Leitsatz (amtlich)

Die Vorschrift des GAL § 2 Abs 1 Buchst c aF, wonach Voraussetzung für Altersgeld die Abgabe des Unternehmens ist, verstößt nicht gegen GG Art 2, 12 und 14.

 

Normenkette

GAL § 2 Abs. 1 Buchst. c Fassung: 1957-07-27; GG Art. 2 Fassung: 1949-05-23, Art. 12 Fassung: 1956-03-19, Art. 14 Fassung: 1949-05-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 28. Mai 1963 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Von Rechts wegen.

 

Gründe

I

Der 1885 geborene Kläger bewirtschaftete von 1919 bis 1956 als Pächter die ca. 166 ha große Domäne "H." der Hofkammer des Hauses Württemberg sowie 7 ha eigenes Land. Am 28. Dezember 1955 schlossen er, sein Sohn H und dessen Ehefrau mit der Hofkammer einen neuen Pachtvertrag, nach dem die drei Vertragsschließenden vom 1. Februar 1956 bis zum 31. Januar 1968 Pächter der genannten Domäne sind. Die Domäne wird von ihnen gemeinsam bewirtschaftet, ebenso die genannten 7 ha Land, die seit dem Tod der Ehefrau des Klägers im Jahre 1940 einer aus dem Kläger und seinen vier Kindern bestehenden Erbengemeinschaft gehören.

Bei der Leitung des Pachthofes ist dem Kläger in allen wichtigen Fragen von grundsätzlicher Bedeutung auf Grund seiner Familienstellung und seiner langen Berufserfahrung die letzte Entscheidung vorbehalten. Betriebsleiter als solcher ist der Sohn H, Kläger in der Sache 7 RLw 28/63.

Nach dem Tod seiner Ehefrau war der Kläger zuerst mit 50 % am Gewinn und Verlust des gesamten landwirtschaftlichen Unternehmens beteiligt, seine vier Kinder zusammen mit gleichfalls 50 %. Später beschränkte der Kläger zugunsten der Kinder seine Beteiligung am Gesamtertrag des Unternehmens auf 20 %; die Kinder sind nunmehr zu je 20 % am Gewinn und Verlust beteiligt. Außerdem erhält der Sohn Hans-Ulrich eine feste Tätigkeitsvergütung als Gewinnvoraus zu Lasten des Gesamtgewinns.

Die Beklagte nahm zuerst den Kläger in ihr Unternehmerverzeichnis auf und forderte von ihm Beiträge. Auf seinen Widerspruch hin hob sie den Bescheid rückwirkend wieder auf und sah nun den Sohn H als beitragspflichtig ab 1. Oktober 1957 an.

Im August 1960 beantragte der Kläger die Gewährung von Altersgeld nach dem Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte vom 27. Juli 1957 (BGBl I 1063) - GAL aF - ab Juli 1960. Die Beklagte lehnte ab, weil der Kläger nicht die durch § 2 Abs. 1 c GAL aF geforderte Voraussetzung für die Gewährung des Altersgeldes erfüllt habe. Er sei noch Mitpächter des Unternehmens und mit 20 % an dessen Ertrag beteiligt; er habe sich daher seines landwirtschaftlichen Unternehmens noch nicht entäußert.

Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage wies das Sozialgericht (SG) ab.

Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufung des Klägers zurück. Es lehnte die vom Kläger beantragte förmliche Verbindung seines Verfahrens mit dem Berufungsverfahren seines Sohnes Hans-Ulrich ab. Es sah weder das GAL als Ganzes noch insbesondere § 2 Abs. 1 c, § 25 Abs. 1 a GAL aF sowie §§ 26, 27 des Gesetzes zur Neuregelung der Altershilfe für Landwirte vom 3. Juli 1961 (BGBl I 845) - GAL nF -, soweit diese Bestimmungen die Hofübergabe als Voraussetzung für den Altersgeldbezug vorschreiben, für verfassungswidrig an.

Aus den - verfassungsmäßigen - Vorschriften des GAL ergebe sich, daß der Kläger (noch) keinen Anspruch auf Altersgeld habe, weil er die gemeinsame Voraussetzung aller in Betracht kommenden Vorschriften, die Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens in irgendeiner Form, noch nicht erfüllt habe. Die vom Kläger vorgetragenen Behauptungen, nach denen er den Hof an seinen Sohn voll übertragen hätte, seien nicht geeignet, das Gericht zu überzeugen. Er treffe nach eigenem Vortrag nach wie vor sämtliche letzten, wichtigen Entscheidungen und sei auch noch mit 20 % am Gewinn und Verlust des Gesamtunternehmens beteiligt. Er sei also noch Mitunternehmer des in Form einer BGB-Gesellschaft betriebenen landwirtschaftlichen Unternehmens.

Revision wurde zugelassen.

Gegen dieses Urteil legte der Kläger Revision ein.

Er bittet erneut um förmliche Verbindung seines Rechtsstreits mit dem gleichzeitig beim Bundessozialgericht (BSG) anhängigen Revisionsverfahren seines Sohnes H, weil in beiden Verfahren die Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 c GAL Hauptstreitpunkt sei. Für ihn selbst ergebe sich aus der Verfassungswidrigkeit der Anspruch auf die Gewährung von Altersgeld, für seinen Sohn die Beitragsfreiheit zur Landwirtschaftlichen Alterskasse. Weiter meint der Kläger, die Konstruktion des GAL in § 2 Abs. 1 c verstoße insbesondere gegen die Freiheit der Berufswahl (Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -), weil der Gegenwert einer lebenslangen Beitragsleistung sowie die Freistellung vom Zwang, weitere Beitragsleistungen erbringen zu müssen, nur unter der Bedingung der Aufgabe des Berufs als selbständiger Landwirt zu erreichen sei. Dabei bleibe es dem einzelnen nicht frei überlassen, ob und wann er sein Unternehmen aufgeben wolle. Es sei im übrigen auch das Ziel des Gesetzgebers, eine durchschnittliche Hofübergabe bis zum 65. Lebensjahr zu erreichen. Die wenigsten selbständigen Landwirte könnten sich jedoch leisten, ihr Leben lang Beiträge zur Landwirtschaftlichen Alterskasse zu erbringen, ohne wenigstens einen bescheidenen Gegenwert im Alter hierfür zu erhalten. Denn andernfalls hätten sie 40.000,- DM oder noch mehr umsonst aufgewendet. Folglich würden die meisten von ihnen, auch gegen ihren Willen, zur Hofübergabe gezwungen. Hierbei sei noch zu bedenken, daß die sodann zustehenden Gegenleistungen keine volle Altersversorgung, sondern lediglich ein geringes Taschengeld darstellten. Das Setzen einer Altersgrenze und damit auch der mittelbare Zwang zur Aufgabe des Berufs in einem bestimmten Alter stelle einen schweren Eingriff in die durch Art. 12 GG geschützte Freiheit der Berufswahl dar.

§ 2 Abs. 1 c GAL verstoße auch gegen Art. 14 und 2 GG. Überdies habe er den landwirtschaftlichen Betrieb in der ihm zumutbaren Form tatsächlich aufgegeben. Er habe seinen Sohn in das Pachtverhältnis einbezogen und ihm innerhalb des Familienunternehmens eine eigene, unabhängige wirtschaftliche Existenz geschaffen. Also habe er freiwillig das ausgeführt, was dem Gesetzgeber als wünschenswert vorschwebte. Es komme nicht darauf an, daß ein bisheriger Unternehmer alles aufgebe, sondern daß ein Vertreter der nächsten Generation in jenem Unternehmen eine selbständige und wirtschaftlich gesicherte Stellung einnehme. Überdies sei es dem Kläger mit Rücksicht auf seine Stellung im öffentlichen Leben nicht zuzumuten, völlig auf jede wirtschaftliche Sicherung aus eigener Unternehmertätigkeit zu verzichten, zumal man von 40,- DM im Monat nicht existieren könne.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils und Aufhebung des Bescheides vom 1.3.1961 die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Altersgeld ab 1.7.1960 zu gewähren,

hilfsweise,

das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob das Erfordernis der Abgabe des Betriebs (§ 2 Abs. 1 Buchst. c, § 26 Abs. 1 Buchst. b GAL) mit Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG vereinbar ist.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte Revision ist zulässig, konnte aber keinen Erfolg haben, weil das LSG zutreffend festgestellt hat, daß dem Kläger Altersgeld nach dem GAL nicht zusteht; denn er hat die hierfür notwendigen Voraussetzungen nicht erfüllt.

Als Rechtsgrundlage für die Gewährung von Altersgeld an den Kläger kommen lediglich die Übergangsvorschriften des § 25 GAL aF und §§ 26, 27 GAL nF in Betracht. Sämtliche Vorschriften enthalten jedoch wie § 2 GAL aF und nF als Anspruchsvoraussetzung, daß das Unternehmen vom Antragsteller abgegeben ist bzw. sie verweisen auf die entsprechende Vorschrift des § 2 Abs. 1 c des Gesetzes. Diese Vorschrift ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht verfassungswidrig.

Bereits in seinem Urteil vom 22. November 1963 - 7 RLw 50/62 - hat der erkennende Senat festgestellt, daß das GAL weder in seiner Gesamtheit noch hinsichtlich der in jenem Rechtsstreit in Frage stehenden Vorschriften über die Beitragspflicht oder anderer Einzelvorschriften verfassungswidrig ist. Insbesondere verstoße es insgesamt nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG, den Grundsatz der Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit nach Art. 9 GG oder das Grundrecht der Berufsfreiheit nach Art. 12 GG. Hinsichtlich einzelner Vorschriften des GAL führte der Senat in dem zitierten Urteil aus, daß ua das Erfordernis der Hofabgabe bis zum 65. Lebensjahr als Voraussetzung für den Bezug von Altersgeld ebensowenig gegen Art. 3 GG verstoße, wie in der gesetzlichen Rentenversicherung die Erreichung des 65. Lebensjahres oder das Vorliegen von Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit als Voraussetzungen für den Rentenbezug nicht den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG verletzten. Auch bedeute es - wie dort ausgeführt ist - keinen entschädigungslosen Verlust des Eigentums und sei deshalb mit Art. 14 GG zu vereinbaren. Diese Ansicht hält der Senat aufrecht.

Ergänzend ist noch folgendes hinzuzufügen: Der Gesetzgeber ist nicht daran gehindert, für bestimmte Personengruppen Sondergesetze auf dem Gebiet der Sozialversicherung zu erlassen, wenn deren soziale Verhältnisse es erfordern oder rechtfertigen: einmal, weil ihm hierfür die Gesetzgebungskompetenz gemäß Art. 74 Nr. 12 GG zusteht. Denn unter der Formulierung "Sozialversicherung" in dieser Bestimmung ist ein verfassungsrechtlicher Begriff zu verstehen, der alles umfaßt, was sich der Sache nach als Sozialversicherung darstellt, also nicht nur auf die vier klassischen Zweige der Sozialversicherung und die Arbeitslosenversicherung beschränkt ist (vgl. BVerfGE 11, 105 ff zur Verfassungsmäßigkeit der Kindergeldgesetzgebung); zum anderen ist der Gesetzgeber zum Erlaß neuer Gesetze auf dem Gebiet der Sozialversicherung auch deshalb berechtigt, weil das Grundgesetz selbst wirtschaftspolitisch neutral ist und es dem Gesetzgeber offenläßt, jede ihm sachgemäß erscheinende Wirtschaftspolitik zu verfolgen oder eine bisher ausgeübte zu ändern, solange und soweit er sich dabei in den vom Grundgesetz gezogenen Grenzen bewegt, sie und vor allem die richtig ausgelegten Grundrechte nicht verletzt und insbesondere auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 GG verstößt (vgl. BVerfGE 4, 7, 8, 17 ff; 7, 377, 400, 401; ähnlich auch Maunz/Dürig, Komm. zum GG Anm. 44 zu Art. 2). Letzteres gilt ebenso für den Ländergesetzgeber und gibt ihm die Berechtigung, auf Landesebene Sondergesetze für die Altersversorgung bestimmter Berufsgruppen zu erlassen, solange der Bund von seinem Recht der konkurrierenden Gesetzgebung keinen Gebrauch macht (vgl. BVerfG 10, 354 ff zur Pflichtmitgliedschaft der in Bayern tätigen Ärzte bei der Bayerischen Ärzteversicherung und ihrer Vereinbarkeit mit dem GG; Band 12, 319 ff zur Pflichtaltersversorgung der freiberuflich tätigen Ärzte im ehemaligen Württemberg-Hohenzollern).

Das Altershilfegesetz für Landwirte von 1957 und 1961 begründet die gesetzliche Pflichtmitgliedschaft einer bestimmten Personengruppe - der selbständigen Landwirte im Sinne des Gesetzes - zu einer Altersversicherung auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Versicherungsverhältnisses (vgl. Noell, Das Gesetz über eine Altershilfe für Landwirte Teil B V Anm. 2). Es schafft eine berufsständische Solidargemeinschaft, in der bei Erfüllung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen vom Einzelnen ein Rechtsanspruch auf Altersgeld erworben wird, der in erster Linie auf versicherungsrechtlichen Grundsätzen beruht, jedoch auch auf dem Solidaritäts- und Subsidiaritätsprinzip. Zur sozialpolitischen Rechtfertigung und Zielsetzung des GAL als Sondergesetz für bestimmte Berufsgruppen hat der Senat bereits in dem obengenannten Urteil vom 22. November 1963 sowie in einem Urteil vom 20. März 1962 (SozR GAL § 1 Nr. 2) Stellung genommen und sie bejaht. Es besteht also insgesamt gesehen kein Zweifel, daß der Erlaß dieses Gesetzes unter die Gesetzgebungskompetenz des Bundesgesetzgebers im Sinne der oben gemachten Ausführungen fällt. An seiner Verfassungsmäßigkeit ist deshalb auch in dieser Beziehung nicht zu zweifeln.

Zu der Frage, ob das GAL dem zweiten oben dargelegten Erfordernis ebenfalls genügt, sich im Rahmen der vom GG gezogenen Grenzen bewegt, ob es also insgesamt gesehen gegen Grundrechtsgarantien verstößt oder auch nur hinsichtlich einzelner Bestimmungen, hat der Senat, wie ausgeführt, in dem genannten Urteil vom 22. November 1963 bereits Stellung genommen (ähnlich auch eine Entscheidung des LSG Rheinland-Pfalz vom 21. März 1962 - L 5 Lw 366/60, mitgeteilt durch Rundschreiben AH vom 29. Mai 1962).

Der Vortrag des Klägers zur Verfassungswidrigkeit des § 2 Abs. 1 c GAL wegen Verletzung von Art. 12, 14 und 2 GG ist nicht geeignet, den Senat zur Änderung seiner Auffassung zu veranlassen: § 2 Abs. 1 c GAL aF und nF verstößt nicht gegen Art. 12 GG. Mit diesem Grundrecht wird dem Einzelnen das Recht gewährleistet, "jede erlaubte Tätigkeit als Beruf zu ergreifen" (BVerfGE 7, 377 ff), wobei der Begriff "Beruf" weit auszulegen ist (BVerfG 7, 397). Die Berufsausübung dagegen kann durch das Gesetz geregelt werden (Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG). Weil sich jedoch Berufswahl und Berufsausübung in ihrer nach außen wahrnehmbaren und wirksamen Erscheinungsform überschneiden und zumindest teilweise nicht voneinander zu trennen sind (weder rechtlich noch tatsächlich), beinhaltet Art. 12 Abs. 1 GG ein einheitliches, komplexes Grundrecht der Berufsfreiheit in dem Sinn, daß sich der Regelungsvorbehalt des Satzes 2 dem Grunde nach auch auf die Berufswahl, nicht nur die Berufsausübung, erstreckt (BVerfG 7, 401, 402), auf erstere allerdings nur mit schwächerer Intensität im Vergleich zur rechtlich zulässigen Regelungsmöglichkeit der Berufsausübung. So sind auch die laufende Berufsausübung und der sich in ihr ausdrückende Wille zur Beibehaltung des Berufs sowie die freiwillige Aufgabe der Berufsausübung zugleich Akte der Berufswahl und der Berufsausübung (BVerfG 7, 401; 9, 344). Das Setzen einer Altersgrenze als subjektive Zulässigkeitsvoraussetzung für die Weiterausübung eines Berufs stellt sich deshalb als - überdies einschneidende-gesetzliche Regelung der Berufswahl und auch der Berufsausübung dar. Seine Zulässigkeit aus der Sicht des GG unterliegt den vom Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits im Apotheken-Urteil (BVerfG 7, 377, 405 ff) ausführlich dargelegten und begründeten Beschränkungen (Stufentheorie), die im Hebammen-Urteil (BVerfG 9, 338, 345 ff) noch speziell bezüglich der Einführung einer Altersbegrenzung vertieft wurden. Auf diese Einschränkungen brauchte im vorliegenden Rechtsstreit jedoch nicht näher eingegangen zu werden, weil durch das GAL, entgegen der klägerischen Meinung, überhaupt keine echte Altersgrenze im Sinne einer subjektiven Zulässigkeitsvoraussetzung für die Weiterausübung des Berufs als selbständiger Landwirt gesetzt wurde: § 2 Abs. 1 c GAL setzt lediglich eine - von mehreren - Anspruchsvoraussetzungen zum Bezug von Altersgeld fest, knüpft die Möglichkeit seines Bezuges in gleicher Weise an einen tatsächlichen Sachverhalt, wie ihn auch das Erfordernis der Vollendung des 65. Lebensjahres darstellt, ähnlich wie in der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten das Erfordernis der Berufsunfähigkeit Voraussetzung für den Bezug der Berufsunfähigkeitsrente ist. Der Gesetzgeber überläßt es - wie das LSG zutreffend ausführt - völlig der Entscheidung des einzelnen, ob überhaupt und wann er diese Anspruchsvoraussetzung für den Altersgeldbezug erfüllen will. Das Argument des Klägers, das Erfordernis der Hofabgabe bis zum 65. Lebensjahr oder später setze zumindest indirekt eine unzulässige Altersgrenze für die Ausübung des Berufs als Landwirt fest, weil es sich praktisch niemand finanziell leisten könne, umsonst ein Leben lang Beiträge aufzubringen, übersieht, daß es bestenfalls lediglich die finanzielle Seite einer freiwillig getroffenen beruflichen Entscheidung berührt. Es bleibt jedem Landwirt im Sinne des GAL überlassen zu wählen und zu entscheiden, ob er den Hof gegen angemessene Gegenleistungen übergeben (veräußern oder verpachten) und zusätzlich ein bares Taschengeld beziehen oder ob er weiterarbeiten und von den Erträgen seiner Arbeit und seines Besitzes oder Eigentums leben will. § 2 Abs. 1 Buchst. c GAL greift deshalb weder direkt noch indirekt in das Recht der freien Berufswahl ein, obgleich es offenkundig das sozialpolitische Ziel des Gesetzgebers war, durch das GAL allgemein eine frühere Hofübergabe zu erreichen, als sie vor seinem Erlaß üblich war. Zur Nachprüfung der Frage, ob der Gesetzgeber dieses Ziel mit den Bestimmungen des GAL in der sozialpolitisch zweckmäßigsten Weise durchzusetzen versuchte, sind die Organe der Rechtsprechung entgegen der Ansicht des Klägers nicht befugt (vgl. BVerfGE 4, 18).

Insbesondere verstößt das Erfordernis der Hofabgabe nach § 2 Abs. 1 c GAL auch nicht gegen Art. 14 GG. Der Kläger übersieht hier zweierlei: Einmal zwingt der Gesetzgeber keinen Landwirt, seinen Hof abzugeben, zu verpachten oder zu verkaufen, und schon gar nicht, dies ohne angemessene Gegenleistung vorzunehmen. Art. 14 GG schützt davor, daß durch den Gesetzgeber zwangsweise in Eigentum oder eigentumsgleiche Rechte ohne Beachtung bestimmter Schranken und ohne Gewährung einer gerechten Entschädigung eingegriffen wird. Nicht erfaßt Art. 14 GG solche Rechtsverhältnisse, die von Einzelnen freiwillig aus eigenem Entschluß geschaffen werden. Zum anderen geht der Gesetzgeber, wie sich aus der - verhältnismäßig geringen - Höhe des Altersgeldes und dem Vergleich mit Altersgeldleistungen aus anderen Zweigen der Sozialversicherungen sowie auch aus der relativ geringen Höhe der monatlichen Beitragsleistungen zur Alterskasse unschwer erkennen läßt, im GAL gerade davon aus und setzt voraus, daß einer Hofabgabe nach § 2 Abs. 1 c GAL stets eine wertentsprechende angemessene Gegenleistung des Übernehmenden - nicht aber der Landwirtschaftlichen Alterskasse - gegenübersteht, zumindest gegenüberstehen sollte, die der Abgebende nach Belieben frei aushandeln oder vereinbaren kann. Von einem entschädigungslosen Eingriff durch den Gesetzgeber in Eigentum oder eigentumsgleiche Rechte kann also keine Rede sein. Selbst wenn man in dem Umstand, daß bei Nichterfüllung der Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 c GAL unter Umständen lange Jahre hindurch von einem Beitragspflichtigen ohne Gegenleistungen Beiträge erbracht wurden, eine "Enteignung" erblicken wollte, weil dann keine "Gegenleistung" erfolgen würde, so muß demgegenüber auf folgendes hingewiesen werden: es gehört gerade zum Wesen eines jeden Versicherungsverhältnisses des privaten wie auch des öffentlichen Rechts, daß der Leistungsfall trotz hoher und langer Beitragsleistungen nicht immer einzutreten braucht, weil er nur gegen ein bestimmtes Risiko schützen soll (z. B. Unfall, Tod innerhalb eines bestimmten Zeitraumes etc.). Die Beitragsleistungen an die Alterskasse sollen ihrerseits nur dagegen schützen, im Falle des Alters und der Hofübergabe unter Umständen nicht mehr ausreichendes bares Taschengeld zur Verfügung zu haben und insoweit vom Übernehmenden abhängig zu sein, wenn in dem Übergabevertrag mit dem Hoferben außer einer Verpflichtung für Wohnung und Verpflegung nicht auch eine solche für Barleistungen übernommen worden ist. Schon allein aus diesem Grunde kann daher von einer entschädigungslosen und grundgesetzwidrigen Enteignung nicht gesprochen werden. Ferner gilt im Bereich der Sozialversicherung nicht der abgaben-rechtliche Grundsatz, daß zu Beiträgen nur der herangezogen werden darf, der von einem bestimmten öffentlichen Unternehmen einen bestimmten wirtschaftlichen Vorteil zu erwarten hat (BVerfGE 7, 244, 254; 9, 291, 297 ff; 11, 105, 117). Hier herrscht vielmehr der Grundsatz des sozialen Ausgleichs, nicht der der Abgeltung eines individuellen Vorteils. Es muß also auch jemand im Interesse der sozialen Sicherung etwaige Einbußen hinnehmen. Eine Verletzung des Art. 14 GG durch das GAL scheidet deshalb auch aus diesem Gesichtspunkt aus.

§ 2 Abs. 1 c GAL verstößt schließlich nicht gegen Art. 2 GG: Dieser Artikel stellt gewissermaßen eine "lex generalis" im Verhältnis zu den benannten Freiheitsrechten (zB Art. 3, 6, 9, 12, 14 GG) dar, der zwar hinter diese zurücktritt, jedoch immer bereitsteht, im GG unbenannte Freiheitsrechte aufzunehmen und sie gegen unbefugte Verletzungen zu schützen (vgl. hierzu Dürig aaO Anm. 3 zu Art. 2; BVerfG 1, 264, 273; 7, 377, 386; 6, 32, 37; 9, 343). Im vorliegenden Fall war die Verletzung von Art. 3, 9, 12 und 14, also benannter Freiheitsrechte, durch das GAL oder nur § 2 Abs. 1 c desselben zu prüfen. Daher bleibt nach der zutreffenden Feststellung des LSG für eine Prüfung nach Art. 2 GG kein Raum. Somit entfällt für den Senat jede Veranlassung, dem Hilfsantrag des Klägers stattzugeben, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung nach Art. 100 GG durch das BVerfG herbeizuführen.

Altersgeld nach dem GAL kann der Kläger daher nur beanspruchen, wenn er ua die in den §§ 26 und 27 GAL nF bzw. § 25 GAL aF geforderte Voraussetzung, den Hof abgegeben zu haben, erfüllt hätte. Dies trifft nach den das BSG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG (§ 163 SGG), die vom Kläger insoweit nicht angegriffen werden, nicht zu: Der Kläger hat zwar auf einen großen Teil seiner Beteiligung an dem in Form einer BGB-Gesellschaft betriebenen landwirtschaftlichen Pachtunternehmen zugunsten seiner Kinder, vor allem auch des Sohnes H, verzichtet; ebenso zugunsten von letzterem auf einen großen Teil der Leitungsaufgaben. Dies alles genügt jedoch der Anforderung des § 2 Abs. 1 c GAL bzw. der oben genannten Übergangsbestimmungen über eine Hofabgabe nicht Die zurückbehaltene Beteiligung von 20 % an dem insgesamt ca. 170 ha großen Unternehmen stellt schon allein für sich eine dauerhafte Existenzgrundlage für eine bäuerliche Familie im Sinne des § 1 Abs. 4 GAL alter und neuer Fassung dar. Ganz abgesehen davon, ist eine Beteiligung an einem Gesamtunternehmen eben immer eine solche am - wörtlich genommen - "gesamten Unternehmen", nicht nur an Teilen desselben, wie der Kläger meint. Überdies ist nach dem Urteil des erkennenden Senats vom 20. Juni 1962 - 7/3 RLw 14/61 - (SozR GAL § 2 Nr. 3) das Zurückbehalten von etwa bis zu einem Viertel der bisherigen Betriebsgröße nur dann für den Anspruch auf Altersgeld unschädlich, wenn der zurückbehaltene Teil für sich selbst keine dauerhafte Existenzgrundlage darstellt. Letzteres liegt hier aber gerade vor.

Dem Erfordernis der Hofabgabe ist ferner auch deshalb nicht genügt, weil der Kläger nach eigenem Vortrag nach wie vor noch leitende Aufgaben in dem Gesamtunternehmen wahrnimmt. Er ist also nicht nur weiterhin am Risiko des Unternehmens beteiligt, sondern auch kraft seiner Tätigkeit, seiner Stellung in Familie und Unternehmen für dessen Gedeihen verantwortlich.

Da somit bereits das Vorliegen der einen Anspruchsvoraussetzung für den Bezug von Altersgeld verneint werden muß, kommt es auf die Frage, ob die übrigen Anspruchsvoraussetzungen in der Person des Klägers erfüllt sind oder nicht, nicht mehr an. Altersgeld steht ihm daher nicht zu.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 92

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