Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkleben von Angestelltenversicherungsmarken in Quittungskarten als Bereiterklärung
Leitsatz (redaktionell)
Wenn die Klägerin auch in die ordnungsgemäß ausgestellte Quittungskarte der beklagten LVA Beitragsmarken der AnV eingeklebt und damit ihren Willen bekundet hat, Beiträge zum richtigen Versicherungszweig zu entrichten, und durch das Einkleben der Marken auch eine Bestimmung getroffen haben mag, für welche Zeiten sie Beiträge entrichten wollte, so erscheint es bereits bedenklich, in dem Einkleben der falschen Beitragsmarken in die Quittungskarte eine Bereiterklärung zur Entrichtung von Beiträgen zu erblicken; denn die Klägerin hat mit dem Einkleben der Beitragsmarken die Beiträge bereits tatsächlich, und zwar zum richtigen Versicherungszweig, entrichtet, sich aber nicht zu einer zukünftigen Entrichtung - also einer Nachentrichtung - von Beiträgen bereiterklären wollen. Das BSG hat schon wiederholt entschieden, daß selbst in der ordnungsgemäßen Entrichtung freiwilliger Beiträge zu einem unrichtigen Versicherungszweig eine Bereiterklärung zur Entrichtung von Beiträgen zum richtigen Versicherungszweig nicht erblickt werden kann (vgl BSG 1957-10-30 1 RA 156/55 = SozR Nr 1 zu § 1444 RVO aF und BSG 1964-05-26 12/4 RJ 138/61 = Praxis 1964, 450). Dieser Grundsatz muß um so mehr dort gelten, wo freiwillige Beiträge wie in dem gegenwärtigen Fall überhaupt nicht entrichtet sind, weil es nach dem bis zum 1965-06-30 geltenden Recht an einer ordnungsgemäßen Entrichtung von Beiträgen durch Verwendung von Beitragsmarken fehlt. Deshalb ist in dem Einkleben der Beitragsmarken der AnV in die Quittungskarte der ArV sowie in deren Entwertung eine Bereiterklärung nicht enthalten.
Orientierungssatz
Die Bereiterklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muß rechtzeitig der zuständigen Stelle (zB dem Versicherungsträger oder der Versicherungskarten-Ausgabestelle) gegenüber abgegeben und zugegangen sein (Urteil des BSG vom 25.4.1963 4 RJ 237/62 = Sozialrechtliche Entscheidungen, RVO § 1419 Nr 4).
Normenkette
RVO § 1419 Abs. 2 Fassung: 1957-02-23; BGB § 133
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 11. Februar 1963 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin begehrt die für sie günstigere Berechnung ihrer Rente gemäß Art. 2 § 42 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG).
Die im September 1899 geborene Klägerin war bis 1928 als Näherin pflichtversichert. Sie setzte die Versicherung freiwillig fort, war im Jahre 1943 vorübergehend pflichtversichert beschäftigt und entrichtete bis 1956 freiwillige Beiträge zur Invalidenversicherung. Für die Kalenderjahre 1957 und 1958 klebte sie in ihre laufende, im Dezember 1956 ausgestellte Quittungskarte der Invalidenversicherung (Nr. 20) je neun Beitragsmarken der Angestelltenversicherung. Auf ihren Antrag vom 7. August 1959 gewährte ihr die Beklagte durch Bescheid vom 14. September 1959 wegen des im August 1959 eingetretenen Versicherungsfalles der Berufsunfähigkeit Rente vom 1. August 1959 an, die sie nach dem ab 1. Januar 1957 geltenden Recht berechnete. Die Berechnung der Rente nach den für die Klägerin günstigeren Vorschriften des alten Rechts gemäß Art. 2 § 42 ArVNG lehnte sie ab, weil ab 1. Januar 1957 nicht mindestens neun Monatsbeiträge kalenderjährlich entrichtet seien; die für 1957 und 1958 in die Quittungskarte der Invalidenversicherung entrichteten Angestelltenversicherungsbeiträge seien rechtsunwirksam und könnten nicht angerechnet werden.
Mit der gegen den Bescheid erhobenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, das Postamt habe ihr beim Kauf von Beitragsmarken für 1957 und 1958 irrtümlich Angestelltenstatt Invalidenversicherungsmarken ausgehändigt. In Unkenntnis darüber, daß es sich in Wirklichkeit um Beitragsmarken der Angestelltenversicherung gehandelt habe, habe sie diese in die Arbeiterrentenversicherungskarte eingeklebt. Die Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, es handle sich nicht um geleistete Beiträge, sondern um falsch verwendete Beitragsmarken. Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) könne ihr zwar den Gegenwert der falsch verwendeten Beitragsmarken überweisen. Eine Gutschrift sei aber nur für den Zeitpunkt des Geldeingangs und nur im Rahmen des § 1418 der Reichsversicherungsordnung (RVO) unter Beachtung der §§ 1233 Abs. 2 und 1419 Abs. 1 RVO möglich.
Klage und Berufung blieben ohne Erfolg. Das Landessozialgericht (LSG) hat die Revision zugelassen. Die Klägerin hat dieses Rechtsmittel eingelegt und rügt unrichtige Anwendung der §§ 1418 bis 1421 RVO, §§ 140 bis 143 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG), Art. 2 § 42 ArVNG.
Während des Revisionsverfahrens hat die Beklagte durch Bescheid vom 10. Dezember 1964 die Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß § 1254 Abs. 2 RVO ab 1. September 1964 in das Altersruhegeld umgewandelt, das sie ebenfalls nach den ab 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften berechnet hat. Nach Inkrafttreten des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 hat die Beklagte durch Bescheid vom 17. Dezember 1965 mit Rücksicht auf die Neufassung des § 1409 Abs. 1 RVO das Altersruhegeld vom 1. Juli 1965 an neu festgestellt und gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nach altem Recht berechnet; da die Voraussetzungen für die Durchführung der sog. Vergleichsberechnung erst durch die am 1. Juli 1965 in Kraft getretenen Bestimmungen des RVÄndG erfüllt gewesen seien, könne die Zahlung dieser Rente erst von diesem Tage an erfolgen.
Die Revision hält demgegenüber die Voraussetzungen für die Berechnung der Rente gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nach den Vorschriften des alten Rechts vom 1. August 1959 an für gegeben.
Die Klägerin beantragt sinngemäß, das Urteil des LSG Baden-Württemberg vom 11. Februar 1963 und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 26. Januar 1961 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. September 1959 abzuändern und diese zu verurteilen, für die Zeit vom 1. August 1959 bis 31. August 1964 Rente wegen Berufsunfähigkeit zu gewähren, die gemäß Art. 2 § 42 ArVNG nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften berechnet ist. Hilfsweise beantragt die Klägerin, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Beide Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt.
II
Die Revision ist unbegründet.
Gegenstand des Rechtsstreits im Revisionsverfahren ist die Höhe der Rente der Klägerin wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. August 1959 bis zum 31. August 1964, nachdem die Beklagte durch Bescheid vom 10. Dezember 1964 die Rente vom 1. September 1964 an in das Altersruhegeld umgewandelt hat. Dieser Bescheid, der den mit der Klage angefochtenen Bescheid vom 14. September 1959 im Sinne des § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ersetzt, ist nicht Gegenstand des Revisionsverfahrens. Das gleiche gilt für den Bescheid der Beklagten vom 17. Dezember 1965, der den Bescheid vom 10. Dezember 1964 ersetzt (§ 171 Abs. 2 SGG).
Die von der Beklagten gegen die Zulässigkeit der Klage erhobenen Bedenken sind unbegründet. Eines Vorverfahrens gemäß § 80 Nr. 2 SGG bedurfte es nicht; denn entgegen der Ansicht der Beklagten liegt kein Beitragsstreit im Sinne dieser Vorschrift, sondern ein Rentenstreitverfahren vor. Die Beklagte meint, in einem Rentenstreitverfahren könne zwar mit darüber entschieden werden, ob Beiträge zu Recht entrichtet seien oder ob eine Beanstandung von Beiträgen unrichtig erfolgt sei. Bei der Frage, ob eine Überweisung des Gegenwertes der 18 Monatsbeiträge zur Angestelltenversicherung von der BfA zur Beklagten auf Grund des § 143 Abs. 3 AVG aF (§ 1421 Abs. 3 RVO aF), d. h. idF vor dem RVÄndG, zulässig sei, handle es sich aber nicht um eine Vorfrage von zu Recht entrichteten Beiträgen. Unter den Beteiligten sei offensichtlich unstreitig, daß die Angestelltenversicherungsbeiträge unrichtig entrichtet seien. Ob auf Grund der Bestimmung des § 143 Abs. 3 AVG aF (§ 1421 Abs. 3 RVO aF) die fehlentrichteten Beiträge zur Angestelltenversicherung an die Beklagte überwiesen werden könnten oder von der Beklagten anzunehmen seien, betreffe eine spezielle Form der Beitragsentrichtung mit sämtlichen daraus sich ergebenden Folgen, d. h. auch ob die Beitragsentrichtung in Form der Überweisung zulässig sei oder nicht. Daraus sei zu entnehmen, daß in dem gegenwärtigen Fall in Wirklichkeit ein Beitragsstreit und kein Streit um die Rente bestehe; die Verquickung eines Beitrags- und eines Rentenstreitverfahrens sei aber unzulässig.
Es trifft indessen nicht zu, daß unter den Beteiligten unstreitig sei, daß die Angestelltenversicherungsbeiträge unrichtig, d. h. unwirksam zur Arbeiterrentenversicherung entrichtet seien. Der Streit geht vielmehr darum, daß die Klägerin in erster Linie festgestellt wissen will, daß die irrtümlich in ihre Quittungskarte der Invalidenversicherung eingeklebten Beitragsmarken der Angestelltenversicherung "als zu Recht entrichtete Beiträge" zur Invalidenversicherung zu gelten haben, wie dies auf Grund der Neufassung des § 1409 Abs. 1 RVO durch das RVÄndG vom 1. Juli 1965 an geltendes Recht ist. Wie noch zu zeigen sein wird, liegen keine "fehlentrichteten" Beiträge zur Angestelltenversicherung im Sinne des § 143 Abs. 3 AVG aF vor, so daß auch eine Überweisung von Beiträgen nach Beanstandung durch die BfA an die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) auf Grund dieser Vorschrift von vornherein ausscheidet. Die Klägerin begehrt mit der Klage für die Zeit vom 1. August 1959 bis 31. August 1964 die Zahlung einer höheren Rente wegen Berufsunfähigkeit, die sie aus Art. 2 § 42 ArVNG herleitet. Zu prüfen ist deshalb, ob die Voraussetzungen dieser Vorschrift für die Berechnung der Rente nach den für die Klägerin günstigeren Vorschriften des alten Rechts erfüllt sind. Hierbei handelt es sich um ein Rentenstreitverfahren.
Das LSG hat indessen in Übereinstimmung mit der Auffassung der Beklagten zu Recht angenommen, daß die der Klägerin vom 1. August 1959 an gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit nicht nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften berechnet werden kann. Die für eine solche Berechnung in Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG aufgestellte Voraussetzung ist nicht erfüllt - was hier allein streitig ist -, daß ab 1. Januar 1957 für jedes Kalenderjahr vor dem Kalenderjahr des Versicherungsfalles für mindestens neun Monate Beiträge entrichtet sind.
Da der Versicherungsfall der Berufsunfähigkeit im Jahre 1959 eingetreten ist, kann die Berechnung der Rente nach altem Recht nur durchgeführt werden, wenn für die Klägerin für die Kalenderjahre 1957 und 1958 je mindestens neun Monatsbeiträge entrichtet sind. Nach dem bis zum Inkrafttreten des RVÄndG am 1. Juli 1965 geltenden Recht ist dies schon deshalb nicht der Fall, weil durch das Einkleben der Beitragsmarken der Angestelltenversicherung in die Quittungskarte der Arbeiterrentenversicherung Beiträge überhaupt nicht - nämlich nicht ordnungsmäßig - entrichtet sind, also weder zum unrichtigen Versicherungszweig der Angestelltenversicherung noch zum richtigen Zweig der Arbeiterrentenversicherung. Gemäß § 1409 Abs. 1 RVO aF erfolgt die Entrichtung von Beiträgen durch Verwendung von Beitragsmarken durch Einkleben von Beitragsmarken in die Versicherungskarte der Versicherten. Die in die Versicherungskarte des einen Versicherungszweigs eingeklebte Beitragsmarke des anderen Versicherungszweigs stellt keinen Beitrag im Sinne dieser Bestimmung dar. Das fehlerhafte Einkleben einer solchen Beitragsmarke hat keinerlei beitragsrechtliche Wirkung; es kann eine solche auch nicht erlangen, so daß durch das Einkleben einer Beitragsmarke der Angestelltenversicherung in eine Versicherungskarte der Arbeiterrentenversicherung auch kein unwirksamer Beitrag entrichtet worden ist, der durch Zeitablauf (§ 1423 Abs. 2 RVO) zu einem nicht mehr anfechtbaren und damit zu einem wirksamen Beitrag werden kann. Durch das Einkleben der Beitragsmarken der Angestelltenversicherung in die Quittungskarte der Invalidenversicherung (Nr. 20) seitens der Klägerin sind deshalb auch keine freiwilligen Beiträge im Sinne der §§ 143 Abs. 3 AVG aF, 1421 Abs. 3 RVO aF entrichtet, die nach Beanstandung durch die BfA und Überweisung an den zuständigen Versicherungszweig der Arbeiterversicherung, nämlich an die Beklagte, als zu Recht entrichtete Beiträge dieses Versicherungszweigs gelten könnten; denn diese Vorschriften betreffen nur solche Beiträge, deren Fehlerhaftigkeit allein auf der Entrichtung zu einem fremden Versicherungszweig beruht. Durch die Beanstandung und Überweisung wird diese Fehlerhaftigkeit beseitigt. Beruht die Fehlerhaftigkeit indessen auf anderen Gründen, zB darin, daß sie nicht ordnungsgemäß im Sinne des § 1409 RVO aF entrichtet sind, so wird durch Beanstandung und Überweisung eine solche Fehlerhaftigkeit nicht geheilt (vgl. Jantz/Zweng, Das neue Recht der Rentenversicherung der Arbeiter und der Angestellten, 1. Aufl. § 1421 RVO Anm. III; Verbandskomm., 6. Aufl. § 1409 Anm. 6). Mit dem Ankauf der Beitragsmarken der Angestelltenversicherung bei der Post durch die Klägerin sind der BfA lediglich die Gegenwerte dieser Beitragsmarken zugeflossen. Durch das Einkleben dieser Marken in die Quittungskarte sind aber keine freiwilligen Beiträge an die BfA entrichtet.
Da sonach keine zur Rentenversicherung der Angestellten fehlentrichteten Beiträge vorliegen, können auch die Erwägungen der Revision zu keiner für die Klägerin günstigen Entscheidung führen, die daran anknüpfen, daß das Gesetz in den § 1421 Abs. 3 RVO aF, § 143 Abs. 3 AVG aF eine besondere Regelung für die Fälle trifft, in denen irrtümlich zu einem unrichtigen Versicherungszweig Beiträge entrichtet worden sind, und die - wie die Revision meint - für alle Fälle einer irrtümlichen Beitragsentrichtung zu einem fremden Versicherungszweig zu gelten habe, auch wenn die besonderen Voraussetzungen der § 1421 Abs. 3 RVO aF und § 143 Abs. 3 AVG aF nicht erfüllt seien. Im übrigen hat das Bundessozialgericht (BSG) bereits entschieden, daß die Überweisung fehlentrichteter freiwilliger Beiträge an den zuständigen Versicherungszweig nach § 143 Abs. 3 AVG aF und § 1421 Abs. 3 RVO aF nur zulässig ist, wenn ein Wanderversicherter bei seiner Weiterversicherung den zuständigen Versicherungszweig verfehlt hat (BSG in SozR Nr. 1 zu § 1421 RVO), was hier nicht der Fall ist.
Erst mit dem Inkrafttreten des in § 1409 Abs. 1 RVO eingefügten Satzes 2 durch Art. 1 § 1 Nr. 45 i. V. m. Art. 5 § 5 Abs. 2 RVÄndG ist eine Änderung der Rechtslage eingetreten. Nach dieser neuen Regelung gilt der Beitrag als zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichtet, wenn Beitragsmarken der Rentenversicherung der Angestellten in eine Versicherungskarte der Rentenversicherung der Arbeiter eingeklebt worden sind. Da die Vorschrift des § 1409 Abs. 1 Satz 2 RVO gemäß Art. 5 § 5 Abs. 2 RVÄndG auch für vor dem 1. Juli 1965 entrichtete Beiträge gilt, soweit diese noch nicht erstattet worden sind, gelten die von der Klägerin für die Kalenderjahre 1957 und 1958 in der Quittungskarte der Invalidenversicherung (Nr. 20) eingeklebten Beitragsmarken der Rentenversicherung der Angestellten als Beiträge, die zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichtet sind, da sie nicht erstattet sind. Obgleich damit nunmehr auch die Voraussetzung des Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG erfüllt ist, daß ab 1. Januar 1957 für jedes Kalenderjahr vor dem Kalenderjahr des Versicherungsfalles für mindestens neun Monate Beiträge entrichtet sind, besteht dennoch keine rechtliche Möglichkeit, die der Klägerin gewährte Rente wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. August 1959 bis 31. August 1964 nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften zu berechnen.
Die Revision meint, Art. 5 § 3 RVÄndG bestimme, daß für Rentenansprüche aus Versicherungsfällen vor dem Inkrafttreten dieses Gesetzes die bis zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften nur dann maßgebend seien, "soweit in den folgenden Vorschriften nichts anderes bestimmt ist". Etwas anderes sei aber in Art. 5 § 5 Abs. 2 RVÄndG vorgeschrieben; denn wenn vor dem 1. Juli 1965 in die Versicherungskarte der Arbeiterrentenversicherung Beitragsmarken der Angestelltenversicherung eingeklebt worden seien, so würden sie als Beiträge zur Arbeiterrentenversicherung gelten. Darin komme zum Ausdruck, daß die zeitliche Schranke des Inkrafttretens des RVÄndG für diese Fälle gerade nicht gelte, sonst habe Art. 5 § 5 Abs. 2 RVÄndG keinen oder nur einen halben Sinn. Der Gesetzgeber habe offensichtlich die Härte, die in der bisherigen Regelung gelegen habe, gerade auch für die Beitragsleistungen vor dem 1. Juli 1965 beseitigen wollen. Diesen Ausführungen der Revision kann hingegen nicht gefolgt werden. Sie beachten nicht die Übergangsvorschrift des Art. 5 § 6 RVÄndG, die vorschreibt, daß die Leistung oder die höhere Leistung mit Ausnahme des hier nicht einschlägigen Art. 5 § 2 RVÄndG frühestens vom 1. Juli 1965 an zu gewähren ist, wenn durch das RVÄndG ein Anspruch auf eine Leistung oder höhere Leistung begründet wird. Der Anspruch auf die höhere Rente wegen Berufsunfähigkeit gemäß Art. 2 § 42 ArVNG auf Grund der Berechnung nach den vor dem 1. Januar 1957 geltenden Vorschriften könnte sich nur auf Art. 1 § 1 Nr. 45 gründen, der gemäß Art. 5 § 10 Abs. 1 Buchst. e RVÄndG mit Wirkung vom 1. Juli 1965 in Kraft getreten ist. Von diesem Zeitpunkt an gilt zwar gemäß Art. 5 § 5 Abs. 2 RVÄndG die Vorschrift des § 1409 Abs. 1 Satz 2 RVO auch für solche Beitragsmarken der Rentenversicherung der Angestellten, die vor dem 1. Juli 1965 in eine Versicherungskarte der Rentenversicherung der Arbeiter eingeklebt sind, so daß sie als zur Rentenversicherung der Arbeiter entrichtete Beiträge gelten. Darin liegt der Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Ansprüche aus dieser nunmehr zur beklagten LVA wirksamen und anrechnungsfähigen Beitragsentrichtung für die Kalenderjahre 1957 und 1958 werden jedoch nur durch das RVÄndG begründet, so daß die höhere Leistung erst vom 1. Juli 1965 an zu gewähren wäre. Auf die Rente der Klägerin wegen Berufsunfähigkeit für die Zeit vom 1. August 1959 bis 31. August 1964 können sich die Vorschriften des RVÄndG deshalb nicht auswirken.
Entgegen der Ansicht der Revision läßt sich der Anspruch auf eine höhere Rente wegen Berufsunfähigkeit auch nicht aus den Vorschriften der §§ 1418 ff RVO herleiten. Der Nachentrichtung freiwilliger Beiträge für die Kalenderjahre 1957 und 1958 seit dem Rentenantrag vom 7. August 1959 steht die Vorschrift des § 1419 Abs. 1 RVO entgegen, nach der freiwillige Beiträge nach Eintritt der Berufsunfähigkeit für Zeiten vorher nicht mehr entrichtet werden dürfen. Da die Berufsunfähigkeit, wie die Revision auch nicht in Abrede stellt, seit dem Rentenantrag besteht, durfte die Klägerin freiwillige Beiträge für Zeiten vorher nicht mehr entrichten. Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise in Abweichung von § 1419 Abs. 1 RVO auch für Zeiten vor Eintritt der Berufsunfähigkeit freiwillige Beiträge noch entrichtet werden dürfen, sind nicht erfüllt.
Die Revision meint, die Klägerin habe die Beiträge noch nach dem 22. September 1959, dem Zeitpunkt der Erhebung der Klage, nachentrichten dürfen, weil gemäß § 1420 Abs. 2 RVO die Zeiträume, in denen ein Verfahren über einen Rentenanspruch schwebt, in die Nachentrichtungsfristen des § 1418 RVO nicht eingerechnet werden. Das BSG hat aber bereits entschieden, daß die in Art. 2 § 42 Satz 2 ArVNG geforderten mindestens neun Monatsbeiträge ab 1. Januar 1957 für jedes Kalenderjahr vor dem Kalenderjahr des Versicherungsfalles während eines schwebenden Rentenverfahrens auch nach Eintritt des Versicherungsfalles für die Zeit vorher im Wege freiwilliger Beitragszahlung nur dann noch wirksam entrichtet werden können, wenn der Versicherte bei Stellung des Rentenantrages noch nicht berufs- oder erwerbsunfähig war und die Zulässigkeit der Vergleichsberechnung von der wirksamen Nachentrichtung abhängt. Nur in diesen Fällen ist § 1419 Abs. 1 RVO nicht anzuwenden (BSG in SozR Nr. 11 zu Art. 2 § 42 ArVNG). Da die Klägerin ihren Rentenantrag am 7. August 1959 gestellt hat und zu diesem Zeitpunkt bereits berufsunfähig war, liegen die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Voraussetzungen nicht vor, daß die Klägerin während des schwebenden Rentenverfahrens freiwillige Beiträge für die Zeit vor Eintritt der Berufsunfähigkeit noch wirksam entrichten kann. Für die Entscheidung des Rechtsstreits ist es deshalb ohne Bedeutung, daß die Klägerin während des anhängigen Rentenverfahrens 252 DM für 18 Monatsbeiträge für die Jahre 1957 und 1958 gezahlt hat, die am 23. Mai 1963 bei der Beklagten eingegangen sind.
Die Revision beruft sich zu Unrecht auch auf die Vorschrift des § 1419 Abs. 2 RVO, die besagt, daß Abs. 1 nicht gilt, wenn sich der Versicherte vorher gegenüber einer zuständigen Stelle zur Entrichtung von Beiträgen für diese Zeiten bereiterklärt hat und die Beiträge in einer angemessenen Frist geleistet werden. Es fehlt schon daran, daß sich die Klägerin vor Eintritt der Berufsunfähigkeit im August 1959 gegenüber einer zuständigen Stelle zur Entrichtung von Beiträgen für die Kalenderjahre 1957 und 1958 bereiterklärt hat. Wenn die Klägerin auch in die ordnungsgemäß ausgestellte Quittungskarte der beklagten LVA Beitragsmarken der Rentenversicherung der Angestellten eingeklebt und damit ihren Willen bekundet hat, Beiträge zum richtigen Versicherungszweig zu entrichten und durch das Einkleben der Marken auch eine Bestimmung getroffen haben mag, für welche Zeiten sie Beiträge entrichten wollte, so erscheint es bereits bedenklich, in dem Einkleben der falschen Beitragsmarken in die Quittungskarte eine Bereiterklärung zur Entrichtung von Beiträgen zu erblicken; denn die Klägerin hat mit dem Einkleben der Beitragsmarken die Beiträge bereits tatsächlich, und zwar zum richtigen Versicherungszweig, entrichten, sich aber nicht zu einer zukünftigen Entrichtung - also einer Nachentrichtung - von Beiträgen bereiterklären wollen. Das BSG hat schon wiederholt entschieden, daß selbst in der ordnungsgemäßen Entrichtung freiwilliger Beiträge zu einem unrichtigen Versicherungszweig eine Bereiterklärung zur Entrichtung von Beiträgen zum richtigen Versicherungszweig nicht erblickt werden kann (BSG in SozR Nr. 1 zu § 1444 RVO aF; Urteil des erkennenden Senats vom 26. Mai 1964 - 12/4 RJ 138/61 - vgl. Praxis 1964, 450). Dieser Grundsatz muß um so mehr dort gelten, wo freiwillige Beiträge wie in dem gegenwärtigen Fall überhaupt nicht entrichtet sind, weil es nach dem bis zum 30. Juni 1965 geltenden Recht an einer ordnungsgemäßen Entrichtung von Beiträgen durch Verwendung von Beitragsmarken fehlt. Deshalb ist in dem Einkleben der Beitragsmarken der Angestelltenversicherung in die Quittungskarte der Invalidenversicherung sowie in deren Entwertung eine Bereiterklärung nicht enthalten.
Zutreffend hat das LSG ausgeführt, daß auch die Nachfrage nach den richtigen und der Ankauf der falschen Beitragsmarken bei der Post keine Bereiterklärung zur Nachentrichtung freiwilliger Beiträge darstellt. Die Bereiterklärung ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Sie muß rechtzeitig der zuständigen Stelle (zB dem Versicherungsträger oder der Versicherungskarten-Ausgabestelle) gegenüber abgegeben und zugegangen sein (Urteil des erkennenden Senats vom 23. November 1961 in SozR Nr. 5 zu § 1444 RVO aF; BSG, Urteil vom 25. April 1963 in Sozialrechtliche Entscheidungen, RVO § 1419 Nr. 4). Schließlich ist es für den Anspruch der Klägerin auf Zahlung einer höheren Rente wegen Berufsunfähigkeit durch die Beklagte ohne Bedeutung, ob die Versicherungsunterlagen - wie die Klägerin behauptet hat - bei Antragstellung sowohl vom Versicherungsamt als auch von der städtischen Versicherungsstelle überprüft und in Ordnung befunden worden sind. Auch wenn das Versicherungsamt selbst mit Aufgaben der Rentenversicherung gesetzlich befaßt ist, so binden die Auskünfte des Versicherungsamts den Versicherungsträger nicht; auch haftet er für solche Auskünfte nicht, wenn sie unrichtig sind; denn die Versicherungsämter sind keine Organe der Versicherungsträger, sondern selbständige oder unselbständige Behörden einer Stadt oder eines Landkreises (§§ 36, 38 RVO). Sie haben die Auskunftserteilung, die ihnen nach §§ 37 Abs. 1, 1324 Satz 2 RVO obliegt, als staatliche Auftragsangelegenheit eigenverantwortlich wahrzunehmen (vgl. hierzu Urteil des erkennenden Senats vom 7. Juli 1965 - 12/3 RJ 156/60).
Die Revision der Klägerin kann aus diesen Gründen keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen