Leitsatz (amtlich)

1. Ein Unterhaltsanspruch der geschiedenen Frau nach EheG § 61 Abs 2 S 1 begründet eine Unterhaltsverpflichtung des früheren Ehemannes iS von RVO § 1265 S 2 (Abweichung von BSG 1972-09-26 11 RA 56/72).

2. Zu der Frage, wie bei Anwendung von RVO § 1265 S 2 aF die Unterhaltsbedürftigkeit der geschiedenen Frau zu ermitteln ist.

 

Normenkette

RVO § 1265 S. 2 Fassung: 1965-06-09; EheG § 61 Abs. 2 S. 1 Fassung: 1946-02-20

 

Tenor

Auf die Sprungrevision der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Januar 1975 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

 

Tatbestand

Die 1907 geborene Klägerin ist die frühere, geschiedene Ehefrau des im Januar 1970 verstorbenen, verwitweten Rentners Ferdinand R (R.). Die kinderlose Ehe ist auf den Antrag R's. im Jahre 1950 wegen Geisteskrankheit der Klägerin ohne Schuldausspruch geschieden worden (§ 45 des Ehegesetzes - EheG -). Der schwerkranke, zeitweilig in Heimen untergebrachte R. bezog ab 1. Juni 1969 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit von 557,90 DM monatlich und ab 1. Januar 1970 von 593,40 DM monatlich. Die Klägerin erhielt im Jahre 1969 eine Versichertenrente von monatlich 159,50 DM und ab 1. Januar 1970 von monatlich 173,20 DM; sie hatte von Januar bis Juni 1969 einen Bruttoverdienst von 1.487,47 DM und im Januar 1970 von 45,- DM.

Mit dem streitigen Bescheid vom 11. Januar 1974 lehnte es die beklagte Landesversicherungsanstalt (LVA) ab, der Klägerin nach R. Hinterbliebenenrente zu gewähren: Dieser habe der Klägerin vor seinem Tode weder Unterhalt geleistet noch wegen seiner schlechten Vermögensverhältnisse zu leisten brauchen. Auch die Voraussetzungen des § 1265 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) seien nicht erfüllt.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hatte die Klägerin vor dem Sozialgericht (SG) Erfolg. In der angefochtenen Entscheidung vom 21. Januar 1975 hat dieses Gericht die Beklagte verurteilt, der Klägerin ab 1. Oktober 1972 Hinterbliebenenrente zu gewähren. In der Begründung heißt es, die Klägerin habe keinen Rentenanspruch nach § 1265 Satz 1 RVO. Sie sei R. gegenüber zur Zeit von dessen Tod nicht auf Grund des § 61 Abs. 2 EheG unterhaltsberechtigt gewesen; R. sei nämlich bei seinem geringen Renteneinkommen nicht unterhaltsfähig gewesen. Ebensowenig habe ein Unterhaltstitel oder eine tatsächliche Unterhaltsleistung vorgelegen. Die Klägerin könne jedoch nach § 1265 Satz 2 RVO idF des Rentenversicherungs-Änderungsgesetzes (RVÄndG) vom 9. Juni 1965 i. V. m. Art. 2 § 19 des Arbeiterrentenversicherungs-Neuregelungsgesetzes (ArVNG) Hinterbliebenenrente verlangen, da eine Unterhaltsverpflichtung R's. aus § 61 Abs. 2 EheG nur wegen dessen schlechten Vermögens- und Erwerbsverhältnissen nicht bestanden habe. Es handele sich entgegen der Ansicht des Bundessozialgerichts - BSG - (Urteil vom 26. September 1972 - 11 RA 56/72 -) bei einer Unterhaltsverpflichtung nach der genannten Bestimmung um einen Unterhaltsanspruch im Sinne des § 1265 Satz 2 aaO. § 61 Abs. 2 EheG normiere anders als § 60 aaO einen echten Unterhaltsanspruch, bei dem die unterhaltspflichtigen Verwandten erst nach den Ehegatten hafteten; eine Bezugnahme auf die zu § 60 EheG ergangenen BSG-Entscheidungen gehe daher fehl.

Das SG hat die Revision zugelassen; die Beklagte hat mit schriftlicher Zustimmung der Klägerin die Revision eingelegt. Die Beklagte rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Der Klägerin könne nur Unterhalt im Rahmen des § 61 Abs. 2 EheG zustehen. Dazu habe der 11. Senat des BSG im Urteil vom 13. November 1972 entschieden, daß eine Unterhaltsberechtigung nach dieser Bestimmung nicht die Rente gemäß § 1265 Satz 2 RVO auslöse. Selbst dann aber, wenn man wie das SG der Auffassung sei, daß der Unterhaltsanspruch gemäß § 61 Abs. 2 EheG nicht subsidiär sei, könne dem SG nicht gefolgt werden. Neben der Unterhaltsfähigkeit des Ehegatten, der die Scheidung verlangt habe, bedürfe es noch der Unterhaltsbedürftigkeit des anderen Ehegatten. Das SG habe nicht festgestellt, ob die Klägerin auch in der Zeit vom 1. Juli bis 31. Dezember 1969 Einkünfte - zu denken wäre an Krankengeld - neben ihrer Berufsunfähigkeitsrente gehabt hätte. Ferner hätte das SG zu prüfen gehabt, ob die Klägerin ihre Arbeitskraft nicht in stärkerem Maße hätte einsetzen können, um einen höheren Verdienst zu erzielen. Das SG hätte der Beklagten Gelegenheit geben müssen, Ausführungen zur Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin zu machen; hierin sei ein Verfahrensfehler zu erblicken.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 21. Januar 1975 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. § 61 EheG gebe im Gegensatz zu § 60 EheG einen echten Unterhaltsanspruch. Das SG habe auch die Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin ausreichend geprüft.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz begründet.

Das SG ist zu dem Ergebnis gelangt, daß der Klägerin Hinterbliebenenrente nicht nach § 1265 Satz 1 RVO zusteht. Richtig ist, daß R. der Klägerin im letzten Jahr vor seinem Tode nicht im Sinne der letzten Alternative dieser Vorschrift Unterhalt geleistet hat. Er war auch nicht aus einem besonderen Grund, nämlich losgelöst von einem unmittelbar aus dem EheG heranzuziehenden Gesichtspunkt zur Unterhaltsgewährung verpflichtet (Alternative 2 aaO). Was die Frage anbelangt, ob R. der Klägerin zur Zeit seines Todes gemäß § 1265 Satz 1 Alternative 1 RVO Unterhalt nach den Vorschriften des EheG zu leisten hatte, käme allein eine Unterhaltsverpflichtung nach § 61 Abs. 2 EheG in Betracht. Nach Satz 1 dieser Vorschrift hat der die Scheidung verlangende Ehegatte dem anderen Unterhalt zu gewähren, wenn und soweit dies mit Rücksicht auf die Bedürfnisse und die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der geschiedenen Ehegatten und der nach § 63 unterhaltspflichtigen Verwandten des Berechtigten der Billigkeit entspricht. Es spricht manches dafür, daß der erwerbsunfähige, kranke R. zur Zeit seines Todes seiner Rente von 557,90 DM bzw. 593,40 DM voll bedurfte, um seinen eigenen angemessenen Lebensunterhalt zu bestreiten, daß er mithin der Klägerin keine nennenswerten Beträge hätte zur Verfügung stellen können. Andererseits hat das SG dazu Näheres nicht festgestellt. Indessen ist die unter Umständen schwierige Prüfung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten zur Zeit seines Todes in Fällen entbehrlich, in denen - wie vorliegend - eine Witwenrente nicht zu gewähren und daher der erhobene Anspruch auch nach § 1265 Satz 2 RVO zu prüfen ist: Sollten die Voraussetzungen des Rentenanspruches des Satzes 2 - in jeder der denkbaren Fassungen - erfüllt sein, so bedarf es keiner Prüfung der Unterhaltsfähigkeit des Versicherten, da sie ja nach dieser Vorschrift - wie noch näher darzulegen - zu unterstellen ist; sind aber trotz der nach Satz 2 zu unterstellenden Unterhaltsfähigkeit des Versicherten die Voraussetzungen des Hinterbliebenenrentenanspruches selbst nach dieser Vorschrift nicht erfüllt, so können sie auch nicht bei Anwendung der insoweit strengeren Regelung des Satzes 1 Alternative 1 gegeben sein.

Die Prüfung nach § 1265 Satz 2 RVO ergibt:

Zunächst trifft zu, daß die Klägerin von der Beklagten Hinterbliebenenrente nicht nach § 1265 Satz 2 RVO idF des Rentenreformgesetzes (RRG) vom 16. Oktober 1972 beanspruchen kann; sie hatte zur Zeit der Scheidung weder ein waisenrentenberechtigtes Kind zu erziehen noch das 45. Lebensjahr vollendet gehabt (Nr. 2 aaO). Zu prüfen bleibt aber, ob die Klägerin die Voraussetzungen des § 1265 Satz 2 RVO in der bis zum 31. Dezember 1972 geltenden Fassung erfüllt. Nach Art. 2 § 19 Abs. 1 ArVNG idF des RRG genügt nämlich für den Hinterbliebenenrentenanspruch die Erfüllung der Voraussetzungen dieser Vorschrift, sofern der frühere Ehegatte der Rentenbewerberin - wie hier - vor dem 1. Januar 1973, aber nach dem 30. April 1942 verstorben ist. Danach findet, wenn - wie im vorliegenden Fall - eine Witwenrente nicht zu gewähren ist, der Satz 1 des § 1265 RVO auch Anwendung, wenn eine Unterhaltsverpflichtung wegen der Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten nicht bestanden hat.

Für den konkreten Fall kommt, wie dargestellt, eine Unterhaltsverpflichtung allein nach § 61 Abs. 2 EheG in Betracht. Diese Vorschrift gibt einen Anspruch auf den vollen angemessenen Unterhalt (vgl. z. B. Hoffmann/Stephan, Komm. zum EheG, 2. Aufl., Rd. Nr. 15 bei § 61; Palandt/Diederichsen, Komm. zum BGB, 35. Aufl., Anm. 3 bei § 61 EheG, beide mit weiteren Hinweisen). § 61 Abs. 2 EheG kann daher Rechtsgrundlage einer Unterhaltsverpflichtung im Sinne des § 1265 Satz 2 RVO aF sein. Auf die Anfrage des erkennenden Senats hat der 11. Senat des BSG am 19. März 1976 beschlossen, an seiner gegenteiligen Auffassung im Urteil vom 26. September/13. Oktober 1972 - 11 RA 56/72 - nicht festzuhalten. Der erkennende Senat braucht daher zu dieser Frage den Großen Senat nicht anzurufen.

Wenngleich schlechte Vermögens- oder Erwerbsverhältnisse des Versicherten nach § 1265 Satz 2 RVO aF dem Hinterbliebenenrentenanspruch der geschiedenen Frau nicht entgegenstehen, läßt die genannte Bestimmung das Erfordernis, daß die Frau beim Tode des Versicherten unterhaltsbedürftig gewesen sein muß, unangetastet (BSG SozR Nr. 31, 40 und 66 zu § 1265 RVO). Hiernach ist die Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin, die auch der Unterhaltsanspruch nach § 61 Abs. 2 Satz 1 EheG voraussetzt, nicht entbehrlich. Sollte ein Unterhaltsanspruch der Klägerin an ihrer fehlenden Unterhaltsbedürftigkeit scheitern, so wären die Voraussetzungen des § 1265 Satz 2 RVO aF nicht erfüllt. Ob die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der nach § 63 EheG unterhaltspflichtigen Verwandten den Anspruch nach § 1265 Satz 2 RVO beeinflussen können, mag dahinstehen; solche Verwandte sind indessen nach den schlüssigen Feststellungen des SG nicht vorhanden.

Bei der Prüfung, ob die Klägerin, die nach den Feststellungen des SG ein Einkommen aus einer Rente und zeitweise aus einer Erwerbstätigkeit hat bzw. gehabt hat, zur Zeit des Todes des Versicherten unterhaltsbedürftig war, sind folgende Überlegungen anzustellen: Da für den Unterhaltsanspruch nach § 61 Abs. 2 EheG Billigkeitserwägungen maßgebend sind, kann der Berechtigte jedenfalls nicht besser gestellt werden, als er bei Anwendung des § 58 Abs. 1 EheG stehen würde (allgemeine Meinung, vgl. Hoffmann/Stephan, aaO, Rd. Nr. 16 a). Unter Beachtung dieses Grundsatzes ist davon auszugehen, daß jedenfalls dann Bedürftigkeit der Klägerin zu verneinen sein wird, wenn ihr auf den Unterhaltsbedarf anzurechnendes Einkommen den unter Zugrundelegung der Rechtsprechung des BSG errechneten Betrag des angemessenen Unterhalts nach § 58 Abs. 1 EheG erreicht oder überschreitet. Nach dieser Rechtsprechung ist der angemessene Unterhalt der geschiedenen Frau so zu ermitteln, daß die Einkünfte der geschiedenen Eheleute zusammengerechnet und jedem der angemessene Teil des Gesamtbetrages zugewiesen wird; dabei ist als angemessener Unterhalt der geschiedenen Frau in der Regel ein Betrag in Höhe von einem Drittel bis zu drei Siebentel des Gesamteinkommens anzusetzen (vgl. BSGE 32, 197 = SozR Nr. 58 zu § 1265 RVO; SozR Nr. 64 aaO). Maßgebender Zeitpunkt bei Anwendung dieser Grundsätze ist der der Scheidung; jedoch ist die voraussehbare Einkommensentwicklung und der bis zum Zeitpunkt des Todes des Versicherten eingetretene Kaufkraftverlust zu berücksichtigen (BSG SozR Nr. 16, 47, 62, 64 zu § 1265 RVO). Auf den so errechneten angemessenen Lebensbedarf der geschiedenen Frau ist ihre Rente, die sie zur Zeit des Todes bezogen hat, anzurechnen, da sie Einkommen im Sinne des § 61 Abs. 2 EheG ist; anzurechnen wären aus dem gleichen Grunde aber auch Kranken- oder Arbeitslosengeld (vgl. dazu auch BSG SozR Nr. 57 zu § 1265 RVO). Verbleibt nach Anrechnung des Einkommens der Klägerin zur Deckung des festgestellten angemessenen Lebensbedarfs noch eine Unterhaltslücke, so besteht Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der vom Versicherten - dessen Unterhaltsfähigkeit gemäß § 1265 Satz 2 RVO aF unterstellt - zu leistende Unterhalt wenigstens (etwa) 25 v. H. des nach den zeitlich und örtlich geltenden Regelsätzen der Sozialhilfe zustehenden Betrags beträgt (vgl. BSG SozR 2200 Nr. 5).

Das SG hat nicht festgestellt, wie hoch der angemessene Unterhaltsbedarf der Klägerin zur Zeit der Scheidung - unter Berücksichtigung der bis zum Tode des Versicherten eingetretenen rechtlich beachtlichen Entwicklung von Einkommen und Kaufkraftminderung - gewesen ist. Keine hinreichenden Feststellungen enthält das angefochtene Urteil auch zu der Frage, wieweit der angemessene Lebensbedarf der Klägerin bereits durch eigenes Einkommen gedeckt ist. Zwar liegt auf der Hand, daß die Klägerin mit einer Berufsunfähigkeitsrente von 159,50 DM monatlich ab 1. Januar 1969 bzw. von 173,20 DM monatlich ab 1. Januar 1970 zur Zeit des Todes des Versicherten unterhaltsbedürftig gewesen wäre. Festgestellt ist auch, daß die Klägerin vor dem Tode des Versicherten im Januar 1970 zuletzt vom 1. Januar bis 30. Juni 1969 Arbeitsverdienst gehabt hat, und zwar in diesem Zeitraum insgesamt brutto 1.487,47 DM. Wenngleich die Klägerin hiernach während des dem Tode des Versicherten vorausliegenden letzten halben Jahres über kein Arbeitseinkommen mehr verfügte, so kann jedoch nicht ausgeschlossen werden, daß sie - wie die Beklagte zu Recht vorträgt - ab 1. Juli 1969 krank gewesen ist und daher Krankengeld bezogen hat; darüber hinaus ist es möglich, daß die Klägerin arbeitslos war und daher Arbeitslosengeld erhalten hat. Krankengeld und Arbeitslosengeld wären den Erträgnissen einer Erwerbstätigkeit gleichzubehandeln (vgl. BSG SozR Nr. 57 zu § 1265 RVO); auf jeden Fall stellen sie Einkommen der geschiedenen Frau im Sinne des § 61 Abs. 2 Satz 1 EheG dar. Daß die Klägerin in dieser Zeit Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen hat, liegt um so weniger fern, als sie selbst im Laufe des Verfahrens vorgetragen hat, sie könne von ihrer Rente nicht leben und habe daher bis 1967 bei einer Versandfirma als Legerin gearbeitet und sei seither aushilfsweise bei den Hamburger Kammerspielen als Garderobenfrau, Platzanweiserin und - nach Saisonschluß - als Putzfrau beschäftigt, wobei sie ca. 240,- DM monatlich hinzuverdiene. Sollte es sich demnach so verhalten haben, daß die Klägerin in den Monaten vor dem Tode des Versicherten neben ihrer Rente Kranken- oder Arbeitslosengeld bezogen hat, könnte ihre unter Billigkeitsgesichtspunkten zu prüfende Unterhaltsbedürftigkeit und damit trotz unterstellter Unterhaltsfähigkeit R's. ein Unterhaltsanspruch entfallen sein. Dann bestünde, wie dargelegt, kein Hinterbliebenenrentenanspruch nach § 1265 Satz 2 RVO aF. Sollte es jedoch so gewesen sein, daß die Klägerin in der Zeit ab 1. Juli 1969 allein über ihre Rente verfügte, so wird weiter zu klären sein, ob sie in dem mit dem 1. Juli 1969 beginnenden Zeitraum vor dem Tode des Versicherten nach den Gesamtumständen des Falles nur vorübergehend oder auf Dauer nicht in Beschäftigung stand. Um eine nur vorübergehende und damit nicht als "wirtschaftlicher Dauerzustand" im Sinne der Rechtsprechung des BSG (BSGE 14, 255, 260 = SozR Nr. 8 zu § 1265 RVO; BSG SozR Nr. 22 zu § 1265) anzusehende Beschäftigungslosigkeit kann es sich deswegen gehandelt haben, weil die Klägerin nach ihrem Vortrag seit 1967 ständig "aushilfsweise" bei den Hamburger Kammerspielen gegen einen Monatsverdienst von etwa 250,- DM beschäftigt war. Möglicherweise haben sich Monate einer aushilfsweisen Beschäftigung mit Monaten einer Beschäftigungslosigkeit abgewechselt. Sollte sich herausstellen, daß die Klägerin vom 1. Juli 1969 bis zum Tode des Versicherten nur zufällig vorübergehend beschäftigungslos gewesen ist, so müßte davon ausgegangen werden, daß der letzte wirtschaftliche Dauerzustand nicht von den letzten sechs Monaten vor dem Tode des Versicherten geprägt war, sondern einen längeren Zeitraum von etwa einem Jahr vor dem Tode des Versicherten umfaßte. Dann könnte sich denkbarerweise ergeben, daß das auf diesen längeren Zeitraum von einem Jahr bezogene monatliche Durchschnittseinkommen der Klägerin aus Rente und Arbeitsverdienst nicht so gering gewesen ist, daß sich Bedürftigkeit bejahen läßt.

Die nach alledem noch fehlenden Feststellungen, die der Senat nicht treffen kann, hat das SG nachzuholen. Zu diesem Zwecke war das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückzuverweisen.

Der Kostenausspruch bleibt der abschließenden Entscheidung vorbehalten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1647663

BSGE, 60

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