Entscheidungsstichwort (Thema)

Auslegung der Berufskrankheitenregelung nach Art 24 Abs 1 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 30.4.1964

 

Leitsatz (amtlich)

Ein Meniskusschaden, der ausschließlich durch eine Tätigkeit im türkischen Bergbau verursacht worden ist, ist nicht als Berufskrankheit aus der deutschen Unfallversicherung zu entschädigen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Auslegung der Berufskrankheitenregelung nach Art 24 Abs 1 des deutsch-türkischen Abkommens über Soziale Sicherheit vom 30.4.1964:

1. Von den nationalen Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung werden nur Zeiten im deutschen Bergbau erfaßt.

2. Art 24 Abs 1 S 1 des deutsch-türkischen Abkommens hat nicht das Ziel, Leistungen nach innerstaatlichem Recht zu gewähren, wenn die Leistungsvoraussetzungen ausschließlich im anderen Vertragsstaat erfüllt worden sind. Eine Entschädigungspflicht des Trägers der Unfallversicherung ist somit nur dann anzuwenden, wenn die Berufskrankheit wenigstens teilweise im Inland mit verursacht worden ist. Nur wenn nach den inländischen Rechtsvorschriften überhaupt eine Berufskrankheit in Betracht kommt, müssen auch die Gefährdungszeiten im ausländischen Vertragsstaat mit berücksichtigt werden.

 

Normenkette

RVO § 551 Abs. 1 Fassung: 1963-04-30; BKVO 7 Anl 1 Nr. 42 Fassung: 1968-06-20; BKVO Anl 1 Nr. 2102; SozSichAbk TUR Art. 24, 24 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.09.1981; Aktenzeichen L 15 BU 29/78)

SG Dortmund (Entscheidung vom 17.03.1978; Aktenzeichen S 22 BU 155/77)

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von der Beklagten gemäß § 1504 Reichsversicherungsordnung (RVO) die Erstattung von Leistungen, die die Klägerin als Trägerin der gesetzlichen Krankenversicherung wegen einer Meniskuserkrankung des Beigeladenen erbracht hat.

Der Beigeladene ist türkischer Staatsangehöriger. Er arbeitete nach eigenen Angaben von 1954 bis 1969 im türkischen Bergbau unter Tage. Im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau war er unter Tage tätig von Mai 1970 bis Oktober 1973 als Neubergmann und als Hauer. Anschließend war er wegen des Meniskusschadens arbeitsunfähig krank. Während der stationären Behandlung vom 7. November bis zum 20. Dezember 1973 wurden beide Menisken des linken Kniegelenks entfernt. Die Beklagte lehnte gegenüber dem Beigeladenen die Entschädigung einer Berufskrankheit nach Nr 42 der Anlage 1 zur 7. Berufskrankheiten-Verordnung (BKVO) ab, weil er im deutschen Bergbau keine kniegefährdenden Tätigkeiten unter Tage verrichtet habe und die Arbeiten im türkischen Bergbau nicht berücksichtigt werden könnten. Auch den von der Klägerin geltend gemachten Erstattungsanspruch verneinte die Beklagte.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage der Klägerin abgewiesen (Urteil vom 17. März 1978). Auf deren Berufung hat das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin im Rahmen des § 1504 RVO die Kosten zu erstatten, die der Klägerin aus Anlaß der Meniskuserkrankung des Beigeladenen in der Zeit vom 11. Oktober 1973 bis zum 23. März 1974 sowie vom 29. März bis zum 11. Mai 1974 entstanden sind (Urteil vom 8. September 1981). Die Meniskusschädigung des Beigeladenen sei ursächlich auf seine Beschäftigung im türkischen Bergbau zurückzuführen; nicht kausal sei dagegen die in der Bundesrepublik Deutschland verrichtete Tätigkeit unter Tage. Gleichwohl sei die Beklagte gehalten, von einer Berufskrankheit auszugehen. Dabei sei unerheblich, daß eine solche Gesundheitsschädigung in der Türkei nicht als Berufskrankheit anerkannt sei. Das deutsch-türkische Sozialversicherungsabkommen schreibe die Berücksichtigung aller Beschäftigungen vor, die eine Person in beiden Vertragsstaaten ausgeübt habe und die ihrer Art nach geeignet seien, die Berufskrankheit zu verursachen. Insoweit handele es sich um in der Bundesrepublik Deutschland geltendes Recht. Auch bei lediglich im fremden Vertragsstaat zurückgelegten Gefährdungszeiten gelte das "pro-rata-temporis"-Prinzip nicht für die Erstattung von Leistungen der Krankenhilfe.

Die Beklagte hat dieses Urteil mit der vom LSG zugelassenen Revision angefochten. Unabdingbare Voraussetzung für eine Entschädigungspflicht des Sozialversicherungsträgers im Aufenthaltsland sei nach dem deutsch-türkischen Abkommen, daß der Versicherte auch im Bereich dieses Landes eine Tätigkeit verrichtet habe, die geeignet gewesen sei, die Berufskrankheit wenigstens mitzuverursachen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts habe der Beigeladene im Bereich der Bundesrepublik Deutschland keine gefährdenden Tätigkeiten verrichtet. Deshalb lasse sich auch eine Entschädigungspflicht des deutschen Trägers der Unfallversicherung nicht begründen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Ihrer Ansicht nach ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden.

Der Beigeladene ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Die Beklagte ist nicht verpflichtet, der Klägerin die aus Anlaß der Meniskuserkrankung des Beigeladenen entstandenen Kosten zu erstatten.

Die Beklagte hat als Träger der Unfallversicherung der Klägerin als Träger der gesetzlichen Krankenversicherung in dem in § 1504 RVO bestimmten Umfange die Kosten einer Krankheit zu erstatten, die Folge eines Arbeitsunfalles ist, den die Beklagte zu entschädigen hat. Als Arbeitsunfall gilt dabei auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs 1 Satz 1 RVO). § 1504 RVO regelt die Verteilung und die endgültige Tragung der Kostenlast bezüglich der Aufwendungen des Trägers der Krankenversicherung, wenn der Anlaß seiner Leistungspflicht zugleich die Entschädigungspflicht des Trägers der Unfallversicherung begründet hat und dieser wegen der Vorleistungspflicht der Krankenkasse nicht hat leisten müssen (sogenannte Einheit des Leistungsgrundes; vgl Bundessozialgericht -BSG- in SozR Nr 11 zu § 1504 RVO; BSGE 44, 22, 24 = SozR 2200 § 1504 Nr 4). Voraussetzung eines Erstattungsanspruchs der Klägerin ist also, daß der Beigeladene eine Berufskrankheit erlitten hat, für deren Folgen die Beklagte überhaupt Entschädigung zu gewähren hat, wobei es auf deren Umfang nicht ankommt (so BSGE 32, 166, 168 = SozR Nr 4 zu § 1504 RVO). Eine solche Entschädigungspflicht der Beklagten besteht aus Anlaß der Meniskuserkrankung des Beigeladenen nicht.

Allerdings kann sich die Beklagte nicht darauf berufen, daß sie es dem Beigeladenen gegenüber bindend abgelehnt habe, ihm Unfallrente zu gewähren. Damit entfällt eine Kostenerstattung an die Beklagte nicht (vgl BSGE 24, 155 = SozR Nr 2 zu § 1504 RVO).

Die Erkrankung des Beigeladenen hat 1973 begonnen, auch entstammen die Aufwendungen, die die Klägerin erstattet haben will, den Jahren 1973 und 1974. Damals zählten Meniskusschäden nach mindestens dreijähriger regelmäßiger Tätigkeit unter Tage zu den Berufskrankheiten nach Nr 42 der Anlage 1 zur 7. BKVO vom 20. Juni 1968 (jetzt Nr 2102 der BKVO idF vom 8. Dezember 1976, BGBl I 3329). Aus § 1 der 7. BKVO ergibt sich, daß die dreijährige Tätigkeit unter Tage für den Meniskusschaden ursächlich sein muß. Dabei ist der Nachweis des Kausalzusammenhangs zwischen der Tätigkeit unter Tage und dem Meniskusschaden dann als erbracht anzusehen, wenn der Versicherte mindestens drei Jahre lang regelmäßig irgendeine Tätigkeit in hockender, knieender oder liegender Körperhaltung verrichtet oder in schräger Lage, in geringmächtigen Flözen gearbeitet hat (vgl BSGE 8, 245, 247; BSG in SozR 5677 Anl 1 Nr 42 Nr 1 sowie Urteil vom 21. Februar 1980 - 5 RKnU 4/79 -).

Der Beigeladene hat sowohl im deutschen als auch im türkischen Bergbau gearbeitet. Vom nationalen Recht der gesetzlichen Unfallversicherung wird - ohne Berücksichtigung des zwischenstaatlichen Rechts und des internationalen Sozialversicherungsrechts - nur die Zeit im deutschen Bergbau erfaßt, denn Berufskrankheiten sind nach der Legaldefinition des § 551 Abs 1 Satz 2 RVO Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet (vgl BSG in SozR 2200 § 539 Nr 8 mwN). Während seiner Beschäftigung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau war der Beigeladene nach § 539 Abs 1 Nr 1 RVO in der Unfallversicherung gegen Arbeitsunfall - als solcher gilt auch eine Berufskrankheit (§ 551 Abs 1 Satz 1 RVO) - versichert. Da in diese Zeit eine mindestens dreijährige regelmäßige Tätigkeit unter Tage fällt, bedarf es insoweit keines Rückgriffs auf türkische Bergbauzeiten. Das LSG hat jedoch festgestellt, eine Mitverursachung der Meniskuserkrankung des Beigeladenen durch die Tätigkeit im deutschen Bergbau sei zu verneinen. An diese - von der Klägerin nicht mit zulässigen und begründeten Gegenrügen angegriffene - Feststellung des Berufungsgerichts ist der Senat gemäß § 163 SGG gebunden (vgl Urteil des erkennenden Senats vom 21. Februar 1980 aa0). Damit scheidet die in § 1504 RVO vorausgesetzte Entschädigungspflicht der Beklagten aufgrund der Beschäftigung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland aus.

Der Beigeladene hat jedoch auch im türkischen Bergbau unter Tage gearbeitet, und nach den ebenfalls unangegriffenen Feststellungen des LSG war die dortige Tätigkeit mehr als drei Jahre lang mit ungewöhnlicher Beanspruchung der Kniegelenke verbunden. Deshalb sei sowohl nach den Regeln über den Beweis des ersten Anscheins als auch mit Wahrscheinlichkeit von einem ursächlichen Zusammenhang zwischen der Arbeit unter Tage im türkischen Bergbau und der Meniskusschädigung auszugehen. Bei einem derartigen Sachverhalt mit Auslandsberührung ist die Lösung des Falles anhand des überstaatlichen oder zwischenstaatlichen Rechts zu suchen. Ist das nicht möglich, so ist auf der Grundlage des innerstaatlichen Rechts und des internationalen Sozialversicherungsrechts zu entscheiden (so BSGE 50, 165, 166 = SozR 2200 § 1246 Nr 64).

Nach Ansicht der LSG ist die Beklagte gemäß Art 24 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 (BGBl 1965 II 1170; im folgenden: Abkommen) verpflichtet, von einer Berufskrankheit des Beigeladenen auszugehen. Da dieses Abkommen durch das dazu ergangene Transformationsgesetz vom 13. September 1965 (BGBl II, 1169) unter die für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften iS des Art 24 Abs 1 Buchst a des Abkommens falle, seien die in der Türkei zurückgelegten Gefährdungszeiten zu berücksichtigen. Dieser Rechtsauffassung kann nicht zugestimmt werden.

Von den Versicherungsträgern der Vertragsparteien des Abkommens sind bei der Feststellung des Leistungsanspruchs die Beschäftigungen zu berücksichtigen, die eine Person in den Gebieten der Vertragsparteien ausgeübt hat und die ihrer Art nach geeignet waren, die Berufskrankheit zu verursachen (Art 24 Abs 1 Satz 1 des Abkommens). Dabei hat der Senat unentschieden gelassen, ob eine Leistungspflicht des Trägers der deutschen Unfallversicherung schon deshalb nicht in Betracht kommt, weil der Beigeladene nach den Feststellungen des LSG im Bundesgebiet trotz seiner Beschäftigung im rheinisch-westfälischen Steinkohlenbergbau unter Tage keine Tätigkeiten verrichtet hat, die geeignet waren, einen Meniskusschaden zu verursachen, wie ihn Bergleute als Berufskrankheit erleiden.

Für die Berücksichtigung von Beschäftigungszeiten nach Art 24 Abs 1 Satz 1 des Abkommens bestimmt dessen Satz 2 Buchst a einschränkend, daß dabei die Frage, ob die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, nach den für den Träger geltenden Rechtsvorschriften zu entscheiden ist. Das LSG geht nun von dieser Bestimmung des Buchst a aus und zählt in diesem Sinne zu den für die Beklagte geltenden Rechtsvorschriften Art 24 Abs 1 Satz 1 des Abkommens. Ob die Voraussetzungen des Anspruchs erfüllt sind, richtet sich jedoch allein nach nationalem Recht außerhalb des Abkommens. Nur bei dieser Auslegung ist der Inhalt des Satzes 2 Buchst a in Art 24 Abs 1 des Abkommens sinnvoll, denn es bedarf keiner näheren Bestimmung, daß für die Beklagte sowohl das innerstaatliche Recht als auch das Abkommen gilt. Die Regelung des Satzes 2 Buchst a ist dagegen notwendig, wenn der in Satz 1 der Vorschrift enthaltene Grundsatz durch den Hinweis auf die in Satz 2 Buchst a genannten Rechtsvorschriften eingegrenzt wird. Zu diesen gehören nach Art 1 Nr 2 iVm Art 2 Nr 1b des Abkommens die Gesetze, Verordnungen und Satzungen, die sich auf die gesetzliche Unfallversicherung und Leistungen der Sozialen Sicherheit beziehen und in der Bundesrepublik Deutschland in Kraft sind. Nur im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften sind die Beschäftigungszeiten im anderen Vertragsstaat zu berücksichtigen; nicht dagegen soll das innerstaatliche Recht auf Leistungsansprüche erweitert werden, deren Voraussetzungen ausschließlich im anderen Vertragsstaat erfüllt sind. Wortlaut, Aufbau und Sinnzusammenhang des Art 24 Abs 1 des Abkommens sprechen vielmehr dafür, eine Entschädigungspflicht des Trägers der Unfallversicherung nur dann anzunehmen, wenn die Berufskrankheit wenigstens teilweise im Inland mitverursacht worden ist. Nur wenn nach den inländischen Rechtsvorschriften überhaupt eine Berufskrankheit in Betracht kommt, müssen auch die Gefährdungszeiten im ausländischen Vertragsstaat mitberücksichtigt werden.

Im Falle des Beigeladenen besteht im Inland kein Rentenanspruch, weil die Erkrankung nicht durch die hier ausgeübte Berufstätigkeit verursacht worden ist, und in der Türkei ist der Meniskusschaden der Bergleute nicht als Berufskrankheit anerkannt. Unterstellt, es handelte sich dort gleichwohl um eine Berufskrankheit, so hätte die Beklagte mangels einer Gefährdung durch die Beschäftigung im Bundesgebiet gemäß Art 24 Abs 1 Satz 2 Buchst c des Abkommens keine Rente zu zahlen. Bei der Interpretation des zwischenstaatlichen Rechts durch das LSG wäre im Falle des Beigeladenen zwar Rente aus der deutschen Unfallversicherung nicht zu gewähren, wohl aber müßte er in sonstiger Weise entschädigt werden. Dafür kämen nach § 537 Nr 2 Buchst a RVO die Wiederherstellung der Erwerbsfähigkeit, Arbeits- und Berufsförderung (Berufshilfe) und Erleichterung der Verletzungsfolgen in Betracht. Einen Unterschied zwischen Renten und sonstigen Leistungen aus Anlaß einer Berufskrankheit macht Art 24 Abs 1 Satz 2 des Abkommens in Buchst b. Danach sind Leistungen - mit Ausnahme der Rente - nur nach den Vorschriften der Vertragspartei zu gewähren, in deren Gebiet sich die Person gewöhnlich aufhält, wobei indes vorausgesetzt wird, daß ein Leistungsanspruch nach den Vorschriften beider Vertragsparteien besteht. Hat sich zwar das zur Berufskrankheit führende Geschehen in beiden Vertragsstaaten ereignet, besteht aber nur nach den Rechtsvorschriften einer Vertragspartei Anspruch auf Rente, so enthält Art 24 Abs 1 Satz 2 Buchst c des Abkommens die erforderliche Sonderregelung. Nicht dagegen ist es notwendig, den Fall zu behandeln, in dem die Berufskrankheit nur in einem der Staaten des Abkommens verursacht worden ist. Insoweit kann ausschließlich auf die nationalen Rechtsvorschriften zurückgegriffen werden, denn Kollisionen hinsichtlich der Verursachung bestehen nicht. Demzufolge hätte eine ausdrückliche Bestimmung in dem Abkommen erwartet werden können, wenn zwar nicht Renten (Buchst c), wohl aber sonstige Entschädigungen für ausschließlich im Gebiet des anderen Vertragsstaates verursachte Berufskrankheiten gewährt werden sollten. Aus dem Fehlen einer solchen Regelung folgt, daß ein Einstehen für ausschließlich fremde Lasten nicht zum Inhalt des Abkommens in Art 24 gemacht worden ist, wofür es auch an einer einleuchtenden Begründung fehlen würde.

In ähnlicher Weise hat der 2. Senat des BSG zu Art 20 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über Soziale Sicherheit vom 12. Oktober 1969 (BGBl II 1969, 1438) entschieden, es bedürfe keiner höchstrichterlichen Klärung, daß die Leistungspflicht eines deutschen Unfallversicherungsträgers nicht begründet werde, wenn für die Entstehung einer Berufskrankheit ausschließlich Arbeiten in Jugoslawien in Betracht kämen (Beschluß vom 5. Februar 1980 - 2 BU 27/79 - in Plöger/Wortmann, Deutsche Sozialversicherungsabkommen mit ausländischen Staaten, Fußnote 1 zu Art 20 des deutsch-jugoslawischen Abkommens, XIV S 38.2). Zwar heißt es in Art 20 Abs 1 Satz 1 des Abkommens mit Jugoslawien, es würden "auch" die Beschäftigungen berücksichtigt, die im Gebiet des anderen Vertragsstaates ausgeübt worden seien; aus dem Fehlen des Wortes "auch" in Art 24 Abs 1 Satz 1 des deutsch-türkischen Abkommens läßt sich aber nicht auf eine inhaltlich andere Regelung schließen. Vielmehr läßt der Wortlaut dieses Satzes 1 für sich allein offen, unter welchen Voraussetzungen die Beschäftigungen im fremden Staat zu berücksichtigen sind, während das deutsch-jugoslawische Abkommen an dieser Stelle schon Einschränkungen andeutet.

Die unter das Abkommen fallenden deutschen und türkischen Staatsangehörigen stehen nach Art 4 Abs 1 des Abkommens in ihren Rechten und Pflichten aus den Rechtsvorschriften der Vertragsparteien einander gleich. Daraus läßt sich hier jedoch keine Entschädigungspflicht der Beklagten herleiten, denn eine solche Verpflichtung würde auch nicht bestehen, wenn ein deutscher Staatsangehöriger sich eine Berufskrankheit durch eine Tätigkeit im türkischen Bergbau zugezogen hätte.

Auch unter Berücksichtigung der Grundsätze des internationalen Sozialversicherungsrechts läßt sich der von der Klägerin geltend gemachte Erstattungsanspruch nicht begründen. Diese Grundsätze sind nur anzuwenden, wenn das vorhandene zwischenstaatliche Recht keine Lösung des Falles zuläßt. Das trifft aber hier nicht zu. Im übrigen ist bei einer Verursachung lediglich im Ausland nur dort der Anknüpfungspunkt iS des internationalen Sozialversicherungsrechts zu suchen, und es besteht eine Leistungspflicht der Beklagten nur, sofern das Meniskusleiden auf einer Beschäftigung beruht, die versicherungsrechtlich geschützt ist (vgl BSGE 35, 43, 45 f = SozR Nr 1 zur 7. BKVO Anl Nr 42). Das trifft hinsichtlich der deutschen Unfallversicherung auf die Arbeit des Beigeladenen im türkischen Bergbau nicht zu.

Auf die demnach begründete Revision der Beklagten mußte das Urteil des LSG aufgehoben und die Berufung der Klägerin gegen das die Klage abweisende Urteil des SG zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1662651

BSGE, 177

Breith. 1983, 961

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