Leitsatz (amtlich)
Auch bei einer Überzahlung, die sich aus einer Berichtigung nach KOV-VfG § 25 ergibt, bildet KOV-VfG § 47 Abs 1 keine selbständige Rechtsgrundlage für die Rückforderung einer endgültig und ohne Vorbehalt gewährten Leistung; der Vertrauensschutz des Leistungsempfängers kann hier nicht geringer sein als in den Fällen des KOV-VfG § 47 Abs 3.
Normenkette
KOVVfG § 25 Fassung: 1955-05-02, § 47 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, Abs. 3 Fassung: 1960-06-27; BGB § 242
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 11. Mai 1971 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin bezieht Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Mit Bescheid vom 10. August 1967 bewilligte ihr das Versorgungsamt (VersorgA) ab 1. Januar 1964 Schadensausgleich. Dabei berechnete es den Schadensausgleich für die Jahre 1964, 1965 und 1966 unter Anrechnung der Grund- und Ausgleichsrente, während es für 1967 die Grundrente unberücksichtigt ließ. Mit weiterem Bescheid vom 26. April 1968 stellte das VersorgA die Versorgungsbezüge der Klägerin unter Berücksichtigung des Dritten Neuordnungsgesetzes (3. NOG) ab 1. Januar 1967 neu fest, rechnete dabei auch die Grundrente sowie ab 1. März 1968 ein Altersruhegeld als Einkommen an und stellte eine Überzahlung von DM 1.246,- fest, die es gemäß § 47 Abs. 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) zurückforderte. Der Widerspruch wurde am 2. Mai 1969 mit der Begründung zurückgewiesen, bei der Nichtanrechnung der Grundrente habe es sich um eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 25 VerwVG gehandelt, die eindeutig aus dem Bescheid hervorgegangen sei. Die Rückforderung der Überzahlung sei nach § 47 Abs. 1 und 2 VerwVG zulässig, weil die Überzahlung auch auf eine Neufeststellung wegen Gewährung des Altersruhegeldes zurückzuführen sei.
Im Klageverfahren erklärte die Klägerin, sie erkenne den Bescheid vom 26. April 1968 an, soweit mit ihm eine Neufeststellung ab 1. März 1968 vorgenommen worden sei. Das Sozialgericht (SG) hob den Widerspruchsbescheid vom 2. Mai 1969 antragsgemäß zur Gänze und den Bescheid vom 26. April 1968 insoweit auf, als eine Neufeststellung der Versorgungsbezüge für die Zeit vom 1. Januar 1967 bis 29. Februar 1968 vorgenommen wurde (Urteil vom 2. April 1970). Auf die zugelassene Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht (LSG) das Urteil des SG insoweit auf, als dieses auch die im Bescheid vom 26. April 1968 vorgenommene Neufeststellung dem 3. NOG und wegen der Bewilligung des Altersruhegeldes aufgehoben hatte (Urteil vom 11. Mai 1971); im übrigen wies es die Berufung des Beklagten zurück und die Klage im gleichen Umfange ab: Unstreitig habe der Beklagte bei der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin für die Zeit ab 1. Januar 1967 die Witwengrundrente nicht als Einkommen angerechnet und deshalb einen höheren Schadensausgleich bewilligt, als er der Klägerin zugestanden habe. Auch die Höhe der allein daraus errechneten Überzahlung befinde sich nicht im Streit. Der Beklagte könne aber von der Klägerin nichts zurückfordern, soweit die Überzahlung darauf beruhe, daß er die Witwengrundrente nicht als Einkommen angerechnet habe. Die fehlerhafte Nichtanrechnung stelle eine offenbare Unrichtigkeit im Sinne des § 25 VerwVG dar, nicht aber eine rechtliche und tatsächliche Unrichtigkeit im Sinne des § 41 VerwVG. Für eine Rückforderung der Überzahlung fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Der Gesetzgeber habe in § 47 VerwVG nur die Fälle geregelt, in denen die Überzahlung auf § 62 BVG oder auf den §§ 41, 42 VerwVG beruhe. Es könne dahinstehen, ob § 47 Abs. 3 VerwVG auch auf andere als die dort geregelten Fälle anwendbar sei, wie es das Bundessozialgericht (BSG) ausgesprochen habe (BSG 23 47), weil dessen Voraussetzungen im vorliegenden Fall keinesfalls in Betracht kämen. Einem Versorgungsberechtigten könne nicht zugemutet werden einen Rentenbescheid, dem 9 Berechnungsblätter beigefügt seien, zu überprüfen um eine offenbare Unrichtigkeit zu erkennen. Es bestehe auch keine Möglichkeit, ein Rückforderungsrecht des Beklagten aus anderen Gründen zu bejahen. Soweit das SG den Bescheid vom 26. April 1968 nicht wegen der unrichtigen Berechnung des Schadensausgleichs, sondern auch aus anderen Gründen für die Zeit vom 1. Januar 1967 bis 29. Februar 1968 aufgehoben habe, sei die Berufung des Beklagten begründet. Durch das Inkrafttreten des 3. NOG sei ab 1. Januar 1967 eine wesentliche Änderung der Verhältnisse (§ 62 BVG) eingetreten, die eine Neuberechnung der Versorgungsbezüge notwendig gemacht habe. Hinsichtlich der Neufeststellung ab 1. März 1968 wegen Bewilligung des Altersruhegeldes habe die Klägerin den Bescheid vom 26. April 1968 anerkannt. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Der Beklagte hat Revision eingelegt. Er rügt die Verletzung des § 47 Abs. 1, 2 und 3 VerwVG, hilfsweise die Verletzung der Normen des allgemeinen Verwaltungsrechts über die Rückerstattung von mit offenbar unrichtigen begünstigenden Verwaltungsakten zugesprochenen Leistungen. Das LSG habe die ständige Rechtsprechung des BSG zu Rückforderungen, denen eine Durchbrechung der Bindungswirkung im Sinne des § 24 VerwVG vorangegangen sei, auf den vorliegenden Fall übertragen, obwohl das BSG - übereinstimmend mit dem Schrifttum - bereits ausgeführt habe (BSG 23, 47, 49; Urteil vom 16. Mai 1968, KOV 1968, 129), § 47 Abs. 1 VerwVG gelte für Sachverhalte, bei denen eine Bindungswirkung nicht in Betracht komme. Das BSG habe im Falle der vorläufigen Ausführung eines Urteils, wo eine "materielle Bindungswirkung" zugunsten des Leistungsempfängers nicht bestanden habe, den Rückerstattungsanspruch der Versorgungsbehörde ausdrücklich auf § 47 Abs. 1 VerwVG gestützt (Urteil vom 13. Januar 1966, BVBl 1966 107). Diese Vorschrift lasse keinen Raum für einen Vertrauensschutz, der selbst nach den Absätzen 2 und 3 nur insoweit gewährt werde, als in den dort bestimmten Fällen der Empfänger auf die Bestandskraft bindender Bescheide vertrauen durfte. Eine solche Bindungswirkung liege aber nicht vor, soweit der Bescheid eine offenbare Unrichtigkeit (§ 25 VerwVG) enthalte; denn diese Vorschrift stelle - anders als § 62 BVG oder die §§ 41, 42 VerwVG - nicht die Grundlage für die Durchbrechung einer Bindungswirkung dar. Bei § 25 VerwVG handele es sich um eine Ausnahme von der Regel des § 24 VerwVG. Wenn auch offenbar Unrichtiges von der Bindungswirkung erfaßt würde, käme eine Berichtigung nur durch Bescheid (§ 22 VerwVG) in Betracht; denn die Bindung schaffe eine geschützte Rechtsposition des Begünstigten (subjektives öffentliches Recht), in die nur durch Verwaltungsakt eingegriffen werden könne. Die in § 25 Satz 3 VerwVG vorgesehene Verfügung sei kein solcher Verwaltungsakt. Die Pflicht der Verwaltung zur unverzüglichen Berichtigung schließe begrifflich eine Bindung an offenbar unrichtige Feststellungen aus. Insoweit bestehe eine Rechtsähnlichkeit mit den Fällen der vorläufigen Urteilsausführung. Selbst wenn § 47 Abs. 1 in Fällen des § 25 VerwVG keine selbständige Rückforderungsregelung darstelle, wäre doch die Anwendung des Abs. 3 nicht gerechtfertigt, weil hier nur ein Erklärungsmangel für die Überzahlung ursächlich sei. Es erscheine unbillig die Rückforderung auch dann noch zu versagen, wenn der Empfänger die offenbare Unrichtigkeit infolge Fahrlässigkeit nicht erkannt habe. Wenn aus § 47 eine Regelung für Fälle des § 25 VerwVG nicht zu entnehmen wäre, müßten die Normen des allgemeinen Verwaltungsrechts angewendet werden; denn § 47 VerwVG sei stets auf dem Hintergrund der einschlägigen Vorschriften des Verwaltungsrechts zu betrachten, denen das Verwaltungsverfahrensgesetz als Spezialvorschrift lediglich vorgehe (BSG 27, 102). Offenbare Unrichtigkeiten würden aber nach dem Verwaltungsrecht ohne subjektive Tatbestandsvoraussetzungen mit Wirkung ex tunc formlos berichtigt. Mit dieser Rechtsansicht habe sich das LSG aber nicht auseinandergesetzt, wenn es lediglich eine Berichtigung ex nunc für zulässig gehalten habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen LSG und des SG Bayreuth insoweit aufzuheben, als der Rückforderungsanspruch des Beklagten, der dadurch entstanden ist, daß vom 1. Januar 1967 bis 29. Februar 1968 bei der Berechnung des Schadensausgleichs der Klägerin die Grundrente in Höhe von DM 150,- unberücksichtigt blieb, verneint wurde, und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend.
Die Beigeladene pflichtet dem Revisionsantrag des Beklagten bei. Ergänzend führt sie aus, § 47 Abs. 1 VerwVG gebe der Verwaltung allerdings keinen uneingeschränkten Rückerstattungsanspruch, weil mit diesem Anspruch im öffentlichen Recht untrennbar der Grundsatz des Vertrauensschutzes des Begünstigten verbunden sei. Deshalb gelte § 47 Abs. 1 VerwVG als Anspruchsgrundlage für die von den Absätzen 2 und 3 nicht erfaßten Fälle nur dann, wenn keine schutzwürdigen Interessen des Leistungsempfängers (Treu und Glauben) entgegenstünden. Die nach § 25 VerwVG unstreitig rechtmäßig erfolgte Berichtigung, die ihrem Wesen nach rückwirkende Kraft besitze (BSG 15, 96, 101), habe den Empfang eines zu hohen Schadensausgleichs bewirkt. Es entspreche der Treuepflicht des Empfängers und allgemeinen Verkehrsgepflogenheiten, bei zuviel gezahlten Dienst- oder Versorgungsbezügen sich nicht "blindlings" auf die Richtigkeit des Verwaltungsaktes zu verlassen, sondern ihn - soweit zumutbar - auf offenbare Unrichtigkeiten nachzuprüfen. Dabei könne dahinstehen, ob dieser Grundsatz ohne weiteres auf das Versorgungsrecht übertragen werden könne. Denn auch das BSG habe darauf abgestellt, ob der Empfänger der Leistung deren Fehlerhaftigkeit erkannt habe oder habe erkennen müssen. Das Erkennenmüssen könne unter Umständen schon aus der Tatsache gefolgert werden, daß die "Offenbarkeit" gegeben sei, so daß eine verständige Person die Unrichtigkeit zu erkennen vermocht habe (BSG 15, 96, 99 und Urteil vom 23. Juni 1966 - 8 RV 1021/63).
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -). Sie ist aber nicht begründet.
Gegenstand des Verfahrens ist nicht mehr der Teil des Bescheides vom 26. April 1968, mit dem der Beklagte den bindenden Bescheid vom 10. August 1967 über die Bewilligung eines Schadensausgleichs nach § 25 VerwVG insofern berichtigte, als er der Klägerin ab 1. Januar 1967 einen geringeren monatlichen Zahlbetrag bewilligte und eine daraus resultierende Überzahlung feststellte. Auch der Teil des Bescheides vom 26. April 1968, mit dem die Versorgungsbezüge ab 1. März 1968 neu festgestellt und insoweit eine Überzahlung errechnet und zurückgefordert wurde, befindet sich nicht mehr im Streit. Dies ergibt sich aus den Sachanträgen der Beteiligten in den Vorinstanzen und den darauf ergangenen Urteilen. Die durch Anwendung des § 25 VerwVG bewirkte Überzahlung - näher spezifiziert im Revisionsantrag des Beklagten - ist somit ihrem rechtlichen Grund und ihrer Einordnung nach, die sie durch die Berichtigung erfahren hat, zwischen den Beteiligten unstreitig. Im Rahmen der Beklagten-Revision kann deshalb die Rechtmäßigkeit der Berichtigung nicht geprüft werden, obwohl hier im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu § 25 VerwVG (SozR Nr. 1 zu § 25 VerwVG) die Annahme einer "offenbaren Unrichtigkeit" nicht bedenkenfrei erscheint. Wäre eine "offenbare Unrichtigkeit" i. S. des § 25 VerwVG zu verneinen, dann fehlte es auf jeden Fall an einer Grundlage für einen Rückerstattungsanspruch. Der Bescheid vom 26. April 1968, in dem die Berichtigung vorgenommen wurde, ist aber insoweit verbindlich geworden (§ 77 SGG); im Streit über die Rechtmäßigkeit des Bescheidteiles, der die Rückforderung geltend macht, kann nicht entschieden werden, ob der in dem bindend gewordenen Bescheidteil angeführte Grund der Überzahlung zutrifft oder nicht (SozR Nr. 17, 26 zu § 47 VerwVG). Unter welchen Voraussetzungen Versorgungsleistungen zurückzuerstatten sind, ist in § 47 VerwVG abschließend geregelt. Nach der Auffassung des Beklagten soll § 47 Abs. 1 VerwVG jedenfalls bei den Sachverhalten, in denen eine Bindungswirkung nicht in Betracht kommt - also generell im Anwendungsbereich des § 25 VerwVG -, die Rechtsgrundlage für einen Rückerstattungsanspruch der Versorgungsbehörde bilden und insoweit keinen Raum für die Berücksichtigung eines Vertrauensschutzes lassen. Dieser sehr weitgehenden Auffassung ist der BMA im Schriftsatz vom 14. Oktober 1971 mit Recht entgegengetreten, auch der erkennende Senat hält sie für unvertretbar. Soweit der Beklagte sich für seine Darlegungen auf ältere Entscheidungen des erkennenden Senats (BSG 23, 47, 49; Urteil vom 13. Januar 1966, BVBl 1966, 107) bezieht, muß auf das Urteil vom 26. August 1971 (SozR Nr. 9 zu § 154 SGG) hingewiesen werden, dessen Gründe gewisse Vorbehalte gegenüber einer Anwendbarkeit des § 47 Abs. 1 VerwVG erkennen lassen. Das in der Revisionsbegründung angeführte Urteil des 8. Senats des BSG vom 16. Mai 1968 (KOV 1968, 129) bestätigt nur die - der Auffassung des Beklagten entgegenstehende - Rechtsprechung, daß aus § 47 Abs. 1 VerwVG für sich allein ein uneingeschränkter Anspruch auf Rückerstattung zu Unrecht empfangener Versorgungsleistungen nicht herzuleiten ist (vgl. im übrigen BSG 27, 102, 103; SozR Nr. 19 zu § 47 VerwVG). Diese Rechtsprechung ist neuerdings im Urteil des 10. Senats des BSG vom 15. Dezember 1970 (BSG 32, 150) mit Erwägungen fortgeführt worden, die der Senat für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits in mehrfacher Hinsicht als bedeutsam erachtet.
Da § 47 Abs. 1 Satz 1 VerwVG, so wie ihn der Beklagte handhaben möchte, seinem Wortlaut nach die Rückforderung nicht von einem vorwerfbaren Verhalten des Leistungsempfängers abhängig macht und in Satz 2 dieser Vorschrift sogar der Einwand der nicht mehr vorhandenen Bereicherung ausgeschlossen wird, würde sich eine augenfällige Diskrepanz zwischen dieser Vorschrift und den Regelungen in § 47 Abs. 2 und 3 ergeben, wobei es völlig unerklärlich erscheint, weshalb ein gutgläubiger Leistungsempfänger im - vermeintlich selbständigen - Anwendungsbereich des § 47 Abs. 1 keinerlei Vertrauensschutz genießen und einem uneingeschränkten Rückerstattungsanspruch ausgesetzt sein sollte, wogegen sein Vertrauen in den rechtmäßigen Leistungsempfang bei Anwendbarkeit des § 47 Abs. 2 (Buchst. a) oder 3 (Buchst. a und b) weitgehend geschützt wird. Dieses Fehlen jeglicher Absicherung macht den § 47 Abs. 1 schlechthin ungeeignet, die alleinige Grundlage einer uneingeschränkten Pflicht zur Rückerstattung unrechtmäßig empfangener Versorgungsleistungen zu bilden (vgl. BSG 32, 155, 156), was im Schrifttum (u. a. Schönleiter-Hennig VerwVG, Kommentar 2. Aufl., Anm. 1 zu § 47) sowie in den Verwaltungsvorschriften (Satz 2 zu § 25, Nr. 4 zu § 47) nicht hinreichend beachtet worden ist. Im übrigen wäre eine solche, ohne Rücksicht auf Treu und Glauben praktizierte Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen etwas Einmaliges im Gesamtbereich des Sozialrechts (vgl. §§ 628, 1301 RVO; § 152 AFG; BSG 32, 52; 32, 156).
Der BMA als Vertreter der Beigeladenen will diese offensichtlich unvertretbaren Konsequenzen vermeiden, indem er den § 47 Abs. 1 VerwVG dahin interpretiert, daß diese Vorschrift als selbständige Anspruchsgrundlage für die nicht von Abs. 2 oder 3 erfaßten Fälle eine Rückforderung nur ermögliche, soweit nicht schutzwürdige Interessen des Leistungsempfängers entgegenstünden; dieser unausgesprochen auch für Abs. 1 geltende Vertrauensschutz werde durch die Regelungen in Abs. 2 und 3 konkretisiert. Dem Senat erscheint es freilich zweifelhaft, ob von einer in sich geschlossenen, Analogieschlüsse entbehrlich machenden und praktikablen Regelung des Erstattungsrechts die Rede sein kann, wenn einerseits die Voraussetzungen eines Rückerstattungsanspruchs bei den Fallgruppen des § 47 Abs. 2 und 3 gesetzlich im einzelnen genau normiert sind, andererseits jedoch für den Bereich der hiervon nicht erfaßten Fälle der Absatz 1 unter Heranziehung von Vertrauensschutzkautelen gelten soll, für deren Konkretisierung dann doch wiederum auf die Absätze 2 und 3 zurückgegriffen werden muß. Diese sich bereits im Hinblick auf die Rechtssystematik aufdrängenden Zweifel brauchen indessen nicht näher erörtert zu werden, denn die vom BMA vertretene Auffassung, speziell im vorliegenden Fall sei der Vertrauensschutz unter sinngemäßer Heranziehung des § 47 Abs. 2 Buchst. a zu beurteilen, ist nach Meinung des Senats nicht einleuchtend zu begründen. Falls etwa hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales "wissen müssen" auch an die für die Unfall- und die Rentenversicherung geltenden Regelungen gedacht und hieraus ein allgemeines Prinzip abgeleitet sein sollte, wird außer acht gelassen, daß nach § 628 Satz 2 und § 1301 Satz 2 RVO eine Rückforderung überhaupt nur stattfindet, wenn den Versicherungsträger für die Überzahlung kein Verschulden trifft; diese Voraussetzung dürfte aber bei den Berichtigungen nach § 25 VerwVG regelmäßig nicht erfüllt sein und kommt im hier zu entscheidenden Fall ganz zweifellos nicht in Betracht.
Nach Meinung des Senats bietet die in der bisherigen Rechtsprechung (zumal BSG 23, 49) angedeutete Differenzierung zwischen Überzahlungen aufgrund bindend gewordener Bescheide und solchen Sachverhalten, bei denen eine Bindungswirkung nicht in Betracht kommt, kein brauchbares Kriterium für die Beurteilung des Rückerstattungsproblems (vgl. BSG 32, 158). Daß eine Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit gegenüber bindend gewordenen Bescheiden mit rückwirkender Kraft zulässig ist, besagt noch nichts über die Zulässigkeit einer Rückforderung überzahlter Beträge (vgl. BSG 15, 96, 101). Als geeigneter Maßstab für eine Abstufung des Vertrauensschutzes kommt vielmehr in erster Linie die Unterscheidung zwischen endgültig gewährten und solchen Leistungen in Betracht, bei denen - wie z. B. im Fall der "Urteilsrente" (SozR Nr. 9 zu § 154 SGG) - durch ausdrücklich erklärten Vorbehalt der Verwaltung dem Empfänger das Risiko dafür aufgebürdet wird, ob er die empfangene Leistung definitiv behalten darf. Mit solchen vorläufigen Zahlungen, die in der Tat "den Keim des Zufalls in sich tragen", können indessen - entgegen der vom Beklagten vertretenen Auffassung - die Fälle nicht gleichgesetzt werden, in denen endgültig und vorbehaltlos bewilligte Leistungen wegen offenbarer Unrichtigkeiten später zu berichtigen sind; denn hier hat die Versorgungsbehörde eben nicht sogleich bei der Gewährung dem Empfänger ausdrücklich zu erkennen gegeben, daß er mit einer Rückerstattungspflicht zu rechnen hat. Anknüpfend an das Urteil vom 15. Dezember 1970 (BSG 32, 159) vertritt der erkennende Senat daher den Standpunkt, daß zu Unrecht erhaltene endgültige Leistungen nicht schlechthin aufgrund des § 47 Abs. 1 VerwVG, sondern nur eingeschränkt, d. h. entsprechend den Voraussetzungen der Absätze 2 und 3 zurückverlangt werden können und daß es dabei keinen Unterschied macht, ob der bindende Bescheid einer Berichtigung durch Verwaltungsakt (§§ 41, 42) oder - wegen Rechenfehlern und dergleichen - durch bloße Verfügung (§ 25 Satz 3 VerwVG) unterzogen worden ist. Nach Ansicht des Senats darf in Fällen der hier gegebenen Art der Vertrauensschutz für den Leistungsempfänger unter keinen Umständen geringer sein, als wenn die zu Unrecht empfangene Leistung "schlicht" ohne Verwaltungsakt endgültig und vorbehaltlos gewährt worden ist.
Ob die Maßstäbe zur Konkretisierung des Vertrauensschutzes aus einer Heranziehung von § 47 Abs. 2 Buchst. a oder von Abs. 3 dieser Vorschrift zu gewinnen sind, könnte im Fall der Klägerin unerheblich erscheinen; denn der Beklagte kann nicht ernstlich geltend machen, die Klägerin habe beim Empfang "wissen müssen", daß ihr die Schadensausgleichszahlung für 1967 nicht in der gewährten Höhe zustand; dies hätte ein auf Fachkenntnisse gestütztes Durcharbeiten des umfangreichen Bescheids nebst 9 anliegenden Berechnungsbögen erfordert, was den Tatbestandsmerkmalen des § 47 Abs. 2 Buchst. a VerwVG zweifellos nicht entsprechen würde. Da nun aber § 47 Abs. 2 allein für die Fälle gilt, in denen die Überzahlung auf einer wesentlichen Änderung der Verhältnisse beruht, § 25 VerwVG jedoch die Sachverhalte regelt, in denen ein Bescheid wegen offenbarer Unrichtigkeiten von Anfang an mit Fehlern behaftet war, liegt es nach Meinung des Senats näher, hier ausschließlich auf § 47 Abs. 3 VerwVG zurückzugreifen, der eine Rückforderung zu Unrecht gewährter Leistungen bei von Anfang an fehlerhaften Bescheiden eröffnet. Hier sieht aber das Gesetz - abgesehen von den vorliegend nicht in Betracht kommenden Erschleichungsfällen - eine Rückerstattungspflicht nur vor, wenn der Empfänger beim Empfang der Bezüge gewußt hat, daß sie ihm nicht oder nicht in dieser Höhe zustanden, oder wenn er den die Überzahlung bewirkenden Verfahrensmangel gekannt hat; ein Wissenmüssen oder Kennenmüssen genügt also nicht, es kommt somit nicht darauf an, ob der Klägerin ein nachlässiges Verhalten beim Empfang der Leistung vorgeworfen werden könnte.
Da auch die vom Beklagten angeführten Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsrechts - sofern sie überhaupt neben der Spezialregelung des § 47 VerwVG heranziehbar wären (BSG 32, 157) - eine Rückerstattungspflicht jedenfalls dann begrenzen, wenn die Verwaltung die Fehlerhaftigkeit eines Verwaltungsakts zu verantworten hat, erweist sich das angefochtene Urteil als zutreffend. Die Revision des Beklagten muß deshalb zurückgewiesen werden (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen