Leitsatz (redaktionell)
Zur Frage des Versorgungsschutzes für die Folgen eines am 1946-08-06 auf dem Wege zum Umsiedlungslager in der Tschechoslowakei erlittenen Unfalls.
Normenkette
BVG § 1 Abs. 2 Buchst. c Fassung: 1950-12-20, § 5 Abs. 1 Buchst. d Fassung: 1953-08-07, § 1 Abs. 2 Buchst. a Fassung: 1950-12-20
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts in Darmstadt vom 13. Juli 1960 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Von Rechts wegen.
Gründe
Die Klägerin, die als Volksdeutsche die Tschechoslowakei verlassen wollte, wurde am 8. August 1946 in ihrer früheren Heimat auf der Straße von Pechbach nach Graslitz auf der Fahrt in das Umsiedlungslager bei einem Zusammenstoß mit einem tschechischen Personenkraftwagen vom Fahrrad geschleudert und schwer verletzt. Aus der Krankenhausbehandlung wurde sie nach ihren Angaben am 4. oder 7. Oktober 1946 in ein Umsiedlungslager entlassen und von dort am 11. Oktober 1946 in die Bundesrepublik umgesiedelt.
Der Versorgungsantrag der Klägerin wurde mit Bescheid vom 29. November 1957 abgelehnt. Der Widerspruch der Klägerin war erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. Januar 1958) und ebenso die Klage (Urteil vom 21. Mai 1958) und die Berufung (Urteil vom 13. Juli 1960). Das Landessozialgericht (LSG) hat ausgeführt, es sei durch die glaubhafte Schilderung der Klägerin über den erlittenen Unfall und durch die sonstigen angestellten Ermittlungen erwiesen, daß sich der Unfall auf dem Weg in das Umsiedlungslager ereignet hat, in dem sich die Klägerin zum Zweck der Umsiedlung zu melden gehabt habe und wo der Termin hierzu festgelegt werden sollte. Zwischen den Beteiligten bestehe kein Streit darüber, daß der Unfall keine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchst. d des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) darstelle, denn er sei nicht infolge einer mit der zwangsweisen Umsiedlung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten.
Der Anspruch könne auch nicht auf § 4 BVG gestützt werden, weil die Klägerin in der Zeit nach Kriegsende bis zum Unfalltag nicht interniert gewesen sei. Sie habe zwar nur mit einem Ausweis ihre Wohnung verlassen dürfen und ihre Bewegungsfreiheit sei auch räumlich beschränkt gewesen, sie sei jedoch in der Lage gewesen, ihre Lebensweise und ihre sonstigen Lebensgewohnheiten wesentlich nach ihrem eigenen Willen zu bestimmen. Auch der Aufenthalt im Lager sei nicht als Internierung anzusehen. Die Volksdeutschen seien in dem Umsiedlungslager wegen des geordneten Abtransportes, insbesondere im Hinblick auf den erforderlichen Transportraum für die in Frage kommenden Personen und ihr geringes Gepäck, zusammengefaßt worden. Sie hätten sich zu einem bestimmten Zeitpunkt im Lager zu melden gehabt, seien jedoch mitunter auch wieder nach Hause zurückgeschickt worden, wenn sich zu viele gemeldet hätten, während andere gleich bis zum Abgang des nächsten Transportes im Lager verblieben seien. Die Insassen hätten zwar das Lager über Nacht nicht verlassen dürfen, jedoch hätten sie tagsüber mit Genehmigung der Lagerverwaltung in die Stadt Graslitz gehen können, wenn nur ein Familienmitglied im Lager zurückgeblieben wäre, um bei Kontrollen die notwendigen Auskünfte erteilen zu können. Durch den kurzfristigen Aufenthalt im Lager auf begrenztem Raum mit der Einschränkung der Bewegungsfreiheit in der Zeit bis zum Abtransport seien die Begriffsmerkmale der Internierung nach dem BVG nicht erfüllt. Im Vordergrund der Lagerunterbringung habe nicht etwa die Sicherheit der Gewahrsamsmacht, sondern die geordnete Durchführung der Aussiedlung gestanden. Der Weg, den die Klägerin am Unfalltage zurückgelegt habe, könne somit weder als ein Weg aus der Internierung noch in die Internierung angesehen werden. Eine entsprechende Anwendung des § 4 BVG auf die Fälle einer angeordneten Umsiedlung sei nicht möglich. Das LSG hat die Revision zugelassen.
Gegen das am 28. Juli 1960 zugestellte Urteil des LSG hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 10. August 1960, beim Bundessozialgericht (BSG) am 10. August 1960 eingegangen, Revision eingelegt. Nachdem die Begründungsfrist bis zum 27. Oktober 1960 verlängert worden war, hat sie die Revision mit Schriftsatz vom 26. Oktober 1960, beim BSG eingegangen am selben Tage, begründet.
Sie beantragt,
1. das angefochtene Urteil, das Urteil des Sozialgerichts (SG) Frankfurt/M. vom 21. Mai 1958 sowie die Bescheide des Beklagten vom 29. November 1957 und 24. Januar 1958 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin für Schädelbasisbruchfolgen, Krampfherde im Bereich des rechten Schläfenlappens, teilweise Lähmung des rechten Armes und entstellende Narben an der rechten Gesichtshälfte Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 70 v. H. vom 1. Oktober 1950 an zu gewähren;
2. hilfsweise, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LSG zurückzuverweisen;
3. die außergerichtlichen Kosten der Klägerin in allen Rechtszügen dem Beklagten aufzuerlegen.
In der Revisionsbegründung, auf die im einzelnen verwiesen wird, rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 1 Abs. 2 Buchst. c und 4 BVG durch das LSG sowie eine Verletzung der §§ 103 und 128 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG). Sie führt dazu aus, daß sich das LSG bei der Auslegung des Begriffs Internierung der höchstrichterlichen Rechtsprechung angeschlossen habe, die aber im Gegensatz zur Auffassung des Berufungsgerichts dazu führe, daß der zwangsweise Aufenthalt der Volksdeutschen im Lager Graslitz als Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG anzusehen sei. Entscheidend sei hierbei nicht, zu welchem subjektiven Zweck die zwangsweise Unterbringung der Volksdeutschen im Lager erfolgt sei, es genüge vielmehr objektiv, daß die im Lager untergebrachten Volksdeutschen ihre Freiheit verloren hätten und unter fremden Gewahrsam geraten seien. An dieser Beurteilung ändere auch der Umstand nichts, daß die Insassen des Lagers tagsüber mit Genehmigung der Lagerverwaltung die Möglichkeit gehabt hätten, sich in die Stadt Graslitz zu begeben, sofern ein Familienmitglied im Lager zurückgeblieben sei. Zwar sei dadurch eine gewisse Lockerung vorhanden gewesen, jedoch sei der Gewahrsam nicht aufgehoben worden. An der Tatsache, daß die Aussiedler im Lager auf begrenztem Raum bis zum Abtransport und weiter bis zur Erreichung der Grenze ihrer Bewegungsfreiheit grundsätzlich beraubt gewesen sind, ändere ferner der Umstand nichts, daß die Unterbringung im Lager nach Auffassung des LSG nicht der Sicherheit der Gewahrsamsmacht, sondern der geordneten Durchführung der Ausweisung gedient habe. Mit dieser Ansicht des LSG sei die Tatsache unvereinbar, daß das Lager in Graslitz unter militärischer Bewachung gestanden habe. Die Soldaten der tschechischen Gewahrsamsmacht hätten die Wache teilweise mit aufgepflanztem Seitengewehr durchgeführt. Diese Zwangsmaßnahme habe zweifellos nicht der geordneten Überführung der Aussiedler, sondern ersichtlich der Sicherheit der Gewahrsamsmacht gedient. Damit werde gleichzeitig das der Internierung eigene Begriffsmerkmal des Festhaltens unter ständiger Bewachung erfüllt. Diese Feststellung hätte das LSG schon auf Grund der von ihm für glaubwürdig gehaltenen Schilderung der Klägerin treffen können, wonach die Erlaubnis zum kurzfristigen Verlassen des Lagers von dem tschechischen Posten erteilt worden sei. Hätte das LSG seiner Überzeugungsbildung gemäß § 128 SGG das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde gelegt, dann hätte es zu der Feststellung gelangen müssen, daß die Lagerinsassen unter militärischer Bewachung gestanden haben und diese offensichtlich der Sicherheit der Gewahrsamsmacht gedient hat. Die insoweit unterbliebenen bzw. unrichtigen tatsächlichen Feststellungen des LSG seien daher fehlerhaft. Darüber hinaus hätte sich aber auf Grund der Aussagen der Klägerin das LSG zur weiteren Aufklärung in der gewiesenen Richtung gedrängt fühlen müssen. Hierzu habe sich die Vernehmung der Zeuginnen Singer und Meindl angeboten. Das LSG wäre dann zu dem Ergebnis gekommen, daß das Lager Graslitz unter ständiger militärischer Bewachung gestanden hat.
Weiterhin sei die Frage zu entscheiden - sofern man den gesetzlichen Begriff der Internierung als gegeben ansehe - ob der Weg der von der zwangsweisen Aussiedlung betroffenen Volksdeutschen zum Aussiedlungslager versorgungsrechtlich geschützt ist. Auch unter Berücksichtigung der verschiedenen Fassungen des § 4 Abs. 2 BVG vor und nach Inkrafttreten des Ersten Neuordnungsgesetzes (1. NOG) müsse der Weg am Unfalltag zum Lager als versorgungsrechtlich geschützt angesehen werden, da er von der ausländischen Behörde erzwungen gewesen sei.
Der Beklagte beantragt,
die Revision gegen das Urteil des Hessischen LSG vom 13. Juli 1960 als unbegründet zurückzuweisen.
Die durch Zulassung gemäß § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG statthafte Revision ist form- und fristgerecht eingelegt (§§ 164, 166 SGG) und auch rechtzeitig begründet worden. Die sonach zulässige Revision ist jedoch unbegründet.
Angefochten ist der Bescheid vom 29. November 1957 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. Januar 1958, mit dem ein Anspruch auf Versorgung wegen der durch den Verkehrsunfall am 8. August 1946 hervorgerufenen Gesundheitsstörungen der Klägerin abgelehnt worden ist. Zu Recht ist das LSG zunächst davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht während des Aufenthaltes an ihrem früheren Wohnort im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG interniert gewesen ist, da sie sich nach den von ihr nicht angegriffenen und somit für das BSG bindenden Feststellungen (§ 163 SGG) dort - wenn auch unter gewissen Beschränkungen - frei bewegen konnte und am Wirtschafts- und Erwerbsleben teilgenommen hat (siehe dazu BSG 14,50). Die Klägerin wendet sich offenbar nicht gegen diese Auffassung des LSG, sondern vielmehr dagegen, daß das LSG den Aufenthalt im Umsiedlungslager Graslitz nicht als Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG angesehen und daher ein Entschädigungsanspruch gemäß § 4 Abs. 2 BVG versagt hat. Jedoch ist auch insoweit das LSG keinem Rechtsirrtum unterlegen. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG stehen einer Schädigung im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG Schädigungen gleich, die durch eine Internierung im Ausland oder in den nicht unter deutscher Verwaltung stehenden deutschen Gebieten wegen deutscher Staatsangehörigkeit oder deutscher Volkszugehörigkeit herbeigeführt worden sind. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG ist eine Internierung der ständige Freiheitsentzug auf eng begrenztem Raum unter dauernder Überwachung, sofern das Festhalten im Zusammenhang mit einem Krieg oder mit kriegerischen Ereignissen steht und die Internierten von staatsfeindlichen Handlungen abgehalten oder zu einem neutralen Verhalten gezwungen werden sollen (BSG 12, 100, 102; 14, 50, 51; 17, 69, 71; BSG in SozR BVG § 1 Bl. Ca 19 Nr. 42 und in BVBl 1959 S. 92). Danach gehören auch Volksdeutsche, die von dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit sie besessen haben, wegen ihres Bekenntnisses zum Deutschtum festgehalten worden sind und dadurch Schädigungen erlitten haben, zu dem zu entschädigenden Personenkreis. Im vorliegenden Fall, in dem der Unfall der Klägerin sich auf dem Wege zum Umsiedlungslager ereignet hat, ist vom LSG festgestellt, daß die in das Umsiedlungslager eingewiesenen Personen zwar im Lager selbst einer Bewachung unterlagen, jedoch die Möglichkeit hatten, am Tage, wenn auch mit Zustimmung der Bewachung, das Lager zu verlassen und sich nach Graslitz zu begeben; sie konnten sich nach dem Verlassen des Lagers zumindest am Tage frei bewegen und standen während dieser Zeit nicht unter einer Beaufsichtigung. Diese Feststellung ist von der Klägerin nicht angegriffen und daher für das Revisionsgericht nach § 163 SGG bindend. Damit entfällt aber die zum Begriff der Internierung gehörige ständige Freiheitsentziehung und die dauernde Bewachung durch die Gewahrsamsmacht. Der Annahme, daß eine ständige Freiheitsentziehung nicht vorlag, steht auch nicht der Umstand entgegen, daß das Verlassen des Lagers nur dann gestattet war, wenn ein Familienmitglied im Lager zurückblieb, um bei Kontrollen die nötigen Auskünfte erteilen zu können. Bei diesem festgestellten Sachverhalt war die Frage, ob das Lager von Soldaten der tschechischen Armee mit aufgepflanztem Seitengewehr bewacht wurde und die Genehmigung zum Ausgang nur von diesen Soldaten gegeben wurde, nicht mehr beweiserheblich, so daß sich das LSG - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht gedrängt zu fühlen brauchte, hierzu weitere Beweise zu erheben (§ 103 SGG). Das LSG hat aber auch nicht, wie die Klägerin meint, gegen § 128 SGG verstoßen. Es durfte, ohne die gesetzlichen Grenzen seines Rechts auf freie Beweiswürdigung zu überschreiten, insbesondere ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze des täglichen Lebens (BSG 2, 236) zu dem Ergebnis kommen, daß das Umsiedlungslager Graslitz objektiv dem geordneten Abtransport der umzusiedelnden Personen, nicht aber dem Schutze der Gewahrsamsmacht diente. Der Vortrag der Klägerin, aus der Bewachung des Lagers durch tschechische Soldaten sei zu schließen, daß die Unterbringung im Lager auch dem Schutze der Gewahrsamsmacht gedient habe, stellt keine substantiierte Rüge einer Verletzung des § 128 SGG durch das LSG dar. Mit diesem Vorbringen nimmt die Klägerin nur eine andere Beweiswürdigung als das LSG vor. Sie hat aber weder Tatsachen noch Beweismittel im Sinne des § 164 Abs. 2 Satz 2 SGG angegeben, aus denen sich ergibt, daß das LSG zwingend nur zu dem von der Klägerin vorgetragenen Schluß über den Zweck der Lagerunterbringung hätte kommen müssen.
Da somit nach den erfolglos angegriffenen und daher bindenden Feststellungen des LSG der Aufenthalt im Umsiedlungslager Graslitz begrifflich nicht als Internierung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. c BVG anzusehen ist, brauchte der Senat nicht mehr darüber zu entscheiden, ob der Weg in das Lager - wie die Klägerin meint - auch in der für die Zeit vor dem Inkrafttreten des Ersten Gesetzes zur Neuordnung des Kriegsopferversorgungsrechts geltenden Fassung des § 4 Abs. 2 BVG versorgungsrechtlich geschützt war.
Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Entschädigung nach § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG in Verbindung mit § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG. Nach § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG erhält Versorgung, wer durch eine unmittelbare Kriegseinwirkung eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Als unmittelbare Kriegseinwirkung in diesem Sinne gelten, wenn sie in Zusammenhang mit einem der beiden Weltkriege stehen, schädigende Vorgänge, die infolge einer mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes oder mit der zwangsweisen Umsiedlung oder Verschleppung zusammenhängenden besonderen Gefahr eingetreten sind (§ 5 Abs. 1 Buchst. d BVG). Das LSG hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob die Klägerin zwangsweise oder auf ihr Betreiben - also freiwillig - umgesiedelt werden sollte. Dies kann jedoch dahingestellt bleiben; der Anspruch der Klägerin kann schon deshalb nicht auf diese Vorschriften gestützt werden - wie das LSG im Ergebnis zutreffend angenommen hat - weil die Klägerin nicht durch einen schädigenden Vorgang gesundheitlich geschädigt worden ist, der durch eine mit der zwangsweisen Umsiedlung zusammenhängenden "besonderen" Gefahr eingetreten ist. Das BSG hat in ständiger Rechtsprechung - wenn auch im Zusammenhang mit der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes - den Begriff der besonderen Gefahr im Sinne § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG dahin bestimmt, daß der schädigende Vorgang durch eine Gefahr eingetreten sein muß, die der militärischen Besetzung unter Berücksichtigung ihrer zeitlichen und örtlichen Besonderheiten eigentümlich ist (BSG 2, 99, 103; 4, 234, 236; 5, 116, 118; 6, 294, 296). Die Einfügung des Wortes "besondere" vor dem Wort "Gefahr" bedeutet eine Einschränkung des zu berücksichtigenden Gefahrenkreises. Gefahren, die ihrer Art nach etwa in ähnlicher Weise auch ohne eine Besetzung hätten eintreten können, sollten als Versorgungsgrund ausgeschlossen werden, selbst wenn im Einzelfall ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der Besetzung und einem schädigenden Vorgang gegeben ist. Das unterscheidende Merkmal für die Abgrenzung der allgemeinen von der besonderen Gefahr im Sinne des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ist dabei in der Gefahrenquelle zu sehen. Im Unterschied von ien allgemeinen Gefahren sind die besonderen Gefahren der Besetzung solche, die der Besetzung eigentümlich sind. Diese für den Begriff der besonderen Gefahr bei der militärischen Besetzung entwickelten Grundsätze müssen auch Anwendung finden, wenn es sich um die mit der zwangsweisen Umsiedlung zusammenhängende besondere Gefahr handelt, denn im § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG ist das Vorhandensein einer besonderen Gefahr in gleicher Weise bei der militärischen Besetzung deutschen oder ehemals deutsch besetzten Gebietes wie bei der zwangsweisen Umsiedlung und der Verschleppung gefordert. Allein der Zusammenhang einer Schädigung mit einer Umsiedlung genügt nicht zur Begründung eines Versorgungsanspruchs; insofern unterscheidet sich der Sondertatbestand des § 5 Abs. 1 Buchst. d BVG von dem Tatbestand des § 1 BVG, wonach zur Begründung des Versorgungsanspruchs bereits genügt, daß das schädigende Ereignis auf den militärischen oder militärähnlichen Dienst zurückzuführen ist oder sich auch nur als ein Unfall während der Ausübung dieses Dienstes darstellt. Bei der zwangsweisen Umsiedlung ist demnach eine unmittelbare Kriegseinwirkung im Sinne des § 1 Abs. 2 Buchst. a BVG nur gegeben, wenn der schädigende Vorgang infolge einer besonderen, d. h. einer der zwangsweisen Umsiedlung eigentümlichen Gefahr eingetreten ist. Diese Voraussetzungen liegen aber bei dem Verkehrsunfall der Klägerin am 8. August 1946 auf dem Wege zum Umsiedlungslager Graslitz nicht vor. Nach den nicht angegriffenen und daher für das BSG bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) handelte es sich um einen Verkehrsunfall, bei dem die Klägerin auf dem Fahrrad mit einem tschechischen Personenkraftwagen zusammengestoßen ist. Zwar ist dieser Unfall im Zusammenhang mit der Umsiedlung, jedoch nicht durch eine der zwangsweisen Umsiedlung eigentümliche Gefahr eingetreten. Die Gefahrenquelle, welcher die Klägerin erlegen ist, war der Straßenverkehr mit den ihm notwendigerweise anhaftenden Risiken, denen jeder Verkehrsteilnehmer unterworfen ist. Umstände, aus denen sich ergeben könnte, daß diese für jeden Verkehrsteilnehmer im Zeitpunkt des Unfalles bestehende allgemeine Verkehrsgefahr durch Umsiedlungsmaßnahmen hervorgerufen oder doch zumindest so erhöht worden ist, daß sie als eine der Umsiedlung eigentümliche Gefahr angesehen werden muß, sind weder vom LSG festgestellt noch sonst ersichtlich.
Das LSG hat somit im Ergebnis zu Recht den Anspruch der Klägerin auf Entschädigung der durch den Unfall am 8. August 1946 erlittenen Gesundheitsstörungen verneint. Die Revision der Klägerin war daher als unbegründet zurückzuweisen (§ 170 Abs. 1 Satz 1 SGG).
Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 193 SGG.
Fundstellen