Leitsatz (redaktionell)
Das Erfordernis der Hofabgabe nach GAL § 2 Abs 1 Buchst c verstößt nicht gegen GG Art 14.
- Im Bereich der Sozialversicherung herrscht der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, nicht jener der Abgeltung eines individuellen Vorteils; eine Verletzung des GG Art 14 durch das GAL scheidet deshalb ebenfalls aus.
Normenkette
GAL § 2 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1957-07-27; GAL § 2 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1961-07-03; GG Art. 14 Fassung: 1949-05-23
Tenor
Die Revision des Klägers gegen des Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Mai 1963 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
I
Der Kläger, ein Diplom-Landwirt, seine Ehefrau und sein Vater Dr. h.c. H ... H ..., Kläger in der Sache 7 RLw 29/63, schlossen am 28. Dezember 1955 mit der Hofkammer des Hauses Württemberg für die Zeit vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Januar 1968 einen Pachtvertrag über die 166 ha große Domäne "H ...". Sämtliche Vertragsschließenden sind Pächter der Domäne. Sie bewirtschaften den Pachthof gemeinsam und außerdem noch weitere 7 ha, die sich im Eigentum einer aus dem Kläger, dessen Vater und seinen drei Geschwistern bestehenden Erbengemeinschaft befinden. Am Gewinn und Verlust des gesamten Unternehmens sind der Kläger, sein Vater und seine drei Geschwister mit je 20 % beteiligt. Der Kläger führt und leitet den Betrieb und erledigt die laufenden bei der Verwaltung des Pachtbetriebes anfallenden Leitungsaufgaben; er und seine Ehefrau erhalten hierfür eine Vergütung als Gewinn voraus. Neben dem Kläger steht dessen Vater die Leitung des Betriebes zu. Dieser gibt in allen entscheidenden und grundsätzlichen Fragen auf Grund seiner familiären Stellung und seiner langen Berufserfahrung den Ausschlag.
Die Beklagte nahm zuerst den Vater des Klägers in das Unternehmerverzeichnis der Landwirtschaftlichen Alterskasse Württemberg auf und forderte von ihm Beiträge. Sie hob jedoch die entsprechenden Bescheide auf Widerspruch hin auf, weil nicht jener, sondern der Kläger der vorwiegend leitende Mitunternehmer im Sinne des § 8 Abs. 6 des Gesetzes über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - und deshalb beitragspflichtig sei. Sie nahm dann mit Bescheid vom 31 Mai 1960 den Kläger in das Unternehmerverzeichnis auf und forderte von ihm die Beiträge vom 1. Oktober 1957 an. Dessen Widerspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung zurück. Der vom Kläger ausgesprochenen Bitte auf förmliche Verbindung des Verfahrens mit dem beim gleichen Gericht anhängigen Berufungsverfahren seines Vaters lehnte das Gericht ab. Es kam auch dem weiteren Antrag des Klägers, das Berufungsverfahren gemäß Art. 100 des Grundgesetzes (GG) auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) einzuholen, nicht nach und sah sowohl das Gesetz insgesamt wie auch insbesondere die §§ 2 Abs. 1 c, 25 Abs. 1 a GAL aF und §§ 2 Abs, 1 c, 26 und 27 GAL aF als verfassungsgemäß an. Die Neueinbeziehung der Landwirte in ein berufsständisches Versicherungs- und Versorgungssystem für die Zeit des Alters durch das GAL sei dem GG entsprechend. Auch im einzelnen verstoße das GAL weder gegen Art. 12 noch 14 oder 2 GG. Weil das GAL im ganzen und auch hinsichtlich der angegriffenen einzelnen Bestimmungen nicht verfassungswidrig und der Kläger unbestritten der vorwiegend leitende Mitunternehmer des gesamten landwirtschaftlichen Unternehmens sei, werde dieser von Anfang an beitragspflichtig zur Beklagten (§ 8 Abs. 1 und 6 GAL aF).
Gegen dieses Urteil legte der Kläger Revision ein. Zur Begründung trägt er vor, er lehne den Gedanken einer Alterssicherung in der Landwirtschaft nicht ab. Jedoch wehre er sich gegen die Beitragspflicht solange, als die verfassungswidrige Vorschrift des § 2 Abs. 1 c GAL angewandt werde oder angewandt werden könne, weil er sonst damit rechnen müsse, ein Leben lang Beiträge ohne Aussicht auf den Erhalt eines entsprechenden Gegenwertes zu leisten. Im übrigen nehme er zur weiteren Begründung der Revision in vollem Umfange auf die im Revisionsverfahren seines Vaters Dr. h. c. H ... H ... gegen die Landwirtschaftliche Alterskasse Württemberg (7 RLw 29/63) durch seinen Prozeßbevollmächtigten vorgebrachten verfahrens- und verfassungsrechtlichen Ausführungen Bezug. Er fügte eine Abschrift davon seiner eigenen Revisionsbegründung bei.
Der Kläger trägt weiter vor, die Konstruktion des GAL, daß der Gegenwert einer lebenslangen Beitragsleistung lediglich unter der Bedingung der Aufgabe des Berufs als selbständiger Landwirt zu erhalten sei und ebenso die Freistellung vom Zwang, weitere Beitragsleistungen erbringen zu müssen, verstoße insbesondere gegen die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 GG). Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts bleibe es nämlich dem einzelnen nicht frei überlassen, ob und wann er sein Unternehmen aufgeben wolle. Sein diesbezüglicher Wille und Entschluß würden vielmehr nachhaltig durch die angegriffene Gesetzesausgestaltung beeinflußt und bestimmt. Es sei im übrigen auch das erklärte Ziel des Gesetzgebers, eine durchschnittliche Hofübergabe bis zum 65. Lebensjahr zu erreichen. Die wenigsten selbständigen Landwirte könnten sich jedoch leisten, ihr Leben lang Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse aufzubringen, ohne wenigstens einen bescheidenen Gegenwert im Alter hierfür zu erhalten. Andernfalls hätten sie einen Betrag von mindestens 40.000,-- DM oder noch erheblich mehr umsonst aufgewandt. Folglich würden die meisten von ihnen auch gegen ihren Willen zur Hofübergabe gezwungen. Hierbei sei noch zu bedenken, daß die sodann zustehenden Gegenleistungen keine volle Altersversorgung, sondern lediglich ein geringes Taschengeld darstellten. Entgegen der Auffassung des LSG werde ein derartiger Zwang zur Berufsaufgabe durch Art. 12 GG nicht gedeckt. Aus BVerfGE 9, 344 ff ergebe sich, daß das Setzen einer Altersgrenze und damit auch der mittelbare Zwang zur Aufgabe des Berufs in einem bestimmten Alter einen schweren Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der Berufswahl darstelle. Durch das GAL werde zwar nicht direkt eine Altersgrenze für die Ausübung des Berufs eingeführt, aber ein mittelbarer Zwang zur Berufsaufgabe ab einem bestimmten Alter ausgeübt. Dies genüge zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 c GAL.
Der Kläger beantragt:
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Bescheid der Beklagten vom 31. Mai 1960 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 20. September 1960 aufzuheben,
hilfsweise,
das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 8 Abs. 1 GAL aF und § 9 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Buchst. c GAL mit Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 1 Abs. 1 GG vereinbar ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
II
Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, sie konnte aber keinen Erfolg haben.
Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Kläger sein Rechtsmittel ordnungsgemäß nach § 164 Abs, 1 und 2 SGG begründet. Zwar genügt nach der Rechtsprechung des Reichsgerichts (RG) und der oberen Bundesgerichte (vgl. ua RG 7, 109, 294; 145, 266) für eine ordnungsgemäße Revisionsbegründung nicht, sie durch Bezugnahme auf eine in einer anderen Streitsache vorgelegte und in anderen Akten befindliche Revisionsbegründung zu ersetzen (so auch BVerwG in MDR 1959, 60) oder sie durch Bezugnahme auf die vorinstanzlichen Schriftsätze zu stützen (vgl. BVerwG in NJW 62, 459; BSG in SozR SGG § 164 Nr. 33). Selbst bei der Verbindung mehrerer Revisionen müssen alle beteiligten Revisionskläger ihre Rechtsmittel selbständig begründen, falls es sich bei ihnen nicht um notwendige Streitgenossen handelt (vgl. BSG in SozR SGG § 164 Nr. 30). Jedoch hat der Kläger im vorliegenden Streitfall seine Revisionsbegründung nicht nur durch bloße Bezugnahme auf die im Verfahren seines Vaters schriftlich vorgetragene gestützt. Er hat sie vielmehr, wenn auch nur kurz, mit eigenem Vortrag insoweit substantiiert, als er ausführt, solange nicht beitragspflichtig zu sein, als die nach seiner Ansicht verfassungswidrige Vorschrift dos § 2 Abs. 1 Buchst. c GAL angewandt wird. Hinzu kommt, daß er zur näheren Begründung seiner Auffassung nicht nur auf die im Revisionsverfahren seines Vaters gegebene Begründung verweist, sondern diese in Durchschrift vollständig seiner eigenen Begründung beifügt. Er macht sie derart zum Bestandteil seiner eigenen Revisionsbegründung. Zumindest beide Umstände zusammen genügen daher dem Erfordernis des § 164 Abs, 1 Satz 2 SGG, weil durch sie die Revision des Klägers ausreichend substantiiert und im einzelnen begründet wird.
Das LSG hat zu Recht festgestellt, daß der Kläger auf Grund der unstreitigen sachlichen Feststellungen sowohl nach dem GAL aF als auch dem GAL nF beitragspflichtig zur beklagten Alterskasse ist. Die vom LSG getroffenen tatsächlichen Feststellungen bezüglich der Unternehmereigenschaft und Beitragspflicht des Klägers im Sinne von § 1 GAL aF und nF werden im Revisionsverfahren nicht angegriffen. Sie sind daher für das BSG bindend (§ 163 SGG). Auch werden weiterhin vom Kläger keine Befreiungstatbestände hinsichtlich seiner Beitragspflicht geltend gemacht, die im Gesetz selbst vorgesehen sind (§ 9 Abs. 2-6, § 28 GAL nF, § 8 Abs. 2-7, § 26 GAL aF.
Die vom Kläger behauptete Beitragsfreiheit zur Landwirtschaftlichen Alterskasse würde daher nur dann angenommen werden können, wenn § 2 Abs. 1 c GAL aF und nF tatsächlich verfassungswidrig wäre, wie der Kläger meint, und mit Rücksicht auf seine möglicherweise überragende und nicht wegzudenkende Bedeutung in der Gesamtkonzeption des Gesetzes die Nichtigkeit auch der übrigen Bestimmungen, insbesondere der Vorschriften über die Beitragspflicht, mitwirken würde (vgl. BVerfGE 4, 250).
Dies ist jedoch nicht der Fall. Bereits in seinem Urteil vom 22. November 1963 - 7 RLw 50/62 - hat der erkennende Senat festgestellt, daß das GAL. weder in seiner Gesamtheit noch hinsichtlich der in jenem Rechtsstreit in Frage stehenden Vorschriften über die Beitragspflicht oder anderer einzelner Vorschriften verfassungswidrig ist. Insbesondere verstoße es in seiner Gesamtheit gesehen nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, den Grundsatz der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG oder das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12, Hinsichtlich einzelner Vorschriften des GAL führte der Senat in dem zitierten Urteil aus, daß ua das Erfordernis der Hofabgabe bis zum 65. Lebensjahr als Voraussetzung für den Bezug von Altersgeld ebensowenig gegen Art. 3 GG verstoße, wie in der gesetzlichen Rentenversicherung die Erreichung des 65. Lebensjahres oder das Vorliegen von Berufungs- oder Erwerbsunfähigkeit als Voraussetzungen für den Rentenbezug nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG verletzten. Auch bedeute es - wie dort ausgeführt ist - keinen entschädigungslosen Verlust des Eigentums und sei deshalb mit Art, 14 GG zu vereinbaren. Diese Ansicht hat der Senat auch in der Sache Dr. H ... H ... gegen Landwirtschaftliche Alterskasse Württemberg - 7 RLw 28/63 - mit weiterer Begründung aufrechterhalten. Auf diese Ausführungen wird verwiesen.
Insbesondere verstößt das Erfordernis der Hofabgabe nach § 2 Abs. 1 c GAL nicht gegen Art. 14 GG. Der Klüger übersieht hier zweierlei: Einmal zwingt der Gesetzgeber keinen Landwirt, seinen Hof abzugeben, zu verpachten oder zu verkaufen, und schon gar nicht, dies ohne angemessene Gegenleistung vorzunehmen. Art. 14 GG schützt davor, daß der Gesetzgeber zwangsweise in das Eigentum oder in eigentumsgleiche Rechte ohne Beachtung bestimmter Schranken und ohne Gewährung einer gerechten Entschädigung eingreift. Nicht erfaßt Art. 14 GG solche Rechtsverhältnisse, die von Einzelnen freiwillig aus eigenem Entschluß geschaffen werden. Zum anderen geht der Gesetzgeber bei der geringen Höhe des Altersgeldes und im Vergleich mit Altersgeldleistungen aus anderen Zweigen der Sozialversicherungen sowie bei den relativ niedrigen monatlichen Beitragsleistungen zur Alterskasse im GAL gerade davon aus und setzt voraus, daß einer Hofabgabe nach § 2 Abs. 1 c jeweils eine wertentsprechende angemessene Gegenleistung des Übernehmenden - nicht aber der Landwirtschaftlichen Alterskasse - gegenübersteht, zumindest gegenüberstehen sollte, die der Abgebende nach Belieben frei auszuhandeln oder zu verein baren vermag, Von einem entschädigungslosen Eingriff durch den Gesetzgeber in Eigentum oder eigentumsgleiche Rechte kann also keine Rede sein, Selbst wenn man in dem Umstand, daß bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs 1 c GAL unter Umständen lange Jahre hindurch von einem Beitragspflichtigen ohne Gegenleistungen Beiträge erbracht wurden, eine "Enteignung" erblicken wollte, weil dann keine "Gegenleistung" erfolgen würde, so muß demgegenüber darauf hingewiesen werden, daß es gerade zum Wesen eines jeden Versicherungsverhältnisses (des privaten wie auch des Öffentlichen Rechts) gehört, den Eintritt des Leistungsfalles trotz hoher und langer Beitragsleistungen nicht immer erwirken zu können, weil er nur gegen ein bestimmtes Risiko schützt (Unfall, Tod während eines bestimmten Zeitraumes etc.). Die Beitragsleistungen an die Alterskasse sollen ihrerseits nur das Risiko abwenden, im Falle des Alters und der Hofübergabe unter Umständen nicht mehr ausreichend bares Taschengeld zur Verfügung zu haben und insoweit vom übernehmenden abhängig zu sein, wenn in dem Übergabevertrag an den Hoferben außer einer Verpflichtung für Wohnung und Verpflegung nicht auch eine solche für Barleistungen übernommen worden ist. Schon aus diesem Grunde kann daher von einer entschädigungslosen und grundgesetzwidrigen Enteignung nicht gesprochen werden. Ferner gilt im Bereich der Sozialversicherung nicht der abgabenrechtliche Grundsatz, daß zu Beiträgen nur herangezogen werden darf, wer von einem bestimmten öffentlichen Unternehmen einen bestimmten wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten hat (BVerfG 7, 244, 254; 9, 291, 297 ff; 11, 105, 107). Hier herrscht vielmehr der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, nicht jener der Abgeltung eines individuellen Vorteils. Also sind im Interesse der sozialen Sicherung auch etwaige Einbußen hinzunehmen. Eine Verletzung des Art. 14 GG durch das GAL Scheidet deshalb aus diesem Gesichtspunkt ebenfalls aus.
Es bestand nach alledem kein Anlaß, das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts herbeizuführen.
Den tatsächlichen, das Bundessozialgericht bindenden Feststellungen des LSG zufolge ist der Kläger Unternehmer im Sinne des § 1 GAL. Ihm stehen auch keine Befreiungstatbestände (§§ 8, 26 GAL aF und § 9 Abs. 2 bis 6 und 28 GAL nF) zur Seite. Er ist daher beitragspflichtig nach § 8 GAL aF und § 9 Abs. 1 GAL nF.
Die Revision des Klägers ist somit zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen