Leitsatz (redaktionell)

1. Nach dem 1945-05-08 war es noch möglich, für Zwecke der Wehrmacht Dienst zu leisten (hier: Dienst einer Ordensschwester in einem Lazarett für deutsche Soldaten).

2. Für die "Veranlassung" iS des BVG § 3 Abs 1 Buchst b genügen auch formlose Weisungen und Aufträge, deren Grundlage ein irgendwie geartetes Unterordnungsverhältnis bildet. Zu fordern ist jedoch, daß der Anstoß zum Einsatz einer Zivilperson bei der Wehrmacht letztlich auf eine hoheitliche Weisung eines militärischen Befehlshabers zurückzuführen ist und daß der Herangezogene bei seiner Dienstleistung der hoheitlichen Verfügungsgewalt eines militärischen Befehlshabers unterstand.

 

Orientierungssatz

Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen der Dienst einer Ordensschwester in einem Lazarett als für "Zwecke der Wehrmacht geleisteter freiwilliger oder unfreiwilliger Dienst" und durch eine militärische Dienststelle "veranlaßt" anzuerkennen ist (BVG § 3 Abs 1 Buchst b).

 

Normenkette

BVG § 3 Abs. 1 Buchst. b Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. November 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Klägerin seit dem 1. Mai 1964 eine Beschädigtenrente nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zusteht. Dem Rechtsstreit liegen folgende tatsächliche Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG) zugrunde:

Die im Jahre 1900 geborene Klägerin, welche dem Dominikanerinnenorden angehört, war in der Zeit von August 1943 bis Oktober 1946 im Lazarett Z als Hausschwester tätig. Das Lazarett unterstand dem Wehrkreis VII und war im Missionshaus der Weißen Väter untergebracht. Der den Weißen Vätern angehörende Pater B war als Lazarettverwalter eingesetzt. Er wandte sich, als das Lazarett Pflege- und Arbeitspersonal benötigte, an den Chefarzt des Reservelazaretts M; dieser verwies ihn an das Dominikanerinnenkloster St. M in V, dem die Klägerin angehörte. Nachdem der zuständige Erzbischof dem Einsatz von Ordensschwestern im Lazarett Z zugestimmt hatte, wurde u.a. auch die Klägerin von ihrem Mutterhaus nach dort entsandt. Sie wurde im Lazarett mit Reinigungs- und Gartenarbeiten beschäftigt. Nach Auflösung des Lazaretts kehrte die Klägerin im Oktober 1946 in ihr Mutterhaus zurück.

Im Mai 1964 beantragte die Klägerin die Gewährung von Versorgung nach dem BVG wegen einer erstmals 1948 bei ihr festgestellten Lungentuberkulose, welche dadurch entstanden sei, daß von Ende 1945 bis Anfang August 1946 in Z aus der französischen Kriegsgefangenschaft entlassene, an Tuberkulose erkrankte deutsche Soldaten gepflegt worden seien. Obgleich nach lungenfachärztlicher Beurteilung des Oberregierungsmedizinalrats Dr. T die bei der Klägerin vorliegende Krankheit auf eine Infektion bei der Betreuung der deutschen Soldaten in der Zeit von Ende 1945 bis August 1946 zurückzuführen ist, lehnte die Versorgungsbehörde den Antrag mit der Begründung ab, die Klägerin habe in Z weder militärischen noch militärähnlichen Dienst im Sinne der §§ 1 bis 3 BVG geleistet (Bescheid vom 1.6.1965; Widerspruchsbescheid vom 1.3.1967). Das folgende Klageverfahren wurde durch einen Vergleich beendet, in dem sich der Beklagte zu einer neuen Prüfung und Bescheidung des Antrags der Klägerin verpflichtete. Die daraufhin angestellten weiteren Ermittlungen des Beklagten ergaben, daß die Klägerin als Haus- bzw. Arbeitsschwester von dem Lazarettverwalter Pater B eine Dienstvergütung erhalten hat, während die in der Krankenpflege und in der Verwaltung tätigen Ordensschwestern von der Heeresstandortkasse L besoldet wurden. Die Klägerin besaß auch im Gegensatz zu den Pflegeschwestern kein von der Wehrmachtsverwaltung ausgestelltes Verwendungsbuch.

Mit Bescheid vom 13. Februar 1969 und Widerspruchsbescheid vom 16. April 1969 lehnte die Versorgungsverwaltung den Antrag mit ähnlicher Begründung wie zuvor erneut ab. Die dagegen erhobene Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben (Urteil des Sozialgerichts Regensburg vom 5. August 1969; Urteil des Bayer. LSG vom 12. November 1970). Zur Begründung führte das LSG aus, der Auffassung des Beklagten, daß die Klägerin keinen militärähnlichen Dienst i.S. der Vorschriften des BVG geleistet habe, sei zuzustimmen. § 3 Abs. 1 b BVG sei nicht einschlägig, weil die Klägerin im Lazarett Zaitzkofen nicht auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers Dienst geleistet habe; sie sei dort vielmehr auf Grund einer Bitte des Lazarettverwalters Pater B von ihrem Mutterhaus eingesetzt gewesen.

Selbst wenn man aber die Abordnung der Klägerin nach Zaitzkofen dennoch als von einem militärischen Befehlshaber veranlaßt ansehen wollte, so scheide ein Versorgungsanspruch hier jedenfalls deshalb aus, weil in der Zeit nach dem 8. Mai 1945, in der sich die Klägerin nach ärztlicher Auffassung an Tuberkulose infiziert habe, ein militärähnlicher Dienst nicht mehr habe geleistet werden können. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die deutsche Wehrmacht bereits mit dem Tage der Kapitulation am 8. Mai 1945 als aufgelöst zu betrachten sei. Jedenfalls habe die Veranlassung einer Militärdienststelle zur Dienstleistung mit diesem Tag ihre Wirkung verloren. Die aus alliierter Kriegsgefangenschaft entlassenen deutschen Soldaten seien nach der Kapitulation nicht mehr für Zwecke der Wehrmacht betreut worden. Auch § 3 Abs. 1 f BVG sei nicht erfüllt, weil die Klägerin erst nach Beendigung des Krieges erkrankt sei und im Lazarett Z nicht zum Krankenpflegepersonal gehört habe, sondern zu Reinigungs- und Gartenarbeiten eingesetzt gewesen sei. Weiterhin seien die Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 k BVG nicht gegeben, weil die Klägerin nicht auf Grund der Notdienstverordnung vom 15. Oktober 1938 für die Arbeit im Lazarett dienstverpflichtet, sondern von ihrem Mutterhaus dafür zur Verfügung gestellt worden sei. Ein Anspruch auf Versorgung aus den in § 3 Abs. 2 BVG genannten Gründen scheitere daran, daß die Klägerin in keinem arbeitsrechtlichen Verhältnis zur Deutschen Wehrmacht gestanden habe. Schließlich sei die Klägerin auch keiner mit dem 2. Weltkrieg im Zusammenhang stehenden besonderen Besetzungsgefahr erlegen, wenn sie sich in den Jahren 1945/46 durch die Betreuung deutscher Kriegsgefangener infiziert habe.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 3 Abs. 1 b BVG. Ihr Einsatz im Lazarett Zaitzkofen sei letztlich auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers erfolgt, weil das Lazarett dem Wehrkreis VII unterstanden habe und der Lazarettverwalter Pater B nur im Auftrag oder als Mittler der Wehrkreisverwaltung gehandelt haben könne. Die Deutsche Wehrmacht sei nicht mit dem Stichtag des 8.5.1945 untergegangen, sondern erst durch das Kontrollratsgesetz Nr. 34 vom 20.8.1946 aufgelöst worden. Daß die Patienten, an denen sie sich angesteckt habe, aus französischer Kriegsgefangenschaft entlassene deutsche Soldaten gewesen seien, ändere nichts an dem militärähnlichen Dienst des Pflegepersonals nach dem Zusammenbruch. Entscheidend sei, daß die Dienstleistung der Klägerin bis August 1946 in einem Lazarett der Wehrmacht erbracht worden sei.

Die Klägerin beantragt,

die Urteile der Vorinstanzen sowie die angefochtenen Bescheide des Beklagten aufzuheben und diesen zu verurteilen, die bei ihr bestehende Lungentuberkulose als Schädigungsfolge im Sinne der Entstehung anzuerkennen und dafür ab 1. Mai 1964 Rente nach einer MdE um 50 v.H. zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das Urteil des LSG für zutreffend.

II

Die zugelassene sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Ziff.1, 164, 166 SGG); sie führte zu einer Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG.

Dem LSG ist insoweit zu folgen, als es einen Versorgungsanspruch der Klägerin i.S. des § 1 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 BVG idF des Zweiten und Dritten Neuordnungsgesetzes vom 21.2.1964 (BGBl.I, 85) und 28.12.1966 (BGBl. I, 750) auf Grund einer durch unmittelbare Kriegseinwirkung hervorgerufenen Schädigung verneint hat. Weder die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 d BVG noch die des § 5 Abs. 1 e BVG, die hier allenfalls in Betracht kommen könnten, sind erfüllt. Durch § 5 Abs. 1 d BVG werden schädigende Vorgänge geschützt, die infolge einer mit der militärischen Besetzung Deutschlands zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind. Ein anzuerkennender Schädigungstatbestand in diesem Sinne setzt somit eine Gefahrenquelle voraus, die charakteristisch für den Zustand der militärischen Besetzung Deutschlands in und nach dem zweiten Weltkrieg gewesen ist (vgl. BSG 8, 203, 205; 12, 13, 15). Daher scheiden als besondere Gefahren von vornherein solche Umstände aus, die ihrer Art nach in ähnlicher Weise hätten eintreten können, wenn das Deutsche Reich nicht besetzt gewesen wäre (vgl. BSG 6, 294, 296; 12, 15). Um eine solche rechtlich unbeachtliche Gefahr handelt es sich aber bei der von der Klägerin behaupteten Lage im Lazarett Zaitzkofen in den Jahren 1945/46. Auch ohne die militärische Besetzung Deutschlands wäre eine Betreuung der aus dem Krieg heimkehrenden deutschen Soldaten in Krankenhäusern erforderlich gewesen, so daß sich die Klägerin in diesem Fall in gleicher Weise hätte anstecken können. Aus ähnlichen Gründen scheitert auch eine Anwendung des § 5 Abs.1e BVG. Danach gelten nachträgliche Auswirkungen kriegerischer Vorgänge als unmittelbare Kriegseinwirkung, wenn sie einen kriegseigentümlichen Gefahrenbereich hinterlassen haben. Von einem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich kann aber da nicht die Rede sein, wo die Schädigung auf einer Gefahrenquelle beruht, die keine Verbindung mit dem typischen Kriegsgeschehen aufweist (vgl. BSG 6, 102; 7, 183, 185). Unabhängig davon, ob die Erkrankung der in Zaitzkofen eingelieferten deutschen Soldaten an Tuberkulose auf kriegerische Vorgänge zurückzuführen ist, handelt es sich dabei doch um keine typische Kriegsgefahr. Die Tuberkulose ist vielmehr eine Krankheit, die auch in Friedenszeiten auftritt und auf verschiedenste Entstehungsgründe zurückgehen kann (vgl. dazu Goetz, Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Versorgungswesen, 1965, S. 79, 80). Die Klägerin ist daher im Lazarett Zaitzkofen keinem kriegseigentümlichen Gefahrenbereich ausgesetzt gewesen.

Es kommt somit nur darauf an, ob sich die Klägerin die behauptete Schädigung durch militärähnlichen Dienst i.S. des § 3 BVG zugezogen hat. Soweit das LSG dies auf Grund des § 3 Abs. 1 Buchstaben f und k BVG sowie des Abs. 2 dieser Vorschrift verneint hat, ist die angefochtene Entscheidung frei von Rechtsirrtum. Nach § 3 Abs. 1 f BVG gilt als militärähnlicher Dienst der Dienst des Personals der freiwilligen Krankenpflege im Kriege. Es kann dahingestellt bleiben, ob unter Kriegszeit i.S. dieser Vorschrift noch die nach der Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8.5.1945 liegende Zeit zu verstehen ist, was das LSG nicht angenommen hat (vgl. zur Beendigung des 2. Weltkrieges Berber, Lehrbuch des Völkerrechts, Bd. II, 2, Aufl. S. 99 ff, insbesondere S. 102). Entscheidend ist in diesem Zusammenhang vielmehr der Umstand, daß die Klägerin im Lazarett Z mit Garten- und Reinigungsarbeiten beschäftigt und damit nicht im eigentlichen Sanitätsdienst tätig war, so daß sie nicht dem Personal der freiwilligen Krankenpflege zugerechnet werden kann. Das im Sanitätsdienst der Wehrmacht tätige Pflegepersonal erhielt bei Dienstbeginn einen Ausweis des Oberkommandos der Wehrmacht sowie ein sogen. Verwendungsbuch und war damit nach außen hin in besonderer Weise gekennzeichnet (vgl. dazu Ziff. 9 der H Dv 182 vom 24.10.1943, abgedr. bei Absolon, Fraueneinsatz im Kriege, 1. Teil Abschn. B (bearbeitet im Personenstandsarchiv II des Landes Nordrhein-Westfalen, Kornelimünster), S. 24, 27; vgl. auch Rundschreiben des BMA vom 15. Mai 1968, BVBl. 1968, 85). Ein solches Verwendungsbuch hat aber die Klägerin nach den Feststellungen des LSG als Arbeits- bzw. Hausschwester nicht erhalten.

Auch § 3 Abs. 1 k BVG scheidet für die Klägerin als Anspruchsgrundlage aus, weil sie nach den Feststellungen des LSG nicht auf Grund der Notdienstverordnung vom 15.10.1938 zur Dienstleistung herangezogen worden ist. Das wird von der Revision nicht bestritten. Das Pflege- und Arbeitspersonal in Lazaretten war auf Grund unterschiedlicher Rechtsgrundlage eingesetzt, wobei die Notdienstverpflichtung nur eine unter mehrerem Formen der Heranziehung darstellt (vgl. BMA in BVBl. 1968, 85).

Schließlich liegen auch die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 BVG im Falle der Klägerin nicht vor, weil nach den Feststellungen des LSG kein arbeitsrechtliches Verhältnis zwischen ihr und der Wehrmacht begründet worden ist, sie also nicht aufgrund eines Arbeitsvertrages oder einer Dienstverpflichtung nach den VOen vom 13.2.1939 und 2.3.1939 die zu einem Arbeitsvertrag mit der Wehrmacht führte, Dienst geleistet hat (vgl. dazu BSG 12, 106 ff, 108). Nach einer Verfügung des OKH vom 23.9.1941 - B 25 f - VA/Ag V 1/V 8 (I/3) (abgedr. bei Absolon, aaO, S. 31) erfolgte der Einsatz der in Lazaretten beschäftigten katholischen Mutterhausschwestern in keinem arbeitsrechtlichen Verhältnis zum Heer. Die Schwestern blieben vielmehr Angehörige ihrer Mutterhäuser. Das zwischen den Schwestern und den Mutterhäusern begründete Treueverhältnis wurde durch den Einsatz der Schwestern beim Heere nicht berührt (vgl. dazu auch BSG, Urteil vom 25.5.1965 2 RU 125/62 in SozEntsch. 2. Folge, BSG IX/3, Nr. 31 zu § 3 BVG; Bringmann in SGb 1962, 361, 363; Schmalz in Rentenversicherung 1969, 147, 150/151). Dabei kann dahingestellt bleiben, ob eine für die Arbeit der Klägerin von der Wehrmacht zu zahlende Vergütung (neben freiem Unterhalt und Verpflegung) unmittelbar an das Mutterhaus abgeführt worden ist oder ob diese Vergütung - wie hier - ausnahmsweise direkt an die Klägerin gezahlt wurde. Auf die Rechtsstellung der Klägerin gegenüber der Wehrmacht hätte die Art und Weise der Entlohnung jedenfalls keinen versorgungsrechtlich wesentlichen Einfluß gehabt.

Entscheidend ist somit im vorliegenden Fall, ob die Klägerin im Zeitpunkt der geltend gemachten Schädigung auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers für Zwecke der Wehrmacht freiwilligen oder unfreiwilligen Dienst geleistet hat (§ 3 Abs. 1 b BVG). Die rechtliche Würdigung dieser Tatbestandsvoraussetzungen durch das LSG ist nicht frei von Rechtsirrtum. Das gilt insbesondere für den vom Berufungsgericht als tragend herausgestellten Gesichtspunkt, nach dem 8. Mai 1945 habe auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers kein Dienst für Zwecke der Wehrmacht mehr geleistet werden können. Ein solcher allgemeiner Grundsatz oder Erfahrungssatz besteht nicht. Er würde voraussetzen, daß die Deutsche Wehrmacht mit der Kapitulation als aufgelöst zu betrachten wäre, so daß danach auch von Zivilpersonen kein Dienst mehr für Wehrmachtszwecke hätte erbracht werden können. Dies entspricht nicht der Rechtslage. Die deutschen Streitkräfte sind nach dem 2. Weltkrieg endgültig erst auf Grund des Kontrollratsgesetzes Nr. 34 vom 20. August 1946 förmlich aufgelöst worden. Bis zu diesem Zeitpunkt befand sich die Deutsche Wehrmacht nach der Kapitulation zwar in einem gewissen Auflösungsprozeß soweit jedoch deutsche Soldaten noch nicht entlassen waren und somit Truppenteile noch bestanden, war die Wehrmacht noch existent (BSG 4, 289, 290). In gleicher Weise konnte also auch noch für Wehrmachtszwecke von Zivilpersonen Dienst geleistet werden. Das hat die Klägerin bis Anfang August 1946 getan, indem sie heimkehrende deutsche Soldaten in dem noch nicht aufgelösten Wehrmachtslazarett Zaitzkofen betreut hat. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß sich die in Zaitzkofen eingelieferten Soldaten zuvor in alliierter Kriegsgefangenschaft befanden; bis zu ihrer Entlassung in ihren Heimatort waren sie noch Angehörige der in Auflösung begriffenen Wehrmacht. War es somit nach dem 8.5.1945 noch möglich, für Zwecke der Wehrmacht Dienst zu leisten, so scheitert die Anwendbarkeit des § 3 Abs. 1 b BVG auch nicht daran, daß nach der Kapitulation ein militärischer Befehlshaber solche Dienste nicht mehr neu oder erstmals hätte veranlassen können. Wenn es für die Beendigung des militärischen Dienstes normalerweise einer förmlichen Entlassung durch die zuständige Stelle bedurfte (vgl. BSG 4, 290), so galt in etwa das gleiche für diejenigen Personen, die schon vor dem 8. Mai 1945 militärähnlichen Dienst geleistet und ihren Dienst danach fortgesetzt haben. Eine in Kriegszeiten begründete Heranziehung zur Dienstleistung fand sonach nicht ohne weiteres am 8.5.1945 ihr Ende; sie wirkte vielmehr bei gleichbleibenden tatsächlichen Verhältnissen so lange fort, bis sie formell oder faktisch aufgehoben wurde. Das aber ist im Fall der Klägerin vor Oktober 1946 nicht geschehen. Da die Ansteckung der Klägerin in der Zeit von Ende 1945 bis Anfang August 1946 erfolgt ist, wären daher die Voraussetzungen für eine Versorgung nach dem BVG gegeben, sofern die sonstigen Tatbestandsmerkmale des § 3 Abs. 1 b BVG erfüllt sind.

Nun ist allerdings das LSG auf Grund der von ihm getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, der Dienst der Klägerin im Lazarett Z sei von Beginn an nicht von einem militärischen Befehlshaber veranlaßt worden; vielmehr sei Pater B von dem Chefarzt des Reservelazaretts M an das Kloster der Dominikanerinnen St. M "verwiesen" worden. Damit wollte das LSG wohl andeuten, daß die Klägerin von ihrem Mutterhaus nach Zaitzkofen abgeordnet worden sei. Die zu dieser Frage im angefochtenen Urteil enthaltenen Feststellungen reichen indessen nicht für eine abschließende Entscheidung aus. Der Begriff der "Veranlassung" i.S. dieser Vorschrift umfaßt zwar nicht jede von einem militärischen Befehlshaber in Verbindung mit einer Dienstleistung getroffene Maßnahme oder Äußerung; er ist vielmehr eng auszulegen (vgl. Urteil vom 22.2.1961 - 9 RV 392/57 - in BVBl. 1962, 21). Andererseits ist aber auch kein unmittelbarer militärischer Befehl oder eine dementsprechende militärische Anordnung im eigentlichen Sinne erforderlich, es genügen auch formlose Weisungen und Aufträge, deren Grundlage ein irgendwie geartetes Unterordnungsverhältnis bildet. Denn das Wort "veranlassen" geht nach seinem sprachlichen Inhalt über eine direkte Heranziehung zum Dienst hinaus. Zu fordern ist jedoch, daß der Anstoß zum Einsatz einer Zivilperson bei der Wehrmacht letztlich auf eine hoheitliche Weisung eines militärischen Befehlshabers zurückzuführen ist und daß der Herangezogene bei seiner Dienstleistung der hoheitlichen Verfügungsgewalt eines militärischen Befehlshabers unterstand (vgl. Roeckner-Bluschke, Kommentar zum BVG, Bd. 1, § 3 Anm.3, S. K 89; Bayer. LSG in Bayer.Amtsbl. des Arb.u.Soz.Min. 1960, B 42, B 45).

Im vorliegenden Fall lassen die vom LSG getroffenen Feststellungen nicht hinreichend erkennen, auf Grund welcher Vorgänge im einzelnen die Klägerin nach Z gekommen ist. Fest steht danach nur, daß sich der Lazarettverwalter in Z, Pater B, an den Chefarzt des Reservelazaretts M gewandt hat und daß dieser ihn an das Mutterhaus der Klägerin weiter verwiesen hat. Der Anstoß für den Einsatz der Klägerin in Z ist danach wohl letztlich auf das Verhalten des Chefarztes oder des Lazarettverwalters zurückzuführen. Da nach den Feststellungen des LSG ein Arbeitsverhältnis i.S. des § 3 Abs. 2 BVG zwischen der Klägerin und der Wehrmacht nicht begründet worden ist und sie nach den weiteren Feststellungen des LSG auch nicht zum Dienst verpflichtet worden ist (vgl. Dienstpflichtverordnung vom 13. Februar 1939, die für § 3 Abs. 2 BVG von Bedeutung sein kann), liegt die Annahme nahe, daß Pater B als Lazarettverwalter bzw. der Chefarzt des Reservelazaretts Mallersdorf über den Lazarettverwalter in dieser ihrer Funktion an das Mutterhaus herangetreten sind und um Personal nachgesucht haben mit der Folge, daß das Mutterhaus sich diesem Ersuchen - unbeschadet der Erlaubnis des zuständigen Erzbischofs - nicht entziehen konnte. Daß die Klägerin sodann bei ihrer Arbeit im Lazarett der hoheitlichen Weisungsbefugnis eines militärischen Befehlshabers unterstanden hat, wird kaum bezweifelt werden können. Bei diesem Geschehensablauf läge eine "Veranlassung eines militärischen Befehlshabers" zur freiwilligen oder unfreiwilligen Dienstleistung im Sinne des § 3 Abs. 1 b BVG vor.

Da das LSG nach alledem die für die Beurteilung des Begriffs der "Veranlassung" im Sinne des § 3 Abs. 1 b BVG erforderlichen Tatsachen nicht ausreichend ermittelt hat und der Senat als Revisionsgericht derartige Feststellungen nicht selbst treffen kann, mußte das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückverwiesen werden.

Bei der weiteren Aufklärung des Sachverhalts werden insbesondere Nachforschungen auf Grund noch vorhandener Unterlagen der früheren Wehrmacht sowie durch eine Vernehmung von noch lebenden früheren Angehörigen des Lazaretts Zaitskofen darüber anzustellen sein, ob die Klägerin irgendwie auf Veranlassung eines militärischen Befehlshabers bzw. der militärischen Lazarettverwaltung zur Dienstleistung herangezogen worden ist. Sollte das LSG bei seinen weiteren Nachforschungen - insbesondere wegen des Ablebens des Paters B - zu keinem hinreichend eindeutigen Beweisergebnis kommen, so wird es - bevor es eine objektive Beweislosigkeit (BSG 6, 70 ff) annehmen kann - zu erwägen haben, ob der noch aufklärbare Sachverhalt als typischer Geschehensablauf nach allgemeiner Erfahrung die Feststellung zuläßt, daß die von der Klägerin erbrachte Dienstleistung von dem für die Lazarettbetreuung zuständigen militärischen Befehlshaber - wenn auch nur mittelbar - veranlaßt worden ist. Dabei wird einerseits in Betracht zu ziehen sein, daß die Annahme sowohl eines zivilen Arbeitsvertrags als auch einer Dienstverpflichtung im Sinne des § 3 Abs. 2 BVG nach den bisherigen Feststellungen ausscheidet und daß andererseits das Lazarett Z dem Wehrkreis VII unterstand, der von einem militärischen Befehlshaber geleitet wurde. Deshalb wird bei der hier gegebenen Sachlage im Zweifel davon auszugehen sein, daß dieser bzw. die ihm nachgeordneten Stellen, die seiner Befehlsgewalt unterstanden, an seiner Stelle die Heranziehung der Klägerin zum Dienst im Wehrmachtslazarett veranlaßt haben. Dies wird jedenfalls dann gelten müssen, wenn die Klägerin im Lazarett tatsächlich benötigt wurde und nicht etwa nur zur Bequemlichkeit des Lazarettverwalters, Pater B, in die Dienste des Lazaretts getreten ist.

Im übrigen konnte auch nach dem Rundschreiben des BMA vom 15. Mai 1968 (BVBl 1968, 85) die Heranziehung zum Dienst in der Freiwilligen Krankenpflege "durch Abstellung seitens des Mutterhauses" erfolgen; für eine Arbeitsschwester muß im Zweifel das gleiche gelten.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt dem das Verfahren abschließenden Urteil vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670065

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge