Leitsatz (amtlich)

Auf eine bei der Rentenumstellung nach KnVNG Art 2 § 25 um den Sonderzuschuß erhöhte knappschaftliche Rente ist nach der Rentenumstellung die Ruhensvorschrift des RKG § 75 (Zusammentreffen einer Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung mit einer Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung) anzuwenden, wenn sich die Höhe der Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ändert.

 

Normenkette

RKG § 75 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21; KnVNG Art. 2 § 25 Abs. 1 Fassung: 1957-05-21

 

Tenor

Das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1964 wird aufgehoben.

Das Urteil des Sozialgerichts Aachen vom 3. Mai 1962 wird wie folgt geändert:

Der Bescheid der Beklagten vom 18. September 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1961 wird aufgehoben, soweit der Kläger zur Rückzahlung von 543,- DM verpflichtet und dieser Betrag vom 1. November 1961 an in Raten mit der laufenden Rente des Klägers aufgerechnet worden ist.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger ein Sechstel der diesem entstandenen außergerichtlichen Kosten des gesamten Verfahrens zu erstatten.

 

Gründe

I

Zwischen den Beteiligten besteht Streit über die Auswirkung der Erhöhungen der Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung auf Grund des Zweiten Gesetzes zur vorläufigen Neuregelung von Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung vom 29. Dezember 1960 (BGBl I 1085) - 2. NeuberGUV - und des Knappschaftsruhegeldes auf Grund des Dritten Rentenanpassungsgesetzes - 3. RAG - auf die nach Art. 2 § 25 des Knappschaftsversicherungs-Neuregelungsgesetzes (KnVNG) umgestellte Rente des Klägers aus der knappschaftlichen Rentenversicherung.

Der Kläger erhält seit 1946 Knappschaftsvollrente.

Außerdem bezieht er wegen eines im Jahre 1941 erlittenen Arbeitsunfalls und wegen einer im Jahre 1952 anerkannten entschädigungspflichtigen Silikose, die inzwischen eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 % bewirkt, zwei Verletztenrenten aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Wegen des Zusammentreffens mit den Verletztenrenten ruht ein Teil der Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung. Für Dezember 1956 betrug die Rente des Klägers aus der knappschaftlichen Rentenversicherung nach Anwendung der Ruhensvorschriften mit Leistungszuschlag (Kinderzuschlag kam nicht in Betracht) monatlich 282,40 DM. DM. Die Umstellung der Rente auf das vom 1. Januar 1957 an geltende Recht nach Art. 2 § 24 KnVNG ergab unter Anwendung der neuen Ruhensvorschriften ohne Leistungszuschlag als Knappschaftsruhegeld einen monatlichen Rentenzahlbetrag von 206,70 DM. Da dieser Betrag niedriger war als der für Dezember 1956 zu zahlende Betrag ohne Leistungszuschlag zuzüglich 21,- DM = 258,40 DM wurde diese Rente gemäß Art. 2 § 25 KnVNG um 51,70 DM auf 258,40 DM erhöht, der Leistungszuschlag in Höhe von 45,- DM hinzugerechnet und die zu zahlende Rente auf 303,40 DM festgestellt. Dieser Rentenbetrag hat sich auf Grund der Anpassungen nach dem Ersten, Zweiten und Dritten Rentenanpassungsgesetz (RAG) auf 334,50 DM erhöht. Auf Grund des 2. NeuberGUV wurden mit Wirkung vom 1. Januar 1961 die Verletztenrenten des Klägers um insgesamt 54,30 DM monatlich aufgebessert. Die Beklagte war damals der Auffassung, daß die Erhöhung der Verletztenrenten einen gleich hohen Betrag der Rente aus der knappschaftlichen Rentenversicherung zum Ruhen bringe. Mit Bescheid vom 18. September 1961 stellte sie daher fest, daß die Rente des Klägers seit dem 1. Januar 1961 in Höhe von weiteren 54,30 DM ruhe, so daß der neue Rentenzahlbetrag nur noch 280,20 DM betrug; sie forderte gleichzeitig den bis dahin für die Monate Januar bis Oktober 1961 nach ihrer Auffassung überzahlten Betrag in Höhe von 543,- DM zurück und rechnete ihn mit der vom 1. November 1961 an zu zahlenden laufenden Rente in monatlichen Raten auf. Die in diesem Bescheid zusätzlich unter Anwendung des § 75 des Reichsknappschaftsgesetzes (RKG) durchgeführte Berechnung der Rente führte zu einem Rentenzahlbetrag von 213,10 DM zuzüglich 45,- DM Leistungszuschlag = 258,10 DM. Die Beklagte gewährte die Rente in Höhe der ersten Berechnung von 280,20 DM, da dies der höhere Betrag ist. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Er hielt die Anordnung des Ruhens für unzulässig, weil die Leistungsverbesserungen den Zweck hätten, die steigenden Lebenshaltungskosten auszugleichen. Der Widerspruch wurde durch Bescheid vom 27. Oktober 1961 mit der Begründung zurückgewiesen, die Anwendung der Ruhensvorschriften auf die umgestellten Renten sei in der knappschaftlichen Rentenversicherung - anders als bei den übrigen Rentenversicherungszweigen - nach § 14 des 2. NeuberGUV nicht ausgeschlossen; die Sonderzuschußrenten unterlägen denselben Ruhensbestimmungen wie die übrigen Renten. Die Rückforderung des überzahlten Betrages sei gerechtfertigt, weil das Ruhen bereits am 1. Januar 1961 kraft Gesetzes eingetreten sei.

Der Kläger hat gegen diesen Bescheid Klage erhoben. Nach seiner Auffassung stehen dem Ruhen sowohl § 79 Abs. 2 RKG als auch § 14 des 2. NeuberGUV entgegen, da die Rentenanpassung keine Änderung der Bezüge bewirke, die eine Neuberechnung der ruhenden Rententeile rechtfertige. Außerdem sei der durch Art. 2 § 25 KnVNG garantierte Besitzstand verletzt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen, soweit sie sich gegen die Feststellung der Rente für die Zeit seit dem 1. Oktober 1961 richtet, hat jedoch die Beklagte verurteilt, die Rente in der bisherigen Höhe von 334,50 DM noch bis zum 30. September 1961 zu zahlen. Es ging davon aus, daß die Ruhensvorschrift des § 75 RKG anzuwenden sei und daß dem Kläger danach monatlich nur 213,02 DM zustünden. Es war jedoch der Ansicht, daß der Kläger zur Rückzahlung der überzahlten Beträge nicht verpflichtet sei, weil er die Überzahlung nicht verschuldet habe.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger und die Beklagte Berufung eingelegt.

Durch Urteil vom 13. Februar 1964 hat das Landessozialgericht (LSG) entschieden:

"Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des SG Aachen vom 3. Mai 1962 teilweise abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 18. September 1961 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 27. Oktober 1961 insoweit aufgehoben, als dort das Ruhen der Rente festgestellt wird. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen."

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, daß die Beklagte zu Unrecht die Rente des Klägers um den Erhöhungsbetrag seiner Unfallrenten (= 54,30 DM) zum Ruhen gebracht hat und führt dazu im wesentlichen aus: Zwar sei das Ruhen nicht schon auf Grund des § 79 Abs. 2 RKG ausgeschlossen. Denn diese Vorschrift betreffe nur die Erhöhung der Renten aus der knappschaftlichen Rentenversicherung. Es sei auch fraglich, ob das Ruhen nach § 14 des 2. NeuberGUV ausgeschlossen sei, da § 14 aaO nur die Bezüge aus der Rentenversicherung der Arbeiter und der Rentenversicherung der Angestellten erwähne. Für die sogenannten Bestandsrenten ergebe sich aber aus Art. 2 § 17 Satz 2 und § 25 KnVNG eine Sonderregelung, die einer schrankenlosen Anwendung der Ruhensvorschriften der §§ 75 ff RKG entgegenstehe. Nach Art. 2 § 17 Satz 2 KnVNG dürfe bei der Anwendung der neuen Ruhensbestimmungen in Versicherungsfällen, die, wie beim Kläger, vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind, der bisherige monatliche Rentenzahlbetrag nicht unterschritten werden und nach Art. 2 § 25 KnVNG müsse dieser Betrag außerdem um einen Sonderzuschuß erhöht werden, wenn die Umstellung keine oder nur eine Erhöhung ergebe, die - bei Versichertenrenten - weniger als 21,- DM ausmacht. Aus der Fassung des Art. 2 § 25 KnVNG ergebe sich, daß die Rente nicht nur bei der Umstellung zu erhöhen, sondern daß sie für die Bezugszeit seit Inkrafttreten dieses Gesetzes zu erhöhen sei. Diese Regelung gelte für die gesamte Zeit bis zum Ende des Rentenbezuges. Damit entfalle jede Möglichkeit, die Gültigkeit des Besitzstandes und die Wirksamkeit des Art. 2 § 25 KnVNG auf den Zeitpunkt und den Vorgang der Umstellung zu beschränken. Entsprechendes gelte für Art. 2 § 17 Satz 2 KnVNG. Sein Wortlaut sage zwar nicht ausdrücklich, ob der "bisherige monatliche Rentenzahlbetrag" nur bei der Umstellung selbst oder auch in der Zeit danach nicht unterschritten werden dürfe. Aber die Wendung "für Rentenbezugszeiten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes" in Satz 1 stelle klar, daß diese Vorschrift nicht nur für den Zeitpunkt der Umstellung selbst, sondern auch für den Zeitraum nach dem Inkrafttreten des Gesetzes gelte. Solange die Besitzstandsklausel überhaupt ihre Wirkung behalte, d. h. solange nicht die nach neuen Vorschriften berechnete Rente - ohne Rücksicht auf Rentenanpassungen, die nur die erhöhten Lebenshaltungskosten ausgleichen sollen - die Besitzstandsrente übersteige, bleibe die Sperre in Art. 2 § 17 Satz 2 KnVNG wirksam. Art. 2 § 25 KnVNG nehme weder unmittelbar noch mittelbar auf die neuen Ruhensvorschriften Bezug. Zwar bestimmten Art. 2 § 17 Satz 1 und § 23 KnVNG, daß die neuen Ruhens- und Berechnungsvorschriften auch für Versicherungsfälle gelten, die vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind. Es sei aber nicht zu übersehen, daß Art. 2 § 17 Satz 1 KnVNG durch seinen Satz 2 und Art. 2 § 23 KnVNG durch die nachfolgenden §§ 24 Abs. 5 und 25 KnVNG eingeschränkt würden. Habe in einem solchen Fall die Anwendung der neuen Ruhens- oder Berechnungsbestimmungen zur Folge, daß der bisherige Rentenbetrag unterschritten wird, so sei nach Art. 2 §§ 17 Satz 2 und 24 Abs. 5 KnVNG der bisherige monatliche Zahlbetrag zu belassen und nach Art. 2 § 25 um den Sonderzuschuß zu erhöhen.

Die Beklagte habe einfach die Knappschaftsrente des Klägers um die Erhöhung seiner Unfallrenten von insgesamt 54,30 DM gekürzt. Abgesehen davon, daß dieses Verfahren im Gesetz keine Stütze finde, weil vor der Feststellung des Ruhens nach §§ 75 Abs. 1, 79 Abs. 1 RKG die Grenzbeträge festgelegt werden müßten, bei deren Überschreiten das Ruhen überhaupt erst eintreten könne, habe dies zur Folge, daß von dem Ruhen außer dem Sonderzuschuß zwangsläufig auch der Leistungszuschlag und der Silikosefreibetrag erfaßt würden, die der Gesetzgeber in § 75 Abs. 1 RKG jedoch ausdrücklich vom Ruhen ausgenommen habe.

Auf eine unbegrenzte und schrankenlose Anwendbarkeit der Ruhensvorschriften deute auch nicht § 2 Abs. 2 Buchst. b des 4. RAG vom 20. Dezember 1961 (BGBl I 2009) hin. Sinn und Zweck dieser Vorschrift sei nur, die Bestandsrenten insoweit von den Vergünstigungen der Rentenanpassung auszuschließen, als sie zusammen mit den Unfallrenten die Höchstgrenzen überstiegen, die sich bei Anwendung des neuen Rechts ergeben. Auch aus § 7 des 4. und 5. RAG und Art. III § 1 des 6. RAG sei zu schließen, daß der Gesetzgeber anläßlich der Rentenanpassung nicht die Absicht gehabt habe, in den Besitzstand einzugreifen, auch dann nicht, wenn die Rentenbezüge die Höchstgrenzen Überstiegen, die beim Zusammentreffen von Versicherten- und Verletztenrenten an sich vorgesehen seien.

Das LSG hat die Revision zugelassen.

Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen: Wegen Erhöhung der Unfallrenten sei das Knappschaftsruhegeld neu zu berechnen. Dies folge einmal aus §§ 75, 79 Abs. 1 RKG, ergebe sich im vorliegenden Fall aber besonders aus § 14 des 2. NeuberGUV . Die §§ 75, 76 RKG seien in dieser Vorschrift bewußt unerwähnt geblieben, und zwar offensichtlich wegen der Höhe der Leistungen aus der knappschaftlichen Rentenversicherung. Daher müsse bei Änderung der Unfallrente der Rentenzahlbetrag auf Grund des § 79 Abs. 1 RKG in den Fällen neu berechnet werden, in denen die Ruhensvorschriften der §§ 75, 76 RKG anzuwenden sind. Dies gelte auch für Besitzstandsrenten nach Art. 2 § 24 Abs. 5, § 25 KnVNG; denn alle Renten, die auf das seit dem 1. Januar 1957 geltende Recht umgestellt sind, unterlägen für die Folgezeit den allgemeinen Berechnungs- und Ruhensvorschriften (Art. 2 §§ 23 ff, 17 Satz 1 KnVNG). Die Ansicht des LSG, wonach aus Art. 2 § 25 Abs. 1 KnVNG ("für die Bezugszeit") und aus Art. 2 § 17 ("für Rentenbezugszeiten nach Inkrafttreten dieses Gesetzes") zu folgern sei, daß die Besitzstandsregelung des Art. 2 § 17 Satz 2 und des § 24 Abs. 5 KnVNG für die gesamte Zeit bis zum Ende des Rentenbezuges gelte und daß nach der Erhöhung einer Rente aus der Zeit vor dem 1. Januar 1957 um den Sonderzuschuß eine nachträgliche wiederholte Anwendung der §§ 75, 76 RKG nicht mehr möglich sei, treffe nicht zu. Der gegenteilige Wille des Gesetzgebers ergebe sich besonders aus § 2 Abs. 2 Buchst. b des 4. RAG vom 20. Dezember 1961 (BGBl I 2009), § 4 Abs. 1 und § 6 Abs. 2 und 3 des 5. RAG vom 21. Dezember 1962 (BGBl I 764) sowie aus Art. I § 4 und § 6 Abs. 2 und 3 des 6. RAG vom 21. Dezember 1963 (BGBl I 1008). Für die Absicht des Gesetzgebers, die "Besitzstandsrenten" auf das Niveau der neuberechneten Renten zurückzuführen, spreche auch Art. III § 1 Abs. 1 des 6. RAG, der - anders als § 5 des 1. und § 5 des 2. RAG, § 4 des 3. RAG, § 7 des 4. und § 7 des 5. RAG - auch den am 31. Dezember 1963 vorhanden gewesenen "Besitzstand" (Stand 5. RAG) nicht uneingeschränkt schütze.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1964 sowie das Urteil des SG Aachen vom 3. Mai 1962 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Die grundsätzliche strittige Frage sei bereits durch BSG 18, 207 ff geklärt.

II

Die Revision der Beklagten hat Erfolg, soweit es sich um die Neufeststellung des Knappschaftsruhegeldes handelt, sie ist dagegen nicht begründet, soweit es sich um die Rückforderung der überzahlten Beträge handelt.

Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der angefochtene Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids nicht rechtswidrig, soweit das Knappschaftsruhegeld des Klägers neu festgestellt worden ist. Zutreffend hat die Beklagte die Erhöhung der Renten des Klägers aus der gesetzlichen Unfallversicherung zum Anlaß genommen, das Knappschaftsruhegeld des Klägers unter Anwendung des § 75 RKG neu festzustellen, Der Auffassung des Berufungsgerichts, auf die nach Art. 2 § 25 KnVNG erhöhten Renten sei die Ruhensvorschrift des § 75 RKG nicht anzuwenden, kann nicht gefolgt werden.

Die Rentenumstellung zum 1. Januar 1957 wurde in der knappschaftlichen Rentenversicherung nach anderen Grundsätzen durchgeführt als in der Rentenversicherung der Arbeiter und in der Rentenversicherung der Angestellten; insbesondere war die Rente nach den Vorschriften des neuen Rechts individuell zu berechnen (Art. 2 § 24 KnVNG). Auf die nach dieser Vorschrift errechnete Rente war, wenn der Versicherte außerdem eine Verletztenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung bezog, § 75 RKG anzuwenden. Dies ergibt sich aus Art. 2 § 17 KnVNG, wonach die §§ 75 bzw. 77 RKG, die das Ruhen der Renten regeln, für Rentenbezugszeiten nach dem 1. Januar 1957 auch dann anzuwenden sind, wenn der Versicherungsfall vorher eingetreten ist. Satz 1 dieser Vorschrift schreibt zwar nur vor, daß neues Recht auf alte Versicherungsfälle anzuwenden ist. Aus Art. 2 § 17 Satz 2 KnVNG, wonach dem Versicherten mindestens der bisherige monatliche Rentenzahlbetrag zu belassen ist, ist jedoch, da er nur für die vom 1. Januar 1957 an zu zahlenden Renten Bedeutung haben kann, eindeutig zu entnehmen, daß die §§ 75 bis 77 RKG für die Zeit vom 1. Januar 1957 an auch dann anzuwenden sind, wenn die Rente der knappschaftlichen Rentenversicherung schon vor diesem Zeitpunkt nach dem bisherigen Recht festgestellt worden war. Die nach Art. 2 § 24 KnVNG berechnete Rente - mit Ausnahme der Bergmannsrente (Knappschaftsrente) und des Knappschaftssoldes - ohne Leistungszuschlag und ohne Kinderzuschuß war, falls sie niedriger war, nach Art. 2 § 25 aaO auf den für Dezember 1956 maßgebenden Rentenzahlbetrag ohne Leistungszuschlag und ohne Kinderzuschuß zuzüglich 21,- DM bei Versichertenrenten zu erhöhen. Der in Art. 2 § 25 aaO vorgeschriebene Vergleich mit dem für Dezember 1956 maßgebenden Rentenzahlbetrag ohne Leistungszuschlag und ohne Kinderzuschuß konnte zudem auch deshalb erst nach Anwendung der Kürzungs- und Ruhensvorschriften durchgeführt werden, weil nur Gleiches mit Gleichem verglichen werden kann. Auch der für Dezember 1956 maßgebende Rentenzahlbetrag hatte sich seinerseits erst unter Anwendung der bisher geltenden Kürzungs- und Ruhensvorschriften ergeben. Es waren also bei der Berechnung der Umstellungsrente die neuen Kürzungs- und Ruhensvorschriften anzuwenden und die so berechnete Rente dem für Dezember 1956 maßgebenden Rentenzahlbetrag gegenüberzustellen.

Die nach Art. 2 §§ 23 bis 25 KnVNG unter Anwendung der Kürzungs- und Ruhensvorschriften berechneten Renten waren, wie jede andere Rente, wenn auch bloß in Form einer schriftlichen Umstellungsmitteilung (Art. 2 § 23 Abs. 3 KnVNG) festzustellen; die Umstellung ist nur eine besondere Form der Rentenfeststellung. Dem Wesen der Rentenfeststellung entspricht es, daß in dem Feststellungsbescheid, d. h. hier in der Umstellungsmitteilung, die Rente für die Zukunft zeitlich unbeschränkt festgestellt wird, wobei es den allgemein gültigen Entziehungs-, Kürzungs-, Ruhens- und Wegfallvorschriften überlassen bleibt, ob und wann die festgestellte - hier die umgestellte - Rente in der Zukunft gekürzt oder entzogen wird, zum Ruhen kommt oder wegfällt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann dem Wortlaut des Art. 2 § 25 Abs. 1 KnVNG nicht entnommen werden, daß die Ruhensvorschriften auf die nach dieser Vorschrift erhöhte umgestellte Rente nicht anzuwenden sind. Wenn es in dieser Vorschrift heißt: "... ist für die Bezugszeit ab Inkrafttreten dieses Gesetzes ... so zu erhöhen, daß ...", so entspricht das nur der allgemeinen Rechtslage bei Rentenfeststellungen. Alle Renten, also auch die umgestellten Renten, werden für die Zukunft, d. h. für Bezugszeiten vom Beginn der Rente an zeitlich uneingeschränkt festgestellt. Auch in Art. 2 § 23 Abs. 1 KnVNG heißt es demgemäß: "... für Bezugszeiten vom Inkrafttreten dieses Gesetzes an ...", ohne daß die Annahme gerechtfertigt wäre, daß auf die nach Art. 2 § 24 KnVNG umgestellte Rente die Ruhensvorschriften nicht angewandt werden sollten. Diese Formel ist sowohl in Art. 2 § 23 aaO als auch in Art. 2 § 25 Abs. 1 aaO nur gebraucht, um die seit dem 1. Januar 1957 eingetretene Rechtsänderung hervorzuheben. Sie hat in Wirklichkeit nur zum Inhalt, was bei jeder Rentenfeststellung Rechtens ist, daß durch die Umstellung die Rente für die Zukunft grundsätzlich zeitlich uneingeschränkt festgestellt wird, wobei sich aber das weitere Schicksal der umgestellten Rente nach den geltenden Entziehungs-, Ruhens-, Kürzungs- und Wegfallvorschriften richtet. § 75 RKG ist zudem nach seinem eindeutigen Wortlaut auf alle knappschaftlichen Renten, also auch auf ein umgestelltes Knappschaftsruhegeld anzuwenden, gleichgültig, ob dieses nach Art. 2 § 24 oder nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnet worden ist, denn er beschränkt sich nicht auf bestimmte knappschaftliche Renten. Daher ist § 75 RKG nach der Umstellung auch auf alle umgestellten knappschaftlichen Renten anzuwenden, wenn sich die Rente aus der gesetzlichen Unfallversicherung ändert. Es besteht keine Vorschrift, aus der entnommen werden könnte, daß auf Gruppen von Renten entgegen dem Wortlaut des § 75 RKG die Ruhensvorschriften keine Anwendung finden sollen. Das Gegenteil ergibt sich sogar aus Art. 2 § 23 Abs. 4 KnVNG wonach auf die umgestellten Renten die für den feststellenden Versicherungsträger geltenden Vorschriften Anwendung finden. Wenn Art. 2 § 23 Abs. 4 aaO auch in erster Linie klarstellen soll, ob bei der Umstellung die Vorschriften der Rentenversicherung der Arbeiter, der Rentenversicherung der Angestellten oder der knappschaftlichen Rentenversicherung anzuwenden sind, so ist ihm doch weiter zu entnehmen, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß auf die umgestellten Renten die Vorschriften des jeweiligen Versicherungszweigs anzuwenden sind. Zu den für die knappschaftliche Rentenversicherung geltenden Vorschriften gehört aber auch § 75 RKG, der sich im übrigen zugunsten und zuungunsten des Versicherten auswirken kann. Bestätigt wird diese Auffassung durch das 4. RAG und die späteren Anpassungsgesetze. Wenn auch der Bescheid vom 18. September 1961 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. Oktober 1961, der hier angefochten ist, noch vor Erlaß des 4. RAG vom 20. Dezember 1961 (BGBl I 2009) ergangen ist und die nach dem 4. bis 8. RAG vorgenommenen Rentenanpassungen nicht Gegenstand dieses Bescheides sind, so lassen die in diesen RAGen getroffenen Regelungen doch erkennen, daß der Gesetzgeber davon ausgeht, daß § 75 RKG auch auf die nach Art. 2 § 25 KnVNG erhöhte Rente anzuwenden ist. Dafür sprechen insbesondere § 2 Abs. 2 des 4. RAG vom 20. Dezember 1961 (BGBl I 2009), § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 des 5. RAG vom 21. Dezember 1962 (BGBl I 764), Art. I § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 des 6. RAG vom 21. Dezember 1963 (BGBl I 1008), § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 3 und § 12 Abs. 1 des 7. RAG vom 23. Dezember 1964 (BGBl I 1085) sowie § 4 Abs. 2 und § 6 Abs. 3 Satz 2 des 8. RAG vom 22. Dezember 1965 (BGBl I 2114). Die genannten Vorschriften gehen bei der Rentenanpassung von der Anwendung des § 75 RKG auch auf solche Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung aus, die für Versicherungsfälle gewährt werden, die vor dem 1. Januar 1957 eingetreten sind; dabei ist in § 2 Abs. 2 Buchst. b des 4. RAG ausdrücklich von Renten der knappschaftlichen Rentenversicherung die Rede, die nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnet worden sind, "wenn auf sie die §§ 75, 76 des Reichsknappschaftsgesetzes Anwendung gefunden haben". Die Erwähnung des § 75 RKG in diesem Zusammenhang wäre unverständlich, wenn er auf eine nach Art. 2 § 25 KnVNG umgestellte Rente nicht angewandt werden dürfte. Hat sich der Unfall erst nach dem Inkrafttreten des KnVNG ereignet, so kann es kaum zweifelhaft, sein, daß die auf ihm beruhende Verletztenrente gemäß § 75 RKG das teilweise Ruhen der knappschaftlichen Rente bewirkt, auch wenn diese nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnet worden ist. Es sprechen auch keine stichhaltigen Gründe dafür, von der Anwendung dieser Ruhensvorschrift abzusehen, wenn sich die Verletztenrente, die auf einem Unfall beruht, der sich vor dem 1. Januar 1957 ereignet hat, ändert.

In der wiederholten Anwendung des § 75 RKG liegt nicht etwa, wie das Berufungsgericht meint, eine doppelte Anwendung dieser Ruhensvorschrift auf dieselbe Rente, sondern nur eine durch § 79 Abs. 1 RKG gerechtfertigte Anpassung der Rente, die durch die Änderung in den Bezügen des Berechtigten veranlaßt ist und die nach § 79 Abs. 2 RKG allein insoweit ausgeschlossen ist, als die Änderung der Bezüge nur auf einer Anpassung der Renten nach § 71 RKG beruht.

Schließlich steht auch § 14 des 2. NeuberGUV der Anwendung des § 75 RKG auf die nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnete Rente nicht entgegen. Denn in dieser Vorschrift ist nur die Anwendung der §§ 1278, 1279 RVO und der §§ 55, 56 AVG, nicht aber die der §§ 75, 76 RKG ausgeschlossen. Gerade der Umstand, daß in § 14 aaO die Ruhensvorschriften der knappschaftlichen Versicherung nicht genannt sind, läßt darauf schließen, daß die Umstellung der Geldleistungen in der gesetzlichen Unfallversicherung auf das Ruhen der knappschaftlichen Renten nicht ohne Einfluß bleiben soll. Das ist darauf zurückzuführen, daß diese Renten nach anderen Grundsätzen berechnet werden und daß sie in der Regel höher sind als die Renten aus den anderen Versicherungszweigen, so daß es nahe liegt, den knappschaftlichen Renten die Vergünstigung des § 14 des 2. NeuberGUV nicht auch noch zukommen zu lassen.

Die Beklagte hat daher zu Recht § 75 RKG auf die umgestellte Rente des Klägers angewendet. Das von der Beklagten in dem angefochtenen Bescheid in erster Linie angewendete Verfahren, die umgestellte Rente einfach um den Betrag zu mindern, um den die Unfallrente erhöht worden ist, hält sie inzwischen selbst nicht mehr für zutreffend. Sie ist aber an den auf diese Weise durch den angefochtenen Bescheid festgestellten Betrag von 280,20 DM gebunden. Bei der zutreffenden Anwendung des § 75 RKG ergibt sich nur ein Betrag von 213,10 DM ohne Leistungszuschlag und von 258,10 DM mit Leistungszuschlag, wie aus der in dem angefochtenen Bescheid zusätzlich nach § 75 RKG durchgeführten Berechnung zu ersehen ist.

Der Senat neigt aus den angeführten Gründen darüberhinaus zu der Annahme, daß Art. 2 § 25 KnVNG keine echte Besitzstandsvorschrift, sondern eine bloße Berechnungsvorschrift für die Umstellung der Rente ist. Selbst wenn man etwas anderes annehmen würde, könnte nur der nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnete Betrag (Rentenzahlbetrag für Dezember 1956 ohne Leistungszuschlag zuzüglich 21,- DM) = 258,40 DM in seinem Bestand geschützt sein.

Dieser Betrag ist aber nach der in dem angefochtenen Bescheid in erster Linie, wenn auch fehlerhaft durchgeführten Berechnung sogar überschritten, da der Kläger tatsächlich 280,20 DM erhält und erhalten muß, weil die Beklagte nach dem Grundsatz der relativen Bindungswirkung von Bescheiden an diesen Rentenbetrag, auch wenn er fehlerhaft ist, zugunsten des Klägers gebunden ist.

Da sich der angefochtene Bescheid somit insoweit als rechtmäßig erweist, als das Ruhen der Rente wegen Erhöhung der Unfallrenten angeordnet ist, ist das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 13. Februar 1964 aufzuheben. Das Urteil des SG stimmt im Grundsatz mit der Auffassung des erkennenden Senats überein, muß jedoch wegen ungenauer Formulierung abgeändert werden.

Der Kläger hat mit seiner Klage - insofern im Ergebnis ebenfalls übereinstimmend mit dem Urteil des SG - Erfolg, soweit in dem angefochtenen Bescheid die Rückzahlung des überzahlten Betrages von 543,- DM verlangt und dieser Betrag seit dem 1. November 1961 ratenweise mit der zu zahlenden Rente aufgerechnet worden ist. Wie der erkennende Senat bereits entschieden hat, richtet sich die Rückforderung überzahlter Beträge auch dann nach § 93 RKG idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes vom 9. Juni 1965 (BGBl I 476), wenn der Bescheid über die Rückforderung bereits vor Erlaß dieses Gesetzes ergangen ist (Urteil vom 25. August 1965 - 5 RKn 72/61 - in SozR Nr. 2 zu § 93 RKG). Die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 2 des § 93 RKG liegen nicht vor, Zwar trifft die Beklagte an der Überzahlung kein Verschulden. Sie hat die Rente des Klägers unter Berücksichtigung ihrer verwaltungsmäßigen Belastung infolge der erforderlich gewordenen Neuberechnung der Renten immerhin noch innerhalb angemessener Frist neu festgestellt. Nach § 93 Abs. 2 RKG können jedoch selbst in einem solchen Fall überzahlte Beträge nur dann zurückgefordert werden, wenn der Versicherte bei Empfang seiner Rente gewußt hat, daß eine Überzahlung vorlag, oder wenn er dies zumindest hätte wissen müssen. Wenn auch grundsätzlich davon auszugehen ist, daß der Staatsbürger Gesetze mit ihrer Verkündung kennen muß, so geht es doch nicht an, anzunehmen, daß er den Inhalt von Gesetzen, deren Bedeutung erst durch Entscheidung der Gerichte geklärt werden kann, richtig auffaßt. Ein solcher Fall liegt hier vor. Denn man kann nicht voraussetzen, daß ein Versicherter die Frage, ob bei Erhöhung der Unfallrente § 75 RKG auf die nach Art. 2 § 25 KnVNG berechnete Rente anzuwenden ist und ob Art. 2 § 25 KnVNG eine Besitzstandsregelung enthält, vor einer richterlichen Entscheidung zutreffend beantworten konnte. Die Beklagte hat also keinen Anspruch auf Rückzahlung der überzahlten Beträge. Der angefochtene Bescheid ist daher insoweit aufzuheben, als in ihm ein Rückforderungsanspruch festgestellt und dieser Anspruch mit der laufenden Rente aufgerechnet worden ist.

Der 4. Senat des Bundessozialgerichts hat für das Recht der Rentenversicherung der Arbeiter die Frage, ob auf die nach Art. 2 § 36 ArVNG berechnete Rente die Ruhensvorschriften des neuen Rechts anzuwenden sind, anders entschieden (Bd. 18, 207). Die Unterschiede der Umstellungsvorschriften der Rentenversicherung der Arbeiter und der knappschaftlichen Rentenversicherung sind aber so erheblich, daß eine abweichende Beurteilung dieser Frage möglich ist; einer Anrufung des Großen Senats (§ 42 SGG) bedurfte es daher nicht.

Nach alledem ist das Urteil des Berufungsgerichts aufzuheben. Die Entscheidung des SG ist mit den aus der Urteilsformel ersichtlichen Änderungen aufrechtzuerhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI2221047

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