Entscheidungsstichwort (Thema)
Versicherungspflicht einer Propagandistin
Leitsatz (amtlich)
Läßt sich weder anhand der tatsächlichen Ausgestaltung einer Berufstätigkeit noch unter Berücksichtigung des im Vertrag zum Ausdruck gekommenen Willens der Vertragspartner feststellen, ob es sich um eine abhängige Beschäftigung oder um eine selbständige Tätigkeit handelt, kann das bisherige Berufsleben als Indiz dafür dienen, was nach dem Willen der Vertragspartner gewollt war (Fortführung von BSG 1976-11-25 - 12/3 RJ 1/75 = USK 76178).
Leitsatz (redaktionell)
1. Es gibt keinen Grundsatz dahin, in Zweifelsfällen eher eine abhängige als eine selbständige Tätigkeit anzunehmen.
2. Die Beurteilung der Frage, ob eine unselbständige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit vorliegt, muß nach dem Gesamtbild des beruflichen Einsatzes vorgenommen werden, wobei letztlich entscheidend ist, ob die Merkmale der Unselbständigkeit oder die der Selbständigkeit überwiegen; vertragliche Vereinbarungen können hierbei nur insoweit herangezogen werden, als sie mit den tatsächlichen Verhältnissen übereinstimmen.
3. Sofern die tatsächliche Gestaltung einer Tätigkeit gleichermaßen für eine abhängige Beschäftigung wie für eine selbständige Tätigkeit spricht, ist für die versicherungsrechtliche Beurteilung der in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck kommende Wille der Vertragspartner maßgebend, es sei denn, daß zwingende Vorschriften des Sozialversicherungsrechts dem entgegenstehen; erlaubt auch die Berücksichtigung des Vertragswillens noch keine abschließende versicherungsrechtliche Beurteilung, dann muß darauf abgestellt werden, von welcher der beiden Arten von Erwerbstätigkeiten das Berufsleben der in Betracht kommenden Person geprägt ist.
4. Für die Beurteilung der Frage, ob eine Propagandistin, die von ihrem Auftraggeber hergestellte Waren gegen Provision in einem fremden Kaufhaus für dessen Rechnung verkauft, abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, kann ua von Bedeutung sein, ob die Propagandistin ihren zeitlichen Einsatz selbst bestimmen und nach freiem Entschluß Urlaub nehmen kann, ob sie Mitarbeiter selbst einstellen kann und entlohnen muß, ob und welchen Weisungen ihres Auftraggebers oder des Kaufhauses sie nachzukommen hat, wer sie überwacht und wer sie im Verhinderungsfalle vertritt, in welchem Umfang sie für Fehlbestände haftet und ob sie gleichzeitig auch für andere Herstellerfirmen tätig sein darf; ferner hängt die versicherungsrechtliche Beurteilung davon ab, in welchem Maße die Propagandistin durch persönliche Geschicklichkeit und Einsatzfreude die Höhe ihrer Provision beeinflussen kann.
Orientierungssatz
Für die Rechtsauffassung, im Zweifelsfall sei wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbständige, unternehmerische Tätigkeit anzunehmen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Sie kann auch nicht aus der Systematik des Sozialversicherungsrechts abgeleitet werden, die grundsätzlich auf die Verknüpfung der Sozialversicherungspflicht mit der abhängigen Beschäftigung abstellt und ausnahmsweise gesetzlich genau umrissene Personenkreise, bei denen dieses Merkmal nicht vorzuliegen braucht, mit in die Versicherungspflicht einbezieht. Auch der dem Sozialversicherungsrecht ua innewohnende Grundgedanke, die sozial schwächeren Teile der erwerbstätigen Bevölkerung durch Pflichtversicherung der vor den Wechselfällen des Lebens zu schützen, erlaubt es nicht, die - von der atypischen Form der Pflichtversicherung der Selbständigen abgesehen - unerläßliche Voraussetzung der abhängigen Beschäftigung gleichsam im Wege einer den Grundsatz von der objektiven Beweislast entgegenstehenden Beweisregelung aus Gründen als gegeben zu unterstellen, die mit dem Tatbestand der Abhängigkeit nichts zu tun haben müssen. Denn das Vorliegen oder Nichtvorliegen sozialer Schutzbedürftigkeit ist nicht gleichbedeutend mit abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit.
Normenkette
AVG § 2 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; RVO § 1227 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23; AFG § 16 8 Abs. 1 S. 1 Fassung: 1969-06-25
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 29. Oktober 1976 aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1) versicherungspflichtig in der gesetzlichen Krankenversicherung und in der Rentenversicherung der Angestellten sowie beitragspflichtig in der Arbeitslosenversicherung ist.
Die Beigeladene zu 1) ist Propagandistin. Sie verkauft seit Oktober 1973 im Kaufhaus H in S an einem gesonderten Stand gegen Provision von der Klägerin hergestellte Artikel. Diese Artikel wurden vorher vom Kaufhaus zu Eigentum erworben. Die Provision (mindestens 180,- DM wöchentlich) zahlt die Klägerin.
Mit Bescheid vom 17. September 1974 stellte die Beklagte die Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) fest und forderte die Klägerin auf, diese ab 1. August 1973 zur Versicherung anzumelden. Widerspruch und Klage blieben erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 3. Februar 1975, Urteil des Sozialgerichts - SG - vom 24. September 1975). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Klägerin verpflichtet sei, die Beigeladene zu 1) ab Beginn ihrer im Oktober 1973 aufgenommenen Beschäftigung als Propagandistin bei der Beklagten anzumelden. Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) und der übrigen Propagandisten der Klägerin seien wenigstens in der abgeschwächten Form der funktionsgerechten, dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß als abhängige und damit versicherungspflichtige Dienstleistungen aufzufassen. Sie seien durch das Unternehmen der Klägerin geprägt und daher fremdbestimmt. Die Propagandisten seien nichts anderes als von der Klägerin eingesetzte Verkäufer, die gegen eine Mindestvergütung und eine darüber hinausgehende Umsatzbeteiligung tätig seien. Wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung sei in Zweifelsfällen eher eine abhängige als eine selbständige, unternehmerische Tätigkeit anzunehmen. Der Zweck der Sozialversicherung bestehe darin, grundsätzlich jeden gegen Entgelt Beschäftigten gegenüber gesundheitlichen und gesellschaftlichen Risiken zu schützen. Dieser Schutzgedanke brauche ausnahmsweise dann nicht verwirklicht zu werden, wenn der Beschäftigte durch seine Arbeit unabhängig und eigenverantwortlich für seinen wirtschaftlichen und sozialen Stand ausschließlich selbst sorge. Dieser Freiheit und Selbständigkeit entspreche es auch, daß der in solcher Weise unabhängig Beschäftigte sich eine private Daseinsvorsorge schaffe. Insoweit bestehe kein Bedürfnis, den Beschäftigten zwangsläufig in die solidarische Sozialversicherung als staatlicher Daseinsvorsorge einzubeziehen. Diese Art der Selbständigkeit, Unabhängigkeit und Selbstverantwortlichkeit bestehe bei der Beigeladenen zu 1) ebensowenig wie bei den übrigen Propagandisten der Klägerin. Daß diese ihre Arbeit verhältnismäßig frei gestalten und die Höhe ihres Einkommens durch ihren persönlichen Einsatz beeinflussen könnten, gebe ihnen keine unternehmerische Freiheit. Sie seien vielmehr an das Unternehmen der Klägerin als übergeordnete und ihren Arbeitseinsatz steuernde Organisation gebunden, indem sie ihre gesamte oder jedenfalls den überwiegenden Teil ihrer Arbeitskraft in den Dienst der Klägerin stellten und von dieser dafür bezahlt würden.
Die Klägerin hat - die vom LSG zugelassene - Revision eingelegt. Sie rügt eine Verletzung der §§ 103, 106, 128, 136 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG), des § 165 der Reichsversicherungsordnung (RVO), des § 2 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) und - sinngemäß - des § 168 des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG). Das LSG habe im Widerspruch zum Gegenstand des Prozesses (Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1)) in wesentlichen Teilen der Entscheidungsgründe die Propagandisten der Klägerin allgemein behandelt. Auch wenn man diese Ausführungen dahin verstehen würde, daß aus der Charakterisierung aller Propagandisten Folgerungen für die rechtliche Beurteilung der Versicherungspflicht der Beigeladenen zu 1) gezogen wurden, wäre das LSG verpflichtet gewesen, den Sachverhalt hinsichtlich der verschiedenen Fälle zu erforschen. Die Ansicht des LSG, in Zweifelsfällen sei wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbständige Tätigkeit anzunehmen, finde im Gesetz keine Stütze. Weder § 165 RVO noch die §§ 1227 RVO, 2 AVG, 168 AFG machten die Versicherungspflicht davon abhängig, daß der Schutz gegenüber gesundheitlichen und gesellschaftlichen Risiken sie erfordere. Das geltende Recht habe vielmehr Kataloge für die Versicherungspflicht aufgestellt. Diejenigen Personen, die in eine Rubrik dieses gesetzlichen Kataloges fielen, seien versicherungspflichtig, gleichgültig, ob bei ihnen der Schutzzweck dies notwendig machen würde oder nicht. Die Regelungstechnik des Sozialversicherungsrechts gehe also von einer formalen Begrenzung der Personenkreise aus. Eine "Im Zweifel"-Formel werde hierdurch ausgeschlossen. Wenn das LSG ausführe, die Tätigkeiten der Beigeladenen zu 1) und der übrigen Propagandisten seien wenigstens in der Form der funktionsgerechten dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß als abhängige Dienstleistungen anzusehen, dann sei damit im Grunde keine Subsumtion vorgenommen, sondern lediglich eine - unrichtige - These aufgestellt worden. Arbeitseinsatz und Arbeitsablauf seien einzig und allein von der Beigeladenen zu 1) ohne Einflußnahme durch die Klägerin bestimmt worden. Allgemeine Weisungen oder Richtlinien hätten nichts mit dem Direktionsrecht des Arbeitgebers zu tun, sondern stellten letzten Endes nur die gleiche Möglichkeit dar, die jeder Besteller etwa gegenüber einem selbständigen Handwerker habe. Daß der wirtschaftliche Erfolg ein Ziel sowohl des Propagandisten wie auch der Klägerin sei, begründe kein Beschäftigungsverhältnis mit persönlicher Abhängigkeit. Das gleiche gelte für den Einsatz der ganzen Arbeitskraft, an dem der Propagandist seines wirtschaftlichen Erfolges wegen interessiert sei. Das unternehmerische Risiko bestehe auch bei einem freien Handelsvertreter nur darin, daß er weniger Provision erhalte, wenn nichts verkauft werde. Eine Mindestprovision oder Garantieprovision sei auch bei Handelsvertretern nichts Außergewöhnliches. Das LSG habe auch den Umstand, daß von seiten der Steuerbehörde und der Finanzgerichte eine Lohnsteuerpflicht verneint worden sei, nicht außer Betracht lassen dürfen. Auch wenn über die Versicherungspflicht ausschließlich die Sozialversicherungsträger und die Sozialgerichte verbindlich zu entscheiden hätten, stelle die steuerrechtliche Entscheidung bei der Gesamtwürdigung ein wesentliches Argument gegen die Versicherungspflicht dar. Schließlich dürfe man auch nicht kurzerhand die vertragliche Vereinbarung negieren. Der subjektive Parteiwille dürfe nicht außer Betracht bleiben.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie den Bescheid der Beklagten vom 17. September 1974 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. Februar 1975 aufzuheben.
Die Beklagte und die Beigeladenen zu 2) und 3) beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Die Beigeladene zu 1) hat keinen Antrag gestellt und sich auch zur Sache nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben. Der Rechtsstreit ist zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Die streitige Frage, ob die Beigeladene zu 1) als Propagandistin für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses oder als selbständige Unternehmerin tätig ist oder war, muß nach dem Gesamtbild dieses beruflichen Einsatzes beantwortet werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung voraus, daß der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist (BSGE 20, 6, 8; 35, 20, 21; 38, 53, 7 und 50; BSG SozR Nrn 62, 68, 71 und 72 zu § 165 RVO, BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8). Dazu gehört aber nicht zugleich eine wirtschaftliche Abhängigkeit. Eine persönliche Abhängigkeit ist vielmehr bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer und Ort der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (BSGE 13, 196, 197, 201 f; 35, 20, 21; BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO, BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8). Allerdings kann dies - vornehmlich bei Diensten höherer Art - eingeschränkt und zur "funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozeß" verfeinert sein (BSGE 16, 289, 294; BSG SozR Nr. 68 zu § 165 RVO). Andererseits kennzeichnen eine selbständige Tätigkeit das eigene Unternehmerrisiko, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit (BSGE 13, 196, 201; 16, 289, 293; 35, 20, 21; 38, 53, 57; BSG SozR Nr 68 zu § 165 RVO, BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8). Ob eine Tätigkeit abhängig oder selbständig verrichtet wird, entscheidet sich letztlich danach, welche Merkmale überwiegen. Alle Umstände des Falles sind zu berücksichtigen. Hierbei ist auch die vertragliche Ausgestaltung des Verhältnisses zu beachten. Weicht diese jedoch von den tatsächlichen Verhältnissen ab, haben diese ausschlaggebende Bedeutung (BSGE 35, 20, 21; 38, 53, 57; BSG SozR 2200 § 1227 Nrn 4 und 8 mit weiteren Nachweisen).
Die Feststellungen des LSG reichen nicht aus, die für das Gesamtbild der Beschäftigung der Beigeladenen zu 1) wesentlichen Umstände im konkreten Einzelfall - auf den es allein ankommt - eindeutig zu erkennen und gegeneinander abzuwägen. Die Rechtsausführungen des LSG - auch soweit sie der ständigen Rechtsprechung des BSG entsprechen - können deshalb mangels gesicherter tatsächlicher Grundlage einer Überprüfung nicht standhalten. Das LSG hätte zunächst einmal feststellen müssen, ob - den Angaben der Beigeladenen zu 1) entsprechend - ein schriftlicher Vertrag abgeschlossen wurde oder - wie von der Klägerin vorgebracht worden ist - lediglich mündliche Vereinbarungen zustande gekommen waren. Sodann hätte entweder der schriftliche Vertrag beigezogen oder der Inhalt der mündlichen Vereinbarungen im einzelnen genau ermittelt werden müssen. Dabei hätte es der Beiziehung des Mustervertrages (von dem in der Entscheidung des Finanzgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Juli 1970 die Rede ist) bedurft, um feststellen zu können, ob und inwieweit die Vereinbarungen mit der Beigeladenen zu 1) diesem Mustervertrag entsprachen oder von ihm abwichen. Es hätten ferner die für die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit der Beigeladenen zu 1) wesentlichen Umstände über die vom LSG getroffenen Feststellungen hinaus weiter aufgeklärt werden müssen. Es hätte insbesondere - zur Klärung eines etwaigen unternehmerischen Risikos (Ungewißheit des Erfolgs ihres Arbeitseinsatzes) - ermittelt werden müssen, was die Beigeladene zu 1) im einzelnen verkaufte, wieviel sie umsetzte, ob und ggf. wie oft und in welcher Höhe sie die Mindestprovision überschritt. Des weiteren wäre zu ermitteln gewesen, ob sie während der gesamten Öffnungszeit anwesend sein mußte oder ihren zeitlichen Einsatz selbst bestimmen konnte, ob und welchen Weisungen der Klägerin oder des Kaufhauses sie nachzukommen hatte, auf welche Weise sie überwacht wurde und ob insoweit Absprachen zwischen der Klägerin und dem Kaufhaus bestanden. Auch hätte geklärt werden müssen, wer sie im Verhinderungsfalle vertrat, ob sie nach freiem Entschluß Urlaub nehmen konnte oder hierfür erst die Erlaubnis der Klägerin oder des Kaufhauses einholen mußte, ob und in welchem Umfang sie für Fehlbestände haftete, ob sie Mitarbeiter selbst einstellen konnte und entlohnen mußte und ob sie berechtigt war, gleichzeitig auch für andere Herstellerfirmen tätig zu sein. Weiter hätten Feststellungen darüber getroffen werden müssen, in welchem Maße die Beigeladene zu 1) durch persönliche Geschicklichkeit und Einsatzfreude die Höhe ihrer Provision zu beeinflussen imstande war. Mit Recht hat die Revision deshalb mangelnde Aufklärung des Sachverhalts und damit einen Verstoß gegen § 103 SGG und die Regeln der Beweiswürdigung (§ 128 SGG) gerügt. Schon aus diesem Grund muß das Urteil des LSG aufgehoben und die Sache zurückverwiesen werden.
Das LSG wird die noch fehlenden Feststellungen nachzuholen haben. Es wird sodann abzuwägen haben, welche Bedeutung die tatsächlichen Umstände entweder für die Selbständigkeit oder für die Abhängigkeit der Beigeladenen zu 1) haben. Dabei ist zu berücksichtigen, daß einzelne Umstände sowohl für das eine wie für das andere sprechen können und sich erst in der Gesamtschau richtig einordnen lassen.
Ergibt sich bei dieser Abwägung wiederum kein eindeutiges Übergewicht für die eine oder die andere Seite, dann wird allerdings das LSG nicht "im Zweifel" eine versicherungspflichtige Tätigkeit annehmen dürfen. Für die Rechtsauffassung, im Zweifelsfall sei wegen des starken Gewichts der Sozialversicherung eher eine abhängige als eine selbständige, unternehmerische Tätigkeit anzunehmen, fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage. Sie kann auch nicht aus der Systematik des Sozialversicherungsrechts abgeleitet werden, die grundsätzlich auf die Verknüpfung der Sozialversicherungspflicht mit der abhängigen Beschäftigung abstellt und ausnahmsweise gesetzlich genau umrissene Personenkreise, bei denen dieses Merkmal nicht vorzuliegen braucht, mit in die Versicherungspflicht einbezieht. Auch der dem Sozialversicherungsrecht ua innewohnende Grundgedanke, die sozial schwächeren Teile der erwerbstätigen Bevölkerung durch Pflichtversicherung vor den Wechselfällen des Lebens zu schützen, erlaubt es nicht, die - von der atypischen Form der Pflichtversicherung der Selbständigen abgesehen - unerläßliche Voraussetzung der abhängigen Beschäftigung gleichsam im Wege einer dem Grundsatz von der objektiven Beweislast entgegenstehenden Beweisregelung aus Gründen als gegeben zu unterstellen, die mit dem Tatbestand der Abhängigkeit nichts zu tun haben müssen. Denn das Vorliegen oder Nichtvorliegen sozialer Schutzbedürftigkeit ist nicht gleichbedeutend mit abhängiger Beschäftigung oder selbständiger Tätigkeit.
Wenn die tatsächliche Ausgestaltung der Tätigkeit in etwa gleichermaßen für eine Selbständigkeit oder für eine Abhängigkeit spricht, wird das LSG den in den vertraglichen Vereinbarungen zum Ausdruck kommenden übereinstimmenden Willen der Vertragsschließenden eine ausschlaggebende Bedeutung beizumessen haben, sofern nicht zwingende Vorschriften des Sozialversicherungsrechts verletzt werden (vgl das zur Veröffentlichung bestimmte Urteil des erkennenden Senats vom 13. Juli 1978 - 12 RK 14/78 -). Sollte auch die Berücksichtigung des Vertragswillens noch keine hinreichend sichere Entscheidung erlauben (was möglicherweise dann der Fall sein könnte, wenn sich ein übereinstimmender Wille über den Status des Beschäftigten dem Vertrag nicht entnehmen läßt), dann wird letztlich darauf abzustellen sein, von welcher der beiden Arten von Erwerbstätigkeiten das Berufsleben der Beigeladenen zu 1) überhaupt geprägt ist (Urteil des erkennenden Senats vom 25. November 1976 - 12/3 RJ 1/75 - USK 76178 -; BSG Urteil vom 31. Juli 1958 - 3 RK 46/55 - SozR Nr 8 zu § 165 RVO -; Verbandskomm, Stand Januar 1975, RVO § 1227 Anm 8 S 10). Dies rechtfertigt sich daraus, daß in Fällen, in denen weder die tatsächliche Ausgestaltung der Beschäftigung noch die vertraglichen Vereinbarungen ausreichen, entweder eine abhängige Beschäftigung oder eine selbständige Tätigkeit anzunehmen, aus dem bisherigen Status im Erwerbsleben auf den Willen des Beschäftigten eher dahin geschlossen werden kann, diesen Status nicht zu verändern. Das bisherige Berufsleben dient also nur als Indiz dafür, was der Beschäftigte gewollt hat. Diese Rechtsprechung des erkennenden Senats steht nicht im Widerspruch zu dem Urteil des BSG vom 12. Februar 1970 - 7/2 RU 51/67 - (BSGE 31, 1). Dort konnte dem bisherigen Berufsleben des betreffenden Erwerbstätigen kein Gewicht beigemessen werden, weil sich die Frage, ob abhängig beschäftigt oder selbständig tätig, schon aus der tatsächlichen Ausgestaltung der Tätigkeit beantworten ließ. Auch der erkennende Senat ist der Auffassung, daß das bisherige Berufsleben außer Betracht zu bleiben hat, wenn bereits die tatsächlichen Umstände und die vertraglichen Vereinbarungen eine Entscheidung darüber erlauben, ob es sich um ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis oder um eine selbständige Tätigkeit handelt.
Die Kostenentscheidung bleibt dem abschließenden Urteil vorbehalten.
Fundstellen