Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Berlin vom 12. Februar 1991 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
I
Streitig ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU).
Die im März 1932 in Bulgarien geborene Klägerin ist anerkannte Verfolgte im Sinne des § 1 des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) und seit ihrer Auswanderung im Jahre 1949 israelische Staatsbürgerin. In Israel erlernte sie den Beruf einer Röntgentechnikerin. Sie entrichtete in der israelischen Nationalversicherung von 1954 bis zum 31. März 1984 durchgehend Pflichtbeiträge aufgrund abhängiger Beschäftigung, seither Pflichtbeiträge als wegen EU Versicherte. Sie übt seit April 1984 ihren Beruf nicht mehr aus.
Im Dezember 1986 meldete die Klägerin einen „Anspruch auf Rente” an und begehrte die Anerkennung ihrer Ausbildungszeit als Ausfallzeit sowie die Zulassung zur Entrichtung freiwilliger Beiträge für das Jahr 1986. Zugleich entrichtete sie einen freiwilligen Beitrag (92,– DM). Die beklagte Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) ließ sie mit Bescheid vom 11. Mai 1987 zur freiwilligen Versicherung nach § 10 des Angestelltenversicherungsgesetzes (AVG) zu und verbuchte die Beitragszahlung antragsgemäß für Januar 1986. Weitere Beiträge zur deutschen Rentenversicherung wurden nicht entrichtet. Mit bindendem Bescheid vom 20. April 1988 merkte die Beklagte für die Klägerin (Ausbildungs-) Ausfallzeittatbestände iS von § 36 Abs 1 Satz 1 Nr 4 Buchst b AVG gemäß § 104 Abs 3 Satz 1 AVG für die Zeit vom 15. September 1948 bis zum 15. Juni 1952 (46 Monate) vor.
Die Klägerin beantragte im September 1987 eine „frühzeitige Invalidenrente”. Die BfA sah daraufhin schon in dem Schreiben der Klägerin vom Dezember 1986 den Antrag auf Gewährung einer Rente wegen EU. Dies lehnte sie mit dem streitigen Bescheid vom 18. April 1988 ab, weil die Klägerin noch nicht erwerbsunfähig (eu) sei. Der Widerspruch blieb erfolglos. Im Widerspruchsbescheid vom 12. April 1989 führte die BfA aus: Zwar sei die Klägerin seit dem 1. April 1984 eu; auch habe sie die Wartezeit erfüllt. Einen Rentenanspruch könne sie jedoch nicht geltend machen, weil nur eine Versicherungszeit von weniger als 12 Monaten, nämlich nur ein freiwilliger Beitragsmonat, anzurechnen sei. Hingegen könnten die vorgemerkten Ausfallzeiten mangels Halbbelegung iS von § 36 Abs 3 AVG nicht als Versicherungszeiten angerechnet werden. Nach Art 22 Nr 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Staat Israel über soziale Sicherheit vom 17. Dezember 1973 (≪DISVA≫ BGBl II 1975 S 246) in der Fassung des Änderungsabkommens vom 7. Januar 1986 (≪ÄndAbk≫ BGBl II S 863) seien nämlich hierfür die nach israelischem Recht zu berücksichtigenden und auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit beruhenden Pflichtbeiträge (bei Verfolgten auch freiwillige Beiträge gemäß Nr 7 des Schlußprotokolls ≪SP≫ zum DISVA) nur anrechenbar, soweit sie zeitlich nach dem Eintritt in die deutsche Rentenversicherung, also nach dem ersten deutschen Beitrag entrichtet worden seien. Das sei hier nicht der Fall. Damit schließe Art 20 Abs 2 DISVA eine Rentengewährung aus.
Das Sozialgericht (SG) Berlin hat die streitigen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, „der Klägerin auf ihren Antrag vom 17. Dezember 1986 Rente wegen EU zu bewilligen” (Urteil vom 9. April 1990). Das Landessozialgericht (LSG) Berlin hat die Berufung der Beklagten hiergegen zurückgewiesen (Urteil vom 12. Februar 1991). Das LSG ist folgender Ansicht: Art 20 Abs 2 DISVA stehe einer Rentengewährung nicht entgegen, weil bei der Berechnung der deutschen Rente auch die von der Beklagten vorgemerkten 46 Ausfallzeitmonate anzurechnen seien. Nach Art 22 Nr 3 DISVA stünden die israelischen Pflichtbeiträge „für die Anrechnung der Ausfallzeit” deutschen Pflichtbeiträgen gleich. Deswegen seien sie auch bei der Bestimmung des Halbbelegungszeitraumes iS von § 36 Abs 3 AVG, dh für den Zeitpunkt des Eintritts in die Versicherung, zu berücksichtigen.
Die Beklagte rügt mit ihrer – vom LSG zugelassen – Revision eine Verletzung des Art 22 Nr 3 DISVA. Diese Vorschrift stelle den Eintritt in die israelische Versicherung nicht dem Eintritt in die deutsche Versicherung gleich. Deshalb stünden nur solche israelischen Pflichtbeiträge bei der Prüfung der Anrechnungsvoraussetzungen für Ausfallzeiten zur Verfügung, die nach dem Eintritt in die deutsche Versicherung, der sich allein nach innerstaatlichem Recht bestimme, entrichtet worden seien. In anderen Sozialversicherungsabkommen und in der Verordnung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Nr 1408/71 seien – anders als im DISVA – ausdrücklich Regelungen getroffen, wonach auch der Eintritt in die ausländische Versicherung dem Eintritt in die deutsche Versicherung gleichstehe. Das DISVA enthalte eine derartige Gleichstellung nicht, sei insoweit aber auch nicht planwidrig lückenhaft.
Die Beklagte beantragt,
die Klage unter Aufhebung des Urteils des LSG Berlin vom 12. Februar 1991 und des Urteils des SG Berlin vom 9. April 1990 abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und trägt vor, es wäre widersprüchlich, wenn israelische Pflichtbeiträge zwar zur Erfüllung der Halbbelegung, nicht jedoch auch für die Bestimmung des Eintritts in die Versicherung herangezogen werden könnten. Der Wille der Vertragsparteien des DISVA, den israelischen Staatsangehörigen eine Rentenzahlung weitgehend zu ermöglichen, durchziehe hingegen das gesamte Abkommen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 des Sozialgerichtsgesetzes ≪SGG≫).
Entscheidungsgründe
II
Die zulässige Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Klägerin hat unter Berücksichtigung ihrer in Israel zurückgelegten Versicherungszeiten einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung einer Rente wegen EU; Art 20 Abs 2 Satz 1 DISVA steht der Geltendmachung dieses Anspruchs nicht entgegen.
Gemäß § 24 Abs 1 AVG erhält Rente wegen EU der Versicherte, der erwerbsunfähig ist und zuletzt vor Eintritt der EU eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt hat, wenn die Wartezeit erfüllt ist. Erwerbsunfähig ist der Versicherte, der infolge von Krankheit oder anderen Gebrechen oder Schwäche seiner körperlichen oder geistigen Kräfte auf nicht absehbare Zeit eine Erwerbstätigkeit in gewisser Regelmäßigkeit nicht mehr ausüben oder nicht mehr als nur geringfügige Einkünfte durch Erwerbstätigkeit erzielen kann (§ 24 Abs 2 Satz 1 AVG).
Diese Vorschriften des AVG, das mit dem 1. Januar 1992 außer Kraft getreten ist (Art 83 Nr 1 des Rentenreformgesetzes 1992 – RGG 1992), sind weiterhin anzuwenden, weil iS von § 300 Abs 2 und Abs 3 des Sechsten Buchs Sozialgesetzbuch (SGB VI) über einen vor diesem Zeitpunkt bestehenden Sozialleistungsanspruch im Erstfeststellungsverfahren zu entscheiden ist (vgl zum Übergangsrecht: Ruland NJW 1992, 1, 7 mwN).
Die Voraussetzungen für den Rentenanspruch liegen bei der Klägerin – was auf der Hand liegt: nur – unter Berücksichtigung der Vorschriften des DISVA vor. Nach Art 2 Abs 1 Nr 1 Buchst b, Nr 2 Buchst d erstreckt sich der sachliche Geltungsbereich des Abkommens auf die deutschen Rechtsvorschriften über die Rentenversicherung und auf die israelischen Rechtsvorschriften über die Invaliditätsversicherung. Das Abkommen wurde hinsichtlich der israelischen Invaliditätsversicherung (Art 2 Abs 1 Nr 2 Buchst d DISVA) insoweit erst durch das ÄndAbk vom 7. Januar 1986 erweitert, so daß erst seit Inkrafttreten dieses ÄndAbk am 1. Januar 1987 (vgl Bekanntmachung über das Inkrafttreten des ÄndAbk vom 1. Dezember 1986, BGBl II S 1099) für Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit Gegenseitigkeit gewahrt ist. Nach Art 6 Abs 1 ÄndAbk gilt diese Erweiterung jedoch für alle Versicherungsfälle, die nach dem 31. Dezember 1983 eingetreten sind. Für Versicherungsfälle nach diesem Zeitpunkt können damit sämtliche Voraussetzungen für eine Rente wegen EU unter Zusammenrechnung von deutschen und israelischen Versicherungszeiten erfüllt werden, ohne daß es – wie noch vor Inkrafttreten des ÄndAbk – auf die Staatsangehörigkeit des Versicherten ankommt (vgl hierzu Költzsch, DAngVers 1986, 315, 317 f).
Die Klägerin ist seit dem 1. April 1984 eu iS von § 24 Abs 2 AVG. Das LSG hat sich im Sinne einer den Senat bindenden (§ 163 SGG) tatsächlichen Feststellung durch Bezugnahme auf die Verwaltungsvorgänge die von der Beklagten im Widerspruchsverfahren gewonnene Erkenntnis zu eigen gemacht, daß die Klägerin ab 1. April 1984 (iS von Abs 2 aaO) nicht mehr leistungsfähig war.
Zutreffend ist das LSG jedoch davon ausgegangen, daß die Klägerin die Wartezeit des § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst a AVG, wonach „vor Eintritt der EU” eine Versicherungszeit von 60 Kalendermonaten zurückgelegt sein muß, im Blick auf diesen Versicherungsfall nicht erfüllt. Zwar werden gemäß Art 20 Abs 1 DISVA für den Erwerb des Leistungsanspruchs nach den anzuwendenden Rechtsvorschriften (hier: § 24 AVG) auch die Versicherungszeiten berücksichtigt, die nach den Rechtsvorschriften des Vertragsstaates anrechnungsfähig sind und nicht auf dieselbe Zeit entfallen. Die Zusammenrechnung deutscher und israelischer Versicherungszeiten für die Erfüllung der Wartezeit setzt jedoch nach Art 20 Abs 1 Satz 1 DISVA voraus, daß nach den Rechtsvorschriften beider Vertragsstaaten anrechnungsfähige Versicherungszeiten „vorhanden” sind. Dies war bei der Klägerin vor Januar 1986, dem einzigen Monat einer freiwilligen Beitragsentrichtung in der deutschen Rentenversicherung, nicht der Fall.
Die Klägerin erfüllt jedoch die Wartezeit iS von § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst b AVG im Blick auf den – worauf zurückzukommen ist – im Dezember 1986 eingetreten „Versicherungsfall”. Dies setzt voraus, daß vor der Antragstellung (hier: Dezember 1986) insgesamt eine Versicherungszeit von 240 Kalendermonaten zurückgelegt ist. Die Klägerin war bis zum Inkrafttreten des ÄndAbk vom 7. Januar 1986 am 1. Januar 1987 als israelische Staatsangehörige sogar ohne Vorversicherungszeiten berechtigt, in der deutschen Rentenversicherung freiwillige Beiträge zu entrichten (vgl § 10 Abs 1 AVG, Art 1 Nr 1 DISVA; zur Rechtslage seit 1. Januar 1987 vgl Nr 2 Buchst c des Schlußprotokolls zum DISVA idF des ÄndAbk vom 7. Januar 1986; Költzsch, DAngVers 1986, 315, 321 f; Denkschrift zum ÄndAbk BR-Drucks 166/86 S 7); sie hat einen Beitrag noch im Dezember 1986 rechtswirksam entrichtet. Deshalb sind diesem nach deutschem Recht anzurechnenden Beitrag, dessen Wirksamkeit von dem erst am 11. Mai 1987 ergangenen Zulassungsbescheid nicht abhängt (vgl BSGE 50, 16, 17 = SozR 5750 Art 2 § 51a Nr 36), nunmehr die nach israelischem Recht anrechnungsfähigen Pflichtversicherungszeiten von weit mehr als 240 Kalendermonaten hinzuzurechnen.
Ist – wie hier – die Wartezeit (nur) gemäß § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst b AVG erfüllt, tritt der (fingierte) Versicherungsfall – ungeachtet der schon am 1. April 1984 gegebenen EU – erst am Tage der Antragstellung ein (§ 24 Abs 3 Satz 2 AVG; BSGE 46, 73, 76 = SozR 2200 § 1253 Nr 6; KassKomm-Niesel § 1247 RVO RdNr 15). Denn § 24 Abs 1 ist in diesem Fall mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Eintritts der EU der Eintritt des Versicherungsfalles tritt (§ 24 Abs 3 Satz 2 Halbs 2 AVG).
Dies gilt auch für die weitere Voraussetzung des § 24 Abs 1 AVG, daß der Versicherte zuletzt vor Eintritt der EU (hier also: vor Eintritt des Versicherungsfalls) eine versicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit ausgeübt haben muß. Der Maßgeblichkeit des Eintritts des Versicherungsfalls, nicht des Eintritts der EU, steht nicht entgegen, daß § 24 Abs 3 Satz 2 Halbs 2 AVG nur auf Abs 1 der Vorschrift verweist. Auch die §§ 24 Abs 2a, 23 Abs 2a AVG sind nach Sinn und Zweck mit der Maßgabe anzuwenden, daß an die Stelle des Eintritts der EU der Eintritt des Versicherungsfalles tritt. § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst b AVG wurde nämlich durch das Gesetz über die Sozialversicherung Behinderter vom 7. Mai 1975 (SVBG, BGBl I S 1061) mit dem Ziel eingeführt, insbesondere Schwerbehinderten, die schon bei Eintritt in die gesetzliche Rentenversicherung erwerbsunfähig waren oder vor der Erfüllung der Wartezeit von 60 Kalendermonaten erwerbsunfähig wurden, die Möglichkeit zu verschaffen, einen Anspruch auf eine Rente wegen EU durch eine Beitragsentrichtigung nach dem Eintritt der EU zu erwerben (vgl BT-Drucks 7/1992 S 15). Gerade in diesem Falle liefe die Wartezeitregelung des § 24 Abs 3 Satz 1 Buchst b AVG aber leer, wenn §§ 24 Abs 2a, 23 Abs 2a AVG verlangten, daß vor Eintritt der EU – und nicht vor Eintritt des Versicherungsfalles – Pflichtbeiträge in dem dort genannten Umfang entrichtet worden sind.
Der Versicherungsfall (§ 24 Abs 3 Satz 2 AVG) ist im Dezember 1986 eingetreten. Zugleich mit der Entrichtung des freiwilligen Beitrags hat die Klägerin nämlich mit Schreiben vom 8. Dezember 1986, das bei der Beklagten am 17. Dezember 1986 eingegangen ist, einen „Antrag auf Rente aus der Sozialversicherung” angemeldet. Diese – tatrichterlicher Würdigung unterliegende – Individualerklärung hat das Berufungsgericht – wie schon zuvor das SG und die Beklagte im streitigen Bescheid – als Rentenantrag ausgelegt. Das ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Hiervon ausgehend, hat die Klägerin iS von §§ 24 Abs 2a, 23 Abs 2a AVG „zuletzt vor Eintritt des Versicherungsfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung ausgeübt”. Hierfür müssen gemäß § 23 Abs 2a Satz 1 Nr 1 AVG von den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalls mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung belegt sein. Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf eine Mitteilung der israelischen Verbindungsstelle (vom 7. Juli 1989) hierzu die Tatsachenfeststellung getroffen, die Klägerin habe von 1954 bis unmittelbar zur Antragstellung „fortlaufend rund 400 Monate israelischer Versicherungszeiten zurückgelegt” und diese Pflichtbeiträge, wie die israelische Verbindungsstelle ausdrücklich bestätigt habe, aufgrund einer abhängigen Beschäftigung entrichtet. Gegen diese Tatsachenfeststellung haben die Beteiligten keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen iS von § 163 SGG vorgebracht. Zwar hat das LSG im Wege der Bezugnahme auf die Akten auch das Vorbringen der Klägerin festgehalten, sie sei ab April 1984 vorzeitig pensioniert worden und erhalte die – gerichtlich erstrittene – israelische vorzeitige Rente wegen Invalidität. Auch weisen die von der israelischen Verbindungsstelle am 29. Februar 1988 und am 13. April 1988 ausgestellten Versicherungsverläufe übereinstimmend Pflichtbeitragsmonate aufgrund abhängiger Beschäftigung nur bis einschließlich März 1984 aus. Da aber die ausdrückliche Feststellung des LSG mit dem Inhalt des zeitlich zuletzt ausgestellten israelischen Versicherungsverlaufs vom 7. Juli 1989 übereinstimmt und nicht ausgeschlossen ist, daß die Klägerin als wegen Erwerbsunfähigkeit (ab MdE 50 vH) in der israelischen Nationalversicherung Pflichtversicherte ihre einkommensabhängigen Pflichtbeiträge aus geringfügigen Einkünften iS von § 24 Abs 2 AVG bestreitet (zur israelischen Versicherung wegen Erwerbsunfähigkeit: Scheftelowitz, Israelisches Handels- und Wirtschaftsrecht einschließlich Arbeits- und Sozialrecht, 1984, S 176 ff), liegt keine für das Revisionsgericht wegen Widersprüchlichkeit unverbindliche Tatsachenfeststellung vor.
Diese zur israelischen Sozialversicherung aufgrund abhängiger Beschäftigung entrichteten Pflichtbeiträge sind im Rahmen der §§ 23 Abs 2a, 24 Abs 2a AVG zu berücksichtigen (vgl Költzsch, DAngVers 1986, 315, 317; Baumeister in: SGB-SozVers-GesKomm, Israel/Abkommen, Art 20 Anm 1c). Daher sind insgesamt in den letzten 60 Kalendermonaten vor Eintritt des Versicherungsfalles (17. Dezember 1986) mindestens 36 Kalendermonate mit Beiträgen für eine versicherungspflichtige Beschäftigung belegt.
Der Rentenanspruch ist mit dem Inkrafttreten des ÄndAbk vom 7. Januar 1986 am 1. Januar 1987 (Art 6 Abs 1 Satz 2 ÄndAbk) entstanden. Denn der Klägerin steht – wie aufgezeigt – Rente wegen EU nur unter Anwendung der Vorschriften dieses Abkommens zu.
Die Klägerin erfüllt somit – was im Ergebnis auch die Beklagte nicht bezweifelt – unter Berücksichtigung israelischer Versicherungszeiten iS von Art 20 Abs 1 DISVA die Voraussetzungen für den Erwerb eines Anspruchs gegen die Beklagte auf Rente wegen EU. Die „Geltendmachung dieses Rentenanspruchs” ist durch Art 20 Abs 2 DISVA nicht ausgeschlossen, weil – entgegen der Ansicht der BfA – nach Art 22 Nr 3 DISVA nicht nur ein deutscher Beitragsmonat, sondern auch 46 Ausfallzeitmonate anzurechnen sind:
Nach Art 20 Abs 2 Satz 1 DISVA kann ein Rentenanspruch nach den Vorschriften des Abkommens nicht geltend gemacht werden, wenn mit oder ohne Berücksichtigung des Art 20 Abs 1 DISVA ein Rentenanspruch nach den Vorschriften beider Vertragsstaaten besteht und „für die Berechnung der Rente” nach den (hier von der Beklagten) anzuwendenden Rechtsvorschriften eine „Versicherungszeit” von weniger als zwölf Monaten „anzurechnen” ist. In diesen Fällen stehen die Versicherungszeiten ohne Rücksicht auf ihre zeitliche Lage auch für die Berechnung der Rente den nach den Rechtsvorschriften des anderen Vertragsstaates anzurechnenden Versicherungszeiten unbeschadet des Art 21 Abs 1 DISVA gleich (Satz 2 aaO). Hiermit soll die Zahlung von Kleinstrenten vermieden und der Verwaltungsaufwand eingeschränkt werden (vgl Säuberlich/ Költzsch, DAngVers 1976, 181, 188; Baumeister, aaO, Art 20 Anm 5).
Art 20 Abs 2 Satz 1 DISVA steht – anders als der Wortlaut der Vorschrift nahelegt – der Geltendmachung eines Rentenanspruchs nicht schon dann entgegen, wenn – wie hier – nach dem anzuwendenden Recht „Versicherungszeiten” iS von Art 1 Nr 10 DISVA von weniger als zwölf Monaten zurückgelegt worden sind. Die letztgenannte Vorschrift bestimmt, daß der Ausdruck „Versicherungszeit” in diesem Abkommen eine Beitragszeit (Nr 8 aaO) oder eine gleichgestellte Zeit, dh eine Zeit, soweit sie einer Beitragszeit gleichsteht (Nr 9 aaO), bedeutet (zB Ersatzzeit). Die Vertragspartner haben sich jedoch in ständiger Anwendungspraxis (zu deren Bedeutung für die Auslegung völkerrechtlicher Verträge stellv. Ipsen/Heintschel von Heinegg, Völkerrecht, 3. Aufl 1990, S 120f mwN) zu Art 20 Abs 2 DISVA von einer erweiterten Bedeutung des Begriffs der „Versicherungszeit” leiten lassen (vgl BSG SozR 6480 Art 22 Nr 1), der alle „für die Berechnung (des Zahlbetrags) der Rente” anzurechnenden Zeiten, also nach deutschem Recht auch die Ausfallzeiten und die Zurechnungszeit umfaßt. In diesem Sinn bezeichnet auch die Denkschrift der Bundesregierung zu Art III Buchst a des ÄndAbk (BT-Drucks 10/5526 vom 21. Mai 1986) die Ausfall- und Zurechnungszeiten als „beitragslose Versicherungszeiten”. Nur vor diesem – auch auf entschädigungsrechtlichen Erwägungen beruhenden – Hintergrund ist verständlich, daß nach Art 22 Nr 3 DISVA und nach Nr 7 SP zum DISVA ein einziger Beitragsmonat zur Anrechnung von Ausfallzeiten und zur Gewährung einer Rente hieraus ausreichen kann. Eine sog Mini-Zeit iS von Art 20 Abs 2 Satz 1 DISVA, die vom Träger im anderen Vertragsstaat auszugleichen wäre (Satz 2 aaO), liegt daher nur dann vor, wenn die Anzahl aller für die Berechnung der Rentenhöhe anzurechnenden Zeiten weniger als zwölf Monate beträgt.
Das LSG hat zutreffend erkannt, daß nicht nur der freiwillige Beitrag für den Kalendermonat Januar 1986, sondern auch die bindend vorgemerkten Ausfallzeiten anzurechnen, also iS von Art 20 Abs 2 Satz 1 DISVA insgesamt 47 Monate „für die Berechnung der Rente” zu berücksichtigen sind:
Ausfallzeiten werden gemäß § 36 Abs 3 AVG nur dann angerechnet, wenn die Zeit vom Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung bis zum Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist (hier: Dezember 1986), mindestens zur Hälfte, jedoch nicht unter 60 Monaten mit Beiträgen für eine rentenversicherungspflichtige Beschäftigung oder Tätigkeit belegt ist (sog Halbbelegung); hierbei werden der Kalendermonat des Eintritts in die Versicherung und der Kalendermonat, in dem der Versicherungsfall eingetreten ist, nicht mitgezählt, jedoch die hierfür entrichteten Beiträge (§ 36 Abs 3 Satz 1 AVG). Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin nur unter – nach Art 22 Nr 3 DISVA gebotener – Berücksichtigung ihrer seit 1954 durchgängig nach israelischem Recht entrichteten Pflichtbeiträge.
Gemäß Art 22 Nr 3 DISVA gilt für den deutschen Rentenversicherungsträger: Für die Anrechnung von Ausfallzeiten, die – wie hier – nicht pauschal gewährt werden, stehen den nach den deutschen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträgen die nach den israelischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge gleich, sofern ein deutscher Pflichtbeitrag anrechnungsfähig ist und die nach den israelischen Rechtsvorschriften zu berücksichtigenden Pflichtbeiträge auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit beruhen. Der Vertragstext stellt die israelischen Pflichtbeiträge den deutschen „für die Anrechnung von Ausfallzeiten” schlechthin, dh uneingeschränkt gleich.
Entgegen der Ansicht der BfA kann ihm nicht entnommen werden, daß dies für die Anrechnungsvoraussetzung des Eintritts in die Versicherung nicht gelten soll. Ferner findet sich im DISVA kein Anhalt, die Gleichstellung der Pflichtbeiträge sei in dem von der Beklagten vertretenen Sinn eingeschränkt.
Zwar hat die Bundesrepublik Deutschland mit einer Reihe von Staaten Sozialversicherungsabkommen abgeschlossen, die „für die Anrechnung von Ausfallzeiten” ebenfalls eine Gleichstellung von Pflichtbeiträgen vorsehen (bzw vorsahen), und zusätzlich die ausdrückliche Klausel enthalten (enthielten), daß dem Eintritt in die deutsche Rentenversicherung der Eintritt in die Versicherung des anderen Abkommensstaates gleichgestellt wird (vgl Art 12 Abs 1 Satz 1 des Abkommens mit der Schweiz vom 25. Februar 1964 ≪BGBl II 1965 S 1294≫ idF des Zusatzabkommens vom 9. September 1975 ≪BGBl II 1976 S 1372≫; Art 9 Nr 4 des Abkommens mit Liechtenstein vom 7. April 1977 ≪BGBl II 1980 S 782≫; bis zum 30. Juni 1982 auch Art 29 Nr 3 des Abkommens mit Österreich vom 22. Dezember 1966 ≪BGBl II 1969 S 1235≫ idF des zweiten Zusatzabkommens vom 29. März 1974 ≪BGBl II 1975 S 254≫; bis zum 31. März 1987 auch Art 30 Nr 4 des Abkommens mit der Türkei vom 30. April 1964 ≪BGBl II 1965 S 1170≫ idF des ÄndAbk vom 25. Oktober 1974 ≪BGBl II 1975 S 374≫; im supranationalen Recht: EWG-VO Nr 1408/71 Anhang VI Abschnitt 10 Nr 2 Buchst a). Daraus, daß das DISVA keine solche „Eintrittsklausel” enthält, kann jedoch nicht – gewissermaßen im Umkehrschluß – gefolgert werden, es komme bei Anwendung von Art 22 Nr 3 ausschließlich auf den Eintritt in die deutsche Versicherung an (so aber Säuberlich/Költzsch, DAngVers 1976, 181, 187; Klitzscher/Säuberlich/Költzsch, Sozialversicherungsabkommen Deutschland-Israel, 1976, S 50; Zielke/Reinhard, DAngVers 1977, 193, 200; Baumeister, aa0, Art 22 Anm 3).
Einer derartigen „Folgerung” steht schon entgegen, daß die Bundesrepublik Deutschland diese Abkommen mit anderen Völkerrechtssubjekten abgeschlossen hat. Es ist nicht ersichtlich, wie und weshalb diese Verträge mit Drittstaaten Aufschluß darüber geben können, was die Bundesrepublik Deutschland und Israel untereinander vereinbart haben. Vielmehr ist das deutsch-israelische Abkommen – wie jeder zweiseitige Vertrag – aus sich selbst heraus auszulegen. Hierbei ist – wie bei der Auslegung aller völkerrechtlichen Verträge – in erster Linie vom Wortlaut des Vertragstextes auszugehen. Diesem kommt bei der Auslegung im allgemeinen größere Bedeutung zu als dem Wortlaut des Gesetzes bei der Auslegung innerstaatlichen Rechts. Damit sind die Grenzen der Auslegung eng gezogen. Das schließt allerdings die Heranziehung anderer Auslegungskriterien neben dem Vertragstext nicht aus. Mit der gebotenen Zurückhaltung können vielmehr auch andere Auslegungsmethoden als eine reine Wortlautinterpretation angewendet werden. So ist für die Auslegung neben dem Wortlaut des Abkommens auch der Wille der Vertragsparteien zu berücksichtigen, wie er sich aus Entstehung, Inhalt und Zweck des Vertrages und der auszulegenden Einzelbestimmung ergibt (vgl BSG SozR 6480 Art 22 Nr 1 S 3 mwN).
Aus der Begründung des Entwurfs des Zustimmungsgesetzes zum DISVA (BT-Drucks 7/2783), dem Protokoll über die 63. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung des Deutschen Bundestages (7. Wahlperiode, 15. Januar 1975, S 45), dem Bericht und Antrag dieses Ausschusses (BT-Drucks 7/3101 S 3) und auch aus der Denkschrift zum ÄndAbk vom 7. Januar 1986 (BR-Drucks 166/86 S 7) läßt sich nichts dafür herleiten, für die Bestimmung des Halbbelegungszeitraumes sei allein auf den Eintritt in die deutsche Rentenversicherung abzustellen. Hingegen zeigt gerade die Entstehungsgeschichte des ÄndAbk, daß die von der Beklagten angenommene Einschränkung der Gleichstellung von Pflichtbeiträgen nicht vereinbart worden ist:
Der 1. Senat des BSG (SozR 6480 Art 22 Nr 1) hat bereits am 24. Juni 1980 im Blick auf die Anrechnung einer Ausfallzeit beim Altersruhegeld zu dem insoweit durch das ÄndAbk unverändert gebliebenen Art 22 Nr 3 DISVA entschieden, daß Ausfallzeiten iS von Art 22 Nr 3 DISVA (aF) sogar dann „anzurechnen” sind, wenn kein deutscher Pflichtbeitrag entrichtet wurde. Aus Anlaß dieser Rechtsprechung haben die Vertragspartner im ÄndAbk die Gleichstellung israelischer und deutscher Pflichtbeiträge unter Bezugnahme auf das BSG nur insoweit eingeschränkt, als ein deutscher Pflichtbeitrag anrechnungsfähig sein muß (abgesehen von freiwilligen Beiträgen Verfolgter) und die israelischen Pflichtbeiträge auf einer Beschäftigung oder Tätigkeit beruhen müssen. Hätten die Vertragspartner die Rechtsansicht der Beklagten geteilt, wäre eine ausdrückliche Regelung des Eintritts in die Versicherung unumgänglich gewesen.
Dem kann nicht durchgreifend entgegengehalten werden, daß sich diese umfassende Gleichstellung auch zum Nachteil von Versicherten auswirken kann, nämlich dann, wenn die Versicherten die Halbbelegung bei einem Abstellen auf den Eintritt in die deutsche Versicherung erfüllen würden, nicht aber bei einem früheren Eintritt in die israelische Versicherung. Die umfassende Gleichstellung kann sich – dies zeigt der vorliegende Fall – ebensogut zugunsten der Versicherten auswirken.
Die streitige Anrechnung der vorgemerkten Ausfallzeiten scheitert schließlich auch nicht daran, daß die Klägerin nur einen freiwilligen Beitrag zur deutschen Versicherung entrichtet hat. Das in Art 22 Nr 3 DISVA genannte Erfordernis der Anrechenbarkeit von mindestens einem Pflichtbeitrag zur deutschen Rentenversicherung wurde mit dem am 1. Januar 1987 in Kraft getretenen ÄndAbk vom 7. Januar 1986 eingeführt; die Vorschrift gilt gemäß Art 6 Abs 2 des ÄndAbk für alle nach dem 31. Dezember 1979 eingetretenen Versicherungsfälle. Bei Verfolgten im Sinne des BEG, zu denen auch die Klägerin gehört, werden israelische Pflichtbeiträge jedoch auch ohne Vorliegen eines deutschen Pflichtbeitrages berücksichtigt, wenn in der deutschen Rentenversicherung mindestens ein – gegebenenfalls auch freiwilliger – Beitrag anrechnungsfähig ist (vgl Nr 7 des SP zum DISVA idF des ÄndAbk vom 7. Januar 1986).
Der seit dem 1. Januar 1991 für Streitigkeiten aus dem Bereich der Angestelltenrentenversicherung allein zuständige erkennende Senat weicht hiermit nicht iS von § 41 Abs 2 SGG (in der seit dem 1. Januar 1992 geltenden Fassung durch Art 4 Nr 2, 11 Abs 1 des Rechtspflege-Vereinfachungsgesetzes vom 17. Dezember 1990 – BGBl I S 2847) vom Urteil des 11. Senates des BSG vom 21. Februar 1985 (SozR 5750 Art 2 § 9a Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetz ≪ArVNG≫ Nr 14) ab. Nach der Rechtsprechung des 11. Senates kann allein durch eine Versicherungspflicht nach israelischem Recht die verkürzte Halbbelegung im Rahmen von Art 2 § 13a iVm Art 2 § 9a Abs 1 ArVNG nicht erfüllt werden, weil weder Art 22 Nr 3 DISVA noch eine andere Abkommensvorschrift eine israelische Versicherungspflicht einer deutschen Versicherungspflicht gleichstelle. Eine Abweichung von dieser Entscheidung liegt schon deswegen nicht vor, weil § 36 Abs 3 AVG – anders als Art 2 § 13a iVm Art 2 § 9a Abs 1 ArVNG – nicht voraussetzt, daß der Versicherte bis zum Versicherungsfall oder bis zu einer bis zum Versicherungsfall reichenden Ausfallzeit in einem Zweig der gesetzlichen Rentenversicherung versicherungspflichtig war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 und Abs 4 SGG.
Fundstellen