Leitsatz (redaktionell)

1. In den Fällen, in denen dem Versorgungsberechtigten im Bewilligungsbescheid bei der Errechnung der Elternrente bereits die Bedeutung eigenen Einkommens für die Höhe der Rente in genauen Zahlenwerten vor Augen geführt worden ist, läßt sich die Auffassung vertreten, daß diese Versorgungsberechtigten aus den Belehrungen über die Anzeigepflicht auch entnehmen müssen, daß Einkommenserhöhungen zur Verminderung der Versorgungsrente führen (vergleiche BSG 1958-12-18 9 RV 196/56 = BSGE 9, 47, 53).

Ein derartiger Fall liegt aber dann nicht vor, wenn dem Versorgungsberechtigten keine festen Zahlenwerte, sondern nur der unbestimmte Rechtsbegriff der Bedürftigkeit als Rechtsgrundlage für seinen Rentenanspruch genannt worden ist und im Bewilligungsbescheid nichts davon gesagt ist, bis zu welchem Einkommen das Vorliegen von Bedürftigkeit anzunehmen sei, bei welchem Einkommen also die Elternrente entzogen werden würde.

Daraus, daß der Versorgungsberechtigte aufgefordert worden ist, jede Verbesserung seines Einkommens sofort anzuzeigen, kann er zwar entnehmen, daß die Gewährung der Elternrente bis zu einem bestimmten Grade von der Höhe des Einkommens abhängig ist; es muß daraus aber nicht die Erkenntnis herleiten, daß ihm die Elternrente nicht mehr zusteht, wenn er und sein Ehegatte zusammen nur über ein Renteneinkommen verfügen, das nach der Erfahrung des täglichen Lebens kaum ausreicht, um eine aus zwei Personen bestehende Familie vor äußerer Not und größeren Entbehrungen zu schützen.

2. Da die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse am 1950-03-01 sich nicht wesentlich von denen am 1950-10-01 unterschieden haben, können für die Beurteilung der Frage, ob am 1950-03-01 Bedürftigkeit vorgelegen hat, die ab 1950-10-01 vom BVG gesetzten Einkommensgrenzen angewendet werden.

3. Bereits lange bevor das öffentlich-rechtliche Rückforderungsrecht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gefunden hatte, wie sie jetzt für zu Unrecht empfangene Versorgungsleistungen in KOV-VfG § 47 vorliegt, war es nach Grundsätzen, die von der Rechtsprechung und dem Schrifttum entwickelt worden sind, anerkannten Rechts, daß der Empfänger von zu Unrecht gezahlten öffentlichen Mitteln sich gegenüber einer Rückforderung dieser Mittel nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen konnte und zu Unrecht empfangene öffentliche Leistungen immer dann zurückzuerstatten hatte, wenn die Rückforderung nicht ausnahmsweise gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstieß.

Da einem Empfänger von Versorgungsbezügen selbst in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist, Versorgungsbezüge, von denen er weiß oder wissen muß, daß sie ihm - zumindest teilweise - nicht mehr zustehen, nicht für sich zu verbrauchen, kann in derartigen Fällen die Rückforderung überzahlter Beträge nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Berechtigung der geltend gemachten Rückforderung nach den Grundsätzen zu beurteilen ist, die allgemein im öffentlichen Recht gelten, oder ob dafür KOV-VfG § 47 maßgebend ist, wie es das BSG bisher in ständiger Rechtsprechung angenommen hat (vergleiche BSG 1956-08-30 8 RV 403/54 = BSGE 3, 234; BSG 1957-07-31 9 RV 372/54 = BSGE 5, 267; BSG 1959-11-11 11/10 RV 150/57 = BSGE 11, 44).

 

Normenkette

BVG § 50 Fassung: 1950-12-20; KOVVfG § 47 Fassung: 1955-05-02; BGB § 242

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen in Essen vom 11. April 1957 aufgehoben. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14. Juli 1954 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß der Bescheid des Versorgungsamts W vom 17. Oktober 1952 insoweit aufgehoben wird, als darin eine Rückforderung in Höhe von 120,- (hundertzwanzig) DM gegen die Klägerin festgestellt worden ist.

Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

Durch Bescheid vom 14. Februar 1950 gewährte die Landesversicherungsanstalt (LVA.) R, Außenstelle W, der Klägerin vom 1. Februar 1950 an Elternrente nach der Sozialversicherungsdirektive (SVD) Nr. 27 in Höhe von monatlich 30,- DM. Hierbei ging die LVA. nach den Angaben, welche die Klägerin im Antrag vom 16. Januar 1950 gemacht hatte, davon aus, daß zu ihrem Lebensunterhalt und dem ihres Ehemannes ein Betrag von monatlich 108,50 DM aus Invaliden- und Unfallversicherung des Ehemannes zur Verfügung stehe und daher bei der Klägerin Bedürftigkeit vorliege. Der Versorgungsantrag und der Rentenbewilligungsbescheid enthielten die Aufforderung, jede Besserung der wirtschaftlichen Lage bzw. jede Änderung des Einkommens sofort unaufgefordert mitzuteilen.

Durch Bescheid der LVA. vom 15. Februar 1950 wurde der Klägerin eine eigene Angestelltenrente in Höhe von monatlich 76,10 DM rückwirkend vom 1. August 1949 an bewilligt. Nach den insoweit unbeanstandet gebliebenen Feststellungen des Landessozialgerichts (LSG.) teilte die Klägerin der Außenstelle Wuppertal diese Rentenbewilligung durch ein Mitte Februar 1950 abgesandtes, jedoch nicht zu den Versorgungsakten gelangtes Schreiben mit. Auf einem ihr zugesandten Antragsformular teilte die Klägerin der LVA. den Bezug der Angestelltenrente am 2. Juni 1950 noch einmal mit. Die LVA. veranlaßte auf diese Mitteilung hin nichts; das Formular trägt auf der Rückseite den Vermerk "Einkommensverhältnisse unverändert". Im April 1952 gab die Klägerin auf eine weitere Anfrage der Versorgungsverwaltung erneut ihr Renteneinkommen an.

Daraufhin stellte das Versorgungsamt (VersorgA.) W im Bescheid vom 17. Oktober 1952 fest, daß das zum Unterhalt der Klägerin und ihres Ehemannes zur Verfügung stehende Einkommen seit der Bewilligung der Angestelltenrente den vorgeschriebenen Richtsatz überschritten habe, so daß die Elternrente mit Ablauf des Monats Februar 1950 hätte entzogen werden müssen. Zugleich forderte es die Rückzahlung der hiernach für die Zeit vom 1. März bis zu der im Juni 1950 erfolgten, nach Annahme des VersorgA. ersten Meldung der Einkommenserhöhung zuviel gezahlten Elternrente von 120,- DM. Der gegen diesen Bescheid gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Sozialgericht (SG.) hat auf die nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage übergegangene Berufung der Klägerin die Entscheidung des Beschwerdeausschusses aufgehoben und in Abänderung des angefochtenen Bescheides festgestellt, daß der Betrag von 120,- DM nicht zurückgefordert werden könne. Auf die Berufung des Beklagten, mit der auch die Fassung des erstinstanzlichen Urteilsspruchs angegriffen worden ist, hat das LSG. das Urteil des SG. aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Das LSG. ist davon ausgegangen, daß in der Fassung der Urteilsformel im sozialgerichtlichen Urteil kein Verfahrensmangel liege. Wie sich aus dem Zusammenhang ergebe, habe das SG. den angefochtenen Bescheid hinsichtlich der darin geltend gemachten Rückforderung aufgehoben und daher nicht bloß eine unzulässige Feststellung getroffen. Jedoch sei die Berufung in der Sache selbst begründet, weil das SG. zu Unrecht angenommen habe, daß der Beklagte nicht berechtigt sei, von der Klägerin 120,- DM überzahlter Elternrente zurückzufordern. Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, daß der Klägerin auf Grund ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse eine Elternrente nicht zugestanden und sie demnach die gezahlte Elternrente zu Unrecht erhalten habe. Die Berechtigung der vom Beklagten hinsichtlich eines Teils der überzahlten Elternrente geltend gemachten Rückforderung sei nach § 47 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) vom 2. Mai 1955 zu beurteilen. Zwar sei die Rückforderung nicht wegen der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin vertretbar. Die Klägerin sei nämlich erwerbsunfähig und auf das Ruhegeld der Angestelltenversicherung angewiesen. Der Beklagte sei jedoch deshalb berechtigt gewesen, von der Klägerin die Rückerstattung des als Elternrente für die Monate März bis Juni 1950 gezahlten Betrages von 120,- DM zu verlangen, weil diese gewußt habe, daß ihr die Elternrente in diesem Zeitraum zumindest nicht mehr in der gezahlten Höhe zustand. Das ergebe sich daraus, daß der Klägerin vor der Bewilligung die Elternrente wegen der Höhe des zu ihrem Unterhalt zur Verfügung stehenden Einkommens schon einmal versagt worden sei, ferner im Antragsformular und im Bewilligungsbescheid die Aufforderung enthalten gewesen sei, Einkommensänderungen sofort zu melden, und die Klägerin dieser Meldepflicht auch nachgekommen und sich somit der Bedeutung des zusätzlichen Rentenbezugs bewußt gewesen sei. Selbst wenn angenommen würde, daß sie nicht wußte, daß ihr die Elternrente nicht mehr zustand, so hätte sie auf Grund der Umstände dieses Wissen doch haben müssen und sei daher in jedem Falle beim Bezug der Rente bösgläubig gewesen. Diese einmal eingetretene Bösgläubigkeit könne nicht rückwirkend wieder beseitigt werden, so daß die Rückforderung nicht dadurch rechtswidrig geworden sei, daß das VersorgA. eine sehr lange Zeit habe verstreichen lassen, bevor es die Rückforderung geltend gemacht habe.

Das LSG. hat die Revision zugelassen.

Gegen das am 21. Mai 1957 zugestellte Urteil hat die Klägerin durch eine am 15. Juni 1957 beim Bundessozialgericht (BSG.) eingegangene, von ihr selbst unterschriebene Niederschrift des Amtsgerichts Opladen Revision eingelegt und gleichzeitig unter Vorlage eines Armutszeugnisses beantragt, ihr zur formgerechten Einlegung und Begründung der Revision das Armenrecht zu bewilligen und einen Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Durch Beschluß vom 20. Juli 1957 - zugestellt am 25. Juli 1957 - ist der Klägerin unter Bewilligung des Armenrechts ihr jetziger Prozeßbevollmächtigter beigeordnet worden. Dieser hat am 21. August 1957 beantragt, der Klägerin gegenüber der Versäumung der Revisionsfrist und der Revisionsbegründungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat gleichzeitig nochmals Revision eingelegt, diese begründet und beantragt,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und unter Abänderung des Urteils des SG. Düsseldorf vom 14. Juli 1954 den Bescheid des VersorgA. W insoweit abzuändern, als die Rückzahlung der Rente vom 1. März bis zum 30. Juni 1950 in Höhe von insgesamt 120,- DM gefordert worden ist.

Die Revision meint, das LSG. habe mit dem angefochtenen Urteil § 52 VerwVG verletzt, weil es eine lange vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltend gemachte Rückforderung nach § 47 VerwVG beurteilt habe. Als Rechtsgrundlage eines vor Inkrafttreten dieses Gesetzes geltend gemachten Rückerstattungsanspruchs kämen nur die Bereicherungsvorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) in Betracht. Nach diesen Vorschriften sei aber der Erstattungsanspruch unbegründet, weil die Klägerin die streitigen Rentenbeträge ohne bleibende Bereicherung zu ihrem Lebensunterhalt verbraucht und dabei weder gewußt habe noch hätte wissen müssen, daß ihr eine Elternrente nicht mehr zugestanden habe. Die Voraussetzungen, von denen die Gewährung einer Elternrente im einzelnen abhängig gewesen sei, seien der Klägerin nicht bekannt gewesen. Mit der sofortigen Meldung, daß ihr eine Angestelltenrente bewilligt worden sei, habe sie lediglich die ihr im Rentenbescheid auferlegte Verpflichtung erfüllen wollen und sich im übrigen darauf verlassen, daß die Versorgungsverwaltung Änderungen im Bezug der Elternrente unverzüglich vornehmen werde, falls derartige Änderungen auf Grund der Meldung erforderlich sein sollten.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend, zumal das BSG. an die darin getroffenen Feststellungen über die Kenntnis der Klägerin von dem unrechtmäßigen Rentenbezug gebunden sei.

Die durch Zulassung statthafte Revision ist als form- und fristgerecht eingelegt und begründet anzusehen. Auf ihren Antrag war der Klägerin nach § 67 SGG gegen die Versäumung der Fristen zur formgerechten Einlegung und Begründung der Revision Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie war vor der Entscheidung über ihr Armenrechtsgesuch und der Beiordnung eines Rechtsanwalts ohne ihr Verschulden verhindert, die Revisionsfristen einzuhalten und hat nach Wegfall des Hindernisses die versäumten Rechtshandlungen innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 SGG nachgeholt.

Die hiernach zulässige Revision ist auch begründet.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beklagte berechtigt war, mit dem angefochtenen Bescheid eine Rückforderung von Versorgungsleistungen in Höhe von 120,- DM gegen die Klägerin festzustellen. Die Berechtigung hängt von zwei Voraussetzungen ab, die nebeneinander erfüllt sein müssen, nämlich davon, ob die Klägerin Versorgungsleistungen zu Unrecht empfangen hat und ob die zu Unrecht empfangenen Versorgungsleistungen zurückgefordert werden dürfen.

Zutreffend, wenn auch ohne Begründung, hat das LSG. angenommen, daß die Klägerin den vom Beklagten zurückgeforderten Betrag von 120,- DM zu Unrecht empfangen hat. Nach der Nr. 1 der SVD Nr. 27, § 608 der Reichsversicherungsordnung (RVO) war eine Neufeststellung und damit eine Entziehung der gewährten Versorgungsrente dann möglich, wenn in den Verhältnissen, die für die Feststellung der Entschädigung (hier: Versorgungsrente) maßgebend gewesen waren, eine wesentliche Änderung eingetreten war. Da nach Nr. 7 IV der SVD Nr. 27, § 593 RVO Elternrente bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nur bei Bedürftigkeit zu gewähren war, konnte insoweit eine wesentliche Änderung nur durch den Wegfall der Bedürftigkeit eintreten (vgl. BSG. 1 S. 184 (185) für Unfall-Elternrente). Dieser Wegfall der Bedürftigkeit und damit die vom Gesetz als Voraussetzung der Neufeststellung geforderte wesentliche Änderung der Verhältnisse sind durch die Gewährung des Ruhegeldes aus der Angestelltenversicherung tatsächlich eingetreten.

Bedürftigkeit liegt nur solange vor, als der Versorgungsberechtigte nicht in der Lage ist, sich einen einigermaßen auskömmlichen Lebensunterhalt zu verschaffen, und seine Einkünfte nicht die Beträge erreichen, die als Grenzbeträge für die Gewährung von Elternrente in § 51 Abs. 2 des am 1. Oktober 1950 in Kraft getretenen BVG in der bis zum Gesetz zur Änderung und Ergänzung des Kriegsopferrechts (erstes Neuordnungsgesetz) vom 27. Juni 1960 geltenden Fassung genannt sind (vgl. BSG. a.a.O.). Auf der anderen Seite liegt, wie das BSG. bereits mehrfach ausgesprochen hat, bei Überschreitung der in dieser Vorschrift genannten Beträge jedenfalls in der Kriegsopferversorgung eine Bedürftigkeit nicht mehr vor (BSG. 1 S. 272 (274); 4 S. 165 (168); 5 S. 293 (296)). Zwar ist im vorliegenden Falle die Frage, ob Bedürftigkeit vorlag, für einen Zeitpunkt zu beurteilen, in dem die später durch das BVG getroffene Regelung noch nicht vorhanden war und der Gesetzgeber Zahlenwerte noch nicht genannt hatte. Da jedoch die allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse am 1. März 1950 sich nicht wesentlich von denen am 1. Oktober 1950 unterschieden, können für die Beurteilung der Frage, ob am 1. März 1950 Bedürftigkeit vorlag, die ab 1. Oktober 1950 vom BVG gesetzten Einkommensgrenzen angewendet werden. Nach § 51 Abs. 2 BVG in der ursprünglichen Fassung vom 20. Dezember 1950 (BGBl. I S. 791) betragen die Einkommensgrenzen, bis zu denen Elternrente zu gewähren war, 100,- DM für ein Elternpaar und 70,- DM für einen Elternteil. Diese Beträge waren nach der Gewährung des Ruhegeldes aus der Angestelltenversicherung bei der Klägerin jedenfalls überschritten. Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die Bedürftigkeit allein nach dem Einkommen der Klägerin (so BSG. 5 S. 293 und 7 S. 79) oder nach dem Einkommen beider Ehegatten zu beurteilen ist, wie es nunmehr § 51 Abs. 5 BVG in der Fassung des ersten Neuordnungsgesetzes für die Anrechenbarkeit von Einkommen bei nur einem anspruchsberechtigten Elternteil vorschreibt. Das eigene Einkommen der Klägerin betrug am 1. März bereits ohne Anrechnung möglicher Unterhaltsansprüche gegen ihren Ehemann 76,10 DM, während das Einkommen beider Ehegatten 184,60 DM betrug. Der Beklagte war daher wegen der im Wegfall der Bedürftigkeit liegenden wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu einer Neufeststellung der Versorgungsbezüge vom 1. März 1950 an berechtigt. Er hat von dieser Berechtigung in dem angefochtenen Bescheid dadurch Gebrauch gemacht, daß er die der Klägerin gewährte Elternrente mit Wirkung vom 1. März 1950 an entzog. Auf Grund der hiernach nicht zu beanstandenden rückwirkenden Rentenentziehung sind die in der Folgezeit an die Klägerin gezahlten Versorgungsbezüge zu Unrecht gewährt worden, so daß zu prüfen ist, ob ihr die Rückerstattung des vom Beklagten geforderten Betrages zuzumuten ist.

Hierzu ist das LSG. der Ansicht, daß der Beklagte den Betrag von 120,- DM nach § 47 VerwVG zurückfordern dürfe, wenn entweder die Rückforderung nach den wirtschaftlichen Verhältnissen der Klägerin vertretbar oder wenn die Klägerin bei Entgegennahme der Versorgungsbezüge bösgläubig gewesen sei. Das Berufungsgericht hat zum erstgenannten Rückforderungsgrund festgestellt, daß die Klägerin erwerbsunfähig und dringend auf ihre Rente angewiesen und somit nicht in der Lage ist, den zurückgeforderten Betrag ohne erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten zu zahlen, so daß die Rückforderung nicht schon auf Grund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Klägerin, also auch nicht in Anbetracht der erhaltenen Rentennachzahlung (vgl. § 47 i.d.F. des 1. Neuordnungsgesetzes), vertretbar sei. Den zweiten Rückforderungsgrund hat das LSG. für gegeben angesehen. Der Beklagte sei deshalb zur Rückforderung der 120,- DM berechtigt, weil die Klägerin gewußt habe, daß ihr Versorgungsleistungen in Höhe dieses Betrages nicht zugestanden hätten, oder zumindest dieses Bewußtsein hätte haben müssen.

Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision gehen insoweit fehl, als sie davon ausgehen, daß die Berechtigung der Rückforderung ausschließlich nach privatrechtlichen Bereicherungsvorschriften zu beurteilen und eine Rückforderung daher grundsätzlich schon dann unberechtigt sei, wenn eine Bereicherung nicht mehr vorliege, wie es hier der Fall ist. Bereits lange bevor das öffentlich-rechtliche Rückforderungsrecht eine ausdrückliche gesetzliche Regelung gefunden hatte, wie sie jetzt für zu Unrecht empfangene Versorgungsleistungen in § 47 VerwVG vorliegt, war es nach Grundsätzen, die von Rechtsprechung und Schrifttum entwickelt worden sind, anerkannten Rechts, daß der Empfänger von zu Unrecht gezahlten öffentlichen Mitteln sich gegenüber einer Rückforderung dieser Mittel nicht auf den Wegfall der Bereicherung berufen konnte und zu Unrecht empfangene öffentliche Leistungen immer dann zurückzuerstatten hatte, wenn die Rückforderung nicht ausnahmsweise gegen die Grundsätze von Treu und Glauben verstieß (RVA. in ständiger Rechtsprechung, vgl. RVA. in AN. 1918 S. 346 Nr. 2457; 1921 S. 405 Nr. 2673; 1931 S. 197 Nr. 4059; 1939 S. 246 Nr. 5294; Forsthoff, Lehrb. d. VerwR., Allg. Teil, 1958 S. 160 ff.; Meier-Branecke, ArchöffR. n.F. Bd. 11 S. 230 (253 ff.); Bogs in OKK. 1939 S. 669; Haueisen in NJW. 1954 S. 977 (978)). § 47 Abs. 2 VerwVG schreibt nunmehr vor, daß auf Grund einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse überzahlte Versorgungsbezüge selbst bei schlechter wirtschaftlicher Lage des Empfängers zurückgefordert werden können, wenn der Empfänger wußte oder wissen mußte, daß ihm die Versorgungsbezüge zumindest teilweise nicht mehr zustanden. Da einem Empfänger von Versorgungsbezügen selbst in schwierigen wirtschaftlichen Verhältnissen zuzumuten ist, Versorgungsbezüge, von denen er weiß oder wissen muß, daß sie ihm - zumindest teilweise - nicht mehr zustehen, nicht für sich zu verbrauchen, kann in derartigen Fällen die Rückforderung überzahlter Beträge nicht gegen Treu und Glauben verstoßen. Es kann daher dahingestellt bleiben, ob die Berechtigung der vom Beklagten geltend gemachten Rückforderung im angefochtenen Bescheid nach den Grundsätzen zu beurteilen ist, die allgemein im öffentlichen Recht gelten, oder ob dafür die Vorschrift des § 47 Abs. 2 VerwVG maßgebend ist, wie es das BSG. bisher in ständiger Rechtsprechung angenommen hat (vgl. BSG. 3 S. 234 (8. Senat); 5 S. 267 (9. Senat) und 11. S. 44 (11. Senat)). Die vom Beklagten geltend gemachte Rückforderung ist in beiden Fällen dann, aber nach den hier gegebenen Umständen auch nur dann berechtigt, wenn die Klägerin wußte oder wissen mußte, daß ihr die Elternrente nicht mehr zustand.

Das LSG. hat diese Feststellung zwar getroffen; der Senat war jedoch nicht daran gebunden, weil die Revision zulässige und begründete Revisionsgründe hiergegen vorgebracht hat (§ 163 SGG), aus denen sich ergibt, daß diese Feststellung entgegen den Vorschriften des Verfahrensrechts zustande gekommen ist. Die Revision rügt zwar nicht ausdrücklich das Vorliegen wesentlicher Verfahrensmängel. Aus den Ausführungen, die Klägerin habe weder gewußt noch hätte sie wissen können, daß ihr die zurückgeforderte Elternrente nicht mehr zustand, kann aber entnommen werden, daß geltend gemacht werden soll, das LSG. habe den vorliegenden Tatsachenstoff falsch gewürdigt und § 128 SGG deswegen verletzt, weil es aus dem festgestellten äußeren Sachverhalt auf eine Bösgläubigkeit der Klägerin beim Empfang der Elternrente geschlossen habe. Damit ist der Vorschrift des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG genügt.

Nach § 128 SGG entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung; es hat im Urteil die Gründe anzugeben, die für seine richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Ein Mangel des Verfahrens in bezug auf die Beweiswürdigung liegt dann vor, wenn das Gericht die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie richterliche Beweiswürdigung überschritten hat. Insoweit kommt insbesondere ein Verstoß gegen Erfahrungssätze des täglichen Lebens oder gegen Denkgesetze in Betracht.

Das LSG. meint, es lasse sich aus den festgestellten äußeren Tatsachen, daß die Elternrente vor der Bewilligung schon einmal wegen der Höhe des zur Verfügung stehenden Einkommens versagt worden ist, ferner daß die Klägerin zur Anzeige jeder Einkommensänderung aufgefordert worden und sie dieser Verpflichtung nachgekommen ist, auf die innere Tatsache der Bösgläubigkeit (Wissen oder Wissenmüssen von der Unrechtmäßigkeit des Rentenbezugs) schließen. Zwar wird sich, wie das BSG. bereits ausgeführt hat (BSG. 9 S. 47 (53)), in den Fällen, in denen dem Versorgungsberechtigten im Bewilligungsbescheid bei der Errechnung der Elternrente bereits die Bedeutung eigenen Einkommens für die Höhe der Rente in genauen Zahlenwerten vor Augen geführt worden ist, die Auffassung vertreten lassen, daß diese Versorgungsberechtigten aus den Belehrungen über ihre Anzeigepflicht auch entnehmen mußten, daß Einkommenserhöhungen zur Verminderung der Versorgungsrente führen. Ein derartiger Fall liegt hier aber schon deshalb nicht vor, weil der Klägerin keine festen Zahlenwerte, sondern nur der unbestimmte Rechtsbegriff der Bedürftigkeit als Rechtsgrundlage für ihren Rentenanspruch genannt worden ist. Es war im Bewilligungsbescheid nichts davon gesagt, bis zu welchem Einkommen das Vorliegen von Bedürftigkeit anzunehmen sei, bei welchem Einkommen also die Elternrente entzogen werden würde. Daraus, daß die Klägerin aufgefordert worden ist, jede Verbesserung ihres Einkommens sofort anzuzeigen, konnte die Klägerin zwar entnehmen, daß die Gewährung der Elternrente bis zu einem bestimmten Grade von der Höhe des Einkommens abhängig war. Sie mußte daraus aber nicht die Erkenntnis herleiten, daß ihr die Elternrente nicht mehr zustand, nachdem sie und ihr Ehemann zusammen über ein Renteneinkommen von 184,60 DM verfügten. Nach der Erfahrung des täglichen Lebens reichte auch im Jahre 1950 ein Einkommen in dieser Höhe kaum aus, um eine aus zwei Personen bestehende Familie vor äußerer Not und größeren Entbehrungen zu schützen. Die Klägerin mußte daher nicht annehmen, bei einem Familieneinkommen von 184,60 DM nicht mehr bedürftig zu sein.

Auch daraus, daß die Versorgungsbehörden der Klägerin im Jahre 1949 die Elternrente versagt hatten, weil sie wegen der Höhe des Renteneinkommens ihres Ehemannes nicht als bedürftig anzusehen sei, die Rente aber später gewährt hatten, läßt sich nicht der Schluß auf ihre Bösgläubigkeit ziehen. In dem ablehnenden Bescheid ist der Klägerin keine Einkommensgrenze für die Bedürftigkeit angegeben worden. Im Jahre 1950 ist dann der Klägerin die Elternrente gewährt worden, obgleich sich das Renteneinkommen ihres Ehemannes inzwischen erhöht hatte. Daraus, daß die Elternrente im Jahre 1949 versagt, im Jahre 1950 aber bewilligt worden ist, konnte die Klägerin daher nur entnehmen, daß eine Erhöhung des Einkommens nicht zur Versagung oder Entziehung der Elternrente führen muß und daß ein aus zwei Personen bestehender Haushalt nach Auffassung der Versorgungsbehörden im Jahre 1949 bei einem Einkommen von 100,- DM nicht bedürftig, im Jahre 1950 bei einem Einkommen von 108,50 DM jedoch bedürftig war. Diese Tatsache rechtfertigt daher nicht den Schluß, daß die Klägerin wußte oder wissen mußte, daß mit der Gewährung des Ruhegeldes aus der Angestelltenversicherung der unbestimmte Rechtsbegriff der Bedürftigkeit (vgl. BSG. 1 S. 184) bei ihr nicht mehr erfüllt war und ihr die Elternrente daher nicht zustand.

Dieser Schluß ist auch nicht daraus zu ziehen, daß die Klägerin die ihr im Bewilligungsbescheid auferlegte Verpflichtung erfüllt und die Einkommenserhöhung sofort angezeigt hat. Aus dieser Anzeige läßt sich nur folgern, daß die Klägerin die Tatsache der Einkommenserhöhung erkannt hat; es kann daraus aber schon deshalb nicht auf weitere Erkenntnisse, also ein Wissen oder Wissenmüssen von dem Wegfall der Bedürftigkeit und der Unrechtmäßigkeit des Rentenbezugs geschlossen werden, weil die Anzeige in Erfüllung einer ausdrücklich auferlegten Verpflichtung erstattet worden ist.

Ist hiernach das LSG. unter Verletzung der Grundsätze über die Beweiswürdigung - weil es in diesem Fall nicht das Gesamtergebnis des Verfahrens hinreichend berücksichtigt hat - zu der Überzeugung gelangt, die Klägerin habe die Elternrente in Kenntnis der Unrechtmäßigkeit des Bezuges empfangen oder hätte die Unrechtmäßigkeit zumindest erkennen müssen, so entfällt die Feststellung dieser Tatsache. Da das Wissen oder Wissenmüssen von der Unrechtmäßigkeit des Rentenbezuges, das hier aus dem festgestellten äußeren Sachverhalt nicht gefolgert werden kann, unabdingbare - hier jedoch nicht nachgewiesene - Voraussetzung für die Rechtmäßigkeit der Rückforderung ist, war der Bescheid hinsichtlich der Rückforderung aufzuheben. Nachdem der Beklagte schon im Berufungsverfahren gerügt hatte, daß das SG. trotz der Anfechtungsklage eine teilweise nur feststellende Urteilsformel gebraucht hat, war die Urteilsformel des SG. dahin neu zu fassen, daß der angefochtene Bescheid hinsichtlich der darin festgestellten Rückforderung aufgehoben wird (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur SGb. § 170 Anm. 2). Abgesehen von dieser Neufassung der Urteilsformel hat jedoch das LSG. zu Unrecht das Urteil des SG. aufgehoben und die Klage abgewiesen. Nach § 170 Abs. 2 Satz 1 SGG war daher das Berufungsurteil aufzuheben und die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2325666

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