Leitsatz (amtlich)
Ist der Versorgungsberechtigte nicht Alleineigentümer sondern nur Bruchteilseigentümer an einem Hausgrundstück, so bleiben bei Feststellung der Ausgleichsrente die Einkünfte aus Hausbesitz unberücksichtigt, wenn der dem Bruchteilseigentum entsprechende anteilige Einheitswert nicht höher als 6000 DM ist.
Normenkette
BVG § 33 DV § 12 Abs. 1 Fassung: 1961-01-11
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. Juni 1963 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Der Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
Der schwerbeschädigte Kläger ist zur Hälfte Eigentümer eines Hausgrundstücks mit einem Gesamteinheitswert von 7200,- DM. Sein Antrag auf Gewährung von Ausgleichsrente wurde mit Bescheid des Versorgungsamts (VersorgA) vom 29. August 1961 dahin beschieden, daß ihm keine Ausgleichsrente zustehe. Der Ehegattenzuschlag von 25,- DM monatlich, d. h. für die Zeit vom 1. Juni 1960 bis 31. Juli 1961 (14 Monate) von insgesamt 350,- DM wurde unter Anrechnung von Einkünften aus Hausbesitz in Höhe von 13,40 DM monatlich um das überschießende Einkommen von 172,80 DM gekürzt, so daß ein Rest von 177,20 DM verblieb. Für die Zeit ab 1. November 1961 wurde ein Ehegattenzuschlag von 25,- DM abzüglich 19,20 DM = 5,80 DM monatlich bewilligt. Mit seinem Widerspruch wandte sich der Kläger gegen die Anrechnung des Einkommens aus dem Hausbesitz, da sein Hausanteil mit einem Einheitswert von 3600,- DM, also unter 6000,- DM, festgesetzt worden und daher nicht anzurechnen sei. Widerspruch und Klage blieben erfolglos. Auf die zugelassene Berufung des Klägers hob das Landessozialgericht (LSG) mit Urteil vom 27. Juni 1963 das Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 24. Oktober 1962 und die Bescheide vom 29. August 1961 und 24. Mai 1962 auf und verurteilte den Beklagten, dem Kläger einen neuen Bescheid über die Gewährung der Ausgleichsrente einschließlich des Familienzuschlags für die Zeit ab 1. Juni 1960 zu erteilen. Nach § 12 Abs. 1 der Verordnung zur Durchführung des § 33 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) vom 11. Januar 1961 (BGBl I, 19) - DVO - blieben Einkünfte aus dem Hausbesitz unberücksichtigt, wenn der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6000,- DM sei. Aus Sinn und Zweck der Anrechnungsvorschriften wie auch aus § 12 Abs. 2 und 3 DVO ergebe sich, daß hier nur Grundstücke gemeint seien, die Eigentum des Beschädigten oder seiner Ehefrau sind, weshalb Grundstücksanteile anderer Personen außer acht zu bleiben hätten. Bei anderer Auffassung ergäbe sich ein Widerspruch zwischen § 12 Abs. 1 und den Absätzen 2 und 3, die von "eigenem" Einfamilien- bzw. Mehrfamilienhaus sprächen. Auch Abs. 9 dieser Vorschrift führe zum Ergebnis, daß der tatsächliche Eigentumsanteil des Beschädigten zugrunde zu legen sei. Andernfalls würde der Gleichheitsgrundsatz verletzt. Gesichtspunkte der Verwaltungsvereinfachung stünden dem gewonnenen Ergebnis nicht entgegen.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte, das LSG habe § 33 Abs. 1 BVG i. V. m. § 12 Abs. 1 DVO verletzt. Wie es schon im Rundschreiben des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung (BMA) vom 29. März 1961 - Va 2 - 5214 - 2116/61 - heiße, stelle die DVO auf den Einheitswert der Grundstücke und nicht auf den Eigentumsanteil des Schwerbeschädigten an den Grundstücken ab. Für eine solche Regelung sprächen nicht nur der Gesichtspunkt der Verwaltungsvereinfachung, sondern auch die Erfahrung, daß ein Grundstück von weniger als 6000,- DM in der Regel keinen nennenswerten Gewinn abwerfe, während zB bei einem Hochhaus in zentraler Stadtlage auch bei einem ideellen Anteil von unter 6000,- DM eine sehr beachtliche Rendite erzielt werden könne. Außerdem weise das Wort "insgesamt" darauf hin, daß der ganze Grundstückswert gemeint sei. Die Absätze 2, 3 und 9 des § 12 DVO könnten die gegenteilige Auffassung des LSG nicht stützen. Bei Eigentumswohnungen, die sich rechtlich vom bloßen Miteigentum i. S. des § 1008 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) unterschieden, existiere ein Einheitswert für das Gesamthaus gar nicht mehr, weshalb die Versorgungsbehörde den Einheitswert des einzelnen Wohnungseigentums zugrunde legen müsse; erreiche dieser den Wert von 6000,- DM nicht, so würden hier - aber nur hier - die daraus bezogenen Einkünfte nicht angerechnet. Der Beklagte beantragt, das LSG-Urteil aufzuheben und die Berufung des Klägers zurückzuweisen. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen. Fremdes Vermögen könne dem des Versorgungsberechtigten im Rahmen der strittigen Bestimmung nicht zugerechnet werden. Das Wort "insgesamt" habe nur Bedeutung für Eigentümer mehrerer Hausgrundstücke. Die vom LSG gefundene Lösung entspreche auch der Billigkeit.
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 164, 166 SGG); sachlich mußte sie ohne Erfolg bleiben.
Das LSG hat bei seiner Entscheidung § 12 Abs. 1 DVO im Ergebnis zutreffend angewandt. Diese Vorschrift bestimmt, daß Einkünfte aus Hausbesitz bei der Feststellung der Ausgleichsrente unberücksichtigt bleiben, wenn der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6000,- DM ist. Wessen Einkünfte hier gemeint sind, ergibt sich ohne weiteres aus dem Sach- und Sinnzusammenhang. Denn die DVO bestimmt für Schwerbeschädigte, was als Einkommen des Schwerbeschädigten gilt (vgl. § 33 Abs. 5, Abs. 1, § 32 Abs. 1 BVG). Es bedarf daher nicht des Hinweises auf die Absätze 2, 3 und 9 des § 12 DVO, die von eigenem Einfamilienhaus, eigenem Mehrfamilienhaus und einer eigengenutzten Eigentumswohnung sprechen, um klarzustellen, daß es sich bei den in § 12 Abs. 1 DVO erwähnten Einkünften aus Hausbesitz um solche des Schwerbeschädigten handeln muß.
Ziel dieser Vorschrift ist eine Verwaltungsvereinfachung (so auch Rundschrb . des BMA vom 29. März 1961 - Va 2 - 5214 - 2116/61 - BVBl 1961, 58; ferner Kanneberg, Der Versorgungsbeamte 1961, 4). Die Praxis hatte gezeigt, daß ein wesentliches Einkommen aus einem Hausbesitz mit einem Einheitswert bis zu 6000,- DM nicht erzielt wird, weshalb sich der Arbeitsaufwand in diesen Fällen nicht lohnte (Kanneberg aaO). Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 DVO ist sonach, verhältnismäßig geringe Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz unberücksichtigt zu lassen (vgl. van Nuis/Vorberg, Das Recht der Kriegsbeschädigten und Kriegshinterbliebenen, IV. Teil, 2. Aufl. S. 108).
§ 12 Abs. 1 DVO stellt auf Grundstücke ab, deren Einheitswert nicht höher als 6000,- DM ist. Bei einer nur den Wortlaut, nicht den Zweck der Vorschrift berücksichtigenden Auslegung könnte der irrige Eindruck entstehen, daß damit nur der Gesamtwert des oder der Grundstücke gemeint sei, nicht aber der Wert des Anteils des Schwerbeschädigten (oder einer Witwe) an diesem Grundstück. In diesem Sinne spricht das genannte Rundschreiben des BMA vom 29. März 1961 davon, daß der Verordnungstext auf den Einheitswert der Grundstücke und nicht auf den Eigentumsanteil des Schwerbeschädigten an den Grundstücken abstelle. Der hier - und anscheinend auch von van Nuis/Vorberg aaO - vertretenen Auffassung (vgl. ferner Kanneberg aaO), Einkünfte aus Hausbesitz seien auch dann zu berücksichtigen, wenn "der Anteil des Schwerbeschädigten" zwar unter 6000,- DM liegt, jedoch der Einheitswert des gesamten Grundbesitzes höher als 6000,- DM ist (ebenso Kolb, KOV 1962, 156), kann jedoch nicht zugestimmt werden. Diese Meinung beachtet nicht hinreichend den Sinn und Zweck der Vorschrift und auch nicht, daß es sich bei § 12 Abs. 1 DVO um eine Einkommensanrechnungsvorschrift handelt, die der Feststellung der Einkommensverhältnisse des einzelnen Ausgleichsrentenberechtigten dient. Da der Wert eines Bruchteils oder auch eines ideellen Anteils stets geringer ist als der des Ganzen, kann bei Ermittlung des Einkommens aus einem Grundstück mit gleichem Einheitswert (6000,- DM) der Bruchteilseigentümer nicht dem Alleineigentümer gleichgestellt werden. Denn es würde, wie van Nuis/Vorberg einräumen, "schwer verständlich" erscheinen (aaO) und überdies unbillig sein, wenn man z. B. einem Schwerbeschädigten, der zu 1/10, d. h. mit einem anteiligen Einheitswert von 610,- DM Miteigentümer eines Grundstücks im Einheitswert von 6100,- DM ist, die hieraus fließenden geringen Einkünfte anrechnen wollte, einem anderen Schwerbeschädigten mit Alleineigentum an einem Hausgrundstück im Einheitswert von 6000,- DM jedoch nicht. Dabei kann unerörtert bleiben, ob eine solche unterschiedliche Behandlung auch gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes verstieße, denn jedenfalls stünde sie mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift, verhältnismäßig geringe Einkünfte aus Haus- und Grundbesitz unberücksichtigt zu lassen, nicht in Einklang. Denn wenn der Gesamteinheitswert über 6000,- DM liegt, kann diese scheinbare Überschreitung der in § 12 Abs. 1 DVO gesetzten Wertgrenze dadurch wieder ausgeglichen werden, daß der Einheitswert des Eigentumsanteils des Versorgungsberechtigten - wie hier - ganz beträchtlich darunter liegt. Aber auch abgesehen hiervon ist nicht hinreichend ersichtlich, daß bei einem Bruchteilseigentum mit einem anteiligen Einheitswert bis zu 6000,- DM regelmäßig ganz unverhältnismäßig höhere Einkünfte zu erwarten sind als bei einem entsprechenden Alleineigentum. Insbesondere wird man nicht annehmen dürfen, bei einer Beteiligung an einem Einheitswert bis zu 6000,- DM werde kein nennenswerter, bei einem darüber liegenden Grundstückswert aber bereits ein beträchtlicher Gewinn erzielt. In diesem Zusammenhang als Beispiel die Rendite aus einem "Hochhaus in zentraler Stadtlage" in Betracht zu ziehen, erscheint im Hinblick auf die generelle Regelung in § 12 Abs. 1 DVO, die nur von Durchschnittsverhältnissen ausgehen kann, abwegig. Im übrigen wird in einem solchen Fall in aller Regel auch der anteilige Einheitswert über 6000,- DM liegen oder der Bruchteilseigentümer solcher wertvoller Hausgrundstücke als Ausgleichsrentenempfänger kaum in Betracht kommen.
Unter Würdigung dieser Gesichtspunkte kann sonach die strittige Vorschrift nicht in dem vom Beklagten aufgefaßten Sinn ausgelegt werden. Ein solches Ergebnis, das auch van Nuis/Vorberg aaO als "unbefriedigend" bezeichnen, müßte nur in Kauf genommen werden, wenn die Vorschrift keine andere Auslegung zuließe. Das ist jedoch nicht der Fall. Das Wort "insgesamt" bedeutet nicht, daß bei Anteilseigentum der Gesamteinheitswert des Grundstücks maßgebend sein soll. Die Bestimmung, daß der Einheitswert der Grundstücke insgesamt nicht höher als 6000,- DM sein darf, besagt nur, daß bei Eigentum an mehreren Grundstücken nicht auf den Einheitswert jedes einzelnen, sondern aller im Eigentum des Versorgungsberechtigten stehenden Grundstücke abzustellen ist (so auch Kanneberg aaO S. 4). Darüber hinaus ist es nicht nur denkgesetzlich zulässig, sondern auch aus praktischen Erwägungen, die zu der DVO-Bestimmung geführt haben, geboten, - unabhängig davon, nach welchen Grundsätzen der Einheitswert der Grundstücke nach dem Reichsbewertungsgesetz vom 16. Oktober 1934 (RGBl I 1035) zu bemessen ist - im Falle des Bruchteileigentums an einem nicht parzellierten Grundstück, für das nur ein Gesamteinheitswert festgesetzt ist, den Wert dieses Bruchteils in einem "anteiligen Einheitswert" auszudrücken und nach diesem anteiligen Wert zu verfahren. Demgemäß ist im Fall des § 12 Abs. 1 DVO bei Bruchteilseigentum an einem Hausgrundstück auf den "anteiligen Einheitswert", der sich für den Eigentums anteil des Versorgungsberechtigten ergibt, abzustellen. Aus dem Umstand, daß in der DVO zu dem Eigentumsanteil überhaupt nichts gesagt worden ist, muß geschlossen werden, daß § 12 Abs. 1 DVO nur für das Alleineigentum des Versorgungsberechtigten eine ausdrückliche Regelung geben wollte und daß die Fälle des Bruchteileigentums, dem Gedanken dieser Bestimmung entsprechend, sinngemäß dahin zu behandeln sind, daß auch für sie eine Anrechnung erst dann erfolgt, wenn der anteilige Einheitswert höher als 6000,- DM ist. In gleichem Sinne hat auch der Hessische Minister für Arbeit, Volkswohlfahrt und Gesundheitswesen in seiner Stellungnahme vom 8. Februar 1961 - I e - 5052/5075/5250 - für den Fall des Miteigentums an Hausbesitz ausgesprochen, daß bei § 12 Abs. 1 DVO von dem Anteil des Versorgungsberechtigten am Einheitswert auszugehen ist (vgl. Der Sozialberater 1961, 65).
Nach alledem war die Entscheidung des LSG im Ergebnis nicht zu beanstanden, weshalb die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen war (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen