Entscheidungsstichwort (Thema)
Kriegsopferversorgung. Hinterbliebenenrente. Selbsttötung. endogene Depression. wehrdiensteigentümliche Verhältnisse. ursächlicher Zusammenhang. Grenzen der freien Beweiswürdigung
Orientierungssatz
1. Eine bei klarem Verstand und freier Willensentscheidung begangene Selbsttötung ist eine "absichtlich" herbeigeführte Gesundheitsschädigung iS des § 1 Abs 4 BVG, die den Anspruch auf Versorgung ausschließt (vgl BSG vom 14.7.1955 - 8 RV 177/54 = BSGE 1, 150).
2. Zum Nichtvorliegen eines Anspruchs auf Versorgung gemäß §§ 1, 38 BVG, wenn die Selbsttötung zwar in einem Zustand ausgeführt wurde, in dem die freie Willenbestimmung ausgeschlossen gewesen ist (hier: Vorliegen einer endogenen Depression), dieser Zustand aber nicht wahrscheinlich durch den Wehrdienst oder die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse verursacht worden ist.
3. Zu den Grenzen der freien Beweiswürdigung gemäß § 128 SGG (hier: Entscheidung des Gerichts, ob dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse zu der Selbsttötung beigetragen haben und ob die Selbsttötung in einer nicht durch den Wehrdienst bedingten Depression unter anderen Verhältnissen verhindert worden wäre).
Normenkette
BVG § 1 Abs. 1, 4, § 38; SGG § 128
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 27. November 1957 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
O Sp (Sp.), der Ehemann der Klägerin - zuletzt Kriegswerkmeister bei einem Panzerregiment an der Ostfront - tötete sich am 31. August 1943 selbst. Bei den Ermittlungen der Einheit erklärte der Zeuge K Sp. habe sich am Vormittag des Todestages nicht auffällig verhalten, doch hätten er und seine Kameraden den Eindruck gehabt, daß Sp. unter einer seelischen Belastung gelitten habe. Der Zeuge H sagte aus, er habe am Vormittag des Todestages beobachtet, wie Sp. ohne ersichtlichen Grund seine Sachen gepackt, und wie er später auf seinem Strohlager kniend offenbar gebetet habe. Er habe dies dem Unteroffizier F gemeldet, sie hätten jedoch das Verhalten des Sp. bei seiner Veranlagung für nichts Besonderes gehalten. Gegen 13,30 Uhr habe er Sp. tot aufgefunden. Am 2. September 1943 teilte die Einheit mit, Sp. habe die Tat im Zustand geistiger Umnachtung begangen; auch eine unheilbare Krankheit könne Anlaß gewesen sein. Eine dienstlich falsche Behandlung habe nicht vorgelegen. Am gleichen Tage berichtete der Abteilungsführer dem Regiment, Sp. habe schon immer einen bedrückten Eindruck gemacht. Nach dem Schreiben des Einheitsführers an die Klägerin vom 4. September 1943 hatte Sp. noch einige Tage vor seinem Tode frohe Stunden im Kreise seiner Kameraden verbracht, so daß die häufigen, wohl auf eine unheilbare Krankheit zurückzuführenden Depressionen überwunden zu sein schienen. Der Antrag der Klägerin auf Witwenrente vom 16. Oktober 1943 wurde mit Bescheid vom 21. Dezember 1945 abgelehnt, da die Selbsttötung auf eine krankhafte Veranlagung zurückzuführen sei. Am 20. Juni 1951 beantragte die Klägerin Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Mit Bescheid vom 27. Dezember 1953 wurde auch dieser Antrag abgelehnt, weil die freie Willensbestimmung nicht durch eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG beeinträchtigt gewesen sei. Widerspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Mit der Berufung machte die Klägerin vor allem geltend, die Vorgesetzten ihres Mannes hätten dessen abartiges Verhalten gekannt, und der Unteroffizier sei von dessen auffälligem Verhalten am Todestag unterrichtet worden. Wenn sie dennoch keine ärztliche Betreuung veranlaßt hätten, so hätten sie ihre Fürsorgepflicht verletzt. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung durch Urteil vom 27. November 1957 zurück. Es ist davon ausgegangen, daß sich Sp. im Zustand einer endogenen Depression getötet habe, durch die seine freie Willensbestimmung ausgeschlossen gewesen sei, hat es aber nicht für wahrscheinlich gehalten, daß dieser Zustand durch den Wehrdienst oder die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse bedingt gewesen sei. Sp. sei an der Ostfront keinen größeren Belastungen ausgesetzt gewesen, schon einige Zeit bevor er Kriegswerkmeister wurde, sei er nur noch bei Instandsetzung von Fahrzeugen verwendet worden und habe durch die Ernennung zum Beamten einen nicht unbeachtlichen Vorzug vor der an der Front eingesetzten Truppe erlangt. Auch die Verhältnisse in der Einheit, zu der er am 17. April 1943 versetzt worden sei, könnten nicht zu einer Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung geführt haben. Wenngleich Sp. als einziger Württemberger in der aus Norddeutschen bestehenden Einheit zunächst keinen Kontakt gefunden habe, so seien diese Schwierigkeiten schließlich doch schon vor der Selbsttötung überwunden gewesen, wie die Teilnahme an Kameradschaftsveranstaltungen und die Anteilnahme der Zeugen beweise. Dienstliche Schwierigkeiten könnten schon wegen der Beförderung zum Kriegswerkmeister nicht so erheblich gewesen sein, daß sie die freie Willensbestimmung ausschließenden Depressionen hätten hervorrufen können, zumal Sp. nach fast vier Jahren Kriegs- und Frontdienst solche Situationen habe meistern können. Es könne daher nur eine von Einflüssen des Wehrdienstes unabhängige endogene Depression bestanden haben, zumal eine erbliche Belastung vorgelegen habe, da auch die Mutter an Depressionen gelitten habe.
Entgegen der Auffassung der ärztlichen Sachverständigen der Universitäts-Nervenklinik T könne auch nicht angenommen werden, daß dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse eine rechtzeitige ärztliche Behandlung und Betreuung verhindert hätten. Die Frage, ob der depressive Zustand für jedermann - auch für die Vorgesetzten von Sp. - ohne weiteres erkennbar gewesen sei, sei nach den Vorgängen vor der Tat und den damals möglichen Erkenntnissen zu beurteilen. Vor der Selbsttötung hätten aber keine Anzeichen eines bedrohlichen Depressionszustandes bestanden. Die Vorgesetzten hätten vielmehr davon ausgehen dürfen, daß Sp. psychisch gesund gewesen sei, zumal er sich nach der Aussage des Zeugen S bei der früheren Einheit unauffällig verhalten habe und den Unterlagen der Truppe weder Angaben über eine Depression noch über eine einschlägige ärztliche Behandlung zu entnehmen gewesen seien. Auch die Beförderung zum Kriegswerkmeister kurz vor der Selbsttötung ergebe, daß Sp. den gesundheitlichen Anforderungen entsprochen habe. Daher habe kein Anlaß bestanden, das gelegentlich beobachtete, in sich gekehrte, verschlossene Wesen des Ehemannes der Klägerin als Zeichen eines krankhaften seelischen Zustandes zu deuten, der ständige Überwachung oder psychiatrische Behandlung in einem Lazarett erfordert hätte, zumal etwaige Anfälligkeiten nicht als Ausdruck einer krankhaften Wesensveränderung, sondern der "üblichen Stimmungslage" aufzufassen gewesen seien. Auch die Gutachter der Universitäts-Nervenklinik hätten von einer "mangelnden Erkennbarkeit der Wesensänderung und von einer tragischen Verkennung der in Wirklichkeit krankhaften Symptome" gesprochen. Das zeitweilige kopfhängerische Wesen habe um so weniger auf eine bedrohliche depressive Verstimmung schließen lassen, als Sp. noch kurz vor seinem Tod an einer kameradschaftlichen Veranstaltung teilgenommen und seine dienstlichen Obliegenheiten noch am Todestag voll erfüllt habe. Auch das Verhalten und die Beobachtungen am Todestag seien angesichts der Wesensart Sp's nicht als so alarmierend anzusehen gewesen, daß die Vorgesetzten oder der Truppenarzt hätten eingreifen müssen. Im übrigen komme ein etwaiges Versäumnis als Mitursache nicht in Betracht, weil die Zeit von 30 Minuten zwischen der letzten Beobachtung des Zeugen H und der Auffindung des Toten für Maßnahmen zur Verhinderung der Selbsttötung zu kurz gewesen wäre, zudem seien dieser Zeuge und Unteroffizier F zu Maßnahmen gegenüber dem ihnen vorgesetzten Sp. nicht befugt gewesen, und erst im Dienstweg einzuholende Anordnungen wären den Umständen nach zu spät gekommen.
Den Gutachtern der Universitäts-Nervenklinik T könne auch insoweit nicht gefolgt werden, als sie die Umstände unmittelbar vor der Selbsttötung und die Versetzung mit der dadurch bedingten Verkennung der Wesensveränderung für "spezifisch" wehrdiensteigentümliche Verhältnisse halten und meinen, unter zivilen Verhältnissen wäre die Selbsttötung verhindert worden. Selbst wenn nämlich Sp. bei seiner früheren Einheit geblieben wäre und dort nach seiner Rückkehr aus dem Urlaub ein gedrücktes Wesen gezeigt hätte, sei doch nicht wahrscheinlich, daß dieses Verhalten anders beurteilt und eine fachärztliche Behandlung und Überwachung veranlaßt worden wäre, durch die die Selbsttötung dann auch tatsächlich verhindert worden wäre. Wahrscheinlich wäre das Verhalten auf das in seinen Briefen anklingende Heimweh zurückgeführt worden. Es sei auch nicht wahrscheinlich, daß bei rechtzeitiger ärztlicher Behandlung die Selbsttötung verhütet worden wäre. Die Situation sei nicht anders, wie wenn Sp. im Zivilleben eine seelische Abartigkeit gezeigt hätte. Im übrigen sei nicht anzunehmen, daß er bei seinen technischen Fähigkeiten überhaupt vom Kriegseinsatz z. B. im Wege einer Dienstverpflichtung verschont und nicht in fremder Umgebung mit allen sich schon hieraus für seine Gesundheit ergebenden Folgen eingesetzt worden wäre. Die Revision wurde zugelassen.
Die Klägerin hat gegen das ihr am 19. März 1958 zugestellte Urteil des LSG am 31. März 1958 Revision eingelegt. Sie beantragt,
unter Aufhebung der Urteile des LSG vom 27. November 1957 und des Sozialgerichts vom 8. September 1955 sowie der diesen Urteilen zugrunde liegenden Vorentscheidungen den Beklagten zu verurteilen, den Tod des Ehemannes der Klägerin als Schädigungsfolge anzuerkennen und ihr vom 1. Oktober 1950 an Hinterbliebenenrente zu gewähren;
hilfsweise
die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Klägerin hat die Revision mit Schriftsatz vom 23. April 1958, beim Bundessozialgericht (BSG) eingegangen am 24. April 1958, begründet. Sie rügt Verletzung der §§ 1, 38 BVG sowie des § 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie hält die depressive Verstimmung ihres Ehemannes für eine Folge der Begebenheiten des Wehrdienstes zwischen der Versetzung zu der neuen Einheit am 17. April 1943 und der Selbsttötung am 31. August 1943. Eine zunächst nur gelegentliche und oberflächliche Verstimmung habe sich in dieser Zeit bis zu dem von jedermann erkennbaren depressiven Zustand verschlimmert, vor allem deshalb, weil ihr Ehemann als einziger Württemberger in der nur aus Norddeutschen bestehenden Einheit sich nicht habe einleben können und keinen kameradschaftlichen Kontakt gefunden habe, der die durch den Dienst verursachten Spannungen hätte mildern können. Dazu seien noch unberechtigte Vorwürfe der Vorgesetzten gekommen. Allein diese besonderen Verhältnisse in der neuen Einheit hätten schließlich zu der Depression geführt oder die Bereitschaft dazu wesentlich verschlimmert, wie die Äußerung ihres Ehemannes zeige, er gehe noch zugrunde, wenn dies so weitergehe. Wenn der Einheitsführer mitgeteilt habe, ihr Ehemann habe sich eingewöhnt gehabt und sogar an einer Feier mit Kameraden teilgenommen, so lasse die ausdrückliche Erwähnung dieses in der Regel selbstverständlichen Umstandes darauf schließen, daß das Verhalten ihres Ehemannes als ungewöhnlich empfunden worden sei.
Ungeachtet dessen seien entsprechend dem Gutachten der Universitäts-Nervenklinik T wehrdiensteigentümliche Verhältnisse die Ursache gewesen, daß Sp. trotz seinem für jedermann erkennbaren krankhaften Zustand nicht rechtzeitig einer ärztlichen Betreuung und Behandlung zugeführt worden sei. Die Feststellung, daß die Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung auch für einen Laien erkennbar gewesen sei, könne nicht bezweifelt werden, zumal in Zeugenaussagen und Briefen wiederholt von einem abnormen seelischen Zustand, im Brief des Einheitsführers vom 4. September 1943 sogar von häufigen Depressionen die Rede gewesen sei. Deshalb hätte Sp. ärztlich beobachtet und behandelt werden müssen, was auch die Gutachter bejaht hätten. Mit der gegenteiligen Feststellung habe das LSG die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, indem es an die Stelle einer den Ärzten vorbehaltenen Feststellung seine eigene Auffassung gesetzt habe. Vor allem die Ereignisse am Todestag und die dadurch veranlaßte Meldung des Zeugen H hätten Maßnahmen zur Verhinderung der Selbsttötung erfordert, und zwar ohne Rücksicht auf den Dienstrang. Bei rechtzeitigem Eingreifen hätte auch nach Auffassung der Universitäts-Nervenklinik T die Selbsttötung verhindert werden können.
Der Beklagte beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision des Beklagten ist statthaft nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG und zulässig (§§ 164, 166 SGG). Sie ist aber nicht begründet, weil die §§ 1, 38 BVG richtig angewandt und die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung (§ 128 SGG) nicht überschritten sind.
Nach § 1 Abs. 4 BVG gilt eine vom Beschädigten absichtlich herbeigeführte Schädigung nicht als Schädigung im Sinne von § 1 Abs. 1 BVG. Eine bei klarem Verstand und freier Willensentschließung begangene Selbsttötung ist eine "absichtlich" herbeigeführte Gesundheitsschädigung, die den Anspruch auf Versorgung ausschließt (vgl. BSG 1, 150, 156). Der Tod des Ehemannes der Klägerin ist daher, wovon das LSG auch ausgegangen ist, nur dann als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG anzusehen, wenn er die Selbsttötung in einem Zustande ausgeführt hat, in dem seine freie Willensbestimmung beeinträchtigt gewesen ist, und wenn dieser Zustand wahrscheinlich durch den Wehrdienst oder die diesem Dienst eigentümlichen Verhältnisse verursacht worden ist. Es muß also ein doppelter ursächlicher Zusammenhang vorliegen: einerseits zwischen einer Geistesstörung (Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung) und der Selbsttötung, andererseits zwischen dem militärischen Dienst und der Geistesstörung. Das LSG hat den ersten Zusammenhang bejaht, den zweiten dagegen verneint. Es ist in Übereinstimmung mit dem Gutachten der Universitäts-Nervenklinik T davon ausgegangen, daß Sp. zur Zeit der Selbsttötung an einer die freie Willensbestimmung ausschließenden endogenen Depression gelitten hat. Das LSG hat es aber nicht für wahrscheinlich gehalten, daß dieser Zustand mit Verhältnissen des Wehrdienstes zusammenhängt. Es hat festgestellt, daß Sp. größeren Belastungen nicht ausgesetzt, schon vor seiner Ernennung zum Kriegswerkmeister seinem Beruf als Automechaniker entsprechend nur noch bei der Instandsetzung von Fahrzeugen verwendet und mit der Ernennung in den Rang eines mittleren Beamten gegenüber der an der Front eingesetzten Truppe bevorzugt war. Das LSG hat ferner die Mitteilungen der Einheit, die Aussagen der Zeugen und die Briefe des Verstorbenen gewürdigt und daraus den Schluß gezogen, daß persönliche Schwierigkeiten, die sich für Sp. als Württemberger mit der Versetzung zu einer aus Norddeutschen bestehenden Einheit ergeben hätten, jedenfalls schon vor der Selbsttötung überwunden gewesen seien, daß die dienstlichen Schwierigkeiten mit Vorgesetzten schon im Hinblick auf die Beförderung zum Kriegswerkmeister nicht erheblich gewesen seien und daß Sp. lange genug Soldat gewesen sei, um mit solchen Situationen fertig zu werden. Die Klägerin wendet sich insoweit nicht gegen die tatsächlichen Feststellungen des LSG, sondern gegen dessen Schlußfolgerungen. Sie ist der Meinung, die Begebenheiten zwischen der Versetzung ihres Ehemannes zu der neuen Einheit am 17. April 1943 und der Selbsttötung am 31. August 1943, insbesondere die Schwierigkeit, sich in der neuen Einheit einzuleben, der mangelnde Kontakt mit den Kameraden und unberechtigte Vorwürfe der Vorgesetzten hätten eine zunächst nur gelegentliche Verstimmung verschlimmert und schließlich zu der die freie Willensbestimmung beeinträchtigenden Depression geführt. Diese Ausführungen enthalten lediglich eine andere Würdigung des festgestellten Sachverhalts. Es fehlt aber an Tatsachen und Beweismitteln, die ergeben, daß das LSG den Sachverhalt nicht genügend geklärt oder die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten habe. Die Erwähnung der unberechtigten Vorwürfe der Vorgesetzten beruht auf reiner Vermutung, und die geschilderten persönlichen Schwierigkeiten zwingen keineswegs zu dem Schluß, daß sie die Entwicklung einer endogenen Depression und den darauf zurückzuführenden Ausschluß der freien Willensbestimmung beeinflußt hätten, zumal auch die ärztlichen Sachverständigen der Universitäts-Nervenklinik T dies nicht angenommen haben und nicht erkennbar ist, daß die erwähnte Teilnahme an einer Feier mit Kameraden nicht als Bestätigung für die Überwindung der persönlichen Schwierigkeiten hätte aufgefaßt werden dürfen.
Mit Recht hat es das LSG auch nicht für wahrscheinlich gehalten, daß die Selbsttötung, die Sp. in einer nicht durch den Wehrdienst bedingten endogenen Depression begangen hat, mit wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen zusammenhängt. Auf diese Verhältnisse wäre die Selbsttötung nur dann zurückzuführen, wenn unter anderen äußeren Umständen das bekannt gewordene Verhalten des Sp. den Verdacht einer Störung der Geistestätigkeit nahegelegt und seine Umgebung zu Maßnahmen veranlaßt hätte, durch welche die Selbsttötung mit Wahrscheinlichkeit verhindert worden wäre. Das LSG hat diese Voraussetzungen verneint, ohne daß zu erkennen wäre, daß ihm bei dem hierzu festgestellten Sachverhalt Fehler unterlaufen wären. Das LSG hat den Zustand des Ehemannes der Klägerin, wie er sich in dem in Briefen und von Zeugen geschilderten Verhalten, vor allem am Todestage, geäußert hat, gewürdigt und dabei insbesondere in Betracht gezogen, daß Sp. mitunter durch ein in sich gekehrtes, verschlossenes und gedrücktes Wesen aufgefallen ist. Es ist nicht erkennbar, warum es daraus hätte schließen müssen, daß ohne Zweifel eine auch für einen Laien erkennbare Beeinträchtigung der freien Willensbestimmung vorgelegen habe und nur wegen der wehrdiensteigentümlichen Verhältnisse eine rechtzeitige ärztliche Behandlung und Beobachtung unterblieben sei, zu der den Umständen nach Anlaß bestanden hätte. Nach den tatsächlichen, von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des LSG rechtfertigten die Auffälligkeiten im Verhalten und Wesen von Sp. nicht den Verdacht geistiger Störungen, die eine ärztliche Behandlung oder die Unterbringung in einer Anstalt erfordert hätten. Die Beobachtung gewisser Auffälligkeiten genügt dazu nicht, insbesondere nicht zu einem zwangsweisen Einschreiten. Vielmehr müssen besondere Umstände vorliegen, die den Verdacht einer Störung der Geistestätigkeit und die Befürchtung einer Selbsttötung nahelegen. Entsprechende Äußerungen oder sogar der Versuch einer Selbsttötung sind aber nicht bekannt geworden. Abgesehen davon könnte die Unterlassung ärztlicher Behandlung und Überwachung allein den Zusammenhang einer Selbsttötung mit wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen nicht rechtfertigen. Dazu ist notwendig, daß das Verhalten von Sp. auch unter anderen äußeren Umständen - ohne Wehrdienst - den Verdacht einer Störung der Geistestätigkeit nahegelegt hätte, daß Sp. auch dann freiwillig oder unfreiwillig einer ärztlichen Behandlung - unter Umständen in einer Anstalt - unterzogen worden wäre und daß die Selbsttötung dadurch wahrscheinlich verhindert worden wäre. Das LSG hat diese Voraussetzungen unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Tatsachen geprüft, es aber nicht für wahrscheinlich gehalten, daß Sp., wenn er vom Wehrdienst verschont und zu Hause geblieben oder dienstverpflichtet worden wäre, freiwillig oder unfreiwillig in ärztliche Behandlung gebracht und dadurch die Selbsttötung verhütet worden wäre. Diese Schlußfolgerung kann nicht durch die Rüge erschüttert werden, sie widerspreche der Auffassung der Universitäts-Nervenklinik T, daß bei rechtzeitigem Eingreifen die Selbsttötung hätte verhindert werden können, das LSG habe dadurch die Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung (§ 128 SGG) überschritten, daß es an die Stelle einer den Ärzten vorbehaltenen Feststellung seine eigene Auffassung gesetzt habe. Zwar sind die Grenzen des Rechts auf freie Beweiswürdigung überschritten, wenn das Gericht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über die Beurteilung medizinischer Fragen durch die Sachverständigen hinweggeht und seine eigene Auffassung an deren Stelle setzt (BSG in SozR SGG § 128 Bl. Da 1 Nr. 2). Hier hatte das LSG aber darüber zu entscheiden, ob dem Wehrdienst eigentümliche Verhältnisse zu der Selbsttötung beigetragen haben und ob die Selbsttötung in einer nicht durch den Wehrdienst bedingten Depression unter anderen Verhältnissen verhindert worden wäre. Insoweit hat es nicht medizinische Tatsachen festzustellen, sondern aus den festgestellten Tatsachen rechtliche Schlußfolgerungen hinsichtlich der Tatbestandsmerkmale der §§ 1, 38 BVG zu ziehen gehabt. Diese Aufgabe ist dem LSG vorbehalten. Dabei hat das LSG die Feststellungen der Universitäts-Nervenklinik T nicht übergangen, sondern sich gerade mit ihnen, wie die Urteilsgründe erkennen lassen, eingehend auseinandergesetzt. Wenn die Klägerin dazu noch vorbringt, die Ereignisse am Todestag und die dadurch veranlaßte Meldung des Zeugen H hätten ohne Rücksicht auf den Dienstrang ihres Ehemannes Maßnahmen zur Verhinderung der Selbsttötung erfordert, die nach Auffassung der Universitäts-Nervenklinik T auch zu deren Behandlung hätten führen können, so betrifft dieses Vorbringen nicht den Gang des Verfahrens, sondern das Ergebnis der Beweiswürdigung. Im übrigen beruht es im wesentlichen auf Vermutungen und läßt außer Betracht, daß es bei der hier zu entscheidenden Frage nicht auf die Verhältnisse des Wehrdienstes allein ankommt, sondern darauf, daß bei entsprechenden Maßnahmen unter anderen als wehrdiensteigentümlichen Verhältnissen die Selbsttötung hätte verhütet werden können, was das LSG nach umfassender Würdigung der insoweit erheblichen Umstände jedoch nicht für wahrscheinlich gehalten hat.
Die Revision der Klägerin ist somit nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen