Orientierungssatz
Bestimmter Arzt iS von SGG § 109 - Kausalzusammenhang zwischen Berufsausübung und Krankheitsentstehung bei Silikose - freie Beweiswürdigung:
1. Die Nennung mehrerer Ärzte im Beweisantrag nach SGG § 109 entspricht nicht dem Bestimmtheitserfordernis und ist daher unwirksam.
2. Das Gericht hält sich in den Grenzen seines Rechts auf eine freie Beweiswürdigung nach SGG § 128 Abs 1, wenn es sich bei der Feststellung des Kausalzusammenhangs zwischen einer Krankheitsentstehung und der Berufsausübung der schlüssigen und fundierten Meinung eines Gutachtens unter mehreren unterschiedlichen Gutachten anschließt.
Normenkette
RVO § 551; BKVO 5 Anl 1 Nr. 27 Buchst. a, b; SGG §§ 109, 128 Abs. 1
Verfahrensgang
LSG Niedersachsen (Entscheidung vom 26.06.1958) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Celle vom 26. Juni 1958 wird als unzulässig verworfen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Tatbestand
Der 1900 geborene Kläger hatte von 1918 bis 1936 als Hauer gearbeitet und alsdann die Gesteinsarbeit wegen Staublungenerkrankung und Herzbeschwerden aufgegeben. Die Beklagte hatte ihm wegen des Lohnausfalls damals nach § 5 der Zweiten Berufskrankheiten-Verordnung (2. BKVO) freiwillig für die Zeit vom 1. Oktober 1936 bis zum 30. September 1937 eine Übergangsrente gezahlt.
Mit Bescheid vom 10. Juli 1950 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen Berufskrankheit ab; der Kläger nahm die hiergegen an das Knappschaftsoberversicherungsamt eingelegte Berufung zurück.
Mit Bescheid vom 19. März 1953 lehnte die Klägerin einen weiteren Antrag des Klägers ab, da nach den ihr vorliegenden Gutachten auch jetzt weder nach Nr. 27 a noch nach Nr. 27 b der 5. BKVO eine Berufskrankheit vorliege. Die Beschwerden des Klägers seien auf ein von den Staubveränderungen unabhängiges Emphysem und eine Bronchitis zurückzuführen. Auch diesmal nahm der Kläger die Berufung zum Knappschaftsoberversicherungsamt zurück.
Auch einen dritten Antrag, den der Kläger auf eine Bescheinigung des Facharztes Dr. B... in C... vom 1. Februar 1954 stützte, lehnte die Beklagte - durch Bescheid vom 14. August 1954 - ab. Die Ärzte des Krankenhauses B... seien zu dem Ergebnis gekommen, die höchstens erstgradige Silikose habe noch keine Atmungs- oder Kreislaufinsuffizienz hervorgerufen; die begründeten Beschwerden des Klägers beruhten auf von der Berufskrankheit unabhängigen Leiden.
Mit seiner Klage an das Sozialgericht (SG) Hannover hatte der Kläger keinen Erfolg.
Das SG folgte dem von ihm eingeholten Gutachten des Chefarztes der Lungenheilstätte E... in C... - Z..., Dr. B..., vom 20. Februar 1956, der ebenso wie die von der Beklagten gehörten Ärzte die zunehmenden Atembeschwerden des Klägers auf von der Silikose unabhängige Leiden zurückführte und die Auffassung vertrat, die Silikose habe, obwohl sie I. bis II. Grades sei, noch keine nachweisbaren Folgen hinterlassen. Die am Herzen (Belastung linksseitig) und an den Gefäßen festgestellten krankhaften Veränderungen hingen ebenso wie das Lungenemphysem nicht mit der Silikose zusammen; diesem Gutachten hatte sich der zugezogene Sitzungsarzt Dr. H... voll angeschlossen. Das SG unterließ in seinem Urteile eine ausdrückliche Auseinandersetzung mit einer von dem Kläger eingereichten ausführlichen Stellungnahme des Facharztes Dr. B... vom 3. Juli 1956, der die Begutachtung durch Dr. B... für sachlich unrichtig erklärte und die gesamten Leiden des Klägers auf die Silikose zurückführte, so daß er zu einem Rentenvorschlag von 80 v. H. kam. Dr. Brusis bezog sich in seiner Äußerung zuzüglich auf einen von ihm veranlaßten Arztbericht des Prof. Dr. B... vom 12. Mai 1956, in dem als Befund eine mäßige Silikose und im EKG kein krankhafter Befund, insbesondere kein Anhalt für eine Rechtsbelastung des Herzens festgestellt, aber trotzdem eine derartige beginnende Rechtsbelastung (cor pulmonale) angenommen wird. Auch das Emphysem wird dort ursächlich auf die Silikose zurückgeführt, während das SG den insoweit negativen Befund Prof. B... zur weiteren Stützung seiner Auffassung benutzt.
Mit seiner Berufung gegen dieses Urteil hatte der Kläger ebenfalls keinen Erfolg.
In der Berufungsbegründungsschrift erklärte der Kläger u. a.:
"Eine weitere Sachaufklärung erscheint somit bei den widerspruchsvollen Aussagen der verschiedenen Gutachter unumgänglich. Wir würden hierzu Prof. B..., H... vorschlagen, gegebenenfalls auch die Med. Univ. Klinik K..., Prof. Dr. K... und Dozent Dr. V..., von der dortigen spiro-ergometrischen Abteilung. Dabei erlauben wir uns darauf hinzuweisen, daß Prof. Dr. K... der Schöpfer der modernen Spiro-ergometrie ist.
Wir werden diesen Antrag nach § 109 SGG wiederholen, falls sich das Gericht unserer Auffassung verschließt."
Das Landessozialgericht (LSG) holte noch ein Aktengutachten des Oberregierungs- und Landesmedizinalrats Dr. W... in H... vom 12. Januar 1957 ein. In diesem Gutachten stellte Dr. W... zunächst fest, daß sich im bisherigen Verfahren zwei Gutachtergruppen gegenüberständen: Die Gutachter aus Norddeutschland beurteilten das Leiden des Klägers als Silikose II. Grades und führten das Lungenemphysem und die Herzbeeinträchtigung ursächlich auf jene Berufskrankheit zurück; die Gutachter aus dem Ruhrgebiet, Dr. B... und die bisher gehörten Gewerbeärzte seien dagegen zu einer geringeren Einstufung des Röntgenbefundes und zu einer Ablehnung des Zusammenhangs der anderen Leiden mit der Silikose gekommen. Dr. W... weist sodann auf die sehr erheblich größere Erfahrung der Gutachter der zweiten Gruppe auf dem Gebiet der Silikose hin und kommt unter ausführlicher Erörterung aller ihm vorliegenden Unterlagen zu dem Ergebnis, daß der Kläger an einer Silikose I. (bis II.) Grades, einem Lungenemphysem und einer Beeinträchtigung der Herzaktion leide. Das Lungenemphysem könne nach der von allen maßgeblichen Silikosekennern in Deutschland geteilten Lehrmeinung nicht als Folge einer so leichten Silikose angesehen werden; auch die Herzstörungen, deren Umfang nicht ganz klar sei, seien in keinen ursächlichen Zusammenhang mit der Silikose zu bringen. Dr. W... fährt dann fort: "Die Silikose allein würde von sich aus noch nicht Rückwirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit zeitigen. Zusammen mit dem Emphysem und dem Herzbefund kann jedoch angenommen werden, daß der Silikose des R. ein ungünstiger Einfluß auf die Leistungsfähigkeit des R. zukommt. Eine genaue Abgrenzung der einzelnen Komponenten in ihren Auswirkungen ist nicht möglich."
Im Juni 1956 beschäftigten sich die Staatlichen Gewerbeärzte in einer Sitzung mit der Begutachtung von Silikosen mit geringer Minderung der Erwerbsfähigkeit. Dabei wurde folgende Richtlinie erarbeitet:
"2. Eine Silikose, der wegen gleichzeitiger unabhängig von ihr vorliegender Erkrankung mit ähnlichen Rückwirkungen auf die Leistungsfunktion von Atmung oder Kreislauf nur eine Teilursache der objektiv nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigung zugesprochen werden kann, bedingt je nach ihrem Ausbildungsgrad die Anerkennung einer Erwerbsminderung von 20 - 40 %."
Ich erkenne bei R. eine entschädigungspflichtige Berufskrankheit im Sinne der Ziffer 27 a an. R. leidet an einer leicht- bis mittelgradigen Silikose, die in der Schichtaufnahme vereinzelt periphocale Emphysemmäntel erkennen läßt. Dieser Silikose kann - neben einem Altersemphysem und einem selbständigen Herzschaden - der Wert einer Teilursache der objektiv nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigung zugesprochen werden. Die Erwerbsminderung des R. durch die Silikose schätze ich auf 30 %."
Diesem Gutachten entsprechend schlug das LSG den Parteien zunächst eine vergleichsweise Erledigung der Sache vor, auf die der Kläger einzugehen bereit war, während die Beklagte den Vergleich unter Einreichung einer weiteren gutachtlichen Stellungnahme der Ärzte Dr. S... und Dr. T... vom Krankenhaus B... II in G... -B... vom 31. März 1958 ablehnte. Die genannten Ärzte weisen in dieser Stellungnahme darauf hin, daß sie hinsichtlich des Befundes und der Beurteilung an sich mit Dr. W... voll übereinstimmten. Sie bestreiten jedoch die Gültigkeit der den mit der Silikose klinisch befaßten Ärzten unbekannten Richtlinien der Gewerbeärzte aus dem Jahre 1956 bzw halten ihre Auslegung durch Dr. W... für unrichtig. Auch die Gewerbeärzte seien offenbar davon ausgegangen, daß eine Silikose als Teilursache soweit fortgeschritten sein müsse, daß sie Rückwirkungen auf die Leistungseinschränkung von Atmung oder Kreislauf zu verursachen vermöge. Eine andere Auslegung der Sitzungsergebnisse der Staatlichen Gewerbeärzte sei ohne Änderung der Berufskrankheitenverordnung nicht möglich. Dr. W... habe selbst erklärt, daß die bei R. vorliegende Silikose von sich aus keine Funktionsausfälle verursache. Nach dieser Feststellung sei man aber nicht berechtigt, für die Silikose des R. eine Entschädigungspflicht anzunehmen. Wenn die Silikose keine Funktionsausfälle und keine Komplikationen wie Emphysem oder Herzmuskelschaden verursachen könne, dann würde die körperliche Leistungsfähigkeit eben allein durch das unabhängig bestehende Emphysem und den schweren Herzmuskelschaden mit dem Vorhofflattern verursacht. Sie kamen zu der Auffassung: "Die bei R. vorliegende Leistungsschwäche wird mit der als konstitutionell-anerkannten Lungenblähung und dem Herzmuskelschaden mit Vorhofflattern, weiches immer zu schweren Kreislaufstörungen führt, hinreichend erklärt. Die I. (bis II.)-gradigen Steinstaubveränderungen sind dabei nach unseren derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnissen nicht als Ursache oder als Teilursache der bei R. bestehenden Leistungseinschränkung anzusehen."
Das LSG schließt sich in seinem Urteil unter ausführlicher Würdigung der einzelnen Unterlagen der von Dr. B... vertretenen Auffassung an und stellt danach als ihm gewiß fest, daß der Kläger an einer geringen, mäßigen, also leichtgradigen Staublungenerkrankung leide und daß weder das Lungenemphysem noch die Herzveränderungen (die sich am linken Herzen abspielten) damit zusammenhingen. Die Silikoseveränderungen vermöchten erfahrungsgemäß keine Rückwirkungen auf die Leistungsfähigkeit des Klägers auszuüben und demnach auch keine Entschädigungspflicht der Beklagten zu rechtfertigen. Es fährt dann fort: "Der Senat vertritt diese Auffassung nach sorgfältiger Abwägung auch gegenüber dem Entschädigungsvorschlag Dr.W..., und zwar in Übereinstimmung mit den überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S... und Dr. T…, vom 31. März 1958. Zutreffend weisen die Genannten darauf hin, daß die Erwägungen Dr. W... nicht schlüssig sind. Da auch Dr. W... zu der Feststellung gelangt ist, daß die Silikose beim Kläger ihres geringen Ausmaßes wegen ungeeignet ist, die Leistungsfähigkeit der Atmungs- und Kreislauforgane herabzusetzen, und weder die Ursache der Lungenblähung bzw. ihrer Verschlimmerung noch des Herzschadens beim Kläger sein kann, gibt es folgerichtig keinen Grund für die Bejahung einer entschädigungspflichtigen Staublungenerkrankung. Für eine Silikose als "Teilursache körperlicher Ausfallerscheinungen" ist nun einmal Voraussetzung, daß die Silikose überhaupt Rückwirkungen erzeugt".
Der Kläger hat gegen das ihm am 25. Juli 1958 zugestellte Urteil die vom LSG nicht zugelassene Revision unter Antragstellung am 23. August 1958 eingelegt und nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist am 13. Oktober 1958 begründet. Er rügt Verletzung formellen Rechts (§§ 103, 106, 109, 128, 123 des Sozialgerichtsgesetzes -SGG-).
Er habe in seiner Berufungsbegründung bei dem LSG einen Antrag nach § 109 SGG gestellt; diesem Antrag sei nicht entsprochen worden.
Die Berufungsrichter hätten sich durch ihre Absicht, sich dem "Parteigutachten" der Ärzte Dr. S... und Dr. T... anzuschließen, dazu gedrängt fühlen müssen, nach § 106 Abs. 1 SGG den Kläger zu befragen, ob er seinen Antrag nach § 109 SGG aufrechterhalte.
Das Gericht habe weiter dadurch, daß es, ohne eine ausführliche Auseinandersetzung der übrigen Gutachter mit der gegenteiligen Ansicht des Dr. B... herbeizuführen, entschieden habe, seine eigene Meinung an die Stelle der Gutachter gesetzt.
Schließlich hält der Kläger die Revision auch nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG für zulässig, da es sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (11/9 RV 992/55 vom 18. Dezember 1957) um die Anwendung der sogenannten Kausalitätsnorm auch dann handele, wenn darüber zu entscheiden sei, ob z. B. durch den Wehrdienst ein schon vorher bestehendes Leiden verschlimmert worden sei, ob der Wehrdienst also neben dem vordienstlichen Leiden für den Erfolg eine wesentliche Bedingung gewesen sei. Nach dem Gutachten Dr. W... (vom 12. November 1957) sei jedoch die Silikose - entgegen der Auffassung der Vorderrichter - als eine Teilursache der objektiv nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigung anzusehen.
Der Kläger beantragt in erster Linie,
die Sache unter Aufhebung des Berufungsurteils an das LSG zurückzuverweisen,
hilfsweise,
unter Aufhebung der Vorurteile dem Klageantrag entsprechend zu entscheiden
und der Beklagten die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Beklagte beantragt demgegenüber Zurückweisung der Revision.
Sie verneint das Vorliegen eines ordnungsmäßigen Antrags nach § 109 SGG; selbst wenn ein solcher Antrag gestellt sein sollte, habe der Kläger in der Berufungsinstanz noch bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung darauf zurückkommen können, so daß er zu einer Rüge dieses Verfahrensmangels in der Revisionsinstanz nicht mehr berechtigt sei.
Die Sachaufklärung und die Beweiswürdigung seien ebenfalls ausreichend und zutreffend gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist form- und fristgemäß unter Antragstellung eingelegt und begründet worden. Da sie vom LSG nicht zugelassen ist, wäre sie nur statthaft, wenn entweder ein Fall des § 162 Abs. 1 Nr. 2 oder ein Fall der Nr. 3 SGG vorläge.
Soweit sich die Rügen des Klägers mit dem Verfahren und der Urteilsbegründung des SG befassen, können sie schon deshalb nicht durchgreifen, weil § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG sich nur auf Verfahrensverstöße des LSG bezieht.
Gegenüber dem LSG rügt der Kläger zunächst eine Verletzung des § 109 SGG. Tatsächlich hat er jedoch bereits nach seinem eigenen Vortrag bei dem LSG keinen ordnungsmäßigen Antrag auf Anhörung eines bestimmten Arztes gestellt. In der Berufungsbegründungsschrift beantragte er zur weiteren Sachaufklärung die Einholung eines weiteren Gutachtens und schlug dafür dem LSG drei verschiedene Ärzte vor; diesem Vorschlag fügte er die Ankündigung an, er werde diesen Antrag nach § 109 SGG wiederholen, falls sich das Gericht seiner Auffassung verschließe. Mit diesem Schlußsatz war hiernach nicht - wie der Kläger jetzt geltend macht - bereits hilfsweise ein Antrag nach § 109 SGG gestellt; dazu fehlte ihm insbesondere das zwingende Erfordernis der Benennung eines bestimmten Arztes, denn die Benennung von drei Ärzten zur Auswahl kann nicht als Benennung eines bestimmten Arztes im Sinne des § 109 SGG angesehen werden. Es war lediglich ein späterer Antrag für den Fall in Aussicht gestellt, daß das LSG der Anregung zu weiterer Nachprüfung nicht von Amts wegen entsprechen werde.
Gerade dies aber hat das LSG getan, indem es noch ein Gutachten von dem Oberregierungs- und Gewerbemedizinalrat Dr. W... einholte; damit entsprach es insoweit der Anregung des Klägers zu einer weiteren Sachaufklärung, womit jener Antrag sich erledigte.
Nachdem der Versuch einer vergleichsweisen Erledigung der Streitsache entsprechend der Anregung des LSG infolge der Ablehnung der Beklagten gescheitert war und diese zur Begründung ihres Standpunktes ein weiteres Gutachten der Ärzte Dr. S... und Dr. T... des Krankenhauses B... II in G... -B... eingereicht hatte, das dem Kläger acht Wochen vor dem Verhandlungstermin zur Kenntnis und Stellungnahme überlassen worden war und nachdem die gesamten Gutachten zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung am 28. Juni 1960 gemacht worden waren, wäre es allein Sache des Klägers gewesen, von sich aus zumindest hilfsweise einen Antrag nach § 109 SGG in der mündlichen Verhandlung zu stellen, falls er dies noch für notwendig ansah. Für das Gericht bestand entgegen der Auffassung des Klägers kein Anlaß, den Beteiligten gegenüber vorweg zu erklären, welchem Gutachten es sich zuneige.
Auch soweit der Kläger die Verletzung des § 128 SGG rügt, kann er damit keinen Erfolg haben. Wie das Bundessozialgericht in ständiger Rechtsprechung klargestellt hat, steht die Beweiswürdigung grundsätzlich dem Tatsachengericht allein zu. Nur dann, wenn dieses bei seiner Würdigung die ihm gesteckten Ermessensgrenzen überschreitet, liegt eine Verletzung des § 128 SGG vor. Wenn jedoch, wie im vorliegenden Fall, die verschiedenen Gutachten zu unterschiedlichen Ergebnissen kommen, liegt es durchaus im zulässigen Ermessen des Tatsachengerichts, sich aus eigener Überzeugung für eine jener Meinungen zu entscheiden, wenn diese nur in sich schlüssig und begründet ist. Das LSG ist im vorliegenden Fall hinsichtlich der Bewertung des Schweregrades der Silikose und hinsichtlich der Frage, ob diese Silikose eine meßbare Rückwirkung auf die Leistungsfähigkeit des Klägers hervorgerufen hat sowie hinsichtlich der weiteren Frage, ob die neben der Silikose bestehenden Leiden (Lungenemphysem und Herzleiden) von jener ursächlich abhingen, derjenigen Gruppe von Gutachten gefolgt, die eine nennenswerte Beeinträchtigung der Erwerbsfähigkeit des Klägers durch die Silikose verneint. Es hat diese Entscheidung eingehend und unter Abwägung der von den anderen Gutachtern ausgeführten Darlegungen begründet. Es hat sich hiermit insoweit durchaus im Rahmen seines Ermessens gehalten, da die Gutachten, denen es sich angeschlossen hat, in sich schlüssig und begründet sind.
Schließlich rügt der Kläger eine Verletzung des Gesetzes bei der Beurteilung des ursächlichen Zusammenhangs seiner Gesundheitsstörungen mit seiner Silikose; diese sei nach dem Gutachten von Dr. W..., dem entgegen der Auffassung des LSG zu folgen sei, eine Teilursache - und damit eine wesentliche Bedingung - der objektiv nachweisbaren Funktionsbeeinträchtigungen.
Wenn der Kläger mit dieser Rüge die Feststellung des LSG angreifen will, daß zwischen der Silikose und dem weiteren Leiden des Klägers (insbesondere seinem Lungenemphysem und seinem Herzleiden) kein ursächlicher Zusammenhang im medizinisch-naturwissenschaftlichen Sinne bestehe, so verkennt er, daß es sich bei dieser Feststellung um eine Tatsachenfeststellung handelt und daß diese Rüge daher nur dann schlüssig wäre, wenn sich zuvor die vom LSG in dieser Hinsicht getroffenen Feststellungen durch eine zulässige und begründete Rüge gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG als mit einem wesentlichen Verfahrensmangel behaftet erwiesen hätten, da das erkennende Gericht andernfalls nach § 163 SGG an die in dem angefochtenen Urteil getroffenen Tatsachenfeststellungen gebunden ist. Wie bereits dargelegt, greifen jedoch die in dieser Hinsicht erhobenen Rügen nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht durch. Dann kann aber unter Zugrundelegung jener Feststellung auch, keine Verletzung der Kausalitätsnorm darin erblickt werden, daß das LSG die Silikose nicht als wesentliche Bedingung für die übrigen Leiden angesehen hat.
Die Rüge nach § 162 Abs. 1 Nr. 3 SGG greift aber auch insoweit nicht durch, als damit etwa gemeint ist, daß das LSG es unterlassen habe, die Vorbeschränkung des Klägers durch von der Silikose unabhängige Krankheiten zu berücksichtigen (vgl. BSG 9, 104 ff), und daß hierin eine Verletzung der Kausalitätsnorm zu erblicken sei.
Erste Voraussetzung für die Berücksichtigung einer Vorbeschränkung mit dem daraus resultierenden Ansatz eines höheren Hundertsatzes für die Unfall- bzw. Berufskrankheitsfolgen, als dies ohne die Vorbeschränkung der Fall wäre, ist, daß der Unfall bzw. die Berufskrankheit überhaupt eine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Versicherten herbeigeführt hat. Das LSG hat das Gutachten des Dr. W..., das als einziges zu entsprechenden Überlegungen Anlaß geben könnte, auf Grund der darin eindeutig ausgesprochenen Ansicht dahingehend ausgelegt, daß auch nach Auffassung des Dr. W... die Silikose überhaupt keine Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers verursacht habe. Diese Auslegung, die vom Kläger mit seiner Rüge gleichzeitig auch als Beweiswürdigungsverstoß nach § 162 Abs. 1 Nr. 2 SGG gerügt angesehen werden muß, ist jedoch durchaus vertretbar und verstößt nicht gegen Denk- und Erfahrungssätze. Sie mußte das LSG dann allerdings auch dazu führen, die von Dr. W... trotzdem am Ende seines Gutachtens vorgeschlagene Rentengewährung entsprechend dem Gutachten des Krankenhauses B... II als unlogisch und dem sonstigen Gutachten widersprechend anzusehen. Unter diesen Umständen ist auch in der Nichtberücksichtigung der Silikose als "Teilursache" kein Verstoß gegen die Kausalitätsnorm zu erblicken.
Die Revision war daher, weil sie sich bereits nicht als statthaft erwies, als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen