Entscheidungsstichwort (Thema)
Witwenrente aus der Unfallversicherung. Wegeunfall eines betrunkenen Fußgängers. Loslösung vom Betrieb
Orientierungssatz
Eine Witwenrente für den tödlich verlaufenen Wegeunfall eines betrunkenen Fußgängers mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille kann dann nicht gewährt werden, wenn eine Lösung vom Betrieb vorliegt. Diese liegt allerdings nur dann vor, wenn der Weg zur Arbeitsstätte, dh das Sichfortbewegen zur Arbeitsstätte hin, gegenüber der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Fußgängers in seiner Bedeutung für den Unfall so in den Hintergrund getreten wäre, daß die Verkehrsuntüchtigkeit als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden müßte.
Normenkette
RVO §§ 542, 543 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 03.07.1962) |
SG Dortmund (Entscheidung vom 21.05.1959) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 3. Juli 1962 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die dieser entstandenen außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin ist die Witwe des tödlich verunglückten B R. Dieser war bis zu seinem Tode auf einer Zeche als 2. Maschinist beschäftigt. Vom 25. zum 26. Juni 1957 hatte er Nachtschicht. Diese begann um 22.00 Uhr. Auf dem Wege zur Zeche mußte er eine Fahrbahn überqueren, um auf den linken Gehweg zu kommen, weil an dieser Stelle der Gehweg auf der rechten Straßenseite endete. Er wurde um 21.35 Uhr auf dem Fahrweg von einem Pkw angefahren und so schwer verletzt, daß er bei seiner Einlieferung in das M-Hospital um 22.10 Uhr bereits gestorben war. In der Höhe der Unfallstelle steht ein Mast, hinter welchem - aus der Fahrtsicht des Pkw-Fahrers gesehen - der Ehemann der Klägerin auf die Straße getreten ist. Bei dem Fahrer des Pkw wurde um 22.30 Uhr eine Blutprobe entnommen. Diese ergab eine Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,09 0 / 00 . Eine bei R um 22.55 Uhr - nach Eintritt des Todes - durch Herzpunktion entnommene Blutprobe ergab eine BAK von 1,57 0 / 00 .
Die Beklagte holte ein Gutachten von Dipl. Chem. Dr. med. P vom Hygiene-Institut des Ruhrgebietes in G ein. Dieser Sachverständige vertrat die Auffassung, daß bei dem Ehemann der Klägerin zur Zeit des Unfalls eine BAK von mindestens 1,6 0 / 00 vorgelegen habe. Eine derartige Alkoholbelastung müsse zu einer ganz erheblichen Alkoholbeeinflussung führen. Nach übereinstimmenden Ergebnissen und Kenntnissen der Wissenschaft seien bei Blutalkoholwerten über 1 0 / 00 auch bei einem an Alkohol gewöhnten Menschen mit Sicherheit alkoholbedingte geistige Mängel zu erwarten.
Nach Kenntnis dieses Gutachtens lehnte die Beklagte den Hinterbliebenenanspruch durch Bescheid vom 5. Juli 1958 mit der Begründung ab, der Ehemann der Klägerin sei auf Grund des Blutalkoholgehalts von mindestens 1,6 0 / 00 und der dadurch bedingten körperlichen und geistigen Mängel unfähig gewesen, sich als Fußgänger während der Dunkelheit ordnungsmäßig und sicher im öffentlichen Straßenverkehr zu bewegen, so daß eine Lösung des inneren Zusammenhangs des - Weges mit der betrieblichen Beschäftigung eingetreten sei. Außerdem sei er infolge des Blutalkoholgehaltes nicht in der Lage gewesen, seine Arbeit zu verrichten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Klage. Das Sozialgericht (SG) hat diese Klage durch Urteil vom 21. Mai 1959 abgewiesen. Es ist der Ansicht, daß der Weg zum Betrieb nicht den Interessen des Arbeitgebers gedient habe, weil der Versicherte wegen des Alkoholeinflusses nicht imstande gewesen sei, die ihm obliegenden betrieblichen Aufgaben ordnungsgemäß zu erfüllen.
Gegen dieses Urteil haben die Klägerin und die zum Verfahren beigeladene Knappschaft Berufung eingelegt.
Das Landessozialgericht (LSG) hat die Beklagte durch Urteil vom 3. Juli 1962 - unter Aufhebung des Urteils des SG vom 21. Mai 1959 und des Bescheides der Beklagten vom 5. Juli 1959 - verurteilt, der Klägerin Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu zahlen; es hat die Revision zugelassen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Berufungsgericht im wesentlichen ausgeführt:
Der Ehemann der Klägerin habe sich im Zeitpunkt des Unfalls auf dem Wege zur Arbeitsstätte befunden. Der von der Beklagten und der Vorinstanz vertretenen Auffassung, der Versicherungsschutz sei deshalb zu versagen, weil der Ehemann der Klägerin infolge Alkoholbeeinflussung nicht imstande gewesen sei, die ihm obliegenden betrieblichen Aufgaben ordnungsgemäß zu verrichten, könne nicht beigepflichtet werden. Zu Recht habe die Beigeladene darauf hingewiesen, daß es für die Frage, ob ein Versicherter sich durch Trunkenheit vom betrieblichen Zusammenhang gelöst habe bzw. durch Trunkenheit unfähig geworden sei, den Zusammenhang mit dem Betriebe herzustellen, auf die augenblickliche Tätigkeit ankomme. Als augenblickliche Tätigkeit könne aber nur die mit dem Betriebe zusammenhängende Tätigkeit verstanden werden, bei der sich der Unfall ereignet hat, d. h. im vorliegenden Falle das Sichvorwärtsbewegen als Fußgänger auf dem Wege zur Arbeitsstätte. Nur ein Versicherter, der sich durch Alkoholgenuß in den Zustand der Volltrunkenheit gebracht hat, habe sich vom Betrieb schlechthin gelöst. Der Zustand der Volltrunkenheit bzw. des Vollrausches, der nach medizinischen Erfahrungen bei einer BAK von etwa 2,5 - 3,0 0 / 00 eintrete, sei bei dem Ehemann der Klägerin jedoch bei weitem nicht erreicht gewesen. Auch der Auffassung, der Ehemann der Klägerin sei auf Grund einer BAK von mindestens 1,6 0 / 00 als Fußgänger verkehrsunfähig gewesen, so daß der Versicherungsschutz versagt werden müsse, könne nicht beigetreten werden. Ob bei einem Fußgänger diese Grenze bei 2 0 / 00 zu suchen sei oder ob man etwa bis auf 1,7 0 / 00 heruntergehen könne, bedürfe hier keiner Entscheidung, da selbst der Wert von 1,7 0 / 00 nicht unwesentlich unterschritten sei.
Aber auch unter Berücksichtigung der Besonderheiten des vorliegenden Falles habe bei dem Ehemann der Klägerin alkoholbedingte Verkehrsunfähigkeit nicht vorgelegen. Der Verunglückte habe, nachdem er bis zur Unfallstelle bereits mehrere hundert Meter zu Fuß zurückgelegt hatte, an einer Stelle, an der der Fußweg auf der rechten Seite ende, den Fahrweg betreten, um den Gehweg auf der anderen Straßenseite zu erreichen. Er sei aus der Schau des am Unfall beteiligten Pkw-Fahrers hinter einem auf dem Gehweg befindlichen Mast hervorgetreten, um sich auf die andere Straßenseite zu begeben. Bei diesen Gegebenheiten könne aus dem Verhalten des Versicherten nicht zwingend geschlossen werden, daß der Unfall durch alkoholische Einflüsse bedingt gewesen sei. Es sei nicht ausgeschlossen, daß der Ehemann der Klägerin bereits vom Gehweg in Richtung des Pkw geschaut, den herannahenden Pkw auch wahrgenommen und sich nur deshalb zum Überqueren des Fahrdamms angeschickt habe, weil er sich in der Annäherungsgeschwindigkeit des Pkw geirrt habe. Die Gefahr einer Fehlschätzung habe besonders nahegelegen, weil der Kraftfahrer mit einer erheblich überhöhten Geschwindigkeit von etwa 65 km/h auf der nur 5 3/4 m breiten Straße gefahren sei.
Im vorliegenden Fall sei ein Arbeitsunfall aber auch dann anzunehmen, wenn alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit vorgelegen hätte; denn die teilweise Sichtbehinderung durch den auf dem Gehweg befindlichen Mast, nicht zuletzt aber auch die überhöhte Geschwindigkeit des am Unfall beteiligten Pkw hätten in einem solchen Maße am Zustandekommen des Unfalls mitgewirkt, daß eine alkoholbedingte Verkehrsuntüchtigkeit des Ehemanns der Klägerin nicht als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden könne. Der Ehemann der Klägerin sei somit durch Arbeitsunfall ums Leben gekommen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Revision eingelegt. Sie rügt Verletzung des § 543 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) aF. Der Vorderrichter hätte bei sachgemäßer Würdigung des Akteninhalts, insbesondere der Zeugenaussagen die absolute Verkehrsuntüchtigkeit des Ehemanns der Klägerin als Fußgänger feststellen müssen. Darüber hinaus habe das Berufungsgericht den alkoholbedingten Zustand des Verunglückten auch zu Unrecht nicht als die rechtlich allein wesentliche Unfallursache angesehen. Entgegen der Auffassung des LSG hätten bei der rechtlichen Beurteilung auch die Anforderungen der eigentlichen Berufstätigkeit berücksichtigt werden müssen. Es sei schon zweifelhaft, ob man bei einem Versicherten, der sich in alkoholbeeinflußtem, wenn vielleicht auch noch nicht in volltrunkenem Zustande von seinem häuslichen Wirkungskreise in Richtung auf seine Arbeitsstätte auf den Weg mache, überhaupt von einem Weg zur Arbeitsstätte im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO sprechen könne, wenn er offensichtlich von vornherein gar nicht zur Aufnahme der ihm obliegenden Arbeitstätigkeit fähig sei. Eine Blutalkoholkonzentration von mehr als 1,5 0 / 00 , schließe die Wegefähigkeit eines Fußgängers regelmäßig aus.
Selbst wenn man den unfallbringenden Weg des Klägers als Weg zur Arbeitsstätte im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 1 RVO betrachte, hätte das Berufungsgericht prüfen müssen, ob bei der gleichen Verkehrssituation, in der sich der Versicherte befunden habe, ein nüchterner Verkehrsteilnehmer auch verunglückt wäre. Nach dem Gutachten des Sachverständigen Dr. P habe der Verunglückte infolge alkoholbedingten 'geistigen Mangels' die Fahrbahn außerordentlich sorglos überquert. Der Vorderrichter hätte bei richtiger Würdigung dieses Gutachtens zu dem Schluß kommen müssen, daß ein nüchterner Verkehrsteilnehmer der durch den Pkw-Fahrer S hervorgerufenen Verkehrssituation nicht erlegen wäre. Wenn sich der Ehemann der Klägerin, wie das Berufungsgericht annehme, in der Annäherungsgeschwindigkeit des Pkw geirrt habe, so sei das eben eine Folge der starken BAK gewesen. Ein nüchterner und daher vorsichtiger und sorgfältiger Verkehrsteilnehmer hätte die verkehrsreiche Fahrbahn nicht betreten, ohne sich zuvor umzusehen, wenn ihm durch einen Mast die Sicht genommen werde.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG Nordrhein-Westfalen vom 3. Juli 1962 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG Dortmund vom 21. Mai 1959 zurückzuweisen.
Die Klägerin und die Beigeladene beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend. Die Klägerin trägt insbesondere vor:
Solange der Versicherte noch zu einer ernstlichen Arbeit fähig sei, entfalle der Versicherungsschutz nur, wenn der Alkoholeinfluß die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalles sei. Dies sei in der Regel der Fall, wenn nach der Erfahrung des täglichen Lebens ein nicht unter Alkoholeinfluß stehender Versicherter bei gleicher Sachlage wahrscheinlich nicht verunglückt wäre. Deshalb sei es von rechtserheblicher Bedeutung, ob der Verunglückte trotz des vorangegangenen Alkoholgenusses noch fähig gewesen sei, sich mit der erforderlichen Sicherheit als Fußgänger im Straßenverkehr zu bewegen. Dies habe das Berufungsgericht im Hinblick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme und unter Berücksichtigung der herrschenden Meinung über die Verkehrstüchtigkeit von Fußgängern mit einer Alkoholkonzentration von weniger als 2 0 / 00 zu Recht angenommen. Die Auffassung der Beklagten, der Ehemann der Klägerin sei bei einer BAK von 1,57 0 / 00 auch als Fußgänger absolut verkehrsuntüchtig gewesen, treffe nicht zu. Auch die Rüge der Revision, das LSG habe überprüfen müssen, von welchem Grade der BAK an ein Fußgänger verkehrsuntüchtig sei, greife nicht durch. Mit Rücksicht auf die übereinstimmende Rechtsprechung, wonach beim Fußgänger als Grenz- und Richtwert ein Blutalkoholgehalt von 1,7 0 / 00 - 2 0 / 00 anzunehmen ist, habe das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus keine weiteren Feststellungen zu treffen brauchen, zumal die BAK bei dem Verunglückten unter diesem Grenzwert gelegen habe. Schließlich sei auch die Verfahrensrüge der Beklagten, das LSG hätte auf Grund des von Dr. P geschilderten Fehlverhaltens des Verunglückten klären müssen, ob die Art und Weise des Sichvorwärtsbewegens einen Zusammenhang mit dem Unfall gehabt habe, unbegründet.
Sämtliche Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
II
Die Revision der Beklagten ist nicht begründet.
Zu Recht hat das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 543 Abs. 1 RVO i. V. m. § 542 RVO als begründet angesehen. Der Ehemann der Klägerin befand sich im Zeitpunkt des Unfalls auf einem mit seiner Tätigkeit auf der Zeche zusammenhängenden Weg nach der Arbeitsstätte.
Ohne Rechtsirrtum hat das Berufungsgericht entschieden, daß durch die bei dem Ehemann der Klägerin festgestellte BAK von 1,6 0 / 00 keine Lösung von dem Betrieb eingetreten ist. Eine solche Lösung könnte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) allenfalls in Betracht kommen, wenn infolge Volltrunkenheit von einem zweckgerichteten Sichfortbewegen zur Arbeitsstätte und von einer irgendwie zweckgerichteten Arbeitsverrichtung nicht mehr gesprochen werden könnte. Der Ehemann der Klägerin hat sich bei einer BAK von 1,6 0 / 00 nicht in einem solchen Zustand befunden, wie das Berufungsgericht zu Recht entschieden hat (BSG 12, 242, SozR RVO Nr. 27 zu § 542 aF; BSG 13, 172, SozR RVO Nr. 30 zu § 543 aF).
Der Witwenrentenanspruch könnte daher nur abgelehnt werden, wenn der Weg zur Arbeitsstätte, d. h. das Sichfortbewegen zur Arbeitsstätte hin mit seinen ohnehin bestehenden Gefahren, gegenüber der alkoholbedingten Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Ehemanns der Klägerin so in den Hintergrund getreten wäre, daß die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit als die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls angesehen werden müßte (vgl. BSG und SozR RVO aaO). Das ist jedoch nicht der Fall.
Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG muß bei einem Kraftwagenfahrer, bei dem im Zeitpunkt des Unfalls eine BAK von mindestens 1,5 0 / 00 und bei einem Kraftradfahrer, bei dem eine solche von mindestens 1,3 0 / 00 vorlag, nach allgemeiner Erfahrung des Lebens davon ausgegangen werden, daß die auf dem Alkohol beruhende Fahruntüchtigkeit (absolute Fahruntüchtigkeit) den Unfall verursacht hat, soweit nicht besondere Umstände dieser Annahme entgegenstehen. Weiterhin muß grundsätzlich angenommen werden, daß in einem solchen Falle die Fahruntüchtigkeit des Versicherten die rechtlich allein wesentliche Ursache des Unfalls ist (vgl. BSG und SozR aaO). Das Berufungsgericht hat die Frage aufgeworfen, ob auch bei Fußgängern eine entsprechende Grenze der BAK angenommen werden kann. Es kann hier dahinstehen, ob auch bei ihnen von einer solchen Grenze auszugehen ist und bei welchem Grade der BAK sie zu suchen ist. Denn die vom Berufungsgericht festgestellten besonderen Umstände des Falles lassen es nicht zu, die Entscheidung allein auf Grund der allgemeinen Erfahrungen des Lebens zu treffen. Das Berufungsgericht ist zwar, wenn auch nur hilfsweise, davon ausgegangen, daß der Ehemann der Klägerin auf Grund der Alkoholeinwirkung in seiner Verkehrstüchtigkeit beeinträchtigt gewesen ist, es hat aber andererseits auch festgestellt, daß zum Zeitpunkt des Unfalls schon Dämmerung herrschte und daß der Ehemann der Klägerin, als er am Ende des rechten Bürgersteiges die Fahrbahn betreten mußte, durch den dort stehenden Mast in seiner Sicht beeinträchtigt worden ist, daß ferner der Kraftwagenfahrer selbst auch unter Alkoholeinwirkung stand und mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren ist. Besondere Umstände dieser Art lassen immerhin die ernstliche Möglichkeit gegeben erscheinen, daß die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit nicht die Ursache des Unfalls gewesen ist. In einem solchen Fall kann die Frage der Verursachung nicht auf Grund der allgemeinen Erfahrungen des Lebens allein beurteilt werden, sondern es bedarf unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles der Prüfung, ob das Sichfortbewegen des Versicherten zur Arbeitsstätte mit den ohnehin gegebenen besonderen Gefahren oder die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Versicherten den Unfall entscheidend verursacht haben.
Das Berufungsgericht hat auf Grund der im vorliegenden Fall von ihm festgestellten Gefahrenmomente entschieden, daß die - hilfsweise - angenommene alkoholbedingte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Ehemannes der Klägerin den Unfall jedenfalls nicht in einem solchen Maße verursacht hat, daß die sonstigen Gefahrenmomente in ihrer Bedeutung für den Unfall derart in den Hintergrund gedrängt worden wären, daß sie als unerheblich angesehen werden könnten. Damit hat es die Grenzen des ihm nach § 128 SGG zustehenden Beweiswürdigungsermessens nicht verletzt. Es hat auch zu Recht entschieden, daß die besonderen Gefahrenmomente als rechtlich wesentliche Ursache des Unfalls anzusehen sind. Hat der Weg zur Arbeitsstätte mit seinen ohnehin bestehenden Gefahren eine nicht nur unerhebliche Bedeutung für den Unfall, so ist er als rechtlich wesentliche Mitursache im Rechtssinn anzusehen mit der Folge, daß der Unfallschutz zu gewähren ist (vgl. zur Frage der Mitverursachung SozR RVO Nr. 73 zu § 542 aF).
Es mag dahinstehen, ob die übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts den Angriffen der Beklagten standhalten, jedenfalls sind die von dem Berufungsgericht für diese Entscheidung - hilfsweise - getroffenen Feststellungen, daß es zur Zeit des Unfalls dämmrig gewesen ist, daß ein Mast die Sicht des Ehemannes der Klägerin behindert hat, daß auch der Kraftwagenfahrer unter Alkoholeinwirkung stand und mit einer relativ zu hohen Geschwindigkeit gefahren ist, von der Revision nicht angegriffen worden. Andererseits ist das Berufungsgericht mit der Beklagten bei seiner hilfsweise gegebenen Begründung davon ausgegangen, daß der Ehemann der Klägerin, wie Dr. P in seinem Gutachten ausgeführt hat, infolge der BAK in seiner Leistungsbereitschaft als Fußgänger beeinträchtigt gewesen ist. Wenn auch damit vom Berufungsgericht angenommen wird, daß die alkoholbedingte Beeinträchtigung der Verkehrstüchtigkeit des Ehemannes der Klägerin den Unfall mitverursacht hat, so steht dies der Annahme nicht entgegen, daß die übrigen Gefahrenmomente an dem Unfall nicht unerheblich mitgewirkt haben.
Da das Berufungsgericht den Anspruch der Klägerin somit zu Recht als begründet angesehen hat, ist die Revision der Beklagten zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen