Leitsatz (amtlich)

Zur Frage, ob Werksfeuerwehrleute in der Rentenversicherung der Arbeiter oder in der Rentenversicherung der Angestellten versicherungspflichtig sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Die Freistellung eines Betriebsratsmitgliedes von der beruflichen Tätigkeit (BetrVerfG § 37 Abs 3) ist ohne Einfluß auf seine Zugehörigkeit zur Rentenversicherung der Angestellten oder zur Rentenversicherung der Arbeiter.

 

Orientierungssatz

Der Krankentransport durch Werksfeuerwehrleute kann nicht als eine Angestelltentätigkeit angesehen werden.

 

Normenkette

AVG § 3 Fassung: 1952-08-13; RVO § 1227 Abs. 1 Nr. 1 Fassung: 1957-02-23

 

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 27. Mai 1960 wird zurückgewiesen.

Kosten sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger als Werksfeuerwehrmann der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung der Arbeiter (ArV) oder in der Rentenversicherung der Angestellten (AnV) unterliegt.

Der Kläger ist Feuerwehrmann der Werksfeuerwehr der Beigeladenen zu 2), der C W H (CWH) in M, jedoch seit Dezember 1954 für die Dauer seiner Zugehörigkeit zum Betriebsrat vom Werksfeuerwehrdienst befreit. Die Werksfeuerwehr der CWH besteht in der Regel aus einem Brandingenieur, einem Oberbrandmeister, zwei Brandmeistern und acht Oberfeuerwehrmännern als Angestellten und 45 bis 50 Feuerwehrmännern, die als Lohnempfänger in der ArV pflichtversichert sind.

Im Juli 1953 bat der Kläger die Beklagte, zu prüfen, ob sein Beschäftigungsverhältnis als Werksfeuerwehrmann angestelltenversicherungspflichtig sei. Die Beklagte verneinte dies (Schreiben vom 10. August 1953). Daraufhin beantragte der Kläger die Entscheidung des Versicherungsamtes.

Mit dem Inkrafttreten des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ging die Sache vom Versicherungsamt auf das Sozialgericht (SG) über. Im Verfahren vor dem SG beantragte der Kläger festzustellen, daß er der Versicherungspflicht in der AnV unterliege. Klage und Berufung hatten keinen Erfolg (Urteil des SG vom 3. April 1957 und Urteil des Landessozialgerichts - LSG - vom 27. Mai 1960). Das LSG hat den Kläger für arbeiterrentenversicherungspflichtig gehalten, weil seine Tätigkeit als Werksfeuerwehrmann - hauptsächlich Bereitschafts- und Arbeitsdienst, gelegentlich Krankentransport- und Sicherheitspostendienst - überwiegend körperliche Arbeit sei, während die geistige Tätigkeit nicht über den Rahmen der von jedem Arbeiter geforderten Gedankenarbeit hinausgehe. Der Kläger könne auch nicht den "Feuerwehrbeamten" der Berufsfeuerwehren, die angestelltenversicherungspflichtig seien, gleichgestellt werden. Räumlicher Wirkungskreis und sachlicher Aufgabenbereich des Werksfeuerwehrmannes seien beschränkter als bei Berufsfeuerwehrmännern.

Mit der vom LSG zugelassenen Revision wendet sich der Kläger gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Tätigkeit des Werksfeuerwehrmannes könne der des Berufsfeuerwehrmannes nicht gleichgestellt werden. Er meint, es bestehe hinsichtlich Vorbildung und Berufsausübung beider kein Unterschied. Es treffe auch nicht zu, daß der Aufgabenbereich eines Berufsfeuerwehrmannes umfassender und mehr geistiger Art sei als der eines Werksfeuerwehrmannes. Verantwortung, Aufgabengebiet und Ausbildung der Werkfeuerwehr eines feuerempfindlichen chemischen Betriebes seien höher und spezieller einzuschätzen als bei einer Berufsfeuerwehr. Daß der Krankentransportdienst überwiegend körperliche Arbeiten erfordere, könne nicht anerkannt werden. Ein ausgebildeter Krankenfahrer müsse häufig während des Transports krankenpflegerisch eingreifen. Er müsse daher - ebenso wie das Sanitätspersonal in Werkverbandsstuben und Unfallstationen - als angestelltenversicherungspflichtig angesehen werden.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Urteil, das Urteil des SG und den "Bescheid" der Beklagten vom 10. August 1953 aufzuheben und festzustellen, daß er der Angestelltenversicherungspflicht unterliege.

Die Beklagte und die Beigeladenen zu 1) und 2) beantragen,

die Revision zurückzuweisen.

Sie halten das angefochtene Urteil für zutreffend.

II.

Die Revision ist unbegründet.

Die Vorinstanzen haben den Kläger zu Recht als arbeiterrentenversicherungspflichtig angesehen.

Die Zugehörigkeit des Klägers zur Rentenversicherung der Arbeiter oder der der Angestellten ist, wovon auch die Vorinstanzen ausgegangen sind, nach der Tätigkeit eines Werksfeuerwehrmannes der CWH zu beurteilen. Der Kläger ist zwar auf Grund innerbetrieblicher Vereinbarungen für die Dauer seiner Mitgliedschaft zum Betriebsrat vom Feuerwehrdienst freigestellt worden. Er übt aber als Betriebsratsmitglied keinen anderen Beruf, sondern ein betriebliches Ehrenamt aus (§ 37 Abs. 1 des Betriebsverfassungsgesetzes - BetrVG -). Er hat Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes als Werksfeuerwehrmann (§ 37 Abs. 2 BetrVG). Wegen seiner Mitgliedschaft zum Betriebsrat darf er weder benachteiligt noch begünstigt werden (§ 53 Abs. 2 BetrVG). Durch die Freistellung vom Feuerwehrdienst ist mithin sein Beschäftigungsverhältnis als Werksfeuerwehrmann nur dahin umgestaltet worden, daß für ihn die Pflicht zum Feuerwehrdienst entfallen ist.

Werksfeuerwehrleute gehören nicht zu den Personen, die in den Vorschriften über die Versicherungspflicht zur AnV besonders aufgeführt sind (§§ 2, 3 AVG nF; § 1 AVG und § 165 b RVO idF der 1. VereinfVO vom 17. März 1945; Best.en von Berufsgruppen der AnV vom 8. März 1924 idF der VOen vom 4. Februar und 15. Juli 1927 - RGBl 1924 I 274, 410; 1927 I 58, 222 -). Die Entscheidung, ob der Kläger als Werksfeuerwehrmann der Rentenversicherung der Angestellten oder der der Arbeiter angehört, hängt daher nach der Verkehrsanschauung davon ab, ob er eine überwiegend geistige Beschäftigung zu verrichten oder ob er als Handarbeiter vorwiegend körperlich zu arbeiten hat (BSG 10, 82, 83, 16, 98, 105; 21, 176, 178), wobei naturgemäß Grenzfälle häufig sind. Ein solcher dürfte auch hier vorliegen. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat ein Werksfeuerwehrmann der CWH aber überwiegend körperliche Arbeiten zu verrichten, nämlich in der Hauptsache Bereitschafts- und Arbeitsdienst. Beim Bereitschaftsdienst - so hat das Berufungsgericht ausgeführt - sei nur die Anwesenheit des Feuerwehrmannes erforderlich. Den Arbeitsdienst habe der Feuerwehrmann jeweils im erlernten Handwerk zu leisten; er habe hauptsächlich die Feuerwehrgeräte zu pflegen und instandzuhalten. Außerdem aber werde er auch mit anderen feuerwehrfremden Handwerksarbeiten im Betrieb beschäftigt. Bei den Krankentransporten überwiege ebenfalls die körperliche Arbeit. Sicherheitspostendienste habe der Feuerwehrmann nur nach genauer Anweisung von Vorgesetzten zu verrichten. Auf vier Feuerwehrleute komme in der Regel eine Führungskraft, im Einsatz auf zwei bis drei Feuerwehrleute eine Führungskraft, deren Befehle und Anweisungen der Feuerwehrmann zu befolgen habe. Diese Feststellungen sind nach § 163 SGG für das Revisionsgericht bindend. Wenn das Berufungsgericht danach zu dem Ergebnis gelangt ist, daß der Werksfeuerwehrmann der CWH als Arbeiter tätig ist und der Kläger deshalb nach § 1227 Abs. 1 Nr. 1 RVO nF (§ 1226 Abs. 1 Nr. 1 RVO aF) in der Rentenversicherung der Arbeiter zu versichern ist, so ist das nicht zu beanstanden; denn überwiegend körperliche Arbeiten geben der Tätigkeit eines Werksfeuerwehrmannes der CWH das Gepräge.

Zu Unrecht meint die Revision, der Kläger müsse einem Feuerwehrmann der Berufsfeuerwehr gleichgestellt werden. Nach Abschnitt A XVIII Nr. 1 der Bestimmung von Berufsgruppen der AnV gehören u. a. Beamte der Feuerwehr zu den technischen Angestellten. Feuerwehrleute, die nicht einer Berufsfeuerwehr angehören, sind nach Nr. 2 aaO angestelltenversicherungspflichtig, sofern sie nach der Verkehrsanschauung, insbesondere im Hinblick auf ihre denjenigen der Beamten der Feuerwehr gleichstehenden Aufgaben und Kenntnisse, als Angestellte gelten. Diese Voraussetzungen hat das Berufungsgericht im Ergebnis zu Recht nicht als erfüllt angesehen. Wenn sich auch die Tätigkeiten des Werksfeuerwehrmannes der CWH und die des Feuerwehrmannes der Berufsfeuerwehr, wie der Revision zuzugeben ist, in mancher Hinsicht gleichen, so bestehen doch zwei gewichtige Unterschiede. Der Werksfeuerwehrmann wird - anders als Berufsfeuerwehrleute - je nach Arbeitsanfall zu feuerwehrfremden Handarbeiten im Betriebe eingesetzt. Er ist dann aber wie ein Arbeiter in den Betrieb der CWH eingegliedert. Schon darin besteht ein wesentlicher Unterschied zu dem Feuerwehrmann der Berufsfeuerwehr. Zum anderen üben Feuerwehrleute der Berufsfeuerwehren, ebenso wie die der freiwilligen Feuerwehren, ein öffentliches Amt und damit hoheitliche Gewalt aus (BGHZ 20, 290, 292; Urteil des BGH vom 12. Juli 1962 = LM Nr. 64 zu Art. 34 GG; Urteil des BGH vom 2. Juni 1958 = VersR 1958, 688, 689; RGZ 129, 303, 306; ferner Verwaltungsvorschrift - VV - zur Durchführung des nordrhein-westfälischen Gesetzes über den Feuerschutz und der Hilfeleistung bei Unglücksfällen und öffentlichen Notständen - FSHG - vom 25. März 1958 (GVBl NRW 1958 S. 101) Nr. 18 zu § 8 FSHG (SMBl NRW 2130). Sie haben im Einsatz besondere hoheitliche Befugnisse, z. B. die Anwendung unmittelbaren Zwanges (§ 20 FSHG 1958 in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Nr. 12 des nordrhein-westfälischen Gesetzes über die Ausübung und Grenzen des unmittelbaren Zwanges vom 22. Mai 1962 - GVBl NRW 1962, 260, 261 -); §§ 19 bis 21 des Gesetzes über den Feuerschutz im Lande Nordrhein-Westfalen vom 2. Juni 1948 - GVBl NRW 1948, 205, 209 -. Bei der Ausübung ihres Amtes sind die Angehörigen der Berufsfeuerwehr durch die §§ 113, 114 des Strafgesetzbuches (StGB) geschützt (VV Nr. 47 zu § 20 FSHG 1958; Schönke/Schröder, StGB, Komm., 12. Aufl., § 113 StGB Rnd Nr. 7). Wer aber Vorschriften über bestimmte hoheitliche Befugnisse zu kennen und anzuwenden hat, der hat damit gewisse zusätzliche Aufgaben geistiger Art. Auch dadurch unterscheidet sich der Feuerwehrmann der Berufsfeuerwehr von dem Werksfeuerwehrmann. Der Werksfeuerwehr der CWH obliegt der Feuerschutz für den Betrieb. Die eigentliche berufliche Tätigkeit der Werksfeuerwehrleute beschränkt sich auf das Werksgelände. Das Berufungsgericht ist zwar davon ausgegangen, daß die Werksfeuerwehr auch außerhalb des Betriebes eingesetzt werden kann und auch eingesetzt wird. Bei solchen Einsätzen wird die Werksfeuerwehr der CWH, wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, aber nur als Gehilfin der Berufsfeuerwehr tätig, ohne damit deren Hoheitsaufgaben zu übernehmen. Es handelt sich alsdann nur um Hilfeleistung, nicht aber um Ausübung hoheitlicher Befugnisse.

Entgegen der Ansicht der Revision kann auch der Krankentransport durch Werksfeuerwehrleute nicht als eine Angestelltentätigkeit angesehen werden. Der Krankentransport selbst ist, wie das Berufungsgericht bindend festgestellt hat, überwiegend körperliche Arbeit. Daran ändert es auch nichts, daß der Werksfeuerwehrmann nach dem Vorbringen des Klägers während des Transports häufig krankenpflegerisch eingreifen muß. Selbst wenn hierbei Erste Hilfe zu leisten ist, kann diese nicht als so wesentlich angesehen werden, daß sie der Tätigkeit des Werksfeuerwehrmannes beim Krankentransport - oder gar der gesamten Tätigkeit des Werksfeuerwehrmannes - das Gepräge gibt, zumal die CWH für die Behandlung von Kranken und Unfallverletzten eine ärztliche Abteilung mit mehreren Ärzten unterhalten.

Schließlich werden Werksfeuerwehrleute auch von der Verkehrsanschauung der beteiligten Kreise, nämlich der Tarifpartner, nicht als Angestellte betrachtet. Werksfeuerwehrleute werden, wie das LSG unangefochten festgestellt hat, überwiegend als Arbeiter beschäftigt. Erst Oberfeuerwehrmänner der Werksfeuerwehren werden als Angestellte eingestuft, so auch bei den CWH. Zwischen dem Oberfeuerwehr- und dem Feuerwehrmann besteht aber nicht, wie der Kläger meint, nur ein Unterschied in der Berufsbezeichnung; denn nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat der Oberfeuerwehrmann im Rahmen seiner Befugnisse Führungsaufgaben wahrzunehmen, während der Feuerwehrmann die gegebenen Befehle und Anweisungen zu befolgen hat. Wer aber andere Arbeitnehmer zu leiten und anzuweisen hat, übt insoweit eine geistige Tätigkeit aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

BSGE, 123

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