Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob es dem pflichtgemäßen Verwaltungsermessen des Versicherungsträgers entsprochen hat, von einem im Rentenbescheid enthaltenen Widerrufsvorbehalt Gebrauch zu machen.

 

Leitsatz (redaktionell)

Widersprüchliche Bescheinigungen und Erklärungen von Gewährsleuten - Ablehnung der Vernehmung dieser Personen als Zeugen durch das Gericht ohne nähere Angabe der Gründe dafür.

 

Normenkette

SGG § 77; RVO § 1744 Abs. 1 Nr. 6 Fassung: 1953-09-03; SGG § 106 Abs. 3 Nr. 4

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 4. Februar 1969 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 28. Februar 1968 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger auch dessen außergerichtliche Kosten des Berufungs- und Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Beklagte zur Neufeststellung des Altersruhegeldes des Klägers aufgrund eines im rechtsverbindlichen Erstbescheid aufgenommenen Widerrufsvorbehalts berechtigt ist.

Der im Jahre 1895 geborene Kläger ist Heimatvertriebener aus dem Sudetenland. Er stellte im November 1960 Antrag auf Gewährung des Altersruhegeldes wegen Vollendung des 65. Lebensjahres. Dabei legte er für die angegebenen Beschäftigungszeiten im Vertreibungsgebiet eidesstattliche Erklärungen seiner Schwester Marie W und des Veit Sch vor. Nach Durchführung von Ermittlungen bewilligte die Beklagte dem Kläger das Altersruhegeld nach § 1248 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO). Der Rentenbescheid vom 11. April 1961 enthält folgenden Zusatz:

"Für die Zeit von 1911 bis 1920 und von 1932 bis 1944 wurden Beitragszeiten nach dem Fremdrentengesetz angerechnet. Die Nachprüfung des Rentenanspruches und die Neuberechnung der Rente behalten wir uns bis nach Eingang der noch fehlenden Beitragsunterlagen ausdrücklich vor".

Im November 1964 ging bei der Beklagten die Mitteilung des tschechischen Versicherungsträgers ein, daß die angeforderten Versicherungsunterlagen des Klägers "unauffindbar" seien. Diese Nachricht war für die Beklagte Anlaß, neue Erkundigungen einzuziehen. Mit Bescheid vom 6. April 1967 stellte sodann die Beklagte das Altersruhegeld des Klägers neu fest. Dabei wurde die Zeit vom 1. Oktober 1938 bis 31. Dezember 1944 nicht mehr angerechnet, während die vorangegangenen Beschäftigungszeiten nach § 16 des Fremdrentengesetzes (FRG) berücksichtigt blieben.

Mit der Klage machte der Kläger geltend, er sei in der Zeit von 1939 bis 1944 versicherungspflichtig beschäftigt gewesen. Die Tatsache, daß keine Unterlagen aus der Tschechoslowakei eingegangen seien, könne nicht beweisend dafür angesehen werden, daß für ihn nicht doch Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet worden seien. Infolge der Kriegswirren seien viele Versicherungsunterlagen verloren gegangen. Auch hätten sich keine neuen Tatsachen ergeben, die nicht schon bei Erlaß des ersten Bescheides im April 1961 bekannt gewesen seien.

Das Sozialgericht (SG) hob den Rentenneufeststellungsbescheid vom 6. April 1967 auf. Es begründete seine Entscheidung damit, daß begünstigende Verwaltungsakte nur in den vom Gesetz geregelten Fällen widerrufen werden könnten. Im Recht der Rentenversicherung käme hierfür allein die Vorschrift des § 1744 RVO in Betracht. Die Mitteilung aus P über die Unauffindbarkeit von Versicherungsunterlagen für den Kläger sei aber keine Urkunde i.S. des § 1744 Abs. 1 Nr. 6 RVO. Der im Bescheid vom 11. April 1961 enthaltene Vorbehalt sei nicht geeignet, eine Neufeststellung der Rente zu rechtfertigen. Abgesehen davon, daß ein Widerrufsvorbehalt im Sozialrecht wegen der ua in § 77 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Ausdruck gebrachten Bedingungsfeindlichkeit als selbständiger Widerrufsgrund nicht zulässig sei und daher nur deklaratorische Bedeutung habe, sei auch der Tatbestand des Vorbehalts nicht erfüllt; denn es seien keine Beitragsunterlagen eingegangen (Urteil vom 28. Februar 1968).

In dem von der Beklagten angestrengten Berufungsverfahren legte der Kläger eine weitere Erklärung des Veit Sch vor und beantragte vorsorglich Veit Sch Marie W sowie Franz B als Zeugen zu vernehmen und zwar ua über die erstmals vor dem SG angegebene Beschäftigung des Klägers im Lagerhaus H. vom Januar 1939 bis März 1940. Das Landessozialgericht (LSG) hob - ohne Beweisaufnahme - das Urteil des SG auf und wies die Klage ab; es ließ die Revision nicht zu (Urteil vom 4. Februar 1969).

Zur Begründung führte es im wesentlichen aus: Zwar vertrete der Senat ebenso wie das SG in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, daß die Auskunft eines ausländischen Versicherungsträgers, für den Rentenbewerber seien keine Unterlagen auffindbar, nicht als Urkunde i.S. des § 1744 Abs. 1 Nr. 6 RVO zu werten sei, so daß ohne Widerrufsvorbehalt keine Möglichkeit der Neuprüfung eines begünstigenden Verwaltungsakts bestünde. Mit dem Widerrufsvorbehalt habe sich die Beklagte aber den Weg zur Neufeststellung des Altersruhegeldes rechtswirksam offengehalten. Das LSG folge der Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) in Bd. 20, S. 287, 288. Aus den gleichen Gründen wie in dem dieser Entscheidung zugrunde liegenden Fall habe die Beklagte hier den "angemessenen Ausgleich" gefunden, indem sie dem Bescheid vom 11. April 1961 bezüglich des Zeitraumes vom 17. August 1932 bis 31. Dezember 1944 einen entsprechenden Widerrufsvorbehalt angefügt habe. Die Beklagte habe bei Erlaß des ersten Rentenbescheides diese Zeiten auch als glaubhaft gemachte Beitragszeiten ansehen dürfen. Erst als im November 1964 die Mitteilung des tschechischen Versicherungsträgers eingegangen sei, habe sich für die Beklagte die Notwendigkeit ergeben, die ursprünglich für die Glaubhaftmachung einer Beitragszeit als ausreichend angesehenen Angaben des Klägers sowie der Marie W und des Veit Sch einer erneuten Prüfung zu unterziehen. Das Ergebnis der sodann von der Beklagten durchgeführten neuen Ermittlungen genüge aber nicht für die Glaubhaftmachung einer Beitragsleistung in dem vom Widerrufsvorbehalt erfaßten Zeitraum. Bei Würdigung der vom Kläger, von seiner Sch Marie W und von Veit Sch abgegebenen, sehr widersprechenden Bescheinigungen und Erklärungen könne keinesfalls als glaubhaft gemacht gelten, daß vom August 1932 bis September 1938 zum tschechischen und vom Oktober 1938 bis Dezember 1944 zum deutschen Versicherungsträger Beiträge entrichtet worden seien. Diese Feststellung dürfe getroffen werden, ohne daß es einer Einvernahme der als Zeugen benannten Marie W, Veit Sch und Franz B bedurft hätte.

Gegen das am 13. März 1969 zugestellte Urteil hat der Kläger durch seinen Prozeßbevollmächtigten am 1. Dezember 1969 mit dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand Revision eingelegt, nachdem ihm auf seinen Antrag vom 1. April 1969 durch Beschluß des Senats vom 27. Oktober 1969 das Armenrecht unter Beiordnung eines Anwalts bewilligt worden war.

Der Kläger rügt eine Verletzung der §§ 103, 106 SGG sowie des § 1744 RVO i.V.m. § 77 SGG durch das Berufungsgericht. Das LSG habe seiner Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts von Amts wegen nicht genügt, weil es die im Schriftsatz vom 8. September 1968 angebotene und in der mündlichen Verhandlung am 4. Februar 1969 beantragte Vernehmung von Zeugen nicht durchgeführt habe, obwohl die ua benannten Zeugen Veit Sch und Marie W vorher in schriftlichen Erklärungen die Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Kläger bestätigt hätten. Wenn dem Berufungsgericht diese Beweisunterlagen zur Bestätigung des sozialgerichtlichen Urteils nicht genügten, so hätte es den angebotenen Zeugenbeweis erheben müssen. Für den Fall, daß man mit der Rechtsauffassung des LSG die Zulässigkeit des Widerrufsvorbehalts und darüber hinaus auch die Voraussetzungen für den Widerruf bejahe, sei daher die Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung im Wege der Zeugenvernehmung unerläßlich. Der Rechtsauffassung des LSG könne aber nicht gefolgt werden, weil es - wie die Revision im einzelnen näher ausführt - § 1744 i.V.m. § 77 SGG unrichtig angewendet habe.

Der Kläger beantragt daher sinngemäß,

das Urteil des Bayerischen LSG vom 4. Februar 1969 aufzuheben und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,

hilfsweise,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision als unzulässig zu verwerfen,

hilfsweise,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Nach ihrer Auffassung hat das LSG den Streitstoff ausreichend und zutreffend gewürdigt und verfahrensfehlerfrei entschieden.

II

Dem Kläger ist wegen der Versäumung der Revisionsfrist gemäß § 67 Abs. 1 und 4 SGG Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Er hat die Bewilligung des Armenrechts unter Vorlage des behördlichen Zeugnisses innerhalb der Revisionsfrist beantragt. Nach dem ihm und seinem Prozeßbevollmächtigten am 31. Oktober 1969 zugestellten Beschluß über die Armenrechtsbewilligung und Beiordnung eines Rechtsanwalts sind der Wiedereinsetzungsantrag, die Revision und die Revisionsbegründung am 1. Dezember 1969 und damit noch innerhalb der Monatsfrist des § 67 Abs. 2 SGG beim BSG eingegangen, weil der 30. November 1969 ein Sonntag war (§ 64 Abs. 3 SGG).

Die Revision ist gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG statthaft, weil der gerügte wesentliche Verfahrensmangel der unzureichenden Sachaufklärung durch das Berufungsgericht vorliegt.

Das LSG hat nach seiner Rechtsauffassung über die Zulässigkeit des Widerrufsvorbehalts die vom Kläger behauptete Beitragsentrichtung in den Jahren 1932 bis 1944 im Herkunftsland von einer Glaubhaftmachung i.S. der §§ 4 FRG, 10 VuVO abhängig gemacht. Eine solche hat es "bei Würdigung" der vom Kläger, seiner Schwester Marie W und von Veit Sch abgegebenen, "sehr widersprechenden" Bescheinigungen und Erklärungen verneint und die vom Bevollmächtigten des Klägers in der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens beantragte Vernehmung dieser beiden Gewährsleute sowie des außerdem noch benannten Franz B als Zeugen ohne nähere Angabe von Gründen abgelehnt. Das LSG hat durch diese Unterlassung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gegen seine Pflicht zur Erforschung des Sachverhalts von Amts wegen verstoßen (§ 103 Satz 1 SGG). Die bloße Unterstellung bzw. Vermutung, es sei unwahrscheinlich, daß die benannten Zeugen eine Beitragsleistung des Klägers glaubwürdig bestätigen könnten, beinhaltet eine unzulässige Vorwegnahme der Beweiswürdigung, welche die Unterlassung von Zeugenvernehmungen nicht rechtfertigen kann (so ständige Rechtsprechung: vgl. BSG in SozR Nr. 2, 4, 6, 9 zu § 103 SGG und Urteil des erkennenden Senats vom 27. Februar 1970 - 12 RJ 300/68 -; vgl. auch Baumbach/Lauterbach, Kommentar zur Zivilprozeßordnung, 27. Aufl., Anm. 3 zu § 286 ZPO mit weiteren Nachweisen). Gerade wenn das LSG die bisherigen schriftlichen Erklärungen für widerspruchsvoll und damit für die Glaubhaftmachung einer Beitragszeit nicht ausreichend gehalten hat, wäre es verpflichtet gewesen, diese Widersprüche durch eine Zeugenvernehmung der die schriftlichen Erklärungen abgebenden Gewährspersonen - wie vom Kläger auch beantragt - zu klären.

Das angefochtene Urteil beruht daher auf einem nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalt und muß deshalb aufgehoben werden. Einer Zurückverweisung des Rechtsstreits bedarf es indes nicht, weil der materiellen Rechtsauffassung des LSG jedenfalls im Ergebnis nicht gefolgt werden kann und somit der Senat in der Sache selbst zu entscheiden hat (§ 170 Abs. 2 Satz 1 SGG).

Das LSG hat - gestützt auf BSG 20, 287 - angenommen, daß die Beklagte aufgrund des Widerrufsvorbehalts im Rentenbewilligungsbescheid vom 11. April 1961 in eine neue Prüfung des Rentenanspruchs eintreten und dem Kläger einen neuen Rentenbescheid vom 6. April 1967 erteilen durfte. Der Senat kann offen lassen, ob die Rechtsauffassung, von der das LSG hinsichtlich des Widerrufsvorbehalts ausgegangen ist, zutrifft. Insbesondere kann offen bleiben, ob der Versicherungsträger sich in bestimmten Fällen den späteren Widerruf einer Rentenbewilligung nach Grund oder Höhe vorbehalten darf, ob der Sachverhalt in dem vom BSG früher entschiedenen Streitfall sich mit demjenigen des vorliegenden Streitfalls deckt und ob die Voraussetzungen für die Ausübung des Widerrufs nach dem Wortlaut oder Sinn des Vorbehalts erfüllt waren.

Selbst wenn man mit dem LSG der Auffassung ist, die Beklagte hätte unter den besonderen Umständen des Falles sich die Neufeststellung der Rente des Klägers vorbehalten dürfen, so hätte sie nach dem Eintreffen der Nachricht aus P vom November 1964 alsbald handeln und den Kläger entsprechend verbescheiden müssen. Dies ist nicht geschehen. Die Beklagte hat erst mit Bescheid vom 6. April 1967 - also 6 Jahre nach der Rentenbewilligung und 2 1/2 Jahre nach Eingang der Nachricht aus Prag - die Rente des Klägers neu festgestellt. Nach so langer Zeit hat es nicht mehr dem pflichtgemäßen Verwaltungsermessen der Beklagten entsprochen, von dem Widerrufsvorbehalt Gebrauch zu machen (vgl. BSG 7, 226, 229 mit weiteren Nachweisen; ebenso BSG-Urteile vom 28. Januar 1963 - 8 RV 589/60 -, 28. Oktober 1965 - 8 RV 145/63 - und 21. März 1969 - 9 RV 452/67 -).

Nach der Rechtsprechung des BSG aaO sind dem Ermessensspielraum bei Ausübung eines zulässig vorbehaltenen Widerrufs um so engere Grenzen gesetzt, je länger die Behörde den mit Widerrufsvorbehalt versehenen Verwaltungsakt hat bestehen lassen. Durch die jahrelange Leistung der Rente aufgrund des im Jahre 1961 ergangenen Bescheides durfte sich aber der Kläger in seinen Lebensbedürfnissen auf dessen Fortbestand einrichten, zumal es die Beklagte unterlassen hat, den Kläger nach Eingang der Nachricht aus Prag vom November 1964 vorsorglich darauf hinzuweisen, daß er mit einer etwaigen Herabsetzung seiner monatlichen Rente rechnen müsse.

Die Beklagte hat zwar dem Kläger mit Schreiben vom 30. April 1965 den Inhalt der Nachricht des tschechischen Versicherungsträgers mitgeteilt und ihn gebeten, "zur Klärung der Angelegenheit" einige Fragen zu beantworten. Nachdem dies seitens des Klägers im Mai 1965 geschehen war und der Kläger anschließend von der Beklagten nahezu 2 Jahre lang nichts Gegenteiliges hörte, durfte er annehmen, daß "die Angelegenheit" tatsächlich geklärt und sein Rentenanspruch im ersten Bescheid vom April 1961 richtig festgestellt worden ist. Dieser Eindruck mußte beim Kläger um so mehr entstehen, als die Beklagte nach der im Mai 1965 erfolgten Beantwortung der Fragen noch zwei weitere Bescheide erließ, in welchen die Anpassung der Rente nach dem 7. und 8. Rentenanpassungsgesetz (RAG) ohne Einschränkung aufgrund der bisherigen Rentenhöhe durchgeführt wurde. Dem Kläger war somit vor Erlaß des Neufeststellungsbescheides vom April 1967 nicht bekannt, daß sich die Beklagte mit der Beantwortung der an ihn gerichteten Fragen nicht begnügt, sondern zusätzliche Nachforschungen in einem Zeitraum von 2 1/2 Jahren angestellt hatte.

Dabei kann offen bleiben, ob die Beklagte bereits im Verwaltungsverfahren verpflichtet gewesen wäre, dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem Ergebnis der im Anschluß an die Mitteilung aus P vom November 1964 veranlaßten weiteren Ermittlungen zu geben (vgl. zu dieser Streitfrage speziell im Verfahren der Versicherungsträger Pappai, BABl 1962, 224 ff, 564 f und Klink, BABl 1962, 561 ff; vgl. ferner die Entscheidungen des Bayer. VerfGH vom 6.12.1965 in DVBl 1966, 754, 756 und des BVerwG vom 30.1.1968 in DVBl 1968, 430, 431, jeweils mit weiteren Nachweisen). Jedenfalls wußte der Kläger damals nicht, daß die Beklagte aufgrund der im November 1964 erhaltenen Nachricht noch eine für ihn nachteilige Verwaltungsentscheidung in Erwägung zog. Nach den dargelegten Gesamtumständen brauchte er auch mit einer solchen nach Ablauf von weiteren 2 1/2 Jahren nicht mehr zu rechnen. Unter Beachtung des dem Kläger deswegen zuzubilligenden Vertrauensschutzes entspricht der erst mit dem angefochtenen Neufeststellungsbescheid vom April 1967 ausgeübte Widerruf nicht mehr einem pflichtgemäßen Verwaltungsermessen und muß daher als rechtswidrig angesehen werden.

Die rechtswidrige Ausübung des Widerrufs durch die Beklagte nach über 6 Jahre andauernder Leistung der Rente aufgrund der ursprünglich festgestellten Versicherungszeiten stellt somit bereits für sich allein einen hinreichenden Grund dar, dem primären Revisionsbegehren zu entsprechen und dem Kläger die mit dem ersten Bescheid vom April 1961 festgestellte Versichertenrente zu belassen. Auf die Revision des Klägers war daher das im Ergebnis richtige Urteil des SG wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

NJW 1971, 912

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