Leitsatz (amtlich)
Auf dem Weg vom Arbeitsgericht, den ein Arbeitnehmer nach Teilnahme an einer durch seine Kündigungsschutzklage veranlaßten Güteverhandlung angetreten hatte, steht er nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Normenkette
RVO § 548 Abs 1 S 1, § 548 Abs 1 S 2, § 550 Abs 1
Verfahrensgang
LSG Nordrhein-Westfalen (Entscheidung vom 08.03.1988; Aktenzeichen L 5 U 31/86) |
SG Duisburg (Entscheidung vom 04.02.1986; Aktenzeichen S 1 U 34/85) |
Tatbestand
Streitig ist, ob die Klägerin wegen der Folgen eines Unfalles, den sie sich auf dem Weg vom Arbeitsgericht zum in der Nähe gelegenen Parkplatz zugezogen hatte, aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu entschädigen ist.
Die Klägerin war mehrere Jahre bei der Firma M W beschäftigt. Ihre Arbeitgeberin kündigte den Arbeitsvertrag aus betrieblichen Gründen fristgerecht zum 18. Februar 1984. Dagegen erhob die Klägerin beim Arbeitsgericht W Klage mit der Begründung, die Kündigung sei sozial ungerechtfertigt im Sinne des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG). Am 10. Februar 1984 nahm sie an einer nicht zu einer Einigung führenden arbeitsgerichtlichen Güteverhandlung teil. Auf dem Rückweg zu ihrem auf einem öffentlichen Parkplatz abgestellten Pkw stürzte sie. Wegen der dabei zugezogenen Ellenbogenverletzung war sie bis zum 18. Juni 1984 arbeitsunfähig. Die Vertragsparteien schlossen späterhin vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich. Danach waren die Parteien sich über die fristgerechte Beendigung des Arbeitsverhältnisses einig. Die Klägerin erhielt jedoch eine Abfindung von 4.900,- DM.
Die Beklagte lehnte eine Entschädigung wegen der gesundheitlichen Folgen des Sturzes vom 10. Februar 1984 ab (Bescheid vom 12. November 1984 und Widerspruchsbescheid vom 27. März 1985).
Klage und Berufung blieben erfolglos (Urteile des Sozialgerichts -SG- Duisburg vom 4. Februar 1986 und des Landessozialgerichts -LSG- für das Land Nordrhein-Westfalen vom 8. März 1988). Das LSG hat zur Begründung ua ausgeführt, der innere ursächliche Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit fehle entgegen der Meinung des SG nicht schon deshalb, weil die Erhebung der Kündigungsschutzklage der Arbeitgeberin keine Vorteile gebracht habe. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Kündigung gehöre, unabhängig davon, von wem diese ausgehe, grundsätzlich zur versicherten Tätigkeit. Der innere ursächliche Zusammenhang sei jedoch zu verneinen, weil die Handlungen der Klägerin im Rahmen des arbeitsgerichtlichen Verfahrens nicht mehr dem organisatorischen Verantwortungsbereich ihrer Arbeitgeberin zugeordnet werden könnten. Die Erhebung der Kündigungsschutzklage zum Arbeitsgericht habe den Streit aus der betrieblichen Sphäre herausgehoben. Von diesem Zeitpunkt an seien nicht mehr betriebliche Gegebenheiten maßgebend. Der Verfahrensgang sei den Vorschriften des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) unterworfen; es werde eine Entscheidung des Gerichts angestrebt. Der Versicherungsschutz sei auch nicht aus § 548 Abs 1 Satz 2 der Reichsversicherungsordnung (RVO) abzuleiten. Diese Vorschrift, die die Lohnabhebung von einem Konto unter Versicherungsschutz stelle, sei eng auszulegen.
Mit der - vom LSG zugelassenen - Revision rügt die Klägerin eine Verletzung der §§ 548, 550 iVm § 539 Abs 1 Nr 1 RVO. Der Rückweg vom arbeitsgerichtlichen Gütetermin - meint die Klägerin - habe in einem inneren Zusammenhang mit ihrem Beschäftigungsverhältnis gestanden. Wie die Kündigung selbst sei das Kündigungsschutzverfahren Ausfluß des Arbeitsverhältnisses; es diene in gleicher Weise den betrieblichen Interessen. Unfallversicherungsrechtlich könne kein Unterschied bestehen, ob Verhandlungen zwischen den Arbeitsvertragsparteien über die Wirksamkeit einer Kündigung im betrieblichen Bereich oder vor Gericht stattfänden. Ort der Tätigkeit iS von § 550 Abs 1 RVO sei nicht nur der Ort des Unternehmens, sondern auch der Ort der versicherten Tätigkeit. Das sei hier der Ort, an dem der Gütetermin stattgefunden habe. Das durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage entstandene Risiko sei auch deshalb dem Verantwortungsbereich ihrer Arbeitgeberin zuzuordnen, weil sie den Rechtsstreit durch die Kündigung veranlaßt habe.
Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG und des SG sowie die Bescheide der Beklagten aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr unter Anerkennung des Ereignisses vom 10. Februar 1984 als Arbeitsunfall Entschädigungs- leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtenen Entscheidungen für zutreffend. Ergänzend trägt sie vor, zwar gehöre ein Weg, der zur Erfüllung einer arbeitsvertraglichen Pflicht zurückgelegt werde, unmittelbar zu den im Rahmen des Beschäftigungsverhältnisses versicherten Tätigkeiten. Die Klägerin habe sich im Zeitpunkt ihres Sturzes aber nicht auf einem solchen Weg befunden. Entscheidend sei, daß die Kündigung bereits ausgesprochen, das Arbeitsverhältnis also schon beendet gewesen sei. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren sei weder über vertragliche noch über nachvertragliche Pflichten zu entscheiden gewesen. Vielmehr stand nur die Wirksamkeit der Kündigung nach den Vorschriften des KSchG im Streit. Damit fehle es an einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Arbeit.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
Zu Recht haben die Beklagte sowie die Vorinstanzen den Anspruch der Klägerin verneint. Die Klägerin erlitt keinen Arbeitsunfall, als sie sich auf dem Weg vom Arbeitsgericht zum Parkplatz, auf dem sie sich infolge eines Sturzes Unfallverletzungen zuzog, befand.
Nach § 548 Abs 1 Satz 1 RVO ist ein Unfall nur dann ein Arbeitsunfall, wenn ihn eine versicherte Person bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als ein solcher Arbeitsunfall gilt nach § 550 Abs 1 RVO auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Grundvoraussetzung ist somit, wie die Bezugnahme auf die §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO deutlich macht, der in Rechtsprechung und Literatur bezeichnete innere Zusammenhang (vgl wegen des sprachlichen Ausdrucks die Ausführungen von Sprang, BG 1989, 144 f, wonach die Bezeichnung besser "sachlicher Zusammenhang" lauten sollte) zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Weg nach und von der Tätigkeit. Dieser Zusammenhang ist gegeben, wenn die Zurücklegung des Weges dazu bestimmt ist, der versicherten Tätigkeit wesentlich zu dienen (BSGE 58, 76, 77 = SozR 2200 § 548 Nr 70). Bei der Feststellung dieser sachlichen Verknüpfung zwischen dem zum Unfall führenden Verhalten und der versicherten Tätigkeit geht es um die Ermittlung der Grenze, bis zu welcher der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht, und nicht um die Frage der Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (BSG aa0). Nach diesem Begriffsinhalt ist es irreführend, wenn das LSG offenbar in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung und Literatur (vgl ua Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl, Band II S 486c) eine zu Mißverständnissen führende Ausdrucksweise verwendet, indem es vom "inneren ursächlichen" Zusammenhang spricht. Das Berufungsgericht hat dabei allerdings die Begriffsdeutung, die auf eine sachliche Verbindung mit der Betriebstätigkeit abstellt, nicht verkannt. Folgerichtig hat es nicht den Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall (haftungsbegründende Kausalität) geprüft, sondern als entscheidungserhebliche Vorfrage die Wertentscheidung getroffen (BSG aa0), ob das Handeln der Klägerin der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Entscheidend kommt es also auf eine wesentliche sachliche Verbindung der Verrichtungen mit der versicherten Tätigkeit, damit also auf den sogenannten inneren Zusammenhang an. Erst wenn dieser zu bejahen ist, schließt sich daran die Prüfung der haftungsbegründenden bzw haftungsausfüllenden Kausalität an (vgl auch Urteile des Senats: BSGE 63, 273, 274 = SozR 2200 § 548 Nr 92; zuletzt Urteil vom 27. Juli 1989 - 2 RU 3/89 -; ebenso Watermann, Die Ordnungsfunktion von Kausalität und Finalität im Recht, 1968, S 158).
Dieser innere Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit könnte anzunehmen sein, wenn die Klägerin sich beim Verlassen des Arbeitsgerichts auf dem Rückweg zu ihrer Arbeitsstätte befunden hätte. Denn auch der Weg von einem dritten Ort zum Ort der Tätigkeit kann, wie die Klägerin zutreffend anführt, nach der Rechtsprechung unter Versicherungsschutz stehen (Urteile des Senats in BSGE 62, 113 = SozR 2200 § 550 Nr 76, vom 27. August 1987 - 2 RU 15/87 - in BAGUV RdSchr. 101/87 = HV-Info 1987, 1845 = USK 87121 mwN und Urteil des Senats vom 27. Juli 1989 - 2 RU 10/89 -). Hierzu hat das LSG keine Feststellungen getroffen, obwohl das Arbeitsverhältnis zum Zeitpunkt des Unfalles noch nicht beendet war. Jedoch hätte hierzu nur Anlaß bestanden, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine angestrebte Arbeitsaufnahme nach Verlassen des Arbeitsgerichtes anzunehmen wären. Indessen stützt die Klägerin auch die Revision nicht darauf.
Die Klägerin meint vielmehr, der Versicherungsschutz auf dem Rückweg vom Arbeitsgericht sei zu bejahen, weil dieser in einem rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit dem noch bestehenden Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Nach der Rechtsprechung des Senats gehörten Handlungen, die notwendig seien, um ein Arbeitsverhältnis durch Kündigung oder Einigung über eine vorzeitige Auflösung zu beenden, zu den versicherten Tätigkeiten im Rahmen des Arbeitsverhältnisses (BSGE 8, 176). So sei auch die Kündigungsschutzklage Ausfluß des Arbeitsvertrages und diene betrieblichen Interessen. Wenn schon nach der Rechtsprechung die Vorsprache beim Betriebsrat zwecks Einlegung des Einspruchs gegen eine Kündigung nicht als private Verrichtung angesehen werde, müsse dies gleichermaßen für die mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage im Zusammenhang stehenden Handlungen gelten. Beides diene dem Bestreben des Arbeitnehmers, sein Recht auf Beibehaltung des Arbeitsplatzes mit geeigneten Mitteln durchzusetzen. Dieser Rechtsmeinung vermag der Senat nicht zu folgen. Das LSG hat zutreffend entschieden, daß der Kündigungsschutzprozeß der Klägerin vor dem Arbeitsgericht und somit auch die Wahrnehmung des Gütetermins nicht mehr der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist. Der Weg vom Arbeitsgericht zum Parkplatz, auf dem sich der Unfall ereignete, stand sonach nicht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.
Dem Versicherungsschutz nach § 550 RVO steht allerdings nicht grundsätzlich entgegen, daß die Klägerin den Weg nicht vom oder zum Ort des Unternehmens antrat. Ort der Tätigkeit im Sinne dieser Vorschrift ist der jeweilige Ort der tatsächlich verrichteten Tätigkeit (Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 - 2 RU 17/79 - = Lauterbach-Kartei Nr 10840 zu § 550 Abs 1 RVO). Voraussetzung für den Versicherungsschutz ist allerdings die sachliche Verknüpfung zwischen dem Zurücklegen des Weges und der Beschäftigung im Unternehmen aufgrund eines Arbeitsverhältnisses (BSG SozR 2200 § 550 Nr 1). Hierzu reicht es nicht aus, daß die einzelne Verrichtung losgelöst von den tragenden Umständen dem Unternehmen nützlich ist. Entscheidend ist vielmehr, daß die Handlungstendenz des Arbeitnehmers auf die Belange des Unternehmens gerichtet ist (Krasney, BG 1987, 383 f mwN). Diese für den Versicherungsschutz notwendige Handlungstendenz kommt in dem von der Rechtsprechung gebrauchten Begriff der dem Unternehmen "dienlichen" oder der dem Unternehmen "dienenden Tätigkeit" zum Ausdruck (so ua BSG SozR 2200 § 539 Nr 21 und Nr 119; SozR 2200 § 548 Nr 2; BSGE 41, 141 = SozR 2200 § 548 Nr 13; SozR 2200 § 548 Nr 78 und Nr 90; BSGE 52, 57, 59 = SozR 2200 § 555 Nr 5). Auch im Schrifttum wird darauf abgehoben, daß die Tätigkeit geeignet sein müsse, den Interessen des Unternehmens zu dienen (so ua Brackmann, aa0 Band II S 480n; Lauterbach/Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Auflage RdNr 65 zu § 548 RVO). Nach Watermann (aa0 S 144) ist entscheidend für die Erfassung und rechtliche Beurteilung die finale Zielsetzung, von der sich der Versicherte zur Zeit des Unfalls leiten ließ. So vollziehe sich die versicherungsrechtliche Erheblichkeit in der Weise, daß die konkrete finale Handlungstendenz an den Maßstäben gemessen werde, die sich aus der besonderen sozialethischen Zielsetzung des Unfallversicherungsrechts herleiten lasse.
Nach diesen in Rechtsprechung und Schrifttum entwickelten Rechtsgrundsätzen läßt sich der für den Versicherungsschutz erforderliche innere Zusammenhang auf dem Rückweg vom Arbeitsgericht nicht ableiten. Die Klägerin wandte sich mit der Erhebung der Kündigungsschutzklage gegen die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung, die sie kraft Richterspruchs beseitigt wissen wollte. Damit war sie in erster Linie bestrebt, das Arbeitsverhältnis aufrechtzuerhalten. Die finale Handlungstendenz der Klägerin ist somit, obgleich das Kündigungsschutzverfahren ohne das Beschäftigungsverhältnis nicht denkbar wäre, im wesentlichen dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzuordnen. Die Klägerin verfolgte mit der Kündigungsschutzklage eigene Angelegenheiten, die gerade, wie die Aufrechterhaltung der Kündigung seitens des Arbeitgebers zeigt, keinesfalls dem Unternehmen dienlich waren. Insoweit sind entgegen der Meinung der Klägerin nicht Parallelen zu den von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen zu ziehen, in denen Handlungen des Versicherten im Zusammenhang mit der Kündigung als noch unfallrechtlich geschützt angesehen wurden. So wurde etwa Versicherungsschutz auf dem Wege eines Beschäftigten zu seinem Vorgesetzten, um mit diesem die Auflösung des Arbeitsverhältnisses zu erörtern, deswegen bejaht, weil der Arbeitgeber ein wesentliches Interesse an einer ordnungsgemäßen Kündigung hat (BSGE 8, 176). Ebenso wurde Unfallschutz angenommen bei der Vorsprache eines Beschäftigten beim Betriebsrat wegen Einlegung eines Einspruchs gegen die Kündigung (Urteil des Senats vom 23. Oktober 1970 - 2 RU 162/68 - SGb 1972, 218 mit Anmerkung von Neumann) und bei Vertragsverhandlungen an einem dritten Ort wegen einer vorzeitigen Vertragsbeendigung (Urteil des Senats vom 8. Juli 1980 aa0). In den letzten beiden von der Rechtsprechung entschiedenen Fällen waren die Verrichtungen noch der betrieblichen Sphäre zuzurechnen.
Diese Beurteilung steht mit dem Schutzzweck der Norm im Einklang, aus dem sich der Versicherungsschutz erschließt. Sie unterliegt der Wertbestimmung, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz reicht (BSGE 38, 127, 129 = SozR 2200 § 548 Nr 4; BSGE 58 aa0). Nach diesem Beurteilungsmaßstab ist entscheidend auf den Sinn und Zweck der gesetzlichen Unfallversicherung abzuheben. Die gesetzliche Unfallversicherung ist darauf angelegt, den Unternehmer von der aus der Betriebstätigkeit erwachsenden Verschuldens- und Gefährdungshaftung zu befreien. § 539 Abs 1 Nr 1 RVO dient der Ablösung von zivilrechtlichen Schadensersatzansprüchen des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, wie dies in den §§ 636 ff RVO zum Ausdruck kommt. Der Gesetzgeber wollte mit der Schaffung der gesetzlichen Unfallversicherung dem geschädigten Arbeitnehmer zwecks Wahrung des Betriebsfriedens ersparen, den Arbeitgeber zu verklagen. An die Stelle eines zivilrechtlichen Schadensersatzanspruches gegen den Arbeitgeber trat ein auf dem Grundsatz der Gefährdungshaftung aufbauender öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger (Brackmann aa0 Band II S 469 f). Diese hat Leistungen zu erbringen, wenn sich Gefahren konkretisiert haben, die einen wesentlichen Entstehungsgrund in der betrieblichen Sphäre haben. Mit der Schaffung des Unfallschutzes bei Wegeunfällen durch das "Zweite Gesetz über Änderungen in der Unfallversicherung" vom 14. Juli 1925 (RGBl I S 97) in dem eingefügten § 545a RVO aF (vgl zur Entstehungsgeschichte Schulte-Holthausen, Unfallversicherung, 4. Auflage Anm 1 zu § 545a), einer Vorgängervorschrift des nunmehrigen § 550 RVO, ist der Gesetzgeber bewußt von dieser Konzeption abgewichen. Beziehungen zum Betrieb bei der Zurücklegung des Weges ergeben sich allein daraus, daß der Weg im Interesse des Betriebes vorgenommen wird. Gleichwohl hatte der Gesetzgeber im Interesse eines erhöhten sozialen Schutzes des Arbeitnehmers dem Unternehmer ein Risiko trotz fehlender Beherrschbarkeit und Beeinflußmöglichkeit angelastet (Gitter, Schadensausgleich im Arbeitsunfallrecht, 1969 S 61). Rechtsprechung (vgl aa0) und Schrifttum (ua auch Watermann aa0 S 152) haben jedoch bei der Beurteilung des Versicherungsschutzes auf solchen Wegen als notwendiges Korrektiv die betriebliche Zurechenbarkeit als maßgebend erachtet. Demgemäß wird - wie ausgeführt - auf die finale Handlungstendenz des Versicherten abgestellt. Aufgrund dessen genießt der Versicherte auf Wegen iS des § 550 RVO keinen weitergehenden Versicherungsschutz als bei der versicherten Tätigkeit selbst (Brackmann aa0 Bd II S 486d).
Dieser haftungsrechtliche Verantwortungsbereich des Unternehmers findet dort seine Grenze, wo - wie hier - die betriebliche Ebene verlassen und die betriebsbedingten Umstände derart in den Hintergrund treten, daß sie gegenüber den eigenwirtschaftlichen Interessen des Arbeitnehmers rechtlich unwesentlich sind. So ist es hier. Die Klägerin verfolgte mit der Kündigungsschutzklage das Ziel, die Kündigung gerichtlicherseits zu beseitigen und damit die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu bewirken. Diese Verhaltensweise der Klägerin stand dem Interesse ihrer Arbeitgeberin entgegen, die gerade auf der Auflösung des Arbeitsverhältnisses beharrte. Sie sah sich auch durch die Kündigungsschutzklage nicht veranlaßt, die ausgesprochene Kündigung rückgängig zu machen. Die Handlungstendenz der Klägerin ging somit - wie ausgeführt - nicht dahin, eine dem Unternehmen dienende Verrichtung zu erbringen. Sie verfolgte lediglich eigene Angelegenheiten. Daß für die Arbeitgeberin nach Klageerhebung zum Arbeitsgericht etwa noch Fürsorgepflichten aus dem noch bestehenden Arbeitsverhältnis hätten erwachsen können, aufgrund deren der Versicherungsschutz zu bejahen wäre (vgl BSGE 20, 23, 25 = SozR Nr 43 zu § 543 RVO aF), ist jedenfalls bei dieser außerhalb des betrieblichen Bereichs stehenden Verrichtung zu verneinen.
Im übrigen ist nicht jegliche Verrichtung, die aus den Pflichten des Arbeitsverhältnisses erwächst, mag sie auch für die Erfüllung desselben unentbehrlich sein, der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. So hat beispielsweise der Senat die Meldung bei der Ausländerbehörde als nicht im wesentlichen Interesse des Arbeitgebers und somit nicht als eine dem Unternehmen dienende Verrichtung angesehen, obwohl dieser Erlaubnis für den Ausländer nicht nur Bedeutung für den Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zukam, sondern sie auch Voraussetzung für die Arbeitsaufnahme war (BSGE 36, 222, 223 = SozR Nr 41 zu § 548 RVO). Auch hat der Senat das Besorgen einer Lohnsteuerkarte (BSGE 11, 154, 155) oder eines Krankenscheins außerhalb der Arbeitszeit (BSGE 17, 11, 13 = SozR Nr 51 zu § 542 RVO aF) dem unversicherten persönlichen Lebensbereich des Arbeitnehmers zugerechnet. Ebenso wurde für den an einem arbeitsfreien Sonnabend zurückgelegten Weg zur Kartenausgabestelle, um eine Arbeiterwochenkarte zu erstehen, Versicherungsschutz verneint (BSGE 7, 255, 256).
Die Vorinstanzen haben auch zutreffend entschieden, daß für die Annahme des Versicherungsschutzes im konkreten Fall § 548 Abs 1 Satz 2 RVO nicht entsprechend anwendbar ist. Diese Vorschrift, die das erstmalige Abheben eines Geldbetrages bei einem Geldinstitut innerhalb eines Lohn- oder Gehaltszahlungszeitraumes der versicherten Tätigkeit gleichstellt, ist bewußt eng gefaßt (BSGE 41, 141, 143 = SozR 2200 § 548 Nr 13). Sie trägt dem Umstand des bargeldlosen Zahlungsverkehrs Rechnung und ist als Ersatzfunktion für den Lohnempfang gedacht. Der Gesetzgeber hat damit keinen allumfassenden Versicherungsschutz für die mit der bargeldlosen Zahlung des Entgelts zusammenhängenden Verrichtungen gewährleistet, sondern nur in dem Umfange, als der Vorgang der früher allgemein üblichen Lohn- und Gehaltszahlung im Unternehmen entsprach. Demgemäß hat der Senat die im Zusammenhang mit der Eröffnung eines privaten Girokontos stehende Handlung nicht als eine dem Arbeitsverhältnis zurechenbare Tätigkeit angesehen (BSGE 41 aa0), obwohl diesem Vorgang ein gewisser, wenn auch nur loser Bezug zum Arbeitsverhältnis nicht abgesprochen werden kann. Die sachliche Verbindung ist hier indessen ebenso wie auch bei der Kündigungsschutzklage schon so fernliegend, daß die betriebliche Zurechenbarkeit sich nicht mehr rechtfertigen läßt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1667169 |
NJW 1990, 1064 |