Entscheidungsstichwort (Thema)

Ausländischer Arbeitnehmer. Verfügbarkeit. Arbeitslosenhilfe. Verschlossenheit des Arbeitsmarktes. Arbeitserlaubnis. wesentliche Änderung der Verhältnisse. Vermittlungsbemühungen. Aufhebung eines Bewilligungsbescheids für die Zukunft

 

Orientierungssatz

1. Ein ausländischer Arbeitnehmer, der keine gültige Arbeitserlaubnis hat und eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis nicht beanspruchen kann, darf iS des § 103 Abs 1 S 1 Nr 1 AFG eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben, wenn ihm wegen des Vorrangs der deutschen Arbeitnehmer und der den deutschen Arbeitnehmern gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer der nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfange seine Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist (vgl BSG vom 12.2.1980 - 7 RAr 29/78 = SozR 4100 § 103 Nr 29).

2. Ergibt sich nach einer längeren Zeit der Vermittlungsbemühungen, daß sich für einen bestimmten ausländischen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden läßt, für die eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, fehlt es von da ab an den Voraussetzungen des § 103 Abs 1 S 1 Nr 1 AFG für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Um dies festzustellen, müssen die Vermittlungsbemühungen mindestens ein Jahr gedauert haben.

3. Das Verschlossensein des Arbeitsmarktes ist ein Tatbestandsmerkmal, das der Verfügbarkeit des Arbeitslosen und damit einem Anspruch auf Arbeitslosenhilfe entgegensteht.

4. Eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen (§ 48 Abs 1 SGB 10), die bei der Bewilligung von Arbeitslosenhilfe an einen ausländischen Arbeitnehmer vorgelegen haben, kann darin liegen, daß sich nach einjährigen vergeblichen Vermittlungsbemühungen die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den betroffenen Arbeitslosen ergibt (vgl BSG vom 9.9.1986 - 7 RAr 47/85 = SozR 4100 § 48 Nr 28).

5. Der Asylbewerber erwirbt den Anspruch auf eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis nicht vor der Anerkennung und auch nur für die Zeit nach der Anerkennung.

 

Normenkette

AFG § 19 Abs 1, § 103 Abs 1 S 1 Nr 1, § 134 Abs 1 S 1 Nr 1, § 134 Abs 1 Nr 1; ArbErlaubV § 2 Abs 1 Nr 3; SGB 10 § 48 Abs 1 S 1

 

Verfahrensgang

LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 31.07.1986; Aktenzeichen L 9 Ar 175/85)

SG Dortmund (Entscheidung vom 20.06.1985; Aktenzeichen S 12 Ar 4/84)

 

Tatbestand

Streitig ist die Gewährung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) für die Zeit vom 5. Oktober 1983 bis 30. Januar 1984.

Der 1961 geborene Kläger, ein Asylbewerber aus der Türkei, bezog im Anschluß an Arbeitslosengeld (Alg) ab 4. April 1983 Alhi.

Die Bewilligung dieser Leistung hob die Beklagte ab 5. Oktober 1983 auf, weil sich nach vergeblich gebliebenen Vermittlungsbemühungen von einem Jahr der deutsche Arbeitsmarkt für den Kläger als verschlossen erwiesen habe (Bescheid vom 23. September 1983, Widerspruchsbescheid vom 29. November 1983). Nachdem das Verwaltungsgericht Köln der Asylklage durch Urteil vom 9. Dezember 1983 stattgegeben und der Kläger unter Anzeige dieses Umstandes sich am 31. Januar 1984 erneut arbeitslos gemeldet sowie Alhi beantragt hatte, erlaubte die Beklagte ihm ab 31. Januar 1984 berufliche Beschäftigungen jeglicher Art im gesamten Bundesgebiet (§ 19 Arbeitsförderungsgesetz -AFG-, § 2 Arbeitserlaubnisverordnung -ArbErlaubV-) und gewährte vom gleichen Zeitpunkt an die Alhi wieder.

Die auf Aufhebung der Bewilligungsaufhebung ab 5. Oktober 1983 und Verpflichtung der Beklagten zur Weiterzahlung der Alhi gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Auf die Berufung des Klägers hat das Landessozialgericht (LSG) das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts (SG) vom 20. Juni 1985 geändert und den Bescheid vom 23. September 1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1983 aufgehoben (Urteil vom 31. Juli 1986). Das LSG hat eine Befugnis der Beklagten, die Alhi-Bewilligung nach § 48 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB 10) aufzuheben, verneint, weil in den für die Bewilligung wesentlichen Verhältnissen eine Änderung nicht eingetreten sei. Die Arbeitsmarktlage habe sich für den Kläger nicht geändert; nach Ablauf eines Jahres sei lediglich erkennbar geworden, daß dem Kläger der Arbeitsmarkt verschlossen sei. Die Erkennbarkeit der Verschlossenheit gehöre aber nicht zu den Verhältnissen, die für den Bestand des Alhi-Anspruchs rechtserheblich seien.

Mit der Revision macht die Beklagte eine Verletzung des § 48 SGB 10 und der §§ 103, 134 Abs 1 Nr 1 AFG geltend. Hierzu trägt die Beklagte vor, der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Anspruch ausländischer Arbeitnehmer ohne Arbeitserlaubnis auf Alg bzw Alhi sei mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, daß die Anspruchsvoraussetzungen während der Prüfung, ob der Arbeitsmarkt verschlossen sei, erfüllt seien und erst zum Wegfall kämen, wenn sich die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nach einjähriger Prüfung herausstelle. Diese Rechtsprechung enthalte Entscheidungen zum materiellen Recht. Es sei daher kein Grund ersichtlich, weshalb sie allein durch das Inkrafttreten des SGB 10 überholt sein sollte. Schon unter der Geltung des früheren § 151 Abs 1 AFG habe die Feststellung der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes nicht zur Aufhebung der Bewilligung ex tunc führen können. Nach der materiell-rechtlichen Beurteilung des BSG seien die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistung auch dann von Anfang an gegeben, wenn sich nach längeren Vermittlungsbemühungen die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes ergebe. Dieser Fall stelle demnach eine wesentliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse iS des § 48 Abs 1 SGB 10 gegenüber denen dar, die bei Erlaß des bewilligenden Verwaltungsaktes vorgelegen hätten. Selbst wenn man mit dem LSG davon ausgehe, daß die Feststellung des Verschlossenseins des Arbeitsmarktes auf den Beginn der erfolglosen Vermittlungsbemühungen zurückwirke, könnte das angefochtene Urteil nicht bestehen bleiben. Auch in der nachträglichen Erkenntnis von Anfang an bestehender Verhältnisse liege eine nachträgliche wesentliche Änderung. So habe das BSG entschieden, daß es dem Widerruf des Bescheides über die Bewilligung einer berufsfördernden Rehabilitationsmaßnahme nicht entgegenstehe, wenn dem Versicherten die subjektive Bereitschaft, an der Maßnahme mitzuwirken, schon bei Erlaß des Bewilligungsbescheides gefehlt habe, dies aber erst später erkennbar zutage getreten sei (SozR 1300 § 48 Nr 1). Die Aufhebung der - bis zum 30. September 1984 befristeten - Alhi-Bewilligung mit Wirkung vom 5. Oktober 1983 sei daher statthaft gewesen.

Die Beklagte beantragt, das Urteil des LSG aufzuheben und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des SG zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Er teilt die Rechtsauffassung des LSG und weist darauf hin, daß das Verschlossensein des Arbeitsmarktes keinesfalls festgestellt sei. Tatsächlich sei dem Kläger, da er schon bei Zustellung des Widerspruchsbescheides als Asylberechtigter anerkannt gewesen sei, der Arbeitsmarkt zu keinem Zeitpunkt verschlossen gewesen.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (§ 124 Abs 2 Sozialgerichtsgesetz -SGG-).

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht begründet. Die tatsächlichen Feststellungen des LSG lassen eine abschließende Entscheidung durch das Revisionsgericht nicht zu.

Zu entscheiden ist, nachdem das Berufungsgericht durch das von der Beklagten mit der Revision angegriffene Urteil lediglich den Bescheid vom 23. September 1983 idF des Widerspruchsbescheides vom 29. November 1983 aufgehoben hat und der Kläger die Nichtbescheidung des weitergehenden Klagebegehrens, die Beklagte zur Zahlung von Alhi zu verpflichten, nicht gerügt hat, nur noch über eine Anfechtungsklage. Bedenken gegen die Zulässigkeit dieser Klageart bestehen im vorliegenden Falle nicht. Da dem Kläger Alhi bewilligt worden war, und zwar nach den Angaben der Revision bis zum 30. September 1984, hätte schon die erfolgreiche Anfechtung des die Bewilligung aufhebenden Verwaltungsaktes zur Folge, daß die Beklagte nach Maßgabe des dann wiederhergestellten Bewilligungsbescheides Alhi zahlen müßte, also auch für die hier streitige Zeit vom 5. Oktober 1983 bis 30. Januar 1984. Schon mit der Anfechtungsklage erreicht der Kläger sein Prozeßziel; für andere Klagearten, insbesondere für eine Leistungsklage, besteht in Fällen dieser Art kein Rechtsschutzbedürfnis, worauf der Senat wiederholt hingewiesen hat (BSGE 48, 33, 34 = SozR 4100 § 44 Nr 19; SozR 4100 § 134 Nr 29).

Ob die Beklagte die Alhi-Bewilligung durch den angefochtenen Bescheid mit Wirkung vom 5. Oktober 1983 rechtmäßig aufgehoben hat, richtet sich nach § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10. Hiernach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung für die Zukunft aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlaß vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Bei dem aufgehobenen Bewilligungsbescheid handelt es sich um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung, weil durch ihn die Alhi als eine laufende und regelmäßig wiederkehrende Leistung bewilligt worden ist. Im Vergleich zu den Verhältnissen, die bei der Bewilligung der Alhi vorgelegen haben, ist eine wesentliche Änderung eingetreten, wenn die Voraussetzungen für die Zahlung der Alhi am 5. Oktober 1983 nicht mehr gegeben waren, während sie bei Erlaß des Bewilligungsbescheides vorlagen. Das kann entgegen der Auffassung des LSG der Fall gewesen sein, wenn nämlich der Arbeitsmarkt für den Kläger inzwischen verschlossen ist, wie die Beklagte geltend macht.

Zu den Voraussetzungen für die Alhi gehört nach § 134 Abs 1 Nr 1 AFG die Verfügbarkeit des Arbeitslosen. Diese ist nur dann gegeben, wenn der Arbeitslose eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben darf (§§ 134 Abs 4, 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG). Arbeitnehmer, die nicht Deutsche iS des Art 116 des Grundgesetzes (GG) sind, benötigen hierfür nach § 19 Abs 1 Satz 1 AFG grundsätzlich eine Arbeitserlaubnis. Das gilt auch für den aus der Türkei stammenden Kläger. Weder zwischenstaatliche Vereinbarungen noch Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaften befreien Arbeitnehmer aus der Türkei von der Arbeitserlaubnispflicht (vgl dazu BSG NJW 1987, 604 = InfAuslR 1987, 47). Allerdings setzt die Verfügbarkeit eines ausländischen Arbeitnehmers nicht voraus, daß ihm eine gültige Arbeitserlaubnis erteilt ist. Es genügt, wenn er erwarten kann, für eine Beschäftigungsmöglichkeit eine Arbeitserlaubnis zu erhalten. Der Arbeitnehmer ist jedenfalls solange nicht wegen des Erfordernisses einer Arbeitserlaubnis nicht verfügbar, wie er Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis hat. Es macht dabei keinen Unterschied, ob die Arbeitserlaubnis nach Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes (§ 19 Abs 1 Satz 2 AFG, § 1 ArbErlaubV) oder auch dann zu erteilen ist, wenn der Arbeitsmarkt die Erteilung nicht zuläßt (§ 19 Abs 4 Satz 2 AFG, § 2 ArbErlaubV); jedoch darf ein ausländischer Arbeitnehmer, der keine gültige Arbeitserlaubnis hat und eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis nicht beanspruchen kann, iS des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG eine Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes nicht ausüben, wenn ihm wegen des Vorrangs der deutschen Arbeitnehmer und der den deutschen Arbeitnehmern gleichgestellten ausländischen Arbeitnehmer der nach seinen Kenntnissen und Fähigkeiten und nach dem Umfange seiner Arbeitsbereitschaft zugängliche Arbeitsmarkt praktisch verschlossen ist (BSGE 43, 153, 162 = SozR 4100 § 19 Nr 2; BSGE 45, 153, 159 = SozR 4100 § 103 Nr 10; SozR 4100 § 19 Nr 6 und § 103 Nrn 14, 22, 29). Verschlossen ist der Arbeitsmarkt dem ausländischen Arbeitnehmer regelmäßig nicht schon bei Ungewißheit, ob und wann und für welche Arbeit eine Arbeitserlaubnis in Betracht kommt; denn solange es im Geltungsbereich des AFG überhaupt noch einen Bedarf an ausländischen Arbeitskräften in dem Berufsbereich, dem der einzelne angehört, oder im Bereich ungelernter Arbeitskräfte gibt, ist die Möglichkeit der Erteilung einer Arbeitserlaubnis nicht ausgeschlossen. Ergibt sich indessen nach einer längeren Zeit der Vermittlungsbemühungen, daß sich für einen bestimmten ausländischen Arbeitnehmer auf dem Arbeitsmarkt keine Beschäftigung finden läßt, für die eine Arbeitserlaubnis erteilt werden kann, fehlt es von da ab an den Voraussetzungen des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG für die Gewährung von Leistungen wegen Arbeitslosigkeit. Um dies festzustellen, müssen die Vermittlungsbemühungen mindestens ein Jahr gedauert haben. Das bedeutet einerseits, daß die Beklagte für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, der frühestens mit dem Antrag auf Leistungen beginnt, dem geltend gemachten Anspruch nicht entgegenhalten kann, es fehle an der Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit, weil wegen der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes eine Arbeitserlaubnis für die Aufnahme einer Beschäftigung nicht erteilt werden könne (BSGE 45, 153, 159 = SozR 4100 § 103 Nr 10). Andererseits gilt jedoch, daß dann, wenn sich nach einer längeren Zeit der Vermittlungsbemühungen der Arbeitsmarkt für den ausländischen Arbeitnehmer als verschlossen erwiesen hat, daß er der Arbeitsvermittlung nicht mehr zur Verfügung steht, weil er eine Beschäftigung nicht mehr ausüben darf.

Durch diese Rechtsprechung zu § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG sind nicht lediglich Beweisregeln aufgestellt worden. Das Verschlossensein des Arbeitsmarktes ist vielmehr ein Tatbestandsmerkmal, das der Verfügbarkeit des Arbeitslosen und damit einem Anspruch auf Alhi entgegensteht. Dieses - negative - Tatbestandsmerkmal ist vom BSG zur systemgerechten Auslegung des § 103 Abs 1 Satz 1 Nr 1 AFG im Hinblick auf das Arbeitserlaubnisrecht entwickelt worden. Es handelt sich somit um die Auslegung materiellen Rechts und nicht um die Aufstellung von Beweisregeln.

Nach alledem ist es daher unzutreffend, wenn das LSG meint, eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die bei der Bewilligung von Alhi an einen ausländischen Arbeitnehmer vorgelegen haben, könne nicht darin liegen, daß sich nach einjährigen vergeblichen Vermittlungsbemühungen die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes für den betroffenen Arbeitslosen ergeben habe, wie der Senat schon entschieden hat (SozR 1300 § 48 Nr 28).

Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils ergeben somit eine Gesetzesverletzung. Aus anderen Gründen stellt sich die getroffene Entscheidung des LSG nicht als richtig dar; andererseits kann der Senat aufgrund der getroffenen Feststellungen auch nicht die Klageabweisung durch das SG bestätigen.

Eine die Aufhebung der Alhi-Bewilligung rechtfertigende Änderung der Verhältnisse wäre zu verneinen, wenn der Kläger am 5. Oktober 1983 einen Anspruch auf eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis gehabt hätte.

Das LSG hat, von seinem Rechtsstandpunkt aus zu Recht, nicht geprüft, ob einer der Tatbestände des § 2 ArbErlaubV gegeben ist, wonach einem ausländischen Arbeitnehmer eine Arbeitserlaubnis unabhängig von der Lage und Entwicklung des Arbeitsmarktes zu erteilen ist. Ein solcher, dem Kläger schon am 5. Oktober 1983 zustehender Anspruch ist jedenfalls nicht daraus abzuleiten, daß seine Asylklage Erfolg gehabt hat. Zwar ist nach § 2 Abs 1 Nr 3 ArbErlaubV (in der bis zur Verordnung vom 24. Juli 1986, BGBl I 1160, geltenden Fassung) eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis zu erteilen, wenn der Arbeitnehmer sich rechtmäßig im Geltungsbereich der Verordnung aufhält und als Asylberechtigter nach § 28 des Ausländergesetzes (AuslG) vom 28. April 1965 (BGBl I 353) anerkannt worden ist. Diese Anspruchsnorm, die selbstverständlich auch auf Arbeitnehmer Anwendung findet, die nach der Aufhebung des § 28 AuslG durch das Asylverfahrensgesetz vom 16. Juli 1982 (BGBl I 946) nach diesem Gesetz als Asylberechtigte anerkannt worden sind, setzt indes nach dem klaren Wortlaut den Ausspruch der Anerkennung voraus. Der Asylbewerber erwirbt den Anspruch auf eine arbeitsmarktunabhängige Arbeitserlaubnis nicht vor der Anerkennung und auch nur für die Zeit nach der Anerkennung. Das folgt aus dem Regelungszusammenhang. Der § 2 Abs 1 Nr 3 ArbErlaubV räumt dem anerkannten Asylberechtigten unabhängig von der Arbeitsmarktlage eine Arbeitserlaubnis ein, weil das Grundrecht auf Asyl über das Aufenthalts- und Bleiberecht hinaus fordert, den im Bundesgebiet aufgenommenen Verfolgten die Voraussetzungen für ein menschenwürdiges Dasein und deshalb auch für eine berufliche Entfaltung zu ermöglichen. Demgegenüber kann der Asylbewerber nicht verlangen, bereits vor der Anerkennung in jeder Hinsicht wie ein Berechtigter gestellt zu werden. Der in § 2 Abs 1 Nr 3 ArbErlaubV vorgesehene Anspruch bezieht sich daher allein auf die Zeit nach erfolgter Anerkennung, wie auch die Tatbestände des § 2 Abs 1 Nrn 1 und 2 ArbErlaubV nach Erfüllung der dort vorgesehenen Anspruchsvoraussetzungen keinen Anspruch auf eine Arbeitserlaubnis für die Zeit davor verschaffen. Entsprechend hat der Senat für die Förderung beruflicher Bildung entschieden, daß die Anerkennung als Asylberechtigter spätestens bei Beginn der Teilnahme an der zu fördernden Bildungsmaßnahme vorliegen muß (BSG SozR 4460 § 2 Nr 5). Da der Asylklage nicht vor dem 9. Dezember 1983 stattgegeben worden ist, steht die Anerkennung des Klägers als Asylberechtigter der Rechtmäßigkeit der Aufhebung der Alhi-Bewilligung ab 5. Oktober 1983 nicht entgegen.

Wie der Senat entschieden hat, kann einem türkischen Staatsangehörigen ein Anspruch auf eine unbeschränkte Arbeitserlaubnis unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung (Art 3 GG) erwachsen, wenn und soweit die Beklagte, um die aufgrund der Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei begründeten Verpflichtungen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft bzw der Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Türkei zu erfüllen, türkischen Arbeitnehmern Arbeitserlaubnisse erteilt, und einem einzelnen Arbeitnehmer eine Arbeitserlaubnis verweigert, die bei im übrigen gleichen Umständen anderen türkischen Arbeitnehmern erteilt zu werden pflegt (BSGE 60, 230, 236 ff = SozR 6100 Allg Nr 1 = NJW 1987, 604 = InfAuslR 1987, 47). Auch insoweit sind dem angefochtenen Urteil keine Feststellungen zu entnehmen.

Eine Änderung der wesentlichen Verhältnisse wäre ferner zu verneinen, wenn der deutsche Arbeitsmarkt für den Kläger schon im Zeitpunkt der Alhi-Bewilligung verschlossen gewesen wäre. Feststellungen, die nach der Rechtsprechung eine solche Schlußfolgerung rechtfertigen, hat das LSG nicht getroffen; insbesondere ist nicht festgestellt worden, daß schon im Zeitpunkt der Alhi-Bewilligung ein Jahr vergangen war, in dem die Beklagte vergeblich versucht hat, dem Kläger einen Arbeitsplatz zu vermitteln, für den ihm eine Arbeitserlaubnis hätte erteilt werden können.

Zutreffend weist der Kläger schließlich darauf hin, daß das LSG entgegen der Annahme der Revision keine Feststellungen getroffen hat, nach denen ab Oktober 1983 dem Kläger der Arbeitsmarkt verschlossen gewesen ist. Ausgehend von seiner Rechtsauffassung, daß in den für die Bewilligung wesentlichen Verhältnissen eine Änderung nicht eintrete, wenn sich nach einjähriger Prüfung die Verschlossenheit des Arbeitsmarktes herausstelle, hat das LSG lediglich festgestellt, daß sich die Verhältnisse "des hier relevanten Teilbereichs des Arbeitsmarktes in der Zeit von März bis Oktober 1983" nicht geändert hätten.

Kann daher aufgrund der getroffenen Feststellungen nicht entschieden werden, ob die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 1 SGB 10 gegeben waren, muß gemäß § 170 Abs 2 SGG das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache an das LSG zurückverwiesen werden, damit die hier erforderlichen tatsächlichen Feststellungen nachgeholt werden.

Bei seiner erneuten Entscheidung wird das LSG auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1663474

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge