Leitsatz (redaktionell)

Die in BVG § 89 vorgeschriebene Zustimmung des BMA zur Gewährung eines Härteausgleichs verstößt nicht gegen das GG.

Diese Zustimmung besitzt nur interne Bedeutung; ihr Fehlen bewirkt keine Rechtsunwirksamkeit des Verwaltungsakt.

Die Versorgungsbehörde handelt nicht schon deshalb ermessensfehlerhaft, weil sie sich auf die Verweigerung der Zustimmung des BMA bezieht.

 

Normenkette

BVG § 89 Abs. 1 Fassung: 1950-12-20

 

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 18. Februar 1970 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

 

Gründe

I

Der nunmehr prozeßunfähige Kläger (geb. 28. Januar 1940) bezog über das 18. Lebensjahr hinaus bis zur vorzeitigen Beendigung des Lehrverhältnisses (Buchdruckerlehre) im Juli 1958 Waisenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG). Sodann war er bis Juni 1962 als Hilfsarbeiter in verschiedenen Arbeitsverhältnissen tätig. Seit April 1963 befindet sich der Kläger angeblich wegen einer endogenen mischbildhaften Psychose laufend in stationärer Behandlung des Allg. Krankenhauses O. Die von ihm im April 1961 geschlossene Ehe, aus der nach dem Vorbringen des Klägers ein Kind hervorgegangen ist, wurde vom Landgericht Hamburg mit rechtskräftig gewordenem Urteil vom 27. März 1963 aus beiderseitigem Verschulden der Ehegatten geschieden, beide Ehegatten verzichteten gegenseitig auf Unterhalt. Für den Kläger wurden von 1955 bis 1962 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet.

Den Antrag des Klägers vom 30. Dezember 1964, ihm wegen Gebrechlichkeit erneut Waisenrente zu gewähren, lehnte das Versorgungsamt (VersorgA) mit Bescheid vom 23. März 1965 ab, weil bei Vollendung des 18. Lebensjahres Gebrechlichkeit nicht vorgelegen habe. Der Kläger sei auch nicht eine "unverheiratete Waise", sondern geschieden. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 24. August 1966 zurückgewiesen. Gleichzeitig wurde ausgeführt, daß auch die Gewährung von Waisenrente im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG nicht in Betracht komme; der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung (BMA) habe mangels eines wirtschaftlichen Bedürfnisses seine Zustimmung hierzu verweigert. Das Sozialgericht (SG) Hamburg wies nach Beiladung der Bundesrepublik Deutschland die Klage ab (Urteil vom 15. Januar 1969). Die Berufung blieb erfolglos. Das Landessozialgericht (LSG) führte im Urteil vom 18. Februar 1970 im wesentlichen aus:

Nach § 45 Abs. 3 Buchst. c (2. und 3. Neuordnungsgesetz - NOG) stehe dem Kläger "verlängerte" Waisenrente als Rechtsanspruch nicht zu. Eine Waisenrente könne nach Vollendung des 18. Lebensjahres nur einer "unverheirateten" Waise gewährt werden. Geschiedene oder verwitwete Personen könnten nicht als "unverheiratete" Waisen angesehen werden. Ein Wiederaufleben der Waisenrente nach Auflösung der Ehe einer Waise sei im Gesetz nicht vorgesehen. Die gesetzliche Regelung verstoße auch nicht gegen Art. 3, Art. 6 des Grundgesetzes (GG). Ein Anspruch des Klägers auf verlängerte Waisenrente sei aber auch aus anderen Gründen nicht gegeben. Für den Kläger seien trotz der geistigen Gebrechlichkeit während seiner Erwerbstätigkeiten von 1955 bis Januar 1962 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet worden und er habe sich damit einen eigenen Rentenanspruch aus der Sozialversicherung erworben. Wie das Bundessozialgericht (BSG) in dem Urteil vom 6. Dezember 1966 (Bd. 26, 12/13) im Falle einer gebrechlichen Waise dargelegt habe, komme die Wiedergewährung einer Waisenrente nach dem BVG dann nicht mehr in Betracht, wenn die Waise jahrelang - wenn auch mit Unterbrechung - erwerbstätig gewesen und durch die Einrichtungen der Sozialversicherung (gesetzliche Krankenversicherung und Rentenversicherung) gegen die Wechselfälle des Lebens grundsätzlich geschützt sei.

Die Beklagte habe im Widerspruchsbescheid vom 24. August 1966 nach Einholung einer schriftlichen Stellungnahme des BMA auch die Gewährung der Waisenrente im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG versagt. Nach § 95 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) hätte das SG deshalb auch über die Ablehnung des Härteausgleichs durch die Beklagte mit entscheiden müssen. Ein Ermessensfehlgebrauch der Beklagten bzw. des BMA bei der Ablehnung des Härteausgleichs liege jedoch nicht vor. Der Härteausgleich sei von einem wirtschaftlichen Bedürfnis abhängig, das im Fall des Klägers nicht gegeben sei. Sein Einkommen aus der Rentenversicherung abzüglich des Kinderzuschusses übersteige nämlich (ab 1. Dezember 1964 bis zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG) den Betrag, der die Zahlung einer Ausgleichsrente für Halbwaisen ausschließe (RdSchreiben BMA vom 7.2.1961 in BVBl 1961 S. 36 Nr. 25). In der Versagung des Härteausgleichs durch die Beklagte unter Bezugnahme auf die ablehnende Stellungnahme des BMA im Widerspruchsbescheid vom 24. August 1966 sei auch kein Verstoß gegen verfassungsrechtliche Grundsätze zu erblicken. Auch den verfassungsrechtlichen Bedenken des Klägers in bezug auf den Zustimmungsvorbehalt in § 89 BVG könne nicht gefolgt werden. Die Versorgungsämter und die Landesversorgungsämter hätten gemäß § 1 des Gesetzes über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 idF des Vierten Überleitungsgesetzes vom 27. April 1955 (BGBl I 189) die Versorgung der Kriegsopfer nur durchzuführen, die Versorgungslast trage aber die Bundesrepublik Deutschland. Die interne Regelung des § 89 BVG, daß die Versorgungsbehörden der Länder in besonderen Härtefällen mit Zustimmung des BMA Versorgung im Wege des Härteausgleichs gewähren könnten, ändere nichts an der Tatsache, daß der hierüber zu erlassende Verwaltungsakt ausschließlich durch die zuständigen Verwaltungsbehörden der Länder in eigener Verantwortung ergehe.

Mit der zugelassenen Revision rügt der Kläger einen Verstoß des LSG gegen die §§ 45 Abs. 3 Buchst. c und 89 BVG sowie gegen die Artikel 83, 94 (richtig: 84) GG. Als "unverheiratete Waise" im Sinne des § 45 Abs. 3 Buchst. BVG habe auch eine geschiedene Waise zu gelten. Zu Unrecht sei dem Kläger auch ein Härteausgleich gemäß § 89 BVG versagt worden. Die nach dieser Vorschrift erforderliche Zustimmung des BMA sei kein bloßes Verwaltungsinternum, sondern berühre - da es sich um eine gesetzliche Voraussetzung zum Erlaß eines entsprechenden Verwaltungsaktes handle - die Wirksamkeit dieses Aktes nach außen. Bei diesem Zustimmungserfordernis handle es sich um einen Fall der im Hinblick auf Art. 83, 84 GG unzulässigen Mischverwaltung. Dies bedeute, daß die gesetzlich vorgeschriebene Beteiligung des BMA an der Entscheidung über den Härteausgleich verfassungswidrig sei. Es müsse jedoch davon ausgegangen werden, daß der Gesetzgeber den Härteausgleich auch dann vorgesehen hätte, wenn ihm die Verfassungswidrigkeit der in diesem Zusammenhang getroffenen Verfahrensregelung bewußt gewesen wäre. Im übrigen verstoße sowohl der Widerspruchsbescheid als auch das Urteil des LSG gegen § 89 BVG, soweit darauf abgestellt werde, daß bei dem Kläger eine wirtschaftliche Bedürftigkeit nicht gegeben sei. Die Beurteilung dieser Frage werde nämlich allein auf das RdSchreiben des BMA vom 7. Februar 1961 gestützt, dem BMA stehe jedoch die Kompetenz zur verbindlichen Festlegung derartiger Grundsätze nicht zu. Bei der erforderlichen eigenen Ermessensentscheidung des VersorgA hätte sich ergeben, daß die Erwerbsunfähigkeitsrente des Klägers nach Abzug der Unterhaltszahlungen an seine Tochter nicht einmal den Fürsorgerichtsatz erreiche. Mindestens aber hätte das LSG der Frage des wirtschaftlichen Bedürfnisses des Klägers näher nachgehen müssen.

Der Kläger beantragt,

1) die Beklagte unter Aufhebung der Urteile des SG Hamburg vom 15. Januar 1969 und des LSG Hamburg vom 18. Februar 1970 sowie des Bescheides vom 23. März 1965 idF des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1966 zu verurteilen, dem Kläger ab 1. Dezember 1964 Waisenrente nach dem BVG zu gewähren;

2) hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger hinsichtlich der Gewährung von Waisenrente im Wege des Härteausgleichs einen neuen Bescheid zu erteilen;

3) weiter hilfsweise, den Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils des LSG vom 18. Februar 1970 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG Hamburg zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision des Klägers zu verwerfen.

Sie bezieht sich auf die Gründe des angefochtenen Urteils.

Die Beigeladene hält die Revision für unbegründet.

Die Beteiligten haben übereinstimmend ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

II

Die durch Zulassung statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 162 Abs. 1 Nr. 1, 164, 166 SGG) und daher zulässig; sie ist auch im Sinne einer Zurückverweisung begründet.

Streitig ist, ob dem Kläger ab 1. Dezember 1964 (Neuantrag vom 30. Dezember 1964) Waisenrente als Rechtsanspruch nach § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG idF des 2. und 3. NOG vom 21. Februar 1964 - aF - und 28. Dezember 1966 - nF - (BGBl I 85/I 750) - nunmehr unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Änderung sozial- und beamtenrechtlicher Vorschriften über Leistungen für verheiratete Kinder vom 25. Januar 1971 (BGBl I 65) - oder zumindest im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG zusteht. § 45 Abs. 3 Buchst. c. BVG aF machte die Gewährung von Waisenrente für eine unverheiratete Waise nach Vollendung des 18. Lebensjahres davon abhängig, daß die Waise bei Vollendung des 18. Lebensjahres infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG nF schrieb - im übrigen unverändert - vor, daß diese Voraussetzung spätestens bei Vollendung des 27. Lebensjahres eingetreten sein muß. Das Gesetz vom 25. Januar 1971 bestimmt in Art. 5 Nr. 4, daß in § 45 Abs. 3 Satz 1 BVG das Wort "unverheiratete" gestrichen und am Ende von Buchstabe c angefügt wird:, "über die Vollendung des siebenundzwanzigsten Lebensjahres hinaus jedoch nur, wenn ihr Ehegatte außerstande ist, sie zu unterhalten". Nach Art. 12 Abs. 1 tritt das Gesetz mit Wirkung vom 1. Juni 1970 in Kraft; in Abs. 2 dieser Vorschrift ist jedoch bestimmt, daß die durch dieses Gesetz vorgenommenen Änderungen auch für die Zeit vor dem 1. Juni 1970 gelten, wenn der Anspruch auf die Leistung vor diesem Zeitpunkt geltend gemacht und darüber nicht auf Grund des damals geltenden Rechts bereits eine nicht mehr anfechtbare Entscheidung getroffen worden ist. Damit hat der Gesetzgeber die in dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1970 - 1 BvR 191/67 - (BVBl 1970 Nr. 24 S. 111) als verfassungswidrig erklärte sogenannte "Heiratsklausel" rückwirkend beseitigt. Sonach steht der Umstand, daß der Kläger verheiratet gewesen ist, dem geltend gemachten Anspruch nicht mehr entgegen. Bei allen Gesetzesfassungen des § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG muß die Waise jedoch - wenn auch zu unterschiedlichen Zeitpunkten - infolge Gebrechlichkeit außerstande sein, sich selbst zu unterhalten. Hierzu hat das LSG zwar unangegriffen festgestellt, daß der Kläger "trotz geistiger Gebrechlichkeit durch seine Erwerbstätigkeiten von 1955 bis Januar 1962 Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung entrichtet" und sich damit einen eigenen Rentenanspruch aus der Sozialversicherung erworben habe. Aus diesen Feststellungen ergibt sich jedoch nicht, ob der Kläger - worauf es für den im Dezember 1964 erhobenen Anspruch nach § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG idF des 2. NOG zunächst noch ankam - "bei Vollendung des 18. Lebensjahres" (28. Januar 1958) tatsächlich gebrechlich und infolge körperlicher oder geistiger Gebrechen außerstande gewesen ist, sich selbst zu unterhalten; eine Feststellung darüber ist hier nicht deshalb entbehrlich, weil er wegen des noch bestehenden Lehrverhältnisses Waisenrente nach § 45 Abs. 3 Buchst. a BVG ohnehin über die Zeit nach Vollendung des 18. Lebensjahres hinaus erhalten hat. Auch für den Geltungsbereich des § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG idF des 3. NOG (ab 1. Januar 1967) hätte es, selbst wenn Gebrechlichkeit erst von der dauernden Unterbringung im Allg. Krankenhaus Ochsenzoll (April 1963?) an zu bejahen wäre, ebenso wie für die vorhergehende Zeit der ziffernmäßigen Feststellung des Einkommens des Klägers bedurft. Für die Frage, ob der Kläger "außerstande ist, sich selbst zu unterhalten", hätte auch geklärt werden müssen, welche Aufwendungen für den Kläger durch die Unterbringung im Allg. Krankenhaus Ochsenzoll entstehen und wie hoch der Teil seines Renteneinkommens ist, der als Kinderzuschlag gewährt wird. Außerdem kommt es auf Grund der Neufassung des § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG durch das Gesetz vom 25. Januar 1971 für die Zeit nach Vollendung des 27. Lebensjahres (28. Januar 1967) nunmehr auch auf die Unterhaltsfähigkeit des früheren Ehegatten an (vgl. § 60 EheG). Da es an diesen tatsächlichen Feststellungen fehlt, mußte das Urteil des LSG, soweit es den Rechtsanspruch des Klägers auf Waisenrente betrifft - auch ohne entsprechende Rüge - aufgehoben werden (vgl. BSG in SozR Nr. 6 zu § 163 SGG). Das Urteil des LSG hat auch nicht im Hinblick auf die Rechtsauffassung, die der erkennende Senat in seinem Urteil vom 6. Dezember 1966 (BSG 26, 10, 12, 13) zu § 45 Abs. 3 Buchst. c BVG aF vertreten hat, aufrechterhalten werden können; dort ist offengelassen, unter welchen Voraussetzungen eine Waisenrente (wieder) zu gewähren wäre, wenn im Falle der Gebrechlichkeit "bei Vollendung des 18. Lebensjahres" ein (späterer) Arbeitsversuch mißglückt ist oder eine Arbeitstätigkeit nur vorübergehend hat ausgeübt werden können; es hat sich auch um eine "Waise" gehandelt, die den Anspruch auf Waisenrente erst im 51. Lebensjahr und nach rund 30jähriger - wenn auch mit Unterbrechungen ausgeübter - Berufstätigkeit erhoben hat. Sowohl in tatsächlicher Hinsicht als auch infolge der Gesetzesänderungen ist der Sachverhalt hier ein anderer.

Auch für die außerdem streitige Frage der Gewährung von Waisenrente im Wege des Härteausgleichs nach § 89 BVG fehlt es an notwendigen tatsächlichen Feststellungen.

Das LSG hat zunächst zutreffend die Auffassung vertreten, daß das SG nach § 95 SGG auch hierüber hätte entscheiden müssen, da der Bescheid vom 23. März 1965 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1966, mit dem auch ein Härteausgleich abgelehnt wurde, Gegenstand der Klage gewesen ist. Nach § 89 Abs. 1 BVG idF des 2. und 3. NOG kann mit Zustimmung des BMA ein Ausgleich gewährt werden, sofern sich in einzelnen Fällen aus den Vorschriften des BVG besondere Härten ergeben. Die Verwaltungsvorschrift (VerwV) Nr. 1 zu § 89 BVG idF des 2. NOG sicht einen solchen Härteausgleich nur dann vor, wenn ein Bedürfnis vorliegt. In der VerwV Nr. 1 zu § 89 BVG idF des 3. NOG wird der Begriff der besonderen Härte und des wirtschaftlichen Bedürfnisses näher erläutert. Das LSG hat insoweit unter Hinweis auf das Rundschreiben des BMA vom 7. Februar 1961 - BVBl 1961 S. 36 Nr. 25 - ausgeführt, das Einkommen des Klägers aus der Rentenversicherung abzüglich des Kinderzuschusses übersteige den Betrag, der die Zahlung einer Ausgleichsrente für Halbwaisen ausschließe. Abgesehen davon, daß dieses Rundschreiben durch das spätere Rundschreiben des BMA vom 19. Januar 1962 - BVBl 1962 S. 16 Nr. 15 - teilweise überholt ist, bedarf es auch hierzu der Feststellung, wie hoch das Arbeits- und Renteneinkommen des Klägers ist und gewesen ist und ob er - etwa angesichts der Unterbringungskosten - außerstande war, sich selbst zu unterhalten. Die Revision macht hierzu geltend, die Rente des Klägers erreiche nicht einmal den "Fürsorgerichtsatz".

Soweit die Revision jedoch die in § 89 BVG vorgeschriebene Zustimmung des BMA zur Gewährung eines Härteausgleichs für rechtswidrig hält, in dem Zustimmungsvorbehalt einen Verstoß gegen die Artikel 83, 84 GG erblickt und deshalb meint, die Versagung des Härteausgleichs durch die Versorgungsbehörde unter Bezug auf die fehlende Zustimmung des BMA sei schon deshalb fehlerhaft, kann ihr nicht zugestimmt werden. In Art. 84 Abs. 5 GG ist ausdrücklich bestimmt, daß der Bundesregierung durch Bundesgesetz die Befugnis verliehen werden kann, für besondere Fälle Einzelweisungen zu erteilen. Als zulässige Varianten einer solchen Weisungsbefugnis werden bundesgesetzliche Vorbehalte in Form von Zustimmungs-, Einspruchs- oder Widerspruchsrechten angesehen, sofern deren Ausübung rein verwaltungsintern wirkt (vgl. Komm. zum GG von Schmidt/Bleibtreu/Klein, 2. Auflage, Anm. 12 zu Art. 84 und Komm. zum GG von Maunz/Dürig, 1970 Bd. II, Anm. 60 zu Art. 83 sowie Anm. 39 zu Art. 84). Einen solchen verfassungskonformen Vorbehalt enthält § 89 BVG. Auch der Hinweis der Revision auf die Unzulässigkeit der "Mischverwaltung" greift nicht durch. Abgesehen davon, daß nicht jede Mischverwaltung unzulässig ist (vgl. Schmidt/Bleibtreu/Klein a. a. O. Anm. 8 zu Art. 89 und Maunz/Dürig, aaO Anm. 35 bis 38 und 59 zu Art. 83), liegt eine "unzulässige Mischverwaltung" im Sinne des Revisionsvorbringens jedenfalls dann nicht vor, wenn- wie hier - die Voraussetzungen des Art. 84 Abs. 5 GG erfüllt sind und sonach keine Abweichung von den Art. 84 bis 86 GG festgestellt werden kann (vgl. Maunz/Dürig, aaO Anm. 59, 60 zu Art. 83). Auch wenn das in Art. 84 Abs. 5 GG statuierte Einzelweisungsrecht als Ausnahmeinstitut eng auszulegen ist (vgl. Maunz/Dürig, aaO Anm. 42 zu Art. 84), so ist doch gerade in Angelegenheiten der Kriegsopferversorgung eine solche Ausnahmeregelung gerechtfertigt und geboten. Der Bund hat gemäß Art. 72 Abs. 1 GG mit dem Erlaß des Bundesversorgungsgesetzes von dem ihm in Art. 74 Nr. 10 GG eingeräumten Recht der konkurrierenden Gesetzgebung auf dem Gebiet der Kriegsopferversorgung Gebrauch gemacht und außerdem nach Art. 120 GG die Kriegsfolgelasten - nach näherer Bestimmung von Bundesgesetzen - zu tragen. Er trägt sonach die Ausgabenverantwortung (vgl. Maunz/Dürig, aaO Anm. 8 zu Art. 120) und hat schon deshalb ein wohlbegründetes Interesse daran, die Gewährung von Leistungen, die das Gesetz dem Ermessen der beteiligten Behörden überlassen hat, von seiner Zustimmung abhängig zu machen. Die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes ist zwar nach Art. 83 GG Sache der Länder; sie erfolgt nach dem Gesetz über die Errichtung der Verwaltungsbehörden der Kriegsopferversorgung vom 12. März 1951 (BGBl I 169) - idF des Vierten Überleitungsgesetzes vom 27. April 1955 (BGBl I, 189) - i. V. m. dem Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (VerwVG) vom 2. Mai 1955 (BGBl I 202). Nach § 2 des VerwVG sind die Versorgungs- und Landesversorgungsämter der Länder für alle Versorgungsangelegenheiten zuständig, soweit durch Gesetz nichts anderes bestimmt ist. In § 89 BVG ist aber für einzelne Härtefälle in zulässiger Weise die Zustimmung des BMA zur Gewährung eines Ausgleichs "bestimmt" worden. Die Zuständigkeit für den Erlaß eines Verwaltungsakts durch die Versorgungsbehörde des Landes wird dadurch jedoch nicht eingeschränkt; sie bewirkt beim Fehlen der vorgeschriebenen Zustimmung des BMA insbesondere keine Rechtsunwirksamkeit des Verwaltungsakts, da sie nur interne Bedeutung besitzt (vgl. Schönleiter/Hennig, Komm. zum Gesetz über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung, 2. Aufl. 1969, Erläuterung Nr. 5 zu § 2 und Urteil des BSG vom 12. Dezember 1969 - 8 RV 469/67). Obwohl sonach der Bund gemäß Art. 120 Abs. 1 GG die Aufwendungen zu tragen hat, richten sich die Ansprüche Dritter (der Versorgungsberechtigten) nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen gegen den Aufgabenträger, also hier gegen die Länder (vgl. Maunz/Dürig, aaO Anm. 5 zu Art. 120 GG), die im übrigen nicht nur bei der Gesetzgebung, sondern auch beim Erlaß von Rechtsverordnungen und allgemeinen Verwaltungsvorschriften mitwirken (Zustimmung des Bundesrats - vgl. z. B. § 30 Abs. 7 BVG, Art. 84 Abs. 2 GG). Sonach ist die Regelung über die Zustimmung des BMA zur Gewährung eines Härteausgleichs in § 89 BVG verfassungskonform. Daher hat die Versorgungsbehörde nicht schon deshalb ermessensfehlerhaft gehandelt, weil sie sich bei der Ablehnung des Härteausgleichs auf die Verweigerung der gesetzlich vorgeschriebenen Zustimmung des BMA bezogen hat. Dennoch hätte das LSG die zur inhaltlichen Überprüfung des Verwaltungsermessens erforderlichen tatsächlichen Feststellungen treffen und insbesondere die Bedürftigkeit des Klägers prüfen müssen. Da das LSG dieser Pflicht nicht nachgekommen ist, war sein Urteil auch hinsichtlich der Entscheidung über die Waisenrente im Wege des Härteausgleichs aufzuheben. Das LSG wird nunmehr - wenn es nicht zur Bejahung des Rechtsanspruchs gelangen sollte - genauere Feststellungen über die Gebrechlichkeit des Klägers sowie seine wirtschaftlichen Verhältnisse zu treffen und auf Grund dieser Feststellungen evtl. zu entscheiden haben, ob die Verwaltungsbehörde von ihrem Ermessen einen fehlerhaften Gebrauch gemacht hat. Bei Bejahung der wirtschaftlichen Bedürftigkeit wäre die Ablehnung des Härteausgleichs durch den Beklagten, sofern die sonstigen Voraussetzungen des § 89 BVG vorliegen, selbst dann ermessensfehlerhaft, wenn - was allerdings kaum anzunehmen wäre - die Beigeladene ihre Zustimmung weiterhin verweigern würde.

Die fehlenden tatsächlichen Feststellungen hat das Revisionsgericht von sich aus nicht treffen können. Deshalb war die Sache in vollem Umfange an das LSG zurückzuverweisen (§ 170 Abs. 2 Satz 2 SGG).

Die Kostenentscheidung bleibt der das Verfahren abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1670380

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