die Beklagte den beantragten Zuschuß für die Zeit vom 30. Januar bis zum 31. März 1964 unter dem Vorbehalt der Anerkennung des Bauvorhabens als steuerbegünstigter Wohnungsbau. Hiergegen legte die Klägerin am 26. Februar 1964 "vorsorglich" Widerspruch ein; sie beantragte, den Zuschuß bereits vom 1. Dezember 1963 an zu gewähren und die Entscheidung über den Widerspruch bis zur Vorlage des Bescheides über die Anerkennung als steuerbegünstigtes Bauvorhaben auszusetzen.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Bescheid vom 24. März 1964 zurück, weil nach den Richtlinien des Verwaltungsrats zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft ein Zuschuß erst vom Tage der Antragstellung an gewährt werden könne. Hieran vermöge die Vorlage des Bescheides über die Anerkennung als steuerbegünstigtes Bauvorhaben nicht zu ändern, so daß die Entscheidung über den Widerspruch nicht ausgesetzt zu werden brauche.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin Klage erhoben. Sie beantragte nunmehr zusätzlich, die Beklagte zu verurteilen, den Zuschuß auch dann zu zahlen, wenn das Bauvorhaben nicht als steuerbegünstigt anerkannt werden sollte. Das Sozialgericht (SG) hat die Klage durch Urteil vom 24. Februar 1966 abgewiesen. Das Landessozialgericht (LSG) wies die zugelassene Berufung der Klägerin durch Urteil vom 24. Februar 1967 zurück: Das Bauvorhaben der Klägerin sei inzwischen nicht als steuerbegünstigt anerkannt worden, die Klägerin habe daher keinen Anspruch auf den begehrten Zuschuß. Der Verwaltungsrat der Beklagten sei durch den § 143a des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) und kraft der der Bundesanstalt als der zuständigen Körperschaft des öffentlichen Rechts gesetzlich eingeräumten Autonomie ermächtigt, aufgrund eigenen Rechts mit Wirkung gegen Dritte Bauzuschüsse zuzulassen. Diese Zulassung sei daher allgemein verbindlich und die SG könnten lediglich prüfen, ob sich die Zulassung im Rahmen der gesetzlichen Ermächtigung halte (im Gegensatz zu den aufgrund des § 143n AVAVG erlassenen Richtlinien, die interne Verwaltungsvorschriften seien und an welche die Gerichte nicht gebunden seien).
Dieses ihr gesetzlich eingeräumte Ermessen habe die Beklagte nicht überschritten. Nach dem Wortlaut des Gesetzes seien Einschränkungen möglich. Mit der Beschränkung auf den öffentlich geförderten sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau habe die Beklagte den Gleichheitsgedanken des Grundgesetzes (GG) nicht verletzt. Die Begünstigung bestimmter Bauvorhaben werde von objektiven Voraussetzungen abhängig gemacht. Die Beklagte habe ihr Ermessen auch nicht "unterschritten". Es bleibe ihr überlassen, im Rahmen der Ermächtigung zu entscheiden, durch welche Maßnahmen sich die Verwaltung eine Erleichterung ihrer finanziellen Belastung durch die Arbeitslosigkeit im Winter erhoffe und zugleich die finanziellen Bedenken und Vorurteile gegen den Winterbau abgebaut werden könnten.
Das LSG hat die Revision zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das Urteil Revision eingelegt. Sie rügt die Verletzung des § 143a AVAVG:
Die Richtlinien, die der Verwaltungsrat der Beklagten gemäß § 143n Abs. 2 AVAVG erlassen hat, seien nur als interne Dienstanweisungen anzusehen, der Zuschuß für das Bauvorhaben der Klägerin habe daher nicht mit dem Hinweis auf diese Richtlinien versagt werden dürfen. Da kraft Gesetzes nur die Bauten der öffentlichen Hand von der Förderung ausgenommen seien, folge daraus im Umkehrschluß, daß für alle sonstige Bauvorhaben Zuschüsse gewährt werden könnten. Wenn aber für den Winterbau im steuerbegünstigten Wohnungsbau generell Zuschüsse gewährt würden, zwinge der Gleichheitssatz dazu, nicht steuerbegünstigte private Bauvorhaben ebenfalls zu subventionieren. Der steuerbegünstigte Wohnungsbau sei, was das Bauen während der Schlechtwetterzeit anbetreffe, nicht förderungswürdiger als der nicht steuerbegünstigte Wohnungsbau. Daher sei die Beschränkung auf dem öffentlich geförderten Wohnungsbau ermessensfehlerhaft.
Die Klägerin beantragt,
das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Hannover vom 24. Februar 1964 sowie die Bescheide der Beklagten vom 17. Februar 1964 und 24. Februar 1967 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin den beantragten Winterbauzuschuß für das Bauvorhaben H, P.-weg ..., vom 1. Dezember 1963 an zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die zulässige Revision ist nicht begründet.
Zunächst bestehen keine Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage, auch soweit sie sich gegen die Ablehnung der Zuschüsse für den nicht steuerbegünstigten Wohnungsbau richtet. Denn der Bescheid der Beklagten ist im Widerspruchsverfahren nachgeprüft worden. Das Gesetz verlangt weder einen substantiierten Antrag noch eine Begründung des Widerspruches (Peters/Sautter/Wolff, Kom. zur SGb § 84 Anm. 4; Brackmann, Handbuch der SozVers S. 234a XVII). Deshalb ergreift im Zweifel ein Widerspruch alle Verfügungssätze des angefochtenen Verwaltungsaktes (vgl. BSG Urteil vom 28. Oktober 1965 - 8 RV 721/62 - in SozR SGG § 78 Nr. 49), d.h. vorliegend auch den Vorbehalt der Anerkennung als steuerbegünstigten Wohnungsbau. Wenn die Klägerin über die Erfordernisse eines Widerspruchs hinaus diesen teilweise (wegen des Beginns der gewünschten Zuschüsse) begründet hat, so kann daraus nicht geschlossen werden, daß sie damit ihren Widerspruch hat einschränken wollen. Vielmehr weist die Bitte der Klägerin, die Entscheidung über den Widerspruch bis zur Vorlage des Bescheides über die Anerkennung als steuerbegünstigter Wohnungsbau auszusetzen, darauf hin, daß sie im Falle einer Ablehnung des Antrages auf Anerkennung auch die Vorbehaltsklausel des Bewilligungsbescheides hat anfechten und in den Widerspruch einbezogen wissen wollen. Da somit eine Einschränkung des Widerspruchs fehlt, wird der erste Verwaltungsakt in vollem Umfange Gegenstand des Vorverfahrens und die Klägerin kann die Klage auch darauf stützen, der Zuschuß sei ihr ohne anerkannte Steuerbegünstigung zu gewähren.
In der Sache hat das LSG zu Recht entschieden, daß die Klägerin keinen Anspruch auf den Zuschuß nach § 143a AVAVG und nach den Richtlinien zur Förderung der ganzjährigen Beschäftigung in der Bauwirtschaft vom 16. September 1960 (ANBA 1960, 437) in der Fassung vom 30. Oktober 1963 (ANBA 1963, 581), jetzt 31. Juli 1964 (ANBA 1964, 419) hat. Mit den genannten Richtlinien hat der Verwaltungsrat der Beklagten von der ihm nach § 143a AVAVG eingeräumten Ermächtigung zur autonomen Rechtsetzung (vgl. BSG Urteil vom 17. Februar 1965 - 7 RAr 29/64 - in SozR AVAVG § 143b Bl. Ba 1 Nr. 1 und Draeger/Buchwitz/Schönefelder, Kom. z. AVAVG, 2. Aufl., § 143a, Anm. 2; Krebs, Kom. z. AVAVG § 143a, Anm. 2) Gebrauch gemacht, die Gewährung von Darlehen und Zuschüssen zu den durch das Bauen in der witterungsungünstigen Zeit (Schlechtwetterzeit) den Bauherren verursachten Mehrkosten zuzulassen, und festgelegt, wann und in welchem Umfange derartige Leistungen, auf die als "Kann"-Leistung kein Rechtsanspruch besteht, gewährt werden können. Diese Richtlinien regeln nicht nur die einheitliche Durchführung der bei der Förderung zu treffenden Ermessensentscheidungen und bewirken hierdurch gleichzeitig eine Selbstbindung der Verwaltung dahin, daß die Beklagte im Einzelfall nicht von diesen Richtlinien ohne besonderen begründeten Anlaß abweichen kann, sondern sie enthalten mit der Regelung der Zulassung nach § 143a AVAVG (Nr. 1 der Richtlinien) einen Akt autonomer Rechtsetzung (= Satzungsrecht). Sie müssen sich deshalb innerhalb der durch die Ermächtigung des § 143a AVAVG gezogenen Grenzen halten. Nur insoweit kann auch die Rechtswirksamkeit der Zulassung nachgeprüft werden (Draeger/Buchwitz/Schönefelder aaO; Krebs aaO).
Kraft Gesetzes ausdrücklich ausgenommen von der Förderung sind nur die Bauten der öffentlichen Hand (§ 143a Abs. 1 Satz 3 AVAVG). Neben dem Verbot von Doppelförderungen (Abs. 2) ist dies die einzige Einschränkung, die das Gesetz enthält. Damit umfaßt die gesetzliche Ermächtigung für die Winterbauförderung an sich alle privaten Bauten, unter die auch das Bauvorhaben der Klägerin einzureihen ist. Der Verwaltungsrat ist jedoch nicht verpflichtet, schlechthin alle Privatbauten zu fördern. Nach dem Wortlaut des § 143a AVAVG ("kann ... zulassen") bleibt es gerade der Ermessensentscheidung des Verwaltungsrats überlassen, in welcher Weise er den Winterbau fördern und gegebenenfalls welche Privatbauten er in diese Förderung einbeziehen will. Er braucht die gesetzliche Ermächtigung nicht voll auszuschöpfen und kann aus den verschiedenen Förderungsmöglichkeiten diejenigen auswählen, die er für sachgemäß und zweckentsprechend hält. Er darf demnach die Gewährung von Zuschüssen an private Bauherren auf den öffentlich geförderten sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau beschränken. Das ihm eingeräumte Ermessen muß der Verwaltungsrat allerdings fehlerfrei ausüben, d.h. die Ausübung muß auf sachgebotenen Motiven beruhen; es muß insbesondere den Gleichbehandlungsgrundsatz berücksichtigen (vgl. statt vieler Forsthoff, Lehrbuch des VerwR, 9. Aufl., S. 91 ff). Ob und welche Gründe sachbezogen sind, läßt sich an den Zielen und dem Zweck der gesetzlichen Regelung der §§ 143a ff AVAVG messen. Nach der amtlichen Begründung (BT-Drucksache III/1240/1959 S. 9/10) soll "einerseits die winterliche Arbeitslosigkeit beseitigt und andererseits das Bauvolumen durch die Ausdehnung der Bausaison auf die Wintermonate erweitert werden. Durch die Förderung soll insbesondere für den Wohnungsbau ein Anreiz geschaffen werden, weil etwaige Mehrkosten in angemessenem Umfange aufgefangen werden". Daß die Zuschüsse für den öffentlich geförderter Wohnungsbau, der einen beachtlichen Teil des Baumarktes ausmacht, geeignet sind, das Bauvolumen zu erweitern und die winterliche Arbeitslosigkeit herabzusetzen, ist von der Klägerin selbst nicht in Zweifel gezogen worden. Zudem entspricht die Förderung des öffentlich geförderten sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbaues dem in der amtlichen Begründung ausdrücklich genannten Ziel, für den Wohnungsbau einen Anreiz zu schaffen.
Die Beschränkung auf dem öffentlich geförderten Wohnungsbau verletzt nicht den Gleichheitsgrundsatz. Dieser verbietet dem Gesetzgeber und der normgebenden Exekutive, wesentlich Gleiches willkürlich ungleich und wesentlich Ungleiches willkürlich gleich zu behandeln (Leibholz/Rinck, GG-Kom., 2. Aufl., Art. 3 Anm. 9). Dieser Grundsatz gilt auch für die Rechtsetzung autonomer Körperschaften, weil einmal autonomes Recht ebenfalls Recht im materiellen Sinne ist, zum anderen der Gleichheitssatz alle drei Funktionsbereiche der öffentlichen Hand bindet (Mangold/Klein, Das Bonner GG 1957, Art. 3, Anm. III/1, S. 198). Der rechtsschöpfende Spielraum endet erst dort, wo ein einleuchtender Grund für die Differenzierung fehlt, d.h. wo Leistungen nach unsachlichen Gesichtspunkten verteilt werden (Leibholz/Rinck aaO Anm. 10).
Der öffentlich geförderte Wohnungsbau kommt in der Regel einem Personenkreis zugute, der als Eigentümer oder Mieter nicht oder kaum in der Lage ist, zusätzliche Mehrkosten zu tragen. Wenn die Verwaltung aus solchen Erwägungen heraus den Schluß zieht, daß der freifinanzierte Wohnungsbau allgemein keiner zusätzlichen finanziellen Stütze bedarf (vgl. dazu Jauttner in ABA 1959, 270), so ist das sachbezogen und nicht zu beanstanden. Ob eine solche Lösung die zweckmäßigste ist oder eine andere mehr erwünscht sein kann (z.B. die Förderung volkswirtschaftlich wertvoller Bauten ohne Rücksicht darauf, wer der Bauherr ist), unterliegt nicht der gerichtlichen Nachprüfung.
Damit ist die vom Verwaltungsrat der Beklagten nach § 143a AVAVG ausgesprochene Zulassung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten sozialen und steuerbegünstigten Wohnungsbau gerechtfertigt. Da die Klägerin die Anerkennung als steuerbegünstigtes Bauvorhaben nicht erreicht hat, ist die aufschiebende Bedingung des Bescheides nicht eingetreten, so daß die Zahlung eines Zuschusses gemäß § 143a AVAVG an die Klägerin entfällt.
Die Revision muß daher als unbegründet zurückgewiesen werden.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nach § 193 SGG nicht zu erstatten.
Fundstellen