Leitsatz (amtlich)
Einkünfte aus Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6000 DM bleiben bei der Berechnung der Ausgleichsrente nach DV § 33 BVG § 12 Abs 1 auch dann unberücksichtigt, wenn neben einem solchen kleinen Hausbesitz noch gesondert zu berücksichtigende landwirtschaftlich genutzte Grundstücke vorhanden sind und sich nur deshalb insgesamt ein höherer Einheitswert als 6000 DM ergibt.
Normenkette
BVG § 33 Abs. 1 Fassung: 1964-02-21, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1964-07-22, § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1967-11-09
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 18. August 1970 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der 1895 geborene Kläger ist nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit um 80 v.H. (MdE) kriegsbeschädigt und ausgleichsrentenberechtigt. Streitig ist, inwieweit das Einkommen des Klägers bei der Berechnung der Ausgleichsrente herangezogen werden darf. Der Kläger besitzt nach den Feststellung des Landessozialgerichts (LSG) ein kleines Eigenheim mit einem Einheitswert von 3.105,- DM. Außerdem besitzt er landwirtschaftlichen Grundbesitz mit einem Einheitswert von 10.095,- DM. Mit Neufeststellungsbescheid vom 31. August 1964 rechnete der Beklagte u.a. die Pachteinnahmen und den Mietwert der eigenen Wohnung auf die Ausgleichsrente als Einkommen i.S. des § 33 BVG an. Auf den Widerspruch des Klägers stellte der Beklagte mit Bescheid vom 27. April 1965 den Mietwert aus dem Eigenheim sowie die Pachteinnahmen in anderer Höhe als bisher fest. Dabei wurde der Mietwert, wie sich aus den Versorgungsakten ergibt, entsprechend der ortsüblichen Miete (je Quadratmeter 0,50 DM) nach Abzug von jährlich 343,82 DM auf monatlich 11,35 DM festgesetzt. Der Widerspruch des Klägers, mit dem sich dieser nur noch gegen die Anrechnung des Mietwertes wandte, hatte keinen Erfolg (Bescheid des Landesversorgungsamt Hessen vom 5. Oktober 1965).
Auf die Klage hat das Sozialgericht (SG) Marburg mit Urteil vom 17. November 1966 die vorausgegangenen Bescheide dahin abgeändert, daß auf die Ausgleichsrente der Mietwert der eigenen Wohnung nicht angerechnet werden dürfe. Das LSG hat mit Urteil vom 18. August 1970 die zugelassene Berufung des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen. Der Hausbesitz habe nach § 12 Abs. 1 der Durchführungsverordnung (DVO) zu § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) bei der Gewährung der Ausgleichsrente unberücksichtigt zu bleiben, weil der Einheitswert des Hausgrundstücks nicht höher als 6.000,- DM sei. Sonstiger Grundbesitz dürfe dabei nicht mit einbezogen werden. Einkünfte aus Hausbesitz seien bei mehrfachem Grundbesitz nur dann auf die Ausgleichsrente anzurechnen, wenn der Versorgungsberechtigte mehrere kleine Häuser mit einem Einheitswert von insgesamt mehr als 6.000,- DM besitze.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte, das LSG habe § 12 DVO zu § 33 BVG verletzt. Diese Vorschrift sei dahin auszulegen, daß die Einkünfte aus den "Grundstücken insgesamt" auf die Ausgleichsrente anzurechnen seien, wenn mehrere Haus- und andere Grundstücke des Beschädigten zusammen den Einheitswert von 6.000,- DM überstiegen. Der Schlußfolgerung des LSG, die überdies teilweise unverständlich sei, sei deshalb nicht zu folgen. Andernfalls sei ein Verlustausgleich i.S. der Entscheidung des BSG vom 28. August 1964 - 9 RV 338/62 - nicht möglich, wodurch der Versorgungsberechtigte benachteiligt würde.
Der Beklagte beantragt,
die vorinstanzlichen Urteile aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die beigeladene Bundesrepublik Deutschland tritt der Auffassung des Beklagten bei. Die Annahme des LSG, daß bei anderer Rechtsauffassung Einkünfte aus landwirtschaftlichen Grundstücken doppelt berücksichtigt würden, treffe nicht zu.
Der Kläger beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) einverstanden erklärt.
Die durch Zulassung statthafte Revision (§ 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG) ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. Sie ist deshalb zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.
Nach § 33 Abs. 1 BVG in der Fassung des Zweiten Neuordnungsgesetzes (2. NOG) vom 21. Februar 1964 (BGBl I, 85) ist die volle Ausgleichsrente um das anzurechnende Einkommen des Beschädigten zu mindern. Die Vorschrift des § 33 Abs. 5 BVG ermächtigt die Bundesregierung, mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung näher zu bestimmen, was als Einkommen gilt und welche Einkünfte bei Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben. Das 3. NOG vom 28. Dezember 1966 (BGBl I, 750) hat insoweit keine Änderung gebracht. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit der Verordnung zur Durchführung des § 33 BVG (DVO) idF vom 22. Juli 1964 (BGBl I, 538) und danach vom 9. November 1967 (BGBl I, S. 1140)-geändert durch die 4. ÄnderungsVO vom 7. August 1968 (BGBl I, 965)-Gebrauch gemacht. Diese Verordnung bestimmt in den erwähnten Fassungen zwar in § 1 Satz 1, daß Einkommen, das bei der Feststellung der Ausgleichsrente zu berücksichtigen ist, alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert sind, ohne Rücksicht auf ihre Quelle und Rechtsnatur. Von diesem Grundsatz hat jedoch der Verordnungsgeber in § 2 DVO zahlreiche Ausnahmen zugelassen und hinsichtlich des Hausbesitzes in § 12 Abs. 1 DVO bestimmt: "Einkünfte aus Hausbesitz bleiben bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt, wenn der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6.000 Deutsche Mark ist". Ziel dieser - im vorliegenden Fall allein streitigen - Vorschrift ist eine Verwaltungsvereinfachung (so auch Rundschreiben des BMA vom 29. März 1961 in BVBl 1961, 58; ferner Kanneberg, VersorgB 1961, 4). Die Praxis hatte gezeigt, daß ein wesentliches Einkommen aus einem Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6.000,- DM nicht erzielt wird, weshalb sich der Arbeitsaufwand in diesen Fällen nicht lohnte (Kanneberg aaO). Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 DVO ist sonach, verhältnismäßig geringe Einkünfte aus Hausbesitz unberücksichtigt zu lassen (vgl. hierzu BSG Urteile vom 26. Januar 1965 - 9 RV 778/63 und vom 27. August 1965 - 8 RV 251/65 in SozR Nr. 1 und 2 zu § 12 der DVO zu § 33 BVG, ebenso van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, 1966, S. 107 a). Die Vorschrift des § 12 Abs. 1 DVO betrifft nur "Einkünfte aus Hausbesitz", wie sich eindeutig aus dem Wortlaut dieser Vorschrift und aus einem Vergleich mit den übrigen Absätzen des § 12 DVO ergibt. Wenn es daher nach dem Wort "unberücksichtigt" heißt: "..., wenn der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6000 Deutsche Mark ist", so können damit sinngemäß nur mehrere Hausgrundstücke gemeint sein. Denn nur bei Einkünften aus Hausbesitz spielt der Einheitswert eine Rolle. Bei anderen Grundstücken sind die Einkünfte in jedem Fall anzurechnen. Das gilt selbst für einen Hausgarten, wenn er nicht in einem angemessenen Größenverhältnis zu dem "Hausbesitz" steht (vgl. hierzu auch van Nuis/Vorberg, aaO, Seite 107 b). Daraus ergibt sich, daß im Rahmen des § 12 DVO Einkünfte aus Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6000,- DM einerseits und Einkünfte aus sonstigem Grundbesitz andererseits streng von einander zu trennen sind. Zwar hat der 9. Senat des BSG im Urteil vom 28. August 1964 - 9 RV 338/62 - (vgl. KOV 1965, 135) ausgesprochen, daß die Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz nicht getrennt, sondern nur gemeinsam der Ermittlung der Einkünfte aus dieser Einkunftsart zugrunde gelegt werden können. Diese Entscheidung erging jedoch zu § 12 DVO in der Fassung vom 2. August 1958 (BGBl I, 567), die einen der jetzigen Fassung entsprechenden Absatz 1, d.h. die Nichtberücksichtigung von Einkünften aus Hausbesitz bei einem Einheitswert bis zu 6000,- DM, noch nicht kannte. Schon deshalb kann der Hinweis der Revision auf diese Entscheidung bzw. den darin erörterten Gesichtspunkt des Verlustausgleichs zu keinem anderen Ergebnis führen. Sind sonach bei Anwendung des § 12 DVO in den hier maßgebenden Fassungen Einkünfte aus Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6000,- DM streng von Einkünften aus sonstigem Grundbesitz zu trennen und demgemäß unberücksichtigt zu lassen, so kann der im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 12. September 1961 (BVBl 1961, S. 139 ff Nr. 78) vertretenen Auffassung - ebenso Wilke, Kommentar zum BVG, 3. Aufl. S. 311 und van Nuis/Vorberg aaO S. 107 p - nicht gefolgt werden, daß ein Einkommen aus Hausbesitz nach § 12 Abs. 3 bis 6 DVO zu errechnen (und anzurechnen) sei, wenn zwar der Einheitswert des Hausgrundstücks unter 6000,- DM liege, dagegen aber noch weiterer Grundbesitz (nicht nur Hausbesitz) vorhanden sei, so daß der Einheitswert der Grundstücke insgesamt 6000,- DM übersteige.
Ein anderes Ergebnis stünde auch mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift des § 12 Abs. 1 DVO nicht in Einklang. Denn wenn die Praxis gezeigt hat, daß ein wesentliches Einkommen aus einem Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6000,- DM nicht erzielt wird und sich deshalb der Arbeitsaufwand in diesen Fällen nicht lohnte, so muß das gleiche auch dann gelten, wenn neben einem solchen kleinen Hausbesitz noch gesondert zu berücksichtigende landwirtschaftlich genutzte Flächen vorhanden sind und sich nur deshalb insgesamt ein höherer Einheitswert als 6000,- DM ergibt. Für den sonstigen Grundbesitz müssen ohnedies die Einkünfte nach anderen Vorschriften der DVO ermittelt werden. So sind mit Bescheid vom 31. August 1964 nach § 9 DVO Einkünfte aus Landwirtschaft ab 1. Januar 1964 mit 203,83 DM monatlich und mit Bescheid vom 27. April 1965 außer dem Altersgeld Pachteinnahmen von 21,35 DM monatlich errechnet worden. Die daneben noch vorgenommene umständliche Ermittlung des Einkommens aus Hausbesitz in Höhe von 11,35 DM monatlich (vgl. hierzu die Blätter 633 bis 651 der Versorgungsakten) widersprach dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 DVO, der solche zeitraubenden Ermittlungen und Errechnungen geringer Einkünfte aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung vermieden wissen wollte. Sonach sprechen sowohl der Wortlaut als auch der Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 DVO gegen die von der Revision und dem Beigeladenen vertretene Auffassung.
Da das angefochtene Urteil nach alledem nicht zu beanstanden ist, mußte die Revision des Beklagten als unbegründet zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Fundstellen