Entscheidungsstichwort (Thema)
Finanzieller Zuschuss. Verbesserung. Individuelles Wohnumfeld. Reparatur. Wartung. Treppenlift. Zweckgleiche Leistungen. Eingliederungshilfe. Vorrang. Höchstbetrag. Ersatzbeschaffung. Erstanschaffung
Orientierungssatz
Parallelentscheidung zu dem Urteil des BSG vom 25.1.2017 - B 3 P 2/15 R, das vollständig dokumentiert ist.
Normenkette
SGB V § 33 Abs. 1 S. 4; SGB IX § 6 Abs. 1, § 14 Abs. 4 S. 1, § 55 Abs. 2 Nr. 5; SGB X § 102 Abs. 1, § 103 Abs. 1, § 104 Abs. 1 S. 1, § 105; SGB XI § 13 Abs. 3 S. 1 Nr. 1, Sätze 2-3, Abs. 4, § 40 Abs. 1, 3 S. 3, Abs. 4, §§ 43a, 71 Abs. 4; SGB XII § 2 Abs. 1, § 53 Abs. 1, § 54 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. April 2016 wird zurückgewiesen.
Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Anspruch auf Erstattung, hilfsweise auf Bezuschussung der Kosten der Reparatur eines elektrischen Türöffnungs- und Türschließsystems der Wohnungseingangstür, dessen Einbau bereits als Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes nach § 40 Abs 4 SGB XI im höchstmöglichen Umfang gefördert worden war.
Der 1977 geborene Kläger leidet seit seiner Geburt an einer Arthrogrypose multiplex congenita (AMC) mit Gelenkversteifungen, Verkrümmung der Wirbelsäule und Einschränkung der Greiffunktion der Hände. Die Arme und Beine können nicht selbstständig bewegt werden (Grad der Behinderung 100). Seinen Elektrorollstuhl kann er mittels eines Fingers steuern. Von der beklagten Pflegekasse bezieht der Kläger Sachleistungen nach der Pflegestufe III. Er ist im Juni 2008 aus einer Wohngruppe für behinderte Menschen in eine eigene 70 m2 große Wohnung umgezogen. Bis zum 31.12.2015 arbeitete er in einer Werkstatt für behinderte Menschen. Er bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung von der Deutschen Rentenversicherung Nordbayern (Bescheid vom 13.1.2016) sowie ergänzende Sozialhilfe in Form eines monatlichen Pflegegeldes in Höhe von Euro vom Bezirk Oberfranken (Bescheid vom 4.3.2016).
Der Kläger ließ 2009 eine seinen Bedürfnissen angepasste Badewanne in die nicht behinderungsgerecht errichtete Wohnung einbauen. Um die unmittelbar nach draußen führende Wohnungstür selbst öffnen und schließen zu können, wurde ein entsprechendes elektrisches Türöffnungs- und Türschließsystem (Elektro-Hydraulik-Drehtürantrieb Typ EMSW mit ziehendem Armsystem inklusive Verkleidung, Programmschalter und elektrischem Schloss) mit Funkfernbedienung und Empfangsteil installiert. Nach positiver Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 9.3.2009 sicherte die Beklagte die Zuschussfähigkeit beider Einzelmaßnahmen in Höhe von insgesamt 2557 Euro (§ 40 Abs 4 SGB XI) zu (Bescheid nach § 34 SGB X vom 22.5.2009). Nach Durchführung der Arbeiten im Bad bewilligte sie sodann für die aus den beiden Einzelmaßnahmen bestehende Gesamtmaßnahme den Höchstzuschuss von 2557 Euro (Bescheid vom 10.6.2010), wobei der Betrag unmittelbar an die den Auftrag ausführende Firma N. Haustechnik KG (Rechnung vom 29.4.2010 über 4002,01 Euro) ausgezahlt worden ist. Die Umrüstung der Wohnungstür erfolgte am 14.6.2010 (Rechnung der Firma S. eK vom 14.6.2010 über 3034,50 Euro).
Am 11.3.2013 musste der defekte Drehgeber des elektrischen Drehtürantriebs ausgewechselt werden. Die Rechnung der Firma S. vom 11.3.2013 über 547,40 Euro (81 Euro Arbeitslohn, 119 Euro Ersatzteile, 260 Euro Fahrtkostenpauschale, zuzüglich 19 % Mehrwertsteuer) legte der Kläger der Beklagten am 18.3.2013 vor. Die Beklagte lehnte die Bezuschussung ab, weil Reparaturen bereits bezuschusster technischer Hilfen keine neue Maßnahme iS des § 40 Abs 4 SGB XI darstellten und ein erneuter Zuschuss deshalb ausgeschlossen sei (Bescheid vom 9.4.2013, Widerspruchsbescheid vom 27.6.2013).
Im Klageverfahren hat der Kläger vorgetragen, er sei auf die elektrische Tür angewiesen, um seine Wohnung ständig ohne fremde Hilfe verlassen und wieder betreten zu können, und habe die Tür deshalb auf eigene Kosten reparieren lassen. Der eingebaute Motor sei aufgrund dauerhafter Nutzung altersbedingt ausgefallen. Daher habe es sich bei der Reparatur um eine funktionswiederherstellende Maßnahme gehandelt, die - anders als eine funktionserhaltende Maßnahme (zB Wartung) - bei rechtssystematischer Auslegung des § 40 Abs 4 SGB XI als "neue Maßnahme" zu gelten habe und daher ebenso zuschussfähig sei wie die erstmalige Montage.
Das SG hat die Klage abgewiesen (Gerichtsbescheid vom 11.10.2013). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 20.4.2016). Für das Zuschussbegehren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Es gebe keine Anhaltspunkte für die Annahme des Klägers, der Gesetzgeber habe Instandsetzungs- bzw Reparaturkosten von technischen Hilfen im Haushalt versehentlich nicht in die Regelung des § 40 Abs 4 SGB XI aufgenommen. Von einer "neuen Maßnahme" könne im vorliegenden Zusammenhang nur dann gesprochen werden, wenn eine bereits bezuschusste technische Hilfe wegen Gebrauchsunfähigkeit vollständig ersetzt werden muss oder wenn eine notwendige Reparatur zur Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit zwar möglich ist, wirtschaftlich aber einer kompletten Ersatzbeschaffung gleichkommt; davon könne bei Reparaturkosten von 547,40 Euro im Vergleich zu Anschaffungskosten von 3034,50 Euro keine Rede sein.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 40 Abs 4 SGB XI. Er vertritt unverändert die Auffassung, funktionswiederherstellende Maßnahmen an reparaturbedürftigen technischen Hilfen im Haushalt seien nach Sinn und Zweck der Vorschrift in gleicher Weise zuschussfähig wie die erstmalige Anschaffung, wenn - wie hier - der Defekt vom Pflegebedürftigen nicht zu vertreten sei. Der Defekt bewirke eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse im individuellen Wohnumfeld des Pflegebedürftigen, die eine "neue Maßnahme" in Form der funktionswiederherstellenden Reparatur erforderlich mache.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 20. April 2016 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 11. Oktober 2013 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 9. April 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27. Juni 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 547,40 Euro zu erstatten, hilfsweise über seinen Antrag vom 18. März 2013 auf Gewährung eines Zuschusses für die Kosten der Reparatur der elektrischen Tür in Höhe von 547,40 Euro als eine das individuelle Wohnumfeld verbessernde Maßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.
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Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt nach ihrem schriftlichen Vorbringen, |
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die Revision zurückzuweisen. |
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 9.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2013 verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Ihm steht weder ein Anspruch auf Erstattung noch ein Anspruch auf Bezuschussung des Werklohns in Höhe von 547,40 Euro (§ 631 Abs 1 BGB) für die Reparatur des elektrischen Türöffnungs- und Türschließsystems der Wohnungstür im März 2013 zu.
A. Der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Erstattung der Reparaturkosten ist zulässig in Form einer Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) erhoben worden, in der Sache aber unbegründet. Es besteht weder ein krankenversicherungsrechtlicher noch ein pflegeversicherungsrechtlicher Kostenerstattungsanspruch.
1. Rechtsgrundlage des krankenversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs bei Selbstbeschaffung der Reparatur eines Hilfsmittels ist § 13 Abs 3 S 1 iVm § 33 Abs 1 S 1 und 4 SGB V. Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch einem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war (§ 13 Abs 3 S 1 SGB V). Die Vorschrift setzt voraus, dass dem Versicherten ein Sachleistungsanspruch (§ 2 Abs 2 S 1 SGB V) auf Versorgung mit einer bestimmten medizinisch notwendigen Leistung zustand. Dies richtet sich bei Hilfsmitteln nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Versicherte haben danach Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Hilfsmittel von geringem oder umstrittenen therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) ausgeschlossen sind. Gemäß § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Der Versorgungsanspruch bezüglich Hilfsmitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) richtet sich grundsätzlich gegen die Krankenkasse (§ 2 Abs 1 S 1 SGB V), wobei unter den Voraussetzungen des § 40 Abs 5 S 1 SGB XI der Leistungsträger, bei dem der Versicherte die Leistung beantragt hat (Krankenkasse oder Pflegekasse), im Außenverhältnis zum Versicherten abschließend darüber entscheidet, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und ein begehrtes medizinisches Gerät als Hilfsmittel oder Pflegehilfsmittel (§ 33 Abs 1 SGB V, § 40 Abs 1 SGB XI) zu bewilligen ist (BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 11 RdNr 46). Unter den Voraussetzungen des § 40 Abs 5 S 1 SGB XI kann sich dementsprechend auch ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V gegen die Pflegekasse richten, wenn sich der Versicherte mit dem Versorgungsbegehren dorthin gewandt hat und es um ein - an sich in die Leistungszuständigkeit der Krankenkasse fallendes - Hilfsmittel (§ 33 Abs 1 SGB V) geht, das der Versicherte sich selbst beschafft hat. Die Passivlegitimation der beklagten Pflegekasse für eine Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 SGB V ist vor diesem Hintergrund also nicht von vornherein ausgeschlossen.
2. Rechtsgrundlage des pflegeversicherungsrechtlichen Kostenerstattungsanspruchs bei Selbstbeschaffung der Reparatur eines Pflegehilfsmittels ist § 13 Abs 3 S 1 SGB V in analoger Anwendung (BSG SozR 3-2500 § 37 Nr 3; Udsching, SGB XI, 4. Aufl 2015, § 29 RdNr 5 mwN) iVm § 40 Abs 1 S 1 und Abs 2 S 2 SGB XI. Pflegebedürftige haben nach § 40 Abs 4 S 1 SGB XI Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Der Anspruch umfasst nach § 40 Abs 2 S 2 SGB XI auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch. Leistungspflichtig für den Sachleistungsanspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln (§ 4 Abs 1 S 1 SGB XI) sind die Pflegekassen (§ 1 Abs 3 iVm § 4 SGB XI). Gegen sie richtet sich unter den Voraussetzungen des analog anzuwendenden § 13 Abs 3 SGB V auch ein entsprechender Kostenerstattungsanspruch.
3. Grundvoraussetzung beider denkbaren Kostenerstattungsansprüche ist, dass es sich bei dem elektrischen Türöffnungssystem bzw dessen Reparatur um ein Hilfsmittel handelt, und zwar entweder um ein medizinisches Hilfsmittel nach § 33 Abs 1 SGB V oder ein Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs 1 oder 2 SGB XI. Unabhängig von ihrer differierenden Zweckbestimmung ist beiden Gruppen von Hilfsmitteln gemeinsam, dass es sich um Hilfen handeln muss, die von den Leistungsempfängern getragen oder mitgeführt oder bei einem Wohnungswechsel mitgenommen werden können (vgl § 31 Abs 1 SGB IX). Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandhaltung, Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel (§ 31 Abs 2 S 1 SGB IX). Abzugrenzen sind Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel von Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen, zu denen beispielsweise auch technische Hilfen im Haushalt gehören. Für solche wohnumfeldverbessernden Maßnahmen können nach § 40 Abs 4 S 1 SGB XI subsidiär finanziell Zuschüsse gewährt werden, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird.
Die Abgrenzung führt im vorliegenden Fall dazu, dass der - mit dem Hauptantrag verfolgte - Kostenerstattungsanspruch wegen der Selbstbeschaffung der Reparatur nicht begründet ist, weil es sich weder um ein Hilfsmittel nach § 33 Abs 1 SGB V noch um ein Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs 1 und 2 SGB XI handelt.
4. Bei der Anschaffung und Montage eines elektrischen Türöffnungs- und Türschließsystems für die Wohnungstür geht es um eine wohnumfeldverbessernde Maßnahme iS des § 40 Abs 4 S 1 SGB XI, und zwar in Form einer technischen Hilfe im Haushalt. Das System stellt kein Hilfsmittel nach § 33 Abs 1 SGB V und auch kein Pflegehilfsmittel nach § 40 Abs 1 und 2 SGB XI dar. Dementsprechend erfüllt auch die Reparatur dieses Systems nicht den Begriff des Hilfsmittels.
a) Der Senat hat zur Auslegung des Rechtsbegriffs "Maßnahme zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes" drei Gruppen von Maßnahmen differenziert, orientiert am jeweiligen Maßnahmezweck und an der Dauerhaftigkeit des Wohnungseinbaus (vgl BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 14 ff - Deckenliftanlage). Zur ersten Gruppe von Maßnahmen zählen, auch unabhängig vom Grad der Befestigung in der Wohnung, diejenigen Hilfen der Wohnumfeldverbesserung, die eine Anpassung der konkreten Wohnumgebung an die Bedürfnisse des behinderten Menschen bezwecken und deshalb in einer anderen Wohnumgebung nicht notwendig ebenso benötigt werden. Darunter fallen insbesondere Treppenlifter oder Aufzüge, mit denen die konkreten Verhältnisse der jeweiligen Wohnsituation an die Anforderungen des behinderten Menschen angepasst werden und die nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht Teil der Hilfsmittelversorgung der GKV (§ 33 SGB V) oder der sozialen Pflegeversicherung sind (vgl BSG SozR 2200 § 182b Nr 10 S 28 f - WC-Automatik; BSG SozR 2200 § 182b Nr 23 S 59 f - Treppenlift, Auffahrrampe; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 30 S 177 ff - Treppenlift; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 2 S 8 f - Außen- und Innentreppenlift; BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 1 S 2 - Personenaufzug). Zur zweiten Gruppe zählen wohnumfeldverbessernde Maßnahmen, die in § 40 Abs 4 SGB XI beispielsweise als "technische Hilfen im Haushalt" angeführt sind. Nach den Gesetzesmaterialien zählen dazu ua Haltegriffe oder mit dem Rollstuhl unterfahrbare Einrichtungsgegenstände (vgl BT-Drucks 12/5262 S 114, zu weiteren konkreten Beispielen vgl BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 17). Zur dritten Gruppe der Maßnahmen zur Wohnumfeldverbesserung nach § 40 Abs 4 SGB XI zählen unabhängig von ihrem Zweck schließlich solche Hilfen, die der Wohn- oder Gebäudesubstanz auf Dauer hinzugefügt werden. Davon ist der Senat ausgegangen, wenn die Hilfe befestigungsbedingt zum dauerhaften Bestandteil von Wohnung oder Haus wurde (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 2 S 9 - Außen- und Innentreppenlift; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 6 S 31 - Klingelanlage) und die beim Umzug nicht ohne Weiteres mitgenommen werden konnte. Dies erfordert eine wertende Betrachtung, die auf die Dauerhaftigkeit der Befestigung in zeitlicher Hinsicht abstellt, ob der Einbau mithin von Dauer ist. Einer Qualifizierung als Hilfsmittel steht dann nicht entgegen, wenn eine Hilfe bei einem Wohnungswechsel ohne wesentliche verbleibende Folgen ausgebaut und mit vertretbarem Anpassungsaufwand in eine neue Wohnung wieder eingebaut werden könnte (vgl BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 18 - Deckenliftanlage).
b) Nach den im Berufungsverfahren vorgelegten Unterlagen besteht die Anlage zur elektrischen Türöffnung und Türschließung aus einem Motor (Drehantrieb), einem ziehenden Gestänge zur Befestigung sowohl oben an der Tür als auch an der Wand mittels Schrauben, einem an der Wand angebrachten Funkempfänger, einem über Putz verlaufenden Kabel und einem über Funk steuerbaren Türschloss, welches das ursprüngliche Türschloss ersetzt hat. Der Einbau eines solchen Türöffnungs- und Türschließsystems ist nach seinem Zweck als Maßnahme zur Wohnumfeldverbesserung anzusehen, weil es die konkrete Wohnumgebung an die Bedürfnisse des Pflegebedürftigen anpasst. Nach der Verkehrsauffassung handelt es sich um eine technische Hilfe im Haushalt, die der Wiederherstellung einer möglichst selbstständigen Lebensführung des Pflegebedürftigen dient. Den Einbau einer derartigen Anlage bzw dessen Reparatur kann der Versicherte demgemäß nicht als Sachleistung der GKV nach § 33 Abs 1 SGB V und auch nicht als Sachleistung der sozialen Pflegeversicherung nach § 40 Abs 1 und 2 SGB XI beanspruchen.
B. Auch die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG), die auf die Neubescheidung des Zuschussantrages vom 18.3.2013 gerichtet ist, konnte keinen Erfolg haben. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 40 Abs 4 SGB XI für die Bezuschussung der Reparatur des elektrischen Türöffnungs- und Türschließsystems sind nicht erfüllt.
1. Nach § 40 Abs 4 SGB XI (idF des Pflegeneuausrichtungsgesetzes ≪PNG≫ vom 23.10.2012, BGBl I 2246) können Pflegekassen subsidiär finanzielle Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen, beispielsweise für technische Hilfen im Haushalt, gewähren, wenn dadurch im Einzelfall die häusliche Pflege ermöglicht oder erheblich erleichtert oder eine möglichst selbstständige Lebensführung des Pflegebedürftigen wiederhergestellt wird. Die Höhe der Zuschüsse durfte nach § 40 Abs 4 S 2 SGB XI (idF bis zum 31.12.2014) einen Betrag in Höhe von 2557 Euro je Maßnahme nicht übersteigen. Sofern die tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat der Versicherungsträger pflichtgemäß Ermessen auszuüben, ob (Entschließungsermessen) und in welcher Höhe Zuschüsse gewährt werden (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 4 RdNr 17; BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 6 RdNr 16; Udsching, SGB XI, 4. Aufl 2015, § 40 RdNr 32).
a) Die in § 40 Abs 4 SGB XI angeordnete Subsidiarität der finanziellen Zuschüsse für wohnumfeldverbessernde Maßnahmen liegt vor, weil kein anderer Leistungsträger vorrangig einzutreten hat (BSGE 101, 22 = SozR 4-3300 § 40 Nr 8, RdNr 11), insbesondere nicht die Krankenkasse (§ 33 SGB V). Ein vorrangiger Anspruch auf Leistungen des Integrationsamts nach § 102 Abs 3 Nr 1d SGB IX iVm § 33 Abs 8 Nr 6 SGB IX im Sinne einer begleitenden Hilfe im Arbeitsleben besteht ebenfalls nicht, weil der Kläger bis Ende 2015 dauerhaft in einer Werkstatt für behinderte Menschen tätig war, ohne Aussicht auf Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt (zur Maßgeblichkeit der Teilhabe am Arbeitsleben auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vgl § 18 Abs 2 Schwerbehinderten-Ausgleichsabgabenverordnung; Seidel in Hauck/Noftz SGB IX, Stand Juli 2008, § 102 SGB IX RdNr 49).
b) Dass der Kläger seinen Antrag auf Leistungen nach § 40 Abs 4 SGB XI erst nach durchgeführter Reparatur gestellt hat, steht seinem Anspruch nicht entgegen. Denn ausreichend ist insoweit auch eine Antragstellung nach Durchführung (vgl BSG Urteil vom 14.12.2000 - B 3 P 1/00 R - Juris RdNr 22 ff; BSG Urteil vom 28.6.2001 - B 3 P 3/00 R - Juris RdNr 15).
c) Da das Türöffnungssystem bereits mit dem Höchstbetrag bezuschusst worden ist, besteht kein Anspruch auf einen weiteren Zuschuss nach § 40 Abs 4 SGB XI aF für die durchgeführte Reparatur. Anders als § 40 Abs 3 S 3 SGB XI, der klarstellt, dass der Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie die Ausbildung im Gebrauch des Hilfsmittels umfasst, hat der Gesetzgeber in § 40 Abs 4 SGB XI keine entsprechende Regelung für die Zuschüsse für Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes aufgenommen. Zwar waren im ursprünglichen Gesetzentwurf zum SGB XI als wohnumfeldverbessernde Maßnahmen ausdrücklich auch schon technische Hilfen im Haushalt vorgesehen (vgl BT-Drucks 12/5262 S 114 zu § 36 Abs 4). Beispielhaft wurde der "Einbau einer Dusche oder eines Treppenlifts" genannt (vgl BT-Drucks aaO). Nähere Ausführungen zu Reparaturen oder Instandsetzungen finden sich in den Gesetzesmaterialien jedoch nicht, obwohl solche Gegenstände üblicherweise abnutzungsbedingte Verschleißerscheinungen aufweisen und daher Wartungen oder Reparaturen benötigen.
2. Reparaturen, Instandsetzungen und Wartungen können über § 40 Abs 4 SGB XI aber dann bezuschusst werden, wenn der Höchstbetrag für die bezuschusste Hilfe nicht ausgeschöpft worden ist. Dies steht weder dem Wortlaut, den Gesetzesmaterialien noch Sinn und Zweck der Regelung entgegen. Der für eine solche Maßnahme vorgesehene Zuschuss nach § 40 Abs 4 SGB XI betrifft nämlich nicht nur die Kosten der Anschaffung und erstmaligen Installierung der Hilfe, sondern auch alle notwendigen Folgekosten, die im Zusammenhang mit der Sicherung und der Wiederherstellung der Funktionsfähigkeit entstehen können. Wartungs- und Reparaturkosten sind also grundsätzlich auch zuschussfähig, können aber nur dann zu einer weiteren Zahlung der Pflegekasse führen, wenn der Höchstbetrag des Zuschusses, der bis Ende 2014 2557 Euro betrug und sich seitdem auf 4000 Euro beläuft, bei den Anschaffungskosten noch nicht voll ausgeschöpft worden ist. Ist beispielsweise für die Anschaffung einer technischen Hilfe nur ein Zuschuss von 3500 Euro gewährt worden, weil der Versicherte dafür keine höheren Kosten zu tragen hatte, steht ein Restbetrag von 500 Euro zur Verfügung, mit dem nun Wartungs- und Reparaturkosten bezuschusst werden können. Im Rahmen ihres Ermessens hat die Pflegekasse über einen entsprechenden ergänzenden Zuschussantrag zu entscheiden, wobei sie zB Bagatellbeträge von der Bezuschussung generell ausschließen kann. Da im vorliegenden Fall der damalige Höchstbetrag von 2557 Euro schon für die Anschaffung des Türöffnungssystems voll ausgeschöpft worden war, kam eine derartige Bezuschussung von Folgekosten nicht in Betracht.
3. Ein eigenständiger neuer Zuschussanspruch war hier ebenfalls nicht begründet.
a) Eine "Maßnahme" iS des § 40 Abs 4 SGB XI umfasst als Gesamtmaßnahme alle notwendigen bezuschussungsfähigen Einzelschritte von Umbauten und technischen Hilfen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes des Pflegebedürftigen objektiv in ihrer Gesamtheit erforderlich sind (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 2 S 9 f - Juris RdNr 13; BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 4 RdNr 19 mwN). Maßgebend ist insoweit der Zeitpunkt der Durchführung der Umbauarbeiten, wenn der Zuschuss nachträglich beantragt wird, bzw der Zeitpunkt der Antragstellung, wenn die Umbauarbeiten erst danach durchgeführt worden sind oder werden sollen. Die Zusammenfassung mehrerer Einzelmaßnahmen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt zur Verbesserung des individuellen Umfeldes eines Pflegebedürftigen notwendig sind, zu einer Gesamtmaßnahme im Rechtssinne gilt auch dann, wenn die Einzelmaßnahmen nicht in einem Auftrag gemeinsam vergeben oder zeitlich nacheinander durchgeführt werden. Ein neuer Zuschuss kommt danach erst dann in Betracht, wenn sich die Pflegesituation objektiv ändert und dadurch im Laufe der Zeit Schritte zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes erforderlich werden, die im Zuge der ersten Umbaumaßnahme noch nicht notwendig waren (vgl BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 2 S 10 f; BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 4 RdNr 19; BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 9).
b) Beispielhaft ist der Senat von einer nachträglichen objektiven Änderung der Pflegesituation bisher in Fällen des Hinzutretens einer weiteren Behinderung oder bei altersbedingter Ausweitung des Pflegebedarfs eines behinderten Menschen ausgegangen (BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 2 S 10 f; vgl auch BSG SozR 3-3300 § 40 Nr 5 S 26). Auch bei einem Umzug aus einer bereits mit einem Zuschuss behindertengerecht gestalteten Wohnung in eine erst noch behindertengerecht auszustattende Wohnung aufgrund einer eingetretenen Ausweitung des Pflegebedarfs hat der Senat einen neuen Zuschuss dem Grunde nach bejaht (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 4 RdNr 19 ff). Er hat betont, dass die nachträgliche Ausweitung des Pflegebedarfs nur eine - wenn auch wohl die bedeutendste - Variante einer nachträglichen Änderung der Pflegesituation ist, die andere Varianten nicht ausschließt. In diesem Zusammenhang hat der Senat deutlich gemacht, dass die Gewährung eines neuen (zweiten) Zuschusses für Umbauarbeiten in einer neuen Wohnung denkbar ist, wenn der Umzug aus nicht krankheits- oder behinderungsbedingten Gründen, sondern aus anderen nachvollziehbaren Erwägungen erfolgt, solange der Bedarf nicht mutwillig herbeigeführt wird. Dies gilt zum Beispiel, wenn etwa berufliche Gründe für den Umzug vorliegen, wenn der Umzug aus einer gemieteten Wohnung in geerbtes Eigentum erfolgt oder der Umzug im eigenen Haus auf dem Entschluss des Pflegebedürftigen beruht, aus altersbedingten Gründen und zur Verringerung des Arbeitsaufwands bei der Haushaltsführung in eine kleinere Wohnung zu ziehen, wenn einem erwachsenen Kind und dessen Ehepartner bzw Familie die bisher genutzte größere Wohnung überlassen wird und auch eigentumsrechtlich ein Generationenwechsel herbeigeführt wird (vgl BSG SozR 4-3300 § 40 Nr 4 RdNr 23).
c) Eine nachträgliche objektive Änderung der Pflegesituation stellt auch die Variante dar, wenn der Defekt an einer mit dem Höchstbetrag bezuschussten Hilfe zu einem kompletten Ausfall bzw zur Gebrauchsunfähigkeit führt. Ein neuer Zuschuss setzt dann aber voraus, dass die Hilfe vollständig gebrauchsunfähig ist und ersetzt werden muss, ohne dass eine mutwillige Herbeiführung vorliegt bzw zivilrechtliche Ansprüche gegen Dritte wegen der Gebrauchsunfähigkeit bestehen. Die Bezuschussung von Reparaturkosten muss zur Wiederherstellung der Gebrauchsfähigkeit führen, wobei diese Maßnahme unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten einer Ersatz- bzw Erstanschaffung gleichkommen muss. Deshalb reichen funktionswiederherstellende Reparaturen oder Wartungen, die nicht eine solche Größenordnung erreichen, regelmäßig nicht für einen neuen Zuschuss aus (aA SG Koblenz vom 24.4.2009 - S 3 P 106/08 - Juris).
d) Die 2013 durchgeführte Reparatur war ersichtlich nicht mit einer Ersatzbeschaffung gleichzusetzen, wie der Kostenvergleich (Anschaffungskosten 3034,50 Euro, Reparaturkosten 547,40 Euro) ergibt. Eine alternative Ersatzbeschaffung stand offensichtlich nicht im Raum. Die durchgeführte Reparatur war weder nach ihrem Umfang noch angesichts der damit verbundenen Kosten mit einer Neu- oder Ersatzbeschaffung vergleichbar.
4. Der Kläger kann auch nicht von der ab 1.1.2015 gültigen Erhöhung des höchstmöglichen Zuschusses auf 4000 Euro profitieren. Geht man davon aus, dass die Kosten für Wartungen und Reparaturen Folgekosten einer wohnumfeldverbessernden Maßnahme sind und es sich damit um einen bloßen Annex zu dieser Maßnahme handelt, die von der Beklagten bereits mit 2557 Euro bezuschusst worden ist, könnte daran gedacht werden, derartige Folgekosten, die ab 1.1.2015 entstanden sind, mit dem Differenzbetrag von 1443 Euro zu bezuschussen. Ob eine solche Bezuschussung der Folgekosten möglich ist, braucht an dieser Stelle aber nicht abschließend entschieden zu werden, weil im vorliegenden Fall die Reparaturkosten bereits im Jahr 2013 angefallen sind.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
WzS 2017, 230 |
FEVS 2018, 58 |
NZS 2017, 392 |
SGb 2017, 145 |
ZfF 2017, 121 |