Leitsatz (amtlich)
1. Die Entschädigungsansprüche nach dem Dritten Buch der RVO für die Folgen eines Unfallereignisses sind nach BVG § 54 nur ausgeschlossen, wenn dasselbe tatsächliche Ereignis rechtlich zugleich ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung und eine gesundheitsschädigende Einwirkung iS des BVG § 1 ist und sich in der Zeit vom 1942-01-01 bis zum 1945-05-08 zugetragen hat.
2. RVO § 541 Nr 9 Fassung: 1943-04-16 ist spätestens mit dem Inkrafttreten des BVG am 1950-10-01 außer Kraft getreten.
Normenkette
RVO § 541 Nr. 9 Fassung: 1943-04-16; BVG §§ 54, 1
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 5. Mai 1959 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Gründe
I
Die Klägerin beansprucht Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung (UV). Sie ist der Auffassung, der Tod ihres am 27. Oktober 1951 verstorbenen Ehemannes Kurt G. sei die Folge eines Unfalls auf dem Wege zur Arbeit am 19. Oktober 1951.
Der Ehemann der Klägerin war im Jahre 1942 durch einen Oberschenkelsteckschuß verwundet worden. Er bezog Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) auf Grund einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 70 v. H.. Als Schädigungsfolgen waren anerkannt: Totalversteifung des linken Hüftgelenks, praktisch totale Versteifung des linken Kniegelenks mit schwerer Gangstörung.
Im Jahre 1951 war der Ehemann der Klägerin als Werkmeister in einer Fabrik in Frankfurt/Main beschäftigt, die der Beklagten als Mitglied angehört. Diese Firma erstattete am 29. Oktober 1951 eine Unfallanzeige, in der angegeben ist, der Ehemann der Klägerin sei am 19. Oktober 1951 auf dem Wege zur Arbeit beim Einsteigen in eine Straßenbahn mit dem rechten Bein abgerutscht und habe sich dabei das linke Bein beschädigt. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. W, dem G noch am Morgen des Unfalltages vorgestellt wurde, stellte die Diagnose Distorsion des linken Kniegelenks und entließ G in die kassenärztliche Behandlung des praktischen Arztes Dr. D. Dieser überwies ihn am 23. Oktober 1951 in das Alice-Hospital in Darmstadt. Dort verstarb G nach Verlegung auf die Innere Abteilung am 27. Oktober 1951.
Die Beklagte veranlaßte eine Leichenöffnung. Über deren Ergebnis erstatteten Prof. Dr. Sch und Assistenzarzt Dr. P (Pathologisch-bakteriologisches Institut der Städtischen Krankenanstalten Darmstadt) ein Gutachten vom 30. Januar 1952, aus dem sich ua ergibt, daß als Erreger der tödlichen Sepsis aus Leichenblut und -organen Paratyphus-B-Bazillen gezüchtet werden konnten. Die Gutachter fassen ihre Auffassung dahin zusammen, daß die zum Tode führende Sepsis mittelbar durch den Unfall ausgelöst worden sei im Sinne einer unfallbedingten mechanischen Provokation eines alten Kriegsleidens.
Der Vertrauensarzt des Versorgungsamts (VersorgA) Darmstadt Dr. T vertrat in einer Stellungnahme vom 19. März 1952 folgende Auffassung: Wie es zur Ansiedlung der Paratyphus-B-Bazillen im Bereich der Verwundung gekommen sei, sei ungeklärt. Durch die chronische Knochenmarkseiterung sei es zum Erlahmen der Abwehrkräfte gekommen. Es hätte deshalb nur noch des letzten Anstoßes durch den Unfall bedurft, um eine Blutvergiftung herbeizuführen. Insofern sei der Unfall eine Gelegenheitsursache und bedeute keine wesentliche Teilursache. Die wesentliche Ursache für das Ableben sei das Darniederliegen der Abwehrkräfte gewesen. Das VersorgA Darmstadt hat daraufhin den Tod als Folge einer Schädigung im Sinne des § 1 BVG anerkannt, weil die Paratyphus-B-Sepsis, die von der Knochenmarkseiterung ausgegangen sei, in ursächlichem Zusammenhang mit dem Schädigungsleiden stehe.
Die Beklagte leitete daraufhin die Akten nochmals den Sachverständigen Prof. Dr. Sch und Dr. P zur Stellungnahme zu. Diese haben sich in einem weiteren ausführlichen Gutachten vom 29. September 1952 geäußert.
Die Beklagte lehnte die Entschädigungsansprüche der Klägerin durch Bescheid vom 30. Oktober 1952 ab, weil der Tod nicht Folge eines Arbeitsunfalls sei. In der ausführlichen Begründung des Bescheides ist ua ausgeführt, der Ehemann der Klägerin habe nur infolge der durch die Kriegsbeschädigung verursachten schweren Gangstörung zum Ausrutschen kommen können, so daß nicht die Beklagte, sondern das VersorgA zu entschädigen habe. Es sei auch nicht erwiesen, ob der Ehemann der Klägerin mit dem gesunden oder dem kriegsbeschädigten Bein ausgerutscht sei. Es bestehe auch die Möglichkeit, daß die Verschlimmerung des Versorgungsleidens aus sich selbst entstanden sei.
Gegen diesen Bescheid hat die Klägerin beim Oberversicherungsamt (OVA) Darmstadt Berufung eingelegt. Dieses Rechtsmittel ist nach Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) als Klage auf das Sozialgericht (SG) Darmstadt übergegangen (§ 215 Abs. 2 und 4 SGG).
Das SG hat den Angestellten Jean S, in dessen Wohnung der Ehemann der Klägerin während der Woche ein möbliertes Zimmer bewohnte, sowie den Zeugen N, der das Verbandsbuch geführt hat, und den Vorarbeiter T, dem der Ehemann der Klägerin von dem Unfall erzählt hatte, als Zeugen vernommen. Durch Urteil vom 24. Oktober 1958 hat das SG den Bescheid der Beklagten aufgehoben und die Beklagte verurteilt, den Tod des Kurt G durch den Wegeunfall vom 19. Oktober 1951 als wesentliche Mitursache anzuerkennen und die hiernach zuständige Witwenrente gemäß § 588 Reichsversicherungsordnung (RVO) zu gewähren.
Das SG hat als erwiesen angesehen, daß die vom Durchgangsarzt am linken Kniegelenk festgestellten Verletzungen durch das Abgleiten vom Straßenbahntrittbrett verursacht worden seien, wobei es unerheblich sei, ob der Ehemann der Klägerin mit dem rechten oder linken Bein abgeglitten sei, denn in jedem Falle habe eine übermäßige Belastung eintreten können. Das SG ist zu dem Ergebnis gekommen, daß der Ehemann der Klägerin ohne das Unfallereignis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit noch mindestens ein Jahr länger gelebt hätte.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte Berufung beim Hessischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Zur Begründung hat sie ua vorgetragen, zu dem Abrutschen habe es nur infolge der Gangbehinderung kommen können, so daß der Unfall eine mittelbare Folge des Kriegsschadens sei und der Vorgang nicht als selbständiger Versicherungsfall angesehen werden könne. Außerdem leide das Verfahren des SG insofern an einem wesentlichen Mangel, als das SG die Akten des VersorgA nicht beigezogen und das VersorgA nicht beigeladen habe.
Das LSG hat die Akten des VersorgA Darmstadt und ein weiteres Gutachten des Pathologischen Instituts der Universität Heidelberg beigezogen, das unter dem 23. Februar 1959 von Prof. Dr. R und Dr. A. P erstattet worden ist.
Das LSG hat durch Urteil vom 5. Mai 1959 die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG als unbegründet zurückgewiesen und die Revision zugelassen.
Zur Begründung hat das LSG ua ausgeführt: Die Voraussetzungen für eine notwendige Beiladung des Landes Hessen ( LandesVersorgA ) nach § 75 Abs. 2 SGG sei nicht gegeben. Eine Beiladung nach § 75 Abs. 1 SGG wäre möglich, liege jedoch im Ermessen des Gerichts. Die Beklagte bestreite, daß ein Arbeitsunfall vorliege, weil der Unfall ausschließlich Folge des Kriegsschadens gewesen sei. Zwischen einem Arbeitsunfall (§§ 542, 543 RVO) und der versicherten Tätigkeit müsse ein innerer ursächlicher Zusammenhang bestehen. Dieser fehle, wenn der Unfall ausschließlich in einer bereits vorhandenen Gesundheitsstörung seine Ursache habe und frei von betrieblichen Einflüssen sei. Hier habe das Ausrutschen beim Einsteigen zu einer Stauchung des vorgeschädigten linken Beines geführt und damit eine wesentliche Teilursache für den Tod gebildet. Es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Ausrutschen ausschließlich Folge des Kriegsleidens gewesen sei. Derartige Unfälle beim Einsteigen in die Straßenbahn seien bei völlig Gesunden keineswegs ungewöhnlich. Auch sei der Ehemann der Klägerin durchaus noch in der Lage gewesen, seinen Dienst als Werkmeister zu versehen, und sei täglich ohne Stock zum Dienst gegangen und habe auch die drei Treppen zu seinem Mietzimmer ohne Schwierigkeiten hinaufgehen können. Es möge zutreffen, daß die Totalversteifung des linken Beines zu dem Unfall mit beigetragen habe. Man könne aber auch dem Vorgang des Einsteigens in die Straßenbahn und dem unmittelbar damit in Zusammenhang stehenden Abrutschen die Rolle einer wesentlichen mitwirkenden Teilursache nicht absprechen. Das Abrutschen sei ein plötzliches unvorhergesehenes von außen kommendes schädigendes Ereignis, das den Tatbestand eines Unfalls erfülle. Da die schädigende Einwirkung auf einem Arbeitsweg erfolgt sei, habe das SG mit Recht einen Wegeunfall im Sinne des § 543 RVO bejaht. Nach der Auffassung aller gehörten Pathologen sei der Unfall neben der Kriegsschädigung eine wesentlich mitwirkende Teilursache für den Tod. Denn durch ihn seien die Bazillen, die sich im Bereich der Schußverletzung angesiedelt hatten, mobilisiert worden. Durch den Unfall sei auch die vermutliche Lebensdauer um ein Jahr verkürzt worden, so daß der Tod sowohl als mittelbare Folge der Schußverletzung als auch des Unfalls angesehen werden müsse. Die Auffassung des Dr. T sei durch die Gutachten der Pathologen hinreichend wiederlegt und entbehre außerdem einer ausreichenden Begründung. Der Anspruch der Klägerin entfalle auch weder nach § 541 Ziff. 9 RVO noch nach § 54 BVG. Beide Vorschriften bezögen sich nur auf Unfälle, die gleichzeitig ein Arbeitsunfall und eine Kriegsschädigung seien. Hier sei die Kriegsschädigung im Jahre 1942 erfolgt und das schädigende Ereignis sei nicht zugleich eine Schädigung im Sinne des § 1 BVG. Es handele sich um zwei selbständige Kausalreihen. Inwieweit das Land Hessen berechtigt sei, die Versorgungsbezüge nach § 65 BVG zum Ruhen zu bringen, sei im vorliegenden Verfahren nicht zu entscheiden. Die Revision werde wegen der Grundsätzlichkeit der Frage zugelassen, ob der Begriff "schädigende Einwirkung" im Sinne des § 54 BVG sich nur auf eine unmittelbare Einwirkung und nicht zugleich auch auf mittelbare Folgen einer solchen beziehe.
Die Beklagte, die den Empfang des Urteils des LSG unter dem 16. Mai 1959 bestätigt hat, hat am 6. Juni 1959 gegen das Urteil Revision eingelegt mit dem Antrag,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Urteils des SG Darmstadt die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
das angefochtene Urteil mit den ihm zugrunde liegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen.
Am 18. Juli 1959 hat die Beklagte die Revision begründet.
Zur Begründung führt die Beklagte ua aus: Es müsse zunächst geprüft werden, ob die Gesundheitsstörungen in Gestalt der Versteifungen und Gangstörungen noch als gesundheitsschädigenden Einwirkungen im Sinne des § 54 BVG anzusehen seien. Die zum Tode führende Gesundheitsstörung wäre in diesem Fall sowohl auf eine Schädigung im Sinne des § 54 BVG als auch auf einen Arbeitsunfall zurückzuführen, so daß die Versorgungsbezüge nach § 65 Abs. 1 Ziff 1 BVG ruhten. Andernfalls griffe weder § 54 BVG noch § 65 BVG ein, so daß beide Renten in voller Höhe gezahlt werden müßten. Nach dem LSG-Urteil sei hier der Kriegsbeschädigte an den Folgen seiner Kriegsbeschädigung und an seinem auf diese Kriegsbeschädigung zurückzuführenden Arbeitsunfall verstorben. Nur in seltenen Fällen werde der Jahresarbeitsverdienst (JAV) infolge der Kriegsbeschädigung sehr niedrig sein. Die Beklagte könne sich nicht vorstellen, daß zwei Renten an Hinterbliebene gezahlt werden müßten. Derartige Probleme gäbe es auch innerhalb der Unfallversicherung, zB wenn jemand nach einem Arbeitsunfall später einen zweiten Unfall erleidet, der denselben Körperteil betreffe. Es könne auch der Fall eintreten, daß der zweite Arbeitsunfall zum Tode führe, der erste Unfall aber eine Mitursache für den Tod sei. Das Problem sei, ob der Tod eines Versicherten auf zwei wesentlich mitwirkenden Ursachen beruhen könne oder ob vielmehr immer nur eine Ursache als rechtlich wesentlich in Frage komme. Es entspreche durchaus der Lebenserfahrung, daß ein so behinderter Mensch im Verkehr und vor allem auch beim Besteigen einer Straßenbahn viel eher einen Unfall erleiden könne als ein gesunder Mensch. Es sei deshalb zu prüfen, ob die Wahrscheinlichkeit dafür, daß das Ausrutschen seine Ursache lediglich in der Wehrdienstbeschädigung habe, nicht weitaus größer sei und deshalb vom LSG seiner Entscheidung hätte zugrunde gelegt werden müssen. Das Besteigen der Straßenbahn sei lediglich so etwas wie eine Gelegenheitsursache. Es werde auf die Rechtsprechung zu Bandscheibenschäden nach harmlosen Unfallereignissen hingewiesen.
Die Klägerin beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
II
Die Revision der Beklagten ist zulässig, jedoch nicht begründet.
Die Rügen der Beklagten, die das Verfahren betreffen, sind auch insoweit unbegründet, als sie sich auf das Verfahren des LSG beziehen. Die Rüge, die Akten des VersorgA seien nicht beigezogen worden, ist dadurch gegenstandslos, daß das LSG diese Akten beigezogen und verwertet hat. Die Rüge, daß weder das SG noch das LSG das Land Hessen (vertreten durch das LandesversorgA Hessen) beigeladen haben, ist unbegründet. Es liegt kein Fall der notwendigen Beiladung (§ 75 Abs. 2 SGG) vor. Die Ansprüche nach dem 3. Buch der RVO und die Ansprüche nach dem BVG beruhen zwar auf demselben tatsächlichen Sachverhalt. Für die Entscheidung über den Unfallanspruch und den Anspruch nach dem BVG sind jedoch verschiedenartige rechtliche Gesichtspunkte maßgebend, so daß auch durchaus verschiedene Entscheidungen möglich sind. Es handelt sich auch nicht um den Fall, daß bei Ablehnung des Unfallanspruchs ein Anspruch nach dem BVG gegeben sein würde oder umgekehrt. Der BVG-Anspruch ist bereits bindend anerkannt. Im vorliegenden Verfahren ist nur darüber zu entscheiden, ob ein Anspruch aus der gesetzlichen UV besteht oder ggf. durch das Bestehen des anerkannten BVG-Anspruchs ausgeschlossen ist. Eine Beiladung des LVersorgA hätte nur auf § 75 Abs. 1 SGG gestützt werden können. Daß weder das SG noch das LSG eine solche Beiladung für erforderlich gehalten haben, ist kein wesentlicher Verfahrensmangel.
Das LSG hat als erwiesen angesehen, daß der Ehemann der Klägerin am 19. Oktober 1951 beim Besteigen der Straßenbahn ausgerutscht ist und daß dieser Vorgang zu einer Stauchung des durch die Schußverletzung geschädigten linken Beins geführt hat. Diesen Vorgang hat das LSG ohne Rechtsirrtum als einen Arbeitsunfall (§ 543 Abs. 1 RVO aF) angesehen. Die Rügen der Revision hiergegen sind unbegründet, insbesondere besteht kein "Erfahrungssatz", daß bei einem durch eine Kriegsbeschädigung Gehbehinderten ein solcher Vorgang nur eine Folge der Gehbehinderung sein könne. Dem steht schon die Erfahrung des täglichen Lebens entgegen, daß - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - auch Personen, die voll gehfähig sind, beim Einsteigen oder Aussteigen ausrutschen und Unfälle erleiden. Das LSG hat mit Recht das Besteigen der Straßenbahn als eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Eintritt des Unfallereignisses angesehen. Da der Ehemann der Klägerin mit der Straßenbahn zur Arbeit fahren wollte, stand das Unfallereignis mit einer versicherten Tätigkeit, dem Zurücklegen des Weges zur Arbeit, in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang.
Nach den Feststellungen des LSG - die von der Revision nicht mit wirksamen Rügen angegriffen sind - hatten die Auswirkungen der Stauchung des kriegsverletzten Beins zur Folge, daß die im Hüftgelenk angesiedelten Bazillen in "Bewegung" gerieten, die Blutbahn überschwemmten und zu der katastrophalen Sepsis führten. Weiterhin hat das LSG als erwiesen angesehen, daß ohne das Unfallereignis oder ein Ereignis von ähnlicher Bedeutung der Körper wahrscheinlich die angesiedelten Bazillen unter Kontrolle behalten und im Laufe der Zeit die Bazillenansiedlung überwunden hätte. Daraus und aus dem Gesundheitszustand des Ehemannes der Klägerin, wie er bei der Leichenöffnung festgestellt worden ist, hat das LSG den Schluß gezogen, daß der Ehemann der Klägerin ohne das Unfallereignis wie bisher arbeitsfähig geblieben wäre und noch mindestens ein Jahr gelebt hätte.
Bei diesem Sachverhalt hat das LSG ohne Rechtsirrtum die Auswirkungen des Unfallereignisses als eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Tod des Ehemannes der Klägerin gewertet.
Dem steht nicht entgegen, daß andererseits das VersorgA die im Zeitpunkt des Unfalls noch bestehenden Auswirkungen der Verwundung vom Jahre 1942 gleichfalls als eine rechtlich wesentliche Teilursache für den Tod des Ehemannes der Klägerin angesehen hat. Entgegen der Auffassung der Revision sind beide Rechtsauffassungen miteinander vereinbar. Die Revision verkennt, daß von den zahlreichen Ursachen im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne, deren Zusammenwirken das Eintreten eines Ereignisses zur Folge hat, mehrere rechtlich wesentlich sein können. Für die Entscheidung über den Anspruch aus der gesetzlichen UV kommt es in einem solchen Fall nur darauf an, ob die für das Unfallrecht bedeutsame Teilursache zu den rechtlich wesentlichen Ursachen gehört.
Der Tod des Ehemannes der Klägerin ist, vom Standpunkt des Unfallrechts aus betrachtet, die Folge eines Arbeitsunfalls, so daß grundsätzlich Anspruch auf Hinterbliebenenentschädigung aus der gesetzlichen UV besteht.
Dieser Anspruch ist auch nicht durch § 541 Nr. 9 RVO aF ausgeschlossen.
Diese Nr. ist durch die Verordnung vom 16. April 1943 (RGBl I S. 267) rückwirkend vom 1. Januar 1942 an in die RVO eingefügt worden. Bis dahin waren zwar Personengruppen, die bei Unfällen während ihrer dienstlichen Tätigkeit Anspruch auf Versorgung hatten, für diese dienstliche Tätigkeit von der gesetzlichen UV ausgenommen ("versicherungsfrei"), so daß sie keine Ansprüche nach den Vorschriften der gesetzlichen UV auf Entschädigung für die Folgen derartiger Unfälle hatten (vgl. § 554 Nr. 1 der RVO in der bis zum 31. Dezember 1941 geltenden Fassung, § 541 Nr. 2 der RVO in der am 1. Januar 1942 in Kraft getretenen Fassung nach dem 6. Änderungsgesetz (ÄndG). Dagegen gab es im Recht der gesetzlichen UV keine Vorschriften, die für den Fall des Zusammentreffens von Ansprüchen nach dem 3. Buch der RVO und nach Versorgungsrecht den unfallrechtlichen Anspruch ausschlossen oder einschränkten. Nur das Versorgungsrecht enthielt Vorschriften für den Fall, daß der durch eine Körperverletzung oder Tötung verursachte Schaden gleichzeitig Ansprüche nach dem 3. Buch der RVO und nach Versorgungsrecht begründete (vgl. zB §§ 63, 64 des Reichsversorgungsgesetzes, §§ 99 a, 121 a des Wehrmachtfürsorge- und -versorgungsgesetzes vom 26. August 1938, § 9 der Personenschädenverordnung vom 1. September 1939/10. November 1940). Diese Vorschriften stimmten aber im Grundsatz darin überein, daß der Anspruch nach dem 3. Buch der RVO unberührt blieb und nur der Versorgungsanspruch eingeschränkt wurde, indem er in solchen Fällen in Höhe der Leistungen der Unfallversicherung ruhte. Schon die Personenschädenverordnung (§ 19) hatte allerdings den UV-Trägern einen Erstattungsanspruch eingeräumt. Mit Rücksicht darauf, daß grundsätzlich alle Deutschen zum Dienst für die Zwecke des Krieges verpflichtet waren, andererseits aber auch die Zivilbevölkerung in zunehmenden Maße von unmittelbaren Kriegseinwirkungen - insbesondere von Auswirkungen des Luftkrieges - betroffen wurde und infolgedessen die schädigenden Ereignisse durch solche Einwirkungen zunahmen, die rechtlich zugleich Arbeitsunfälle während der Arbeit oder auf den Wegen nach oder von der Arbeitsstätte waren, wurden die UV-Träger durch die neue Nr. 9 des § 541 RVO aF nunmehr rückwirkend für die Versicherungsfälle nach dem 31. Dezember 1941 durch den Wegfall der Ansprüche nach dem 3. Buch der RVO vollständig entlastet.
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, welche Bedeutung die Entwicklung des Versorgungsrechts in den ersten Jahren nach dem Zusammenbruch für die Geltung der Nr. 9 des § 541 RVO aF gehabt hat (vgl. hierzu zB Brackmann Handbuch der Soz.Vers. Bd. II Stand 2. u. 3. Nachtrag S. 479, 487 und auch Bayer. LVAmt. Amtsbl. 1949 S. 116, 1952 B S. 33). Nach der Auffassung des erkennenden Senats hat § 541 Nr. 9 RVO aF jedenfalls für Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen UV keine Bedeutung mehr, die, wie im vorliegenden Fall, nach dem Inkrafttreten des BVG am 1. Oktober 1950 eingetreten sind.
Die Nr. 9 des § 541 RVO aF ist schon ihrem Wortlaut nach auf Ansprüche nach dem BVG nicht anzuwenden. Der Bundesgesetzgeber hat auch durch das BVG die Wehrmachtversorgungsgesetze, auf die § 541 Nr. 9 RVO aF Bezug nimmt, aufgehoben (§ 84 Abs. 2 Nr. 2 BVG). Er hat aber den Wortlaut der Nr. 9 nicht verändert und auch später nur die Nr. 2 des § 541 RVO aF durch das Gesetz vom 27. Juli 1957 (BGBl I S. 1105) an das neue Recht angepaßt. Vor allem aber enthält das BVG nicht nur in § 65 eine dem früheren Recht etwa entsprechende Ruhensvorschrift für den Fall des Zusammentreffens von Unfall- und Versorgungsansprüchen, die wiederum nur die Ansprüche nach dem BVG berührt, vielmehr enthält § 54 BVG eine auch unmittelbar in das Recht des 3. Buches der RVO eingreifende Vorschrift. Sie schließt - entsprechend der durch die Nr. 9 des § 541 RVO aF geschaffenen Rechtslage - für Versicherungsfälle vom 1. Januar 1942 an einen Anspruch gegen den UV-Träger aus, beschränkt das jedoch ausdrücklich auf die Zeit bis zum 8. Mai 1945. Daraus ist nach der Auffassung des erkennenden Senats der Schluß zu ziehen, daß der Gesetzgeber durch § 54 BVG einerseits das Zusammentreffen von Ansprüchen aus der UV und der Versorgung für Versicherungsfälle vor dem 1. Januar 1942, wie bisher, nur durch die Ruhensvorschrift für die Versorgungsleistungen regeln, andererseits aber die vom 1. Januar 1942 an eingetretene Entlastung der UV-Träger nunmehr auf die Versicherungsfälle bis zum 8. Mai 1945 beschränken und von da an gleichfalls das Zusammentreffen von Leistungen nur durch die Ruhensvorschrift regeln wollte (vgl. hierzu auch Wilke Bundesversorgungsgesetz 1960 Anm. zu § 54; Verwaltungsvorschriften zum BVG in den Fassungen vom 31. August 1953 und 3. September 1958 zu §§ 54 und 65 BVG). Danach ist aber die Nr. 9 des § 541 RVO aF jedenfalls spätestens mit dem Inkrafttreten des BVG außer Kraft getreten, so daß sie für die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte auf Hinterbliebenenentschädigung wegen des durch den Arbeitsunfall vom 19. Oktober 1951 verursachten Todes ihres Ehemannes am 27. Oktober 1951 keine Bedeutung hat.
Der Anspruch der Klägerin ist auch, wie das LSG im Ergebnis zutreffend ausgeführt hat, nicht durch § 54 BVG ausgeschlossen. Der Wortlaut dieser Vorschrift kann nur einheitlich für beide Sätze ausgelegt werden, so daß aus dem zweiten Satz nicht die Folgerung abzuleiten ist, der Gesetzgeber habe in allen Fällen den Anspruch nach dem 3. Buch der RVO ausschließen wollen, wenn das schädigende Ereignis im Sinne des Versorgungsrechts im Zeitraum vom 1. Januar 1942 bis zum 8. Mai 1945 eingetreten war. Vielmehr ergibt sich aus dem 1. Satz auch nach der Auffassung des erkennenden Senats, daß § 54 BVG nur dann den Entschädigungsanspruch nach dem 3. Buch der RVO ausschließt, wenn dasselbe tatsächliche Ereignis zugleich ein Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen UV und eine gesundheitsschädigende Einwirkung im Sinne des Versorgungsrechts ist. § 54 BVG ist deshalb auf den vorliegenden Fall nicht anzuwenden, da der Versorgungsanspruch auf der Verwundung im Jahre 1942 und deren Folgen beruht, während die für den Unfallanspruch maßgebenden Ereignisse der Arbeitsunfall vom 19. Oktober 1951 und der durch ihn verursachte Tod des Ehemannes der Klägerin am 27. Oktober 1951 sind.
Die Neuregelung des Unfallrechts durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz (UVNG) ist für den Anspruch der Klägerin ohne Bedeutung, denn der neue § 541 Abs. 1 Nr. 2 RVO, der die Nrn. 2 und 9 des bisherigen § 541 RVO zusammenfaßt, gilt nur für Versicherungsfälle, die sich nach dem Inkrafttreten des UVNG (am 1. Juli 1963) ereignet haben (vgl. Art. 4 §§ 1, 2 Abs. 1, 16 UVNG).
Die Revision der Beklagten ist somit unbegründet und war zurückzuweisen (§ 170 SGG).
Die Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen