Entscheidungsstichwort (Thema)

Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitsentgelt und einmaliger Zuwendung

 

Leitsatz (amtlich)

Vertraglich und tarifrechtlich nicht gesicherte Bezüge, die nicht in ständiger Wiederholung gezahlt werden und deren Höhe und Fälligkeit nicht von vornherein feststeht, sind einmalige Zuwendungen iS des AVAVG § 90 Abs 3 S 3.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitsentgelt und einmaliger Zuwendung:

Sonderzahlungen im privaten Bankgewerbe, die neben dem tariflichen Jahresgehalt von 13 1/2 Monatsgehältern gewährt werden, sind auch dann kein laufendes Arbeitsentgelt, sondern einmalige Zuwendungen iS von RVO § 160 Abs 3 und AVAVG § 90 Abs 3 S 3, wenn sie zusammen mit den zusätzlichen (tariflichen) drei halben Monatsgehältern zur Auszahlung kommen.

 

Normenkette

AVAVG § 90 Abs. 1 Fassung: 1959-12-07, Abs. 3 S. 3 Fassung: 1959-12-07; RVO § 160 Abs. 3

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. April 1965 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I

Die Klägerin war bis zum 31. Dezember 1960 als Stenotypistin bei der Geschäftsstelle K eines Frankfurter Bankunternehmens beschäftigt. Am 2. Januar 1961 meldete sie sich arbeitslos und beantragte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg). Ihrer Arbeitsbescheinigung nach hatte sie einen Gehaltsanspruch von monatlich 506,- DM brutto. Tariflich standen der Klägerin zusätzlich 1 1/2 Monatsgehälter im Jahr zu. Außerdem hatte die Bank - wie bereits in früheren Jahren - 1960 freiwillige Leistungen in Höhe eines Monatsgehaltes, ausgezahlt im April und November je zur Hälfte, gewährt.

Das Arbeitsamt legte der Berechnung des Alg insgesamt 13 1/2 Monatsgehälter zugrunde und bewilligte das danach zustehende Alg nach einem wöchentlichen Einheitslohn von 131 DM (das entspricht einem Alg von 54,90 DM wöchentlich, 9,15 DM täglich) für 234 Wochentage. Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch; auch die freiwillige Leistung in Höhe eines weiteren Monatsgehaltes müsse der Berechnung des Arbeitslosengeldes zugrunde gelegt werden. Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Mai 1961 (ergänzt durch eine vervollständigte Rechtsbehelfsbelehrung vom 15. Juni 1961) wies die Beklagte die Einwendungen der Klägerin zurück; die freiwillige Leistung bleibe als einmalige Zuwendung nach § 90 Abs. 3 Satz 3 des Gesetzes über Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung (AVAVG) außer Betracht. Mit ihrer Klage hatte die Klägerin keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts - SG - Karlsruhe vom 24. Juni 1963). Die zugelassene Berufung wurde vom Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg zurückgewiesen (Urteil vom 28. April 1965). Es führte im wesentlichen aus: Die außer dem tariflichen Jahresgehalt von 13 1/2 Monatsbezügen gewährte weitere Zahlung der Bank sei eine einmalige Zuwendung i.S. von § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG. Diese freiwillige Leistung, die im Jahre 1960 im April und November mit jeweils einem halben Monatsgehalt gezahlt worden sei, unterscheide sich erheblich von dem sogenannten "13. Monatsgehalt" (genauer 13 1/2), das tariflich abgesichert sei. Im Gegensatz dazu bestehe auf diese Sonderzahlungen keinerlei tariflicher oder vertraglicher Rechtsanspruch. Es handele sich hierbei nicht um ein weiteres Monatsgehalt, sondern um zwei Sonderzahlungen, die nur zusammen der Höhe nach einem Monatsgehalt entsprächen. Sie seien lediglich aus Zweckmäßigkeitsgründen gleichzeitig mit den tariflichen Zahlungen im April und November 1960 geleistet worden. Diese beiden Sonderzahlungen hätten auch nicht anteilsmäßig zugestanden, wenn ein Arbeitnehmer vor Jahresende ausgeschieden oder das Arbeitsverhältnis gekündigt war. Sie gehörten nicht zum laufenden Arbeitseinkommen und müßten nach alledem als einmalige Zuwendungen bei der Berechnung des Alg unberücksichtigt bleiben.

Die Revision wurde zugelassen.

Die Klägerin hat Revision eingelegt und (sinngemäß) beantragt,

das angefochtene Urteil und das Urteil des SG Karlsruhe vom 24. Juni 1963 aufzuheben sowie die Beklagte unter Abänderung der Verfügung vom 16. Januar 1961 und unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18. Mai 1961 zu verurteilen, das Alg nach einem Monatseinkommen von 611,40 DM zu berechnen.

In ihrer Revisionsbegründung hat die Klägerin Verletzung des § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG sowie des § 160 Abs. 3 der Reichsversicherungsordnung (RVO) gerügt und im wesentlichen ausgeführt: Die freiwilligen Sonderzahlungen der Bank gehörten ihrem Wesen nach ebenfalls zum laufenden Arbeitseinkommen und seien daher anteilsmäßig (1/12) beim Bemessungsentgelt für das Alg zu berücksichtigen, auch wenn sie jährlich nicht auf einmal, sondern in zwei Raten gleichzeitig mit den tariflichen Leistungen im April und November ausgezahlt wurden. Es widerspreche Wortsinn und Sprachgebrauch, alsdann von einer einmaligen Zuwendung zu reden. Nicht auf die Bezeichnung dieser Zahlungen komme es an, sondern darauf, daß sie als Gegenleistung für die Dienste der Klägerin gemeint waren und deshalb Entgelt i.S. des § 160 Abs. 1 RVO darstellten. Zusätzliche Leistungen des Arbeitgebers seien aber auch dann Entgelt, wenn weder eine gesetzliche noch eine vertragliche Leistungspflicht hierfür bestehe.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Zweck des § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG sei, im Vergleich zum durchschnittlichen wöchentlichen oder monatlichen Arbeitsentgelt eine unverhältnismäßig hohe Bemessungsgrundlage für das Alg auszuschließen, wenn einmalige Zuwendungen gerade in den kurzen Bemessungszeitraum fallen. Damit solle auch etwaigen Manipulationen beim Abgang (Ausscheiden) von Arbeitnehmern vorgebeugt werden. Bei den Zahlungen an die Klägerin im April und November 1960 handele es sich nicht um ein weiteres Gehalt, sondern um zwei getrennte freiwillige Sonderzahlungen, unabhängig vom regelmäßig wiederkehrenden Arbeitsentgelt, deren jede für sich eine einmalige Zuwendung i.S. des § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG darstelle. Eine Umlegung auf 12 Monate sei nicht möglich, weil ein anteilsmäßiger monatlicher Anspruch nicht bestanden habe.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zugelassene Revision ist form- und fristgerecht eingelegt sowie (nach Fristverlängerung) begründet worden. Sie ist daher zulässig, konnte jedoch sachlich keinen Erfolg haben.

Die Berechnung des Alg ist in § 90 AVAVG geregelt. Nach Abs. 1 bemißt sich der Hauptbetrag des Alg nach dem im Bemessungszeitraum in der Arbeitsstunde durchschnittlich erzielten Arbeitsentgelt, vervielfacht mit der Zahl der Arbeitsstunden, die sich als Durchschnitt der tariflichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit der Beschäftigungsverhältnisse im Bemessungszeitraum ergibt. Das nach Monaten bemessene Arbeitsentgelt wird nach der Berechnungsformel des Abs. 3 der Grundlage des Abs. 1 entsprechend umgerechnet. Einmalige Zuwendungen bleiben außer Betracht (§ 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG).

Als einmalige Zuwendungen i.S. dieser Vorschrift (und zugleich auch i.S. des § 160 Abs. 3 RVO) sind die beiden Sonderzahlungen des Bankinstitutes an die Klägerin in Höhe je eines halben Monatsgehaltes im April und November 1960 zu bewerten. Zwar definieren weder § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG noch § 160 RVO unmittelbar den Begriff "einmalige Zuwendung". Die amtliche Begründung zu § 5 des Gesetzes über die Änderung einiger Vorschriften der Reichsversicherungsordnung vom 23. Dezember 1936 (RGBl I S. 1128), durch den der Abs. 3 dem § 160 RVO hinzugefügt wurde, nennt jedoch als einmalige Zuwendungen "Gewinnanteile, Gratifikationen und ähnliche Bezüge, die nicht in jedem Monat zu erwarten sind" (vgl. auch AN 1937, 4 sowie die Komm. zum AVAVG: Draeger/Buchwitz/Schönefelder, § 90 Anm. 4 und Krebs, § 90 Anm 10). Diesen Beispielen zufolge sind unter "einmaliger Zuwendung" Leistungen zu verstehen, die nach Art und Anlaß nicht zum laufenden Arbeitsentgelt gehören. Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat in seiner Rechtsprechung (vgl. BSG 16, 91 ff) bereits entschieden, daß Bezüge, "die ihrem Wesen nach nicht zum laufenden Arbeitslohn gehören", zu den einmaligen Bezügen zu rechnen sind; es hat hiervon allerdings die den Bankangestellten nach den Tarifverträgen für das private Bankgewerbe gezahlten "drei halben Monatsgehälter" (das sogenannte 13. Monatsgehalt), auf die ein tarifrechtlicher Anspruch besteht, ausgenommen.

Im Unterschied zu diesen tariflich verankerten drei halben Monatsgehältern ist jedoch auf die beiden Sonderzahlungen im Falle der Klägerin, wie das LSG bindend festgestellt hat (§ 163 SGG), kein Rechtsanspruch erwachsen.

Die Bezeichnung als "einmalige freiwillige Sonderzahlung" wäre für sich allein freilich nicht ausschlaggebend. Als weitere Wesensmerkmale einer einmaligen Zuwendung haben zu gelten, daß es sich um "nicht in ständiger Wiederholung zu zahlenden Bezüge, die den Arbeitnehmern in der Regel aus besonderen Anlässen gewährt werden und vielfach der Höhe nach nicht von vornherein bestimmt sind, ferner auch Bezüge, deren Fälligkeit nicht feststeht" (vgl. BSG 16, 95) handelt. Diese Wesensmerkmale treffen - im Gegensatz zu dem 13. Monatsgehalt - auf die beiden freiwilligen Sonderzuwendungen der Bank zu. Nach den tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) hängt deren Zahlung davon ab, daß der Bankvorstand sie für jedes Jahr neu genehmigt. Jene jährliche Genehmigung deutet darauf hin, daß die Leistung nur bei gutem Geschäftsergebnis gezahlt werden und im Zusammenhang mit dem Ausschluß eines Rechtsanspruchs die Möglichkeit erhalten bleiben soll, die Sonderzahlung unter Umständen auch nicht zu gewähren. Selbst wenn diese Vorbehalte in der Regel kaum aktuell werden - in mehreren Jahren zuvor war hintereinander gezahlt worden -, so bedeutet die Möglichkeit, diese Sonderzahlungen wieder einzustellen, nichts anderes, als daß die Leistung nicht bedingungslos in ständiger Wiederholung gewährt wird. Wie sich aus den unangefochtenen Feststellungen des LSG ferner ergibt, lagen beiden (freiwilligen) Sonderzahlungen jeweils besondere Anlässe zugrunde. Im April stand neben dem Gesichtspunkt eines einmaligen zusätzlichen Arbeitsentgelts auch der Gesichtspunkt der Gewinnbeteiligung, wenngleich er hinter ersterem in seiner Bedeutung zurücktrat. Die freiwillige Sonderzahlung im November wurde als sogenannte Weihnachtsgratifikation bewirkt. Wenn die beiden Sonderzahlungen im April und November je auf ein halbes Monatsgehalt bemessen und zugleich mit den tariflichen Monatsgehältern ausgezahlt wurden, obschon sie von dem alljährlichen Beschluß des Vorstandes abhängig und in der Höhe nicht von vornherein festgelegt waren, so ist darin nur ein vereinfachter Rechnungs- und Zahlungsmodus zu erblicken. Ihr Charakter als einmalige Zuwendungen wurd hierdurch nicht verändert. Überdies stand grundsätzlich die Sonderzahlung anteilsmäßig nicht zu, wenn ein Arbeitsnehmer vor Ablauf des Jahres ausschied oder wenn das Arbeitsverhältnis im Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung bereits gekündigt war.

Nach alledem sind die Sonderleistungen des Bankunternehmens an die Klägerin keine in ständiger Wiederholung zu zahlenden Bezüge und damit kein laufendes Arbeitsentgelt, das auf 12 Kalendermonate aufzuteilen wäre. Sachlich und rechtlich handelt es sich vielmehr hierbei - unbeschadet potentieller Entgelteigenschaft von Fall zu Fall- um zwei einmalige Zuwendungen i.S. von § 90 Abs. 3 Satz 3 AVAVG. Als solche müssen sie jeweils für die Bemessung des Alg außer Betracht bleiben.

Deshalb ist die Revision der Klägerin als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI926695

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