Leitsatz (redaktionell)
Die Vorschrift des KOFVfG § 47 Abs 1 bietet für sich allein auch dann keinen Rechtsgrund für die Rückforderung einer ohne Vorbehalt gewährten Leistung, wenn die Überzahlung auf eine nach KOVVfG § 25 erfolgte Berichtigung zurückzuführen ist.
Normenkette
KOVVfG § 47 Abs. 1 Fassung: 1960-06-27, § 25 Fassung: 1955-05-02
Tenor
Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. November 1970 wird zurückgewiesen.
Der Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin erhält Witwenversorgung nach dem Soldatenversorgungsgesetz (SVG). Mit Bescheid vom 28. Februar 1967 stellte das Versorgungsamt (VersorgA) die Versorgungsbezüge nach dem 3. Neuordnungsgesetz (NOG) fest. Bei der Berechnung des Schadensausgleichs ging es zwar - wie bereits im Bescheid vom 2. Dezember 1966 - zutreffend von einem Durchschnittseinkommen des verstorbenen Ehemannes der Klägerin in Höhe von DM 899,- aus, errechnete aber - im Gegensatz zu dem früheren Bescheid - den Hälftebetrag mit DM 499,50 anstatt mit DM 449,50, wodurch sich ein Schadensausgleich von monatlich DM 42,80 ergab. In dem weiteren Bescheid vom 13. März 1968 übernahm das VersorgA den unrichtigen Hälftebetrag und setzte den Schadensausgleich auf monatlich 36,- DM fest.
Nach Feststellung des unterlaufenen Fehlers berichtigte das VersorgA mit Verfügung vom 20. Januar 1969 gemäß § 25 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VerwVG) die Bescheide vom 28. Februar 1967 und 13. März 1968, setzte den Schadensausgleich ab 1. Januar 1967 auf der Grundlage eines Hälftebetrages von 449,50 fest und forderte die errechnete Überzahlung von DM 540,- gemäß § 47 Abs. 1 VerwVG von der Klägerin zurück. Der Widerspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Klage, mit der die Klägerin verlangte, von der Rückforderung Abstand zu nehmen, verurteilte das Sozialgericht den Beklagten antragsgemäß (Urteil vom 14. Januar 1970). Hiergegen legte der Beklagte Berufung und die Klägerin Anschlußberufung ein. Das Landessozialgericht (LSG) wies die Berufungen mit Urteil vom 19. November 1970 (veröffentlicht in Amtsbl. Bay. AM 1971 B 10 und Breithaupt 1971, 315) zurück. § 47 VerwVG eröffne keine Möglichkeit zur Rückforderung des Überempfangs, weil der Tatbestand der Fehlerberichtigung in dessen Abs. 2 und 3 nicht erwähnt sei. § 47 Abs. 1 VerwVG enthalte - wie das Bundessozialgericht (BSG) mehrfach entschieden habe - für sich allein keine selbständige Rückforderungsgrundlage. Werde der Rückforderungsanspruch aus § 25 VerwVG hergeleitet, könne nichts anderes gelten wie bei einer Berichtigung nach §§ 41, 42 VerwVG, weil kein Grund für einen geringeren Vertrauensschutz zu erkennen sei. Die in § 47 Abs. 3 VerwVG genannten Ausnahmetatbestände seien nicht gegeben.
Mit der zugelassenen Revision rügt der Beklagte eine Verletzung des § 47 Abs. 1 und 3 VerwVG. Das LSG habe zu Unrecht die ständige Rechtsprechung des BSG zu Rückforderungen, denen eine Durchbrechung der Bindungswirkung des § 24 VerwVG vorangegangen sei, auf den vorliegenden Fall übertragen. Das BSG habe nämlich bereits in BSG 23, 47, 49 ausgeführt, § 47 Abs. 1 VerwVG biete zwar keine Rechtsgrundlage dafür, über die Bindungswirkung anfechtbar gewordener Bescheide hinwegzugehen, sei jedoch für Sachverhalte gedacht, bei denen eine Bindungswirkung nicht in Betracht komme. Die Versagung des Rückforderungsanspruchs erscheine unbillig, wenn der Empfänger die offenbare Unrichtigkeit infolge Fahrlässigkeit nicht erkannt habe.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Landshut vom 14. Januar 1970 und das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 19. November 1970 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision des Beklagten als unbegründet zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des LSG für zutreffend.
II
Die Revision des Beklagten ist zulässig (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG); sie ist aber nicht begründet.
Streitig ist im Rahmen der Revision des Beklagten nur noch, ob dem Beklagten gegenüber der Klägerin ein Rückforderungsanspruch in Höhe von 540,- DM zusteht. Da die Klägerin den Bescheid vom 20. Januar 1969 (einschließlich Berichtigungsverfügung) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Juni 1969 mit der Klage nur insoweit angefochten hat, als der Beklagte eine Überzahlung in Höhe von 540,- DM gemäß § 47 Abs. 1 VerwVG zurückforderte, ist die Feststellung dieser Überzahlung sowohl ihrer Höhe als auch ihrem rechtlichen Grund und ihrer Einordnung nach, die sie durch die Berichtigungsverfügung erhalten hat, bindend geworden; deshalb kann nicht mehr geprüft werden, ob die Berichtigungsverfügung vom 20. Januar 1969 nach § 25 VerwVG rechtmäßig war (SozR Nr. 17, 26 zu § 47 VerwVG). Bei dieser Sachlage kommt es auch nicht auf die im Urteil des BSG vom 9. September 1965 (SozR Nr. 48 zu § 77 SGG) entschiedene Frage einer durch Fehlerwiederholung verstärkten Rechtsposition des Empfängers von Leistungen an, wie das LSG für den vorliegenden Fall im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat. Es ist vielmehr davon auszugehen, daß § 25 VerwVG die rechtliche Grundlage für die verbindlich festgestellte Überzahlung bildet, weshalb lediglich zu prüfen ist, nach welcher Vorschrift die Rückforderung des Beklagten geltend gemacht werden kann.
Unter welchen Voraussetzungen Versorgungsleistungen zurückzuerstatten sind, ist in § 47 VerwVG abschließend geregelt. Während der Beklagte den Rückerstattungsanspruch aus § 47 Abs. 1 VerwVG herleitet, vertreten das LSG und die Klägerin die Auffassung, nur § 47 Abs. 3 VerwVG - dessen Voraussetzungen aber nicht gegeben seien - könne als Rechtsgrundlage für die Rückforderung der Überzahlung in Betracht gezogen werden. Letzterer Auffassung ist zuzustimmen, denn § 47 Abs. 1 VerwVG gibt für sich allein der Verwaltungsbehörde grundsätzlich keinen Rückerstattungsanspruch. Diese Rechtsauffassung wird uneingeschränkt von sämtlichen Kriegsopfersenaten des BSG vertreten, neuerdings im Urteil des 10. Senats vom 15. Dezember 1970 (BSG 32, 150) auch für die Fälle, in denen zu Unrecht empfangene Leistungen "schlicht", d. h. ohne Erlaß von Verwaltungsakten, endgültig und ohne Vorbehalt gewährt worden sind. Hieran anknüpfend hat der erkennende Senat in seinem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 25. Januar 1972 (9 RV 454/71), das einen dem vorliegenden Rechtsstreit vergleichbaren Sachverhalt betrifft, entschieden, daß auch bei einer Überzahlung, die sich aus einer nach § 25 VerwVG erfolgten Berichtigung ergibt, § 47 Abs. 1 VerwVG keine selbständige Rechtsgrundlage für die Rückforderung einer endgültig und vorbehaltlos gewährten Leistung bildet und der Vertrauensschutz des Empfängers hier nicht geringer sein kann als in den Fällen des § 47 Abs. 3 VerwVG. Maßgebend hierfür sind u. a. die Erwägungen, daß § 47 Abs. 1 VerwVG - für sich allein betrachtet - wegen des Fehlens jeglichen Vertrauensschutzes als selbständige Grundlage einer Rückerstattungspflicht ausscheidet, daß es für die Frage der Rückerstattung weniger auf das Vorliegen oder Nichtvorliegen einer Bindungswirkung als vielmehr darauf ankommt, ob die zu Unrecht empfangene Leistung endgültig und vorbehaltlos oder aber nur vorläufig bzw. mit dem ausdrücklichen Vorbehalt einer Rückforderung gewährt wurde und schließlich, daß die Fälle des § 25 VerwVG den vorläufigen Leistungsgewährungen nicht gleichzuerachten sind. Wie der Senat sodann ausgeführt hat, beurteilt sich der Vertrauensschutz in Fällen der hier gegebenen Art entsprechend den Regelungen in § 47 Abs. 3 Buchst. a) oder b), d. h. es kommt auf den Nachweis an, daß der Empfänger gewußt hat, daß ihm die Bezüge nicht in dieser Höhe zustanden oder daß er den die Überzahlung bewirkenden Verfahrensmangel gekannt hat; eine auf Fahrlässigkeit beruhende Unwissenheit oder Unkenntnis genügt nicht.
Die Feststellung des LSG, es bestünden keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin den im Bescheid vom 28. Februar 1967 enthaltenen Rechenfehler tatsächlich erkannt habe, ist von der Revision nicht angegriffen worden. Damit erweist sich die Revision des Beklagten, wie in dem hinsichtlich der Rückforderung gleichgelagerten Fall (vgl. Urt. vom 25.1.72 - 9 RV 454/71 -), als unbegründet. Sie ist daher nach § 170 Abs. 1 SGG zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen